Table Of ContentStaatenkooperation in der EU
und darüber hinaus
Danuta Kneipp . Eckart D. Stratenschulte
(Hrsg.)
Staatenkooperation in
der EU und darüber hinaus
Leske + Budrich, Opladen 2003
Gedruckt auf săurefreiem und alterungsbestăndigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz fiir die Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhăltlich
ISBN 978-3-8100-3585-1 ISBN 978-3-322-97572-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-97572-0
© 2003 Leske + Budrich. Opladen
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Satz: Verlag Leske + Budrich. Opladen
Inhalt
Danuta Kneipp, Eckart D. Stratenschulte
Regionale Kooperation in Europa - eine Einleitung........... .................... 7
Wolfg ang Wesseis
Interessenvertretung, Interessenidentität, Konfliktmoderation -
was geschieht in der EU? ........................................................................ 15
Elmar Brok
Interessendurchsetzung in Brüssel und Straßburg 19
Jean-Pierre Froehly
Die deutsch-französische Kooperation als Modell der
Konfliktmoderation ..... ......................................................... ................... 23
Michael Roth
Europa braucht das deutsch-französische "Schwungrad"! ...................... 29
Sophie Vanhoonacker
Eine Bestandsaufnahme der Benelux-Kooperation ................................. 33
Mario Hirsch
Benelux ist mehr als nur ein geographischer Begriff:
Ein Motor der europäischen Integration ................................................. 43
Martin Povejsil, Martin Swirovskj
Die Zusammenarbeit der Visegnid-Gruppe ............ ................... ............. 51
Rafal Morawiec
Die Visegnid-Gruppe - Konkurrenz und Kooperation ........................... 67
6 Inhalt
Bichara Khader
Die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft:
Der Barcelona-Prozess: Eine Synthese der Problematik ......................... 71
Bichara Khader
Die südlichen Mittelmeerstaaten und ihre sensible Beziehung zur
Europäischen Union ................................................................................ 95
Carl-Einar Stdlvant
Der Weg von Parlamentarischer Versammlung und Passunion zu
allumfassender Kooperation - Die Zusammenarbeit der nordi-
schen Länder und des Nordischen Rats .................................................. 103
Asmund Kristoffersen
Die Nordische Zusammenarbeit im Praxistest: Herausforderungen,
denen sich der Nordische Rat im Zusammenhang mit der weiteren
Entwicklung Europas stellen muss .......................................................... 115
Vilhjalmur Vilhjalmsson
Über die Europäische Union hinaus: Islands Mitgliedschaft in der
Europäischen Freihandelszone (EFfA ) und dem Europäischen
Wirtschaftsraum (EWR) .......................................................................... 121
Roland Marxer
Liechtenstein und die Europäische Integration ....................................... 127
Klaus-Heinrich Standke
Das "Weimarer Dreieck": Seine Entwicklung - seine Perspektiven 133
Franz Walk
Euroregionen an Binnen- und Außengrenzen der EU -
Regionale und kommunale Kooperation in Grenzregionen .................... 155
Vif Großmann
Die Euroregion "Neiße" - ein Beispiel für grenzüberschreitende
Zusammenarbeit in Europa ...... ........... ..................... ....... ......... .... .... ....... 177
Literatur ................................................................................................... 181
Die Autoren ............................................................................................. 185
Danuta Kneipp/Eckart D. Stratenschulte
Regionale Kooperation in Europa - eine Einleitung
Die Europäische Union ist kein homogener Block, sondern eine supranatio
nale Institution, die aus Staaten unterschiedlicher Größe, Wirtschafts struktur,
Geschichte, Tradition und Kultur besteht. Von daher ist es nicht verwunder
lich, dass in der EU unterschiedliche Interessen aufeinanderprallen, die ka
nalisiert und moderiert werden müssen, um in eine Beschlussfassung der Eu
ropäischen Union zu münden. Natürlich ist jeder Mitgliedstaat bestrebt, seine
Interessen möglichst weitgehend durchzusetzen. Die Definition von "natio
nalen Interessen" ist dabei selbst durchaus fragwürdig. Es ist ja in der Regel
keineswegs eindeutig, was ein nationales Interesse ist. Im Allgemeinen han
delt es sich um soziale Partikularinteressen, die sich innerstaatlich in der
Konkurrenz gegen andere Partikularinteressen durchgesetzt haben: Landwirt
schaft gegen Industrie, Industrie gegen Verbraucher, Ballungsräume gegen
Grenzregionen, Großbetriebe gegen Kleinbetriebe etc.
Wenn aber ein Interesse den Wettbewerb erfolgreich durchlaufen hat,
stellt sich für die jeweilige nationale Regierung die Frage, wie es ihr gelingen
kann, dieses "nationale Interesse", was ja auf europäischer Ebene wiederum
ein Partikularinteresse ist, so gut wie möglich zu vertreten.
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind unterschiedlich ge
wichtig, aber kein Land, auch das größte (nämlich Deutschland) nicht, ist in
der Lage, seine Interessen alleine zur Geltung zu bringen. Es braucht auf eu
ropäischer Ebene zwar nicht jeder jeden, aber jeder benötigt andere, also
Bündnis- und Koalitionspartner, um sich durchzusetzen. Dies gilt - zumin
dest längerfristig - auch für die Bereiche, in denen Entscheidungen auf EU
Ebene einstimmig fallen. Zwar gibt diese Regelung jedem einzelnen Mit
gliedstaat - und habe er nur knapp 400.000 Einwohner - ein erhebliches Maß
an Blockademacht, aber was für den einen gilt, gilt auch für den anderen.
Längerfristig kann kein Staat seine Interessen mit Blockaden durchsetzen,
sondern nur durch Gestaltung. Gestaltungsmacht benötigt jedoch Koalitio
nen.
Die Frage: inwieweIt die zwischenstaatlichen Bündnisse, die es inner
halb der Europäischen Union nach wie vor gibt, bei der Durchsetzung sol
cher Interessen auf europäischer Ebene eine Rolle spielen, stand im Mittel-
8 Danuta Kneipp/Eckart D. Stratenschulte
punkt einer Vortragsreihe, die die Europäische Akademie Berlin in der ers
ten Hälfte des Jahres 2002 durchgeführt hat.
In Anbetracht der bevorstehenden EU-Erweiterung und der andauern
den Diskussion um die Gestaltung der Kooperation mit Staaten, denen ge
genwärtig keine Beitrittsperspektiven eröffnet werden kann oder soll, wur
den auch Bündnisse mit einbezogen, die in absehbarer Zukunft innerhalb
der EU liegen werden (Visegnid-Kooperation) bzw. über die EU-Grenzen
hinausgehen (Nordische Kooperation, Euