Table Of Content© Springer Basel AG 1973
Ursprünglich erschienen bei Birkhäiser Verlag Basel und Stuttgart 1973
ISBN 978-3-7643-0688-5 ISBN 978-3-0348-5966-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5966-0
BETON· UND STAHLBETONBAU
Sonderdruckaus: Heft 6/1973 . Verlag Wilhelm Ernst&Sohn, 1000 Berlin 31
Steifickeit
von cerissenen Stahlbetonbalken
outer Torsion Dud Bie;:onc
Von Prof. Dr.-Ing. Bruno Thiirlimann und Dipl.-Ing. Paul Liichinger, Ziirich
DK 624.072.2:624.012.45 Stahlbetonbalken
DK 539.431.4 Torsion
DK 531.224 Biegung
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
Von Prof. Dr.-Ing. Bruno Thiirlimann und Dipl.-Ing. Paul Liichinger. Ziirich
1. Eiuleitung
Die Bestimmung des Bruchwiderstandes von Stahl- und Spann
Biegesteifigkeit: EI=M/dq:> = _ M
betonbalken unter Torsion sowie Torsion und Biegung ist in den dx w"
letzten Jahren weitgehend gekliirt worden (z. B. [1], [2], [3]). In der (1)
vorliegenden Arbeit werden die Steifigkeiten solcher Balken niiher dD =!..
Torsionssteifigkeit: GK= T/
untersucht. Ihre Kenntnis ist notwendig, urn das Verformungsver dx D'
halten unter Gebrauchslast und bis zum Bruch zu bestimmen und
die entsprechende konstruktive Ausbildung vorzunehmen. 1m gerissenen Zustand nach "Oberwindung der Zugfestigkeit des
Zur Kliirung der Begriffe ist es von Vorteil, zwischen der Gleich Betons tritt fur die Torsionssteifigkeit eine ziemlich plotzliche, fur
gewichts- und der Vertriiglichkeitstorsion zu unterscheiden. Die die Biegesteifigkeit eine progressive Abnahmll ein (Bild 2). 1m fol
Gleichgewichtstorsion tritt auf, wenn zum Gleichgewicht des Sy genden wird nicht versucht, fur jede Beanspruchungsstufe die Be-
stems Torsion notwendig ist. Werden in einer elastischen Analyse
die Torsionssteifigkeit, in einer plastischen Analyse der Torsions
widerstand vernachliissigt, so wird ein solches System unstabil. Die
Vertriiglichkeitstorsion (Zwangstorsion) tritt hingegen nur iufolge 61eichgewichfsforsion Verfrtiglichkeifsforsion
von Vertriiglichkeitsbedingungen (Zwiingen) auf. Wird sie vernach
liissigt, so findet das System immer noch einen Gleichgewichtszustand.
In Bild 1 sind entsprechende Beispiele dargestellt. Hinsichtlich Bruch
sfofisch
ist bei Gleichgewichtstorsion offensichtlich ein Torsionswiderstand
besfimmfe unmoglictr
notwendig. Hingegen kann hei Vertraglichkeitstorsion die Torsion
Trogwerke
in der Bemessung vernachliissigt werden. 1st jedoch ein Torsions
widerstand vorhanden, so tragt er zum Bruchwiderstand durch
Umlagerung der inneren Kriifte hei [4].
Fiir das Verhalten im Gebrauchszustand, d. h. fur die Berechnung
der Verformungen und die konstruktive Aushildung der Bewehrung
ist jedoch in beiden Fallen die Verteilung der Schnittkrafte, d. h.
