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rauf es als „State-of-the-Art“ in der gegenwärtigen Fachdiskussion oder in der Pra-
xis ankommt, komplett mit Zusammenfassung und aktuellen Literaturhinweisen.
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Essentials: Wissensbausteine aus Wirtschaft und Gesellschaft, Medizin, Psycho-
logie und Gesundheitsberufen, Technik und Naturwissenschaften. Von renommier-
ten Autoren der Verlagsmarken Springer Gabler, Springer VS, Springer Medizin,
Springer Spektrum, Springer Vieweg und Springer Psychologie.
Rüdiger Voigt
Staatliche Souveränität
Zu einem Schlüsselbegriff
der Staatsdiskussion
Rüdiger Voigt
Netphen
Deutschland
ISSN 2197-6708 ISSN 2197-6716 (electronic)
essentials
ISBN 978-3-658-13180-7 ISBN 978-3-658-13181-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-13181-4
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Was Sie in diesem essential finden
können
• Begriffsgeschichte und Bedeutung der Souveränität für den Staat des 21. Jahr-
hunderts
• Herleitung von drei Typen von Souveränität: Parlamentssouveränität, Rechts-
bzw. Verfassungssouveränität, (direkte) Volkssouveränität
• Analyse der nationalstaatlichen Souveränität im Zeichen von Globalisierung,
Internationalisierung und Europäisierung
• Darstellung der Auswirkungen des globalen Finanzkapitalismus auf die natio-
nalstaatliche Souveränität
• Kritik der Übertragung vom Kernkompetenzen an die Europäische Union bei
gleichzeitigem Souveränitätsverlust der Mitgliedstaaten
• Kritische Stellungnahmen und Ablehnung der Souveränität als vorgeblich rück-
ständig, überholt bzw. undemokratisch
• Kontroverse zwischen Universalisten, Nationalisten und Partikularisten
• Ansatzpunkte zu einer Erneuerung der Volkssouveränität im demokratischen
Rechtsstaat
V
Vorwort
Souveränität bedeutet das Recht zur Letztentscheidung sowohl nach innen wie
nach außen. Die staatliche Souveränität ist unteilbar. Angesichts der zwischen-
staatlichen Konflikte in Europa und in der ganzen Welt liegt der Schwerpunkt der
Diskussion zumeist allerdings auf der äußeren oder außenpolitischen Souveränität.
Es gibt aber auch schwerwiegende innerstaatliche Konflikte, die sich bis zum Bür-
gerkrieg steigern und die Souveränität bedrohen können. Kommt es zum Bürger-
krieg, wird dieser oft von Nachbarstaaten weiter angeheizt, wie z. B. in Syrien. Bei
einem Staatsnotstand muss die Regierung besondere Maßnahmen zum Schutz des
Staates und seiner Bürger ergreifen (Voigt 2013). In einer solchen Situation gilt der
Satz Carl Schmitts (1888–1985): „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand
entscheidet“ (Schmitt 1922, S. 11). Diese überaus pointierte Botschaft hat Schmitt
in seiner Schrift „Politische Theologie“ verkündet und damit die Diskussion um
die Souveränität erheblich beeinflusst. Schmitt zufolge besteht das Wesen aller
Politik in der souveränen Entscheidung.
Jeder Eingriff durch das Bundesverfassungsgericht in die innerstaatliche Sou-
veränität, verkörpert durch den demokratischen Gesetzgeber, wird in der Öffent-
lichkeit heftig diskutiert. Dem stehen auf der anderen Seite Kompetenzabtretungen
und -verlagerungen an europäische und andere supranationale sowie internationale
Institutionen gegenüber, welche die äußere (aber auch die innere) Souveränität der
Nationalstaaten z. T. drastisch einschränken. Diese Institutionen entwickeln – weit
über den Buchstaben der europäischen Verträge hinaus – eine Eigendynamik, die
insbesondere die nationalen Parlamente zu bloßen Erfüllungsgehilfen zu degradie-
ren scheint. Zentrale Bereiche der Souveränität, wie Währungspolitik, Bankenauf-
sicht und weite Teile der Finanzpolitik sind auf die EZB übergegangen. Auch die
EZB kann ihre Entscheidungen allerdings nur mit Zustimmung (oder Duldung) der
Regierungen der wichtigsten Mitgliedstaaten und im Rahmen der vom globalen
VII
VIII Vorwort
Finanzsystem gesetzten Bedingungen treffen, die sie oft genug vor sich her treiben,
sie ist daher selbst auch nicht vollständig „souverän“.
In den Nationalstaaten treten zudem Akteure auf den Plan, die eine staaten-
übergreifende Ideologie durchzusetzen versuchen. Unter Berufung auf die Men-
schenrechte verpflichten sie Regierungen und Parlamente zu Entscheidungen, die
von der Mehrheit des Volkes nicht verstanden und oft auch nicht gebilligt werden.