sfofisch
der Torsions- und Biegemomente, und damit die Kenntnis der ent
sprechenden Steifigkeiten notwendig. unbesfimmfe
Trogwerke
2. Definition der Steifigkeiten
Fiir Stahibetonbalken im ungerissenen, elastischen Zustand gelten
die hekannten Beziehungen der Biegelehre fiir den geraden Stab1):
1) Die Be:£eichnungeo sind am Ende des Aufsatzes zusammengestellt. Bild 1. Torsion in atatillchen Systemen
2
Bruno Thiirlimann f Paul Luchinger
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
T Torsion M Biegung
I.~
I' Bruch Bruch
Eckelement:
gerissen
ungerissen
ungerissen
arclan.s;,
d,9-/dx
Bild 2. Last .. Verformungsdiagramme unterbewehrter Stahlbetonbalken ffir reine Torsion Bild 3. Raumliches Fachwerkmodell mit variabler Diagonalenneigung
und ffir reine Biegung
ziehung zwischen Last und Verformung herzustellen. Vielmehr wird 3. Theoretisehes Modell fiir gerissenen Zustand
als Steifigkeit fiir den gerissenen Zustand die Beziehung beim Er In [2] bzw. [3] wurde ein allgemeines Bruchmodell fiir die kom
reichen des FlieBmomentes herangezogen. Dadurch sind zum ersten binierte Beanspruchung Torsion und Biegung hergeleitet. Dasselbe
die beiden Abgrenzungen "ungerissener Zustand" und "FlieBbeginn" ist in Bild 3 dargestellt. Es handelt sich um ein riiumliches Fach
hergestellt. Zum zweiten kann zur Bestimmung der Steifigkeit bei werk mit in den Ecken konzentriert gedachter Liingsbewehrung als
FlieBbeginn das Fachwerkmodell herangezogen werden, welches Gurtungen, den BugeIn als Pfosten und den Betondiagonalen als
frillier fiir die Berechnung des Bruchwiderstandes benutzt wurde. Streben. Die Idealisierung einer verteilten Liingsbewehrung zu ein
Somit wird folgende Definition der Steifigkeit verwendet: zeInen Gurtstiiben erfolgt so, daB die statischen Momente bezuglich
FlieBmoment der Achsen y und z unveriindert bleiben. Der Winkel IX ist ver
Steifigkeit: S = =:-.- :-7".- --:--- (2) iinderlich und betriigt im Bruchzustand im allgemeinen nicat 45°.
Emheltsverformung
Er stellt sich so ein, daB nach einer Kriifteumlagerung auf dea maB
1m weiteren wird es sich zeigen, daB - entgegen dem ungerissenen gebenden Seiten sowohl die Bugel als auch die Liingsstiibe flieBen.
Bereich - die Torsions- und Biegesteifigkeit nicht unabhiingig von
U m die £iir die Berechnung der Spannungen notigen Gleichungen
einander sind. Sowohl die spezifische Verdrehung als auch die Kriim
aufzustellen, wird zuerst das in Bild 3 herausgegriffene Eckelement
mung setzen sich aus einem Torsions- und einem Biegeanteil zu
betrachtet. Daran laBt sich mit Hille der Gleichgewichtsbedingungen
sammen:
zeigen, daB im FaIle eines konstanten Querschnittes fur konstantes
Spezifische Verdrehung: Torsions-und Biegemoment der SchubfluB S = T • t liber alle Wiinde
dB- 1) konstant ist und die folgende Beziehung gilt:
T (
-=--= ITT+-fTM T (3)
dx ST(") " Bk
Kriimroung : tan IXk = S . Sk (8)
ddIxP = SMM( le) = (leIMT + IMM) M (4) Die Gleichgewichtsbeziehungen an einem Schnitt rechtwinklig zur
Balkenachse liefern die restlichen Grundgleichungen. Sie lauten:
mit dem Verhiiltnis Torsion/Biegung:
,,= (9)
TIM. (5)
sprDuacrhiunn bgesdaretu, teanb hSiTin(lgei)g ed ieT oimrs ioalnlsgsetmeiefiignkeeni tv, onS M",( "d) . hd.i ed eern Btseparne T = S ~ rk • ak = 2 Fo • S (10)
chende Biegesteifigkeit. 1m Sinne der Baustatik sind es nicht eigent
liche Steifigkeiten, welche KraftgroBen infolge von Eiuheitsverfor (ll)
mungen entsprechen. Es scheint daher verniinftig, Verformungs
koeffizienten I einzufiihren, welche die Verformung infolge einer
Eiuheitslast angeben. So bedeutet zum Beispiel ITT die Verdrehung (12)
(erster Zeiger T) infolge des Torsionsmomentes T = 1 (zweiter Zei
ger). Fiir ein homogenes elastisches Material sind die Verformungs
koeffizienten I unabhiingig von der Art der Beanspruchung ". Ein
(13)
Stahlbetonquerschnitt jedoch zeigt unstetiges, iuhomogenes Verhal sin IXk
ten, da der Beton auf Zng ausfiillt. Somit sind im allgemeinen Fall
die Verformungskoeffizienten auch von " abhiingig. Die Definition der Verformungskoeffizienten nach den GIn. (3)
Fiir die Herleitung der Verformungskoeffizienten wird das Prin und (4) erlaubt die Vereinfachung, daB fiir die Arbeitsgleichung nur
zip der virtuellen Kriifte herangezogen. Es lautet: Wird einem vir die Beanspruchungen einerseits aus Torsion allein und andererseits
tuellen Gleichgewichtssystem eine Verschiebung erteilt, so ver aus Biegung allein bekannt sein mussen. Zudem wird fur reine Tor
schwindet die Summe der Arbeiten der iiuBeren und inneren Kriifte: sion bis zum FlieBbeginn die Diagonalenneigung im Fachwerk zu
45° angenommen. Mit tan IX = 1 und nach Einsetzen von Gl. (8) in
(6)
GI. (10) ergibt sich die Biigelspannung zu:
Wird als Gleichgewichtszustand ein passender, fiktiver Belastunga
zustand (BZ, Spannungen a) gewiihlt, und ist die Verschiebung iden T·Sk (14)
tisch mit der wirklichen Verformung des Systems (Verschiebungs (fBk = 2 Fo • FBk
zustand VZ, Dehnungen e), so liefert die Arbeitsgleichung die ge
Die GIn. (9) und (10) eingesetzt in Gl. (ll) sagen aus, daB bei liber
suchte Verformung des Systems. Mit diesen Bezeichnungen lautet
die Arbeit der inneren Kriifte: den Umfang konstantem tan IX = 1 die Resultierende aller Langs
A, = - J e . a . d V (7) zanllge kSriuifmtem Zen, idme rS Lchinwgeernp ujnek ztw deeise rU bmenfaancghebsa, rItIe. r= S1e:i taekn, glileegicth. FgarollBs
3
Bruno Thiirlimann I Paul Liichinger
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
w.-----,------,----,-.------,-----,------,------,-----,
Mpm
71, 1-----+----+
r. '-'-0 ~r
72 f------+------((o~..,.,.=--'T, 2
~ K"'~ W;H_--°t-~i,---·l······~ ~', i,,,,~g
m",g;oo
10 __ "'_m -+------1
r, T2 TJ
[J [J [J
,-=
Bild 4. Syrnmetrischer Rechteckquerschnitt
er---t----
Verschiebungszusland VI: 8elaslungszusland 81: arctan ST
5 5
d.;)./dx-
Bild 6. Verdrehungen der Balken T, his T4 [7]
Diese Gleichungen gelten fiir einen allgemeinen Querschnitt. In
- T's
E ___S _k_ k dieser Arbeit sollen sich die Ausfiihrungen jedoch auf einen zur
Bk -2Fo 'Fek ·f. aBk = 2Fo'Fek z-Achse symmetrischen Rechteckquerschnitt nach Bild 4 beschriin
u a. =..J:JL ken. An diesem konnen die Spannungen in den unteren bzw. oberen
Eli = 2fo,.N .rI;I . . f e LJ 2fo·N '~i Gurtstiiben sofort ermittelt werden:
- T
Ebk=--n-- abK=---- M
Fa '!k ·f. Fa 'Ik (23)
dVBk =~dx d~i = F; 'dx dVb = ak 'fk 'dx und analog
Sk
Bild 5. Verschiebungs~ und Belastungszustand zur Berechnung M
der spezifischen Verdrehung d& aLa = - 2 ho . Fa (24)
4. Verformungeu im gerissenen Zustand
4.1 Reine Torsion
sind (z. B. Rechteck, regelmiiJ3iges Vieleck), sind auch aIle Liingszug Zur Bestimmung der spezifischen Verdrehung werden folgende
kriifte Zi gleich groB. Die Spannungen im i-ten Gurtstabe des Annahmen getroffen:
N-Eckes folgen somit aus GIn. (9) und (10): 1. Der VoIlquerschnitt wird im gerissenen Zustand durch einen Hohl
querschnitt ersetzt, dessen Wanddicke t dem kleineren der beiden
T· u Werte
(15)
aLi = 2 Fo . N· F;
t = d/6 und t = do/5 (25)
Die mittige Betonspannung infolge der Strebenkraft D/c in den entspricht. d bzw. do bezeichnen den Durchmesser des Kreises,
Druckdiagonalen lautet: der in die Querschnittsfliiche bzw. in die von den Liingsstiiben
T umschriebene Fliiche Fo eingeschrieben werden kann.