Beispiele finden sich etwa in den verpflichtenden Lehrplänen für Schulen, in denen
ein Bild von der Gesellschaft und der Sexualität (vor-)gezeichnet wird, das allen-
falls eine Minderheitsposition wiedergibt. Diese selbsternannten Eliten betrachten
das Volk als unmündig und maßen sich an, zu wissen, was die Menschen wollen
(sollen). Damit wird zugleich die Volkssouveränität als ein „Relikt aus vergange-
nen Zeiten“ aus den Angeln gehoben. Der Begriff der Volkssouveränität unterliegt
dabei offenbar einem „kollektiven Verdrängungsprozeß“ (Maus 2011, S. 22). Me-
dien und selbsternannte Experten maßen sich an, die Nachfolge des Volkes an-
getreten zu haben. Tatsächlich stehen aber Menschenrechte und Volkssouveränität
nicht „etwa (wie ein heute geläufiges Mißverständnis besagt) in einem Verhältnis
der Konkurrenz, sondern der wechselseitigen Optimierung“ (Maus 2015, S. 137).
Es scheint so, als ob der Grund für die Ablehnung der Volkssouveränität in einer
Demokratietheorie (sowie in einer Politik) zu suchen ist, die von einem latenten
Misstrauen gegenüber dem Demos geprägt ist. „Der unbeschränkte Gebrauch der
‚vorstaatlichen Rechte‘ dieses Souveräns gilt nahezu all ihren Vertretern als hoch-
gradig suspekt“ (Abromeit 1999, S. 19).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 Zwei Grundtypen der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3 Grundlagen der Souveränitätsdiskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
4 Das Westfälische Staatensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
5 Von der Souveränität der Nation zur Volkssouveränität . . . . . . . . . . . 13
6 Formen der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
6.1 Parlamentssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
6.2 Rechts- und Verfassungssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
6.3 V olkssouveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
6.4 W elche Souveränität hat Vorrang? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
7 U niversalismus versus Partikularismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
8 K ritik der Souveränität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
9 A uf dem Weg zu einer neuen Souveränität? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
Was Sie aus diesem essential mitnehmen können . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
IX
Einleitung 1
„Von allen juristischen Begriffen ist der Begriff der Souveränität am meisten von
aktuellen Interessen beherrscht“ (Schmitt 1922, S. 25). Er ist daher in jeder Epo-
che neu zu bestimmen. „Letztlich ist die Souveränität stets die Antwort auf eine
bestimmte historische Problemlage“ (Häberle 1967, S. 265). Bei der Lösung aktu-
eller Probleme kann daher nur bedingt auf Souveränitätskonzepte zurückgegriffen
werden, die aus vergangenen Jahrhunderten stammen. Zu unterschiedlich sind die
Voraussetzungen für staatliches Handeln. Dennoch gibt es einige Kernbestandteile
der Souveränität, die ihre Gültigkeit auch über die Jahrhunderte behalten haben. Es
lohnt sich daher, auf die Souveränitätskonzepte früherer Staatsdenker zuzugreifen,
um diese Kernbestandteile herauszuarbeiten. Dabei ist die Souveränitätslehre des
französischen Parlamentsjuristen Jean Bodin (1529–1596) von besonderer Rele-
vanz (Grimm 2009, S. 16 ff.).
Souveränität leitet sich als Begriff von dem französischen Wort „souveraineté“
ab, das um das Jahr 1000 erstmals in einer Urkunde erwähnt wird, es bedeutet die
höchste und unteilbare Staatsgewalt. Der souveräne Staat ist „Träger der existen-
tiell wesentlichen politischen Entscheidungen“ (Schmitt 1927, S. 65). Es ist das
unteilbare und unveräußerliche Recht zur Letztentscheidung sowohl nach innen
wie nach außen. Dabei handelt es sich also um einen doppelten Souveränitäts-
begriff als Ausdruck sowohl der innerstaatlichen als auch der zwischenstaatlichen
bzw. internationalen Ordnung (kritisch: Haltern 2007, S. 9). Nach wie vor gilt je-
doch: Souverän ist nur, wer allein und letztverbindlich über das Wohl und Wehe
seiner Bürger und Bürgerinnen entscheidet und hinsichtlich seiner Machtbefug-
nisse niemandem unterworfen ist (Grimm 2007, S. 71). Dazu gehören Entschei-
dungen über Strafe und Begnadigung, Währung und Steuern, über Beitritt oder
Verlassen von Bündnissen, über Stärke und Bewaffnung der eigenen Streitkräfte,
über die Stationierung fremder Truppen auf eigenem Territorium und letztlich über
Krieg und Frieden. Bei der Souveränität geht es um die Einheit der Staatsgewalt
© Springer Fachmedien Wiesbaden 2016 1
R. Voigt, Staatliche Souveränität, essentials, DOI 10.1007/978-3-658-13181-4_1