able = - ----- (16)
tk . Ule • cos 0<1e 2. Die in [7] beschriebene Verwindung der Schubwiinde und die dar
aus resultierenden Biegespannungen in den Betondiagonalen wer
Unter Verwendung der GIn. (10) und (13) geht Gl. (16) fiir 0< = 45° den vernachliissigt.
iiber in:
3. Der E-Modul des Betons wird dem Anfangsmodul gleichgesetzt.
T
(17) Anhand der in Bild 5 aufgefiihrten Dehnungen aus dem Verschie
Fo' tie
bungs- und den Spannungen aus dem Belastungszustand errechnet
Wird die orthogonale Biigelbewehrung durch eine unter 45° ge sich die innere Arbeit mit Gl. (7) wie folgt:
neigte sog. Spiralbewehrung ersetzt, dann lassen sich die Spannun
gSepna nmnuitn igi hinnl idcehre nS pGilreailcbhegweewhircuhntgs bfeotlrgatc:h tungen bestimmen. Fiir die Ai = - 4 FoT2· - Ee (LS -k FB. ka k + Nu22 L F1 ; + 4 n L -Utkk ) dx (26)
T· e Mit der Arbeit der iiuBeren Kriifte Aa = T . d# lautet der Ver-
as =2Fo.Fs (18) formungskoeffizient nach Gl. (3):
und fiir die Betonspannung: 1 (Sk . ak u2 1 Uk)
iTT = 4 Fi5' Ee \L FBk + N2 L F; + 4 n L t,; (27)
T
able = - 2 Fo' tk (19) Die Berechnung der Verdrehung nach Gl. (27) ist ziemlich auf
wendig. Friihere Untersuchungen an den in [7] und [8] beschrie
Da fiir reine Biegung (Querkraft Q = 0) der SchubfluB S ver
benen Versuchen zeigten, daB die Verdrehung unter der Annahme
schwindet, reduziert sich das Gleichungssystem GIn. (8) bis (13) auf:
von unendlich starren Betondiagonalen noch geniigend genau erfaBt
N = L Z; (20) wird. Der Fehler, der durch diese Vernachliissigung entsteht, liegt
L bei normalbewehrtem Querschnitt bei 10%. Zudem weisen die
My = Zt 'Zt (21)
Versuche mit zum Teil iiber den Umfang ungleichmaBig verteilter
L
Mz = - Zi' Yi (22) Langs- und Biigelbewehrung (vgl. Bild 6) darauf hin, daB bis zum
4
Bruno Thiirlimann / Paul Liichinget
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
r-Mittel 7.02 Verschiebungszustande VI: Belastungszustande BI:
72 72 . Variations-
koeffizient a) b) c) d)
70 70 I 76.2 % T=l M=l r M
r
1'"3 B -'c": B ~----"'(1..r>-~~~
~ ~
~ Mittel 7.26 ~ d~ d~ M
~ 6 Variations - ~ 6
~ koeffizient ~ y /~> y /~"X Y z71- Y z x
"t::s 4 70,B% :c: ,;
~
I ~ = - '.Sk
"-= 2 "-= 2 EBk 2Fa S'!ko k ·E. °Bk =2Fa- '-Fak-
I~~ u 1 - r·U
·r.
Ela =-2ho ·E. ala = BFo 'Fa
0 7.00 7,25 1,50 0 0.75 1.00 7,25 1.50 u 1 _ '·u
S,IS[xp- S,IS[xp - Elu = Bfa .f. ·E. Elu = 2ho'li ·E. alu =B fa 'F"
Bild 7. Vergleiche der experimentellen Steifigkeit mit Gleichung (30): Bild 8. Verschiebungs- und Belastungszustande zur Berechnung d~r Verformungs
aj Versuche aus Ziirich [7], [8] koeffizienten
b) Versuche aus Stuttgart [9], Nebraska [10], Morgantown [11] und Skokie [12]
FlieBen die Verdrehung hauptsachlich durch den gesamten Beweh 4.2 Torsion und Biegung
rungsgehalt beeinfluBt wird, Mit Wie in Abschnitt 3 kurz erwahnt wurde, wird die Herleitung der
Verformungskoeffizienten bei kombinierter Belastung auf einen zur
FBlc' ak '2,Fi
ftB = '2, --- und ftL = -- (28) z-Achse symmetrischen Rechteckquerschnitt beschrankt. Dessen
Sk' Fo Fo obere Gurtstabe werden unter Torsion auf Zug beansprucht,
und mit n = 0 kann fiir kleine Variation von FBic/Sk und Fi die wahrend das Biegemoment My oben Druck erzeugt. Das Inter
Bestimmung des Verformungskoeffizienten vereinfacht werden: aktionsdiagramm Torsion-Biegung wird wie in [6] in zwei Bereiche
+ eingeteilt, die durch die Bedingung eo = 0 getrennt werden. Vnter
iTT = -F-au -2. -. -(ft-B' --f-tL-) (29) Verwendung der GIn. (15) und (24) entspricht diesem Ubergang fol
4 Ee ftB . ftL gendes Verhaltnis von Tor"SimtsJ zu Biegemoment:
oder umgeschrieben als "Steifigkeit" bei reiner Torsion (M = 0; x* = -T* =4- b-o (34)
u = 00): M* u
(30) Bei iiberwiegender Torsion (u> u*) wird sich das Fachwerk auf
allen Querschnittsseiten ausbilden. Bei vorwiegender Biegung (u < u*)
hingegen bleibt die obere Seite iiberdriickt. Das Fachwerkmodell
In Bild 7 werden die nach GI. (30) berechneten Steifigkeiten mit
trifft fiir diese Seite nicht mehr zu. Dieser Vnterschied beeinfluBt
Versuchen verglichen. Die Ziircher Versuche sind getrennt aufge
die Kriimmung wesentlich.
fwt, weil bei ihrer Auswertung die Endlast verwendet wurde, die Uberwiegt in dem zu untersuchenden Trager die Torsion (u > u*),
sich nach einem Zeitabschnitt mit konstant gehaltener Verformung
so dient zur Formulierung der Verformungskoeffizienten JMT und
eingestellt hatte. Die experimentelle Steifigkeit ist aus dies em Grunde
JMM wiederum die Arbeitsgleichung.
kleiner, als wenn der Verdrehung die Anfangslast zugeordnet wird.
Nach Bild 8 wird fUr den Verformungskoeffizienten JMT der Be
ErwartungsgemaB wird mit den in diesem Abschnitt getroffenen An
lastungszustand if (Bild 8 (d» mit dem Verschiebungszustand dtp
nahmen die Steifigkeit bei FlieBbeginn iiberschatzt. Beriicksichtigt
infolge T = 1 (Bild 8 (a» kombiniert. Mit m = Fu/Fo und den
man aber, daB, wie Bild 2 zeigt, die wirkliche Steifigkeit bei Ge
GIn. (6) und (7) fiihrt die Berechnung von JMT zu:
brauchslast infolge der Ubergangsphase yom ungerissenen in den
gerissenen Zustand groBer ist, so diirfte GI. (30) fiir die meisten Falle u (m - 1)
geniigen. JMT= - ._-- (35)
8ho·Fo·Ee Fu
Analog dem orthogonal bewehrten Trager kann die Verdrehung
eines spiralbewehrten Tragers untersucht werden. Nach den GIn. (18) Aus der Anwendung der Arbeitsgleichung geht zudem hervor, daB
und (19) und mit dVs = Fs' u/e . dx und dVb = U' t· dx laBt sich fTM = JMT sein muB (Satz von Maxwell). Analog zu JMT laBt
die innere Arbeit anschreiben: sich der Verformungskoeffizient fiir reine Biegung JMM bestimmen:
If' (e 1) (m + 1)
Ai = - 4 F (1 Eb n' F s + t dx (31) JMM = 2 hJ . Fu' Ee (36)
Mit der in [5] eingefiihrten Definition fts = Fs/e' t folgt fiir die Da infolge der Annahme u> u* die Werte u = T/M groB wer
"Steifigkeit" im gerissenen Zustand: den konnen, fiihren die GIn. (3) und (4) zur Erkenntnis, daB beson
ders die Kriimmung verandert wird. Hingegen wird die spezifische
1 4 Fij n' fts
ST = - = --. --+ --. Eb (32) Verdrehung durch ein zusatzliches Biegemoment nur wenig beein
iTT u/t (1 nfts) f1uBt. Diese Feststellung wird durch die in 4.1 getroffene Aussage
bestatigt, wonach die spezifische Verdrehung weniger durch die
Wird Fo der durch die Wandmittellinie umschlossenen Flache
Verteilung der Langsstabe als vielmehr durch den gesamten Langs
gleichgesetzt, und ist die Wanddicke t iiber den Vmfang konstant,
bewehrungsgehalt bestimmt wird. Fiir gleichmaBig verteilte Langs
so entspricht der erste Multiplikator in GI. (32) der Torsionskon
stabe (m = 1) wird jedoch der Verformungskoeffizient JTM zu Null.
stanten K des homogenen Querschnittes. Falls zusatzlich die Quer
dehnungszahl vernachlassigt wird, folgt mit G = Eb/2: Damit laBt sich der Vorschlag rechtfertigen, die Bestimmung der
Verdrehung nach GI. (29) bzw. die Torsionssteifigkeit nach GI. (30)
auch auf diesen Bereich gemischter Beanspruchung auszuweiten und
(33) sie als konstant anzusehen.
Fiir die nachfolgende Uberlegung interessiert im weiteren die
Diese Gleichung stimmt mit der in [5] gefundenen Beziehung iiber Krummung bei kombinierter Beanspruchung TIM = u*. Vnter
em. Verwendung der GIn. (4), (34), (35) und (36) folgt sie fur M = 1 zu:
5
Bruno Thiirlimann / Paul Liichinger
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
15,0 2,0
Mpm X<;k* x >x*
eo> 0
12.5 T; X= 0) 1,5
r
TBI " =0.86 r~
o TB; ;k =0.46 ~ 1,0
&./
'- 7.5 .-c>- ~- --<>- -~0 -'<0 + ~ =1
f-
TB] &./ '< 0,5 --•o hvaofl)lf 0 = 3
-0 -0
0
5,0
2.5 0 0,25 0,50 0,75 1,00
-T- =;k ---
T+M ;k+ 1
0 Bild 11. Vergleich der Kriimrnungen aus Theorie und Versuch £13]
d~/dx-
BiJd 9. Vergleich der Verdrehungen fUr gleichen Querschnitt, aber mil variablem Vt"r·
hiiltnis ,,~ TIM [7]. [13]
Spannstahl Betonstahl
20000
y ,J, PZ.1 t
kplcm1 I I
25 .,J, Pz,0.1 ~ ~
Mpm 15000 12 --- knaalttuvrehra fo rtrm !
20 TB68 l-;k- -=- 0; ;-:T;rBr) -'X- -= 0-.-25- ----._- t .-~zv"''ViJPz'.1 r\
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I ,;1 l/ Tr1" ,,=G,BL 5000 § \500O rr1 ---. --;..--
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F/, V © FliefJbeginn0 Bewehr-ung- o 2 ~L".' o- /.-.-2 4 %6
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5 r
Bild 12. Spannungs~Dehnungs-Diagramme fiir Spannstahl und Betonstahl
I I
o 2 6 B 1D-10] m 1 12
dp/dx -- Die Bilder 9 bis 11 vergleichen die theoretischen Ergebnisse mit
Versuchsergebnissen. Bild 9 veranschaulicht die Unabhiingigkeit der
Bild 10. Vergleich der Kriimmungen fur gleichen Querschnitt, aber mit variablem Ver spezifischen Verdrehung von ", wiihrend Bild 10 klar zum Ausdruck
hiiltnis " ~ TIM [13]
bringt, daB die Kriimmung mit zunehmender Torsion zunimmt. In
Bild 11 wird versucht, die Unterschiede zwischen Versuch und
Theorie auch quantitativ abzuschiitzen. Dabei werden die Kriim-
(37) mungen auf den rechnerischen Wert fUr reine Biegung [dIP]
dx T~O
bezogen.
1m Bereich mit iiberwiegender Biegung (" < ,,*) sind die Stau
Schliel3lich soll noch das Verformungsverhalten vorgespannter
chungen der Betondruckzone nicht mehr zu vernachliissigen. Zudem
Triiger im gerissenen Zustand untersucht werden. Die Verformungen
trifft die Annahme eines 45°-Fachwerkmodells in der Biegezugzone
diirfen denjenigen eines schlaff bewehrten Ersatzquerschnittes gleich
beim Ubergang zu reiner Biegung kaum noch zu. Es fiihren jedoch
gesetzt werden, wenn die Arbeit der Zugkriifte der einzelnen Gutt
folgende Uberlegungen zu einer brauchbaren Losung. Die Ergebnisse
stiibe gleich ist:
der Versuche in [13] erlauben die Feststellung, daB die Verdrehung
auch in diesem Bereich nur unwesentlich yom Biegemoment beein Zz . Llsz • dx = Ze • ee . dx (40)
fluBt wird. Andererseits rechtfertigt Gl. (4) die Annahme, die Kriim
,,*
mung linear mit" zu variieren. Fiir die Grenzfiille" = 0 und" = Darin entspricht die zusiitzliche Dehnung des Spannstahles Llsz, aus
ist die Kriimmung bekannt. In Anwendung der GIn. (4) und (37) gehend von der Vorspannung (azv"'" 2/3 flz;z), ungefiihr der FlieB
lauten fMM und fMT somit: dehnung von Betonstahl (vgl. Bild 12). Urn die Bedingung (40) zu
erfiillen, miissen demzufolge die FlieBkriifte gleich groB sein:
1
fMM=- (38)
EIger flz; 0,2 • Fz = fle; 0,2 • F. (41)
und
Fiir die Untersuchung des Verformungsverhaltens wie auch fiir
~-1 die Bestimmung der Bruchlast vorgespannter Balken darf also der
h3' Fu schlaff bewehrte Querschnitt mit gleicher FlieBkraft der Gurt
fMT = *. EI (39) stiibe als Ersatzquerschnitt herangezogen werden. Diese Erkenntnis
" geT
wird durch den Vergleich zweier Versuche an einem schlaff bewehr
EIger steht fiir die nach der Stahlbetontheorie bestimmte Biege ten und an einem vorgespannten Triiger mit anniihernd gleicher
steifigkeit im gerissenen Zustand. FlieBkraft in Bild 13 bestiitigt.
6
Bruno ThiirIimann I Paul Liichinger
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
Darin bedeutet Elyer die Biegesteifigkeit fiir reine Biegung berech
ur----------,r-------~_r_~-_-_~~~--=~--~--------~
Mpm net nach der Stahlbetontheorie. Die Formulierung einer "Biege
70 1---------,I-"f--+-----_4___ scDhlott bewehr f sBtieeigfieg-kaelist "a uSMch( Uv)o mwi rTdo vrseiromnisemdoenm,e wnte ial bdhiiei nKgtr.i immung sowohl vom
TBI f73J Bezeichnungen
D Liingen, Fliichen, Querschnittswerte
ak Seitenliinge der k-ten Querschnittswand
'- vorgesponn
bo Breite des Rechteckquerschnittes bezogen auf die Ecklangs-
4~~~----~---------4 stiibe
-- TBg f8J e Abstand der Spiralstiibe
f Verformungskoeffizient (Zeiger siehe Abschnitt 2)
ho Hohe des Rechteckquerschnittes bezogen auf die Eckliings
stabe
@ Fliefibeginn Bewehrung
rk Hebelarm des Schub£lusses
Biigelabstand in der k-ten Querschnittswand
2 8
Wanddicke
d.3-/dx L
u Umfang des Querschnitts, u = ak
Bild 13. Vergleich der Verdrehungen eines vorgespannten und eines ISchlaff bewehrten w Durchbiegung
Tragers mit anniihernd gleicher FJieJ3kraft der Langsstiibe [8], (13]
x,y,z Koordinatenachsen
Fo Fliiche, die durch die Verbindungslinie der Eckliingsstiibe
umschlossen wird
5. Zusammenfassung FBk Biigelfliiche in der k-ten Querschnittswand
Fi Querschnitt des i-ten Gurtstabes
Mit Hilfe des Prinzips der virtuellen Krafte und dem in [2] und [3]
Fo•u Querschnitt eines oberen bzw. unteren Gurtstabes
entwickelten Fachwerkmodell werden theoretische Ansatze sowohl
Fs Querschnitt der Spiralbewehrun!!;
der spezifischen Verdrehung als auch der Kriimmung von Stahl-und
El Biegesteifigkeit (homogen)
Spannbetonbalken im gerissenen Zustand hergeleitet_ Theoretische
Elyer Biegesteifigkeit (gerissen, Stahlbetontheorie)
Uberlegungen und Versuchsergebnisse lassen folgende Vereinfachun
GK Torsionssteifigkeit (homogen)
gen zu_ Die Verdrehung kann an einem Ersatzquerschnitt mit iiber
ST (u) Torsionssteifigkeit (gerissen)
den Umfang gleichmaBig verteilter Bewehrung und ohne Beriick
SM(U) Biegesteifigkeit (gerissen)
sichtigung der Stauchung der Betondruckdiagonalen bestimmt wer
den. Unter kombinierter Beanspruchung darf die Verdrehung im
ganzen Interaktionsbereich derjenigen fiir reine Torsion gleichgesetzt Kriifte und Momente
werden. Hingegen beeinfluBt ein zusatzliches Torsionsmoment die Aa Arbeit der iiuBeren Kriifte
Kriimmung wesentlich. Dabei sind grundsiitzlich zwei Bereiche zu Ai Arbeit der inneren Kriifte
unterscheiden. Uberwiegt Biegung (u < u*), so wird die Kriimmung Bk Biigelkraft in der k-ten Querschnittswand
durch die Torsion vergroBert. Fiir u> u* erzeugt das Torsions Dk Diagonaldruckkraft in der k-ten Querschnittswand
moment in einem fiir Biegen bewehrten Querschnitt (Fu> Fo) M Biegemoment
groBere Dehnungen in der oberen Liingsbewehrung und damit eine N Normalkraft
negative Kriimmung. Ein Vergleich mit Versuchsergebnissen be S Schub£luB
statigt die aus der Theorie gezogenen Schliisse. Zusammenfassend T Torsionsmoment
kann fUr die Verformungen im gerissenen Zustand ausgesagt werden: Zi Zugkraft des i-ten Gurtstabes
Spezifische Verdrehung:
d-& F estigkeitswerte, Spannungen
dx =/TT' T {ie;o.2 Streckgrenze Betonstahl
{iz;O.2 Streckgrenze Spannstahl
mit dem Verformungskoeffizienten:
ab Betonspannung
+
u2 (!1B !1L) ae Spannung im Betonstahl
/TT= .-"--------'-----'-
4 FJ . Ee !1B . flL . aBk Biigelspannung in der k-ten Querschnittswand
aLi Spannung im i-ten Gurtstabe
Da die spezifische Verdrehung von einer zusiitzlichen Biegebeanspru
aLo Lu Spannung im oberen bzw. unteren Gurtstab
chung praktisch nicht beeinfluBt wird, kann auch unmittelbar die
as Spannung in der Spiralbewehrung
Torsionssteifigkeit angeschrieben werden: az Spannung im Spannstahl
1 4 FJ . Ee E Elastizitiitsmodul
ST=-=--~- G Schubmodul
ITT u2
Die Kriimmung folgt zu: Verformungen, Winkel
dq.> + Neigung der Druckdiagonalen gegeniiber der Balkenachse
dx = (u' fMT fMM) . M , Dehnung
Dehnung der oberen Gurtstiibe
mit den Verformungskoeffizienten: q.> Neigung der Tangente an die Biegelinie
(m + 1) -& Verdrehung
u> u* fMM = 2 hO2 ' Fu'E e '
Dimensionslose Parameter
u .(_m ---1)
fMT= m Verhiiltnis des unteren zum oberen Liingsbewehrungsquer-
8 ho' Fo' Ee
schnitts: m = FulFo
1 n Wertigkeit: n = EelEb
u < u* fMM =E- y-' u Verhiiltnis Torsionsmoment zu Biegemoment: u = TIM
yer
u* Verhiiltnis u fiir eo = 0
~-1 !1B Bewehrungsgehalt Biigel
hil . Fu !1L Liingsbewehrungsgehalt
fMT = *. El . p's Spiralbewehrungsgehalt
" ger
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Bruno Thiirlimann /Paul Liichinger
Steifigkeit von gerissenen Stahlbetonbalken unter Torsion und Biegung
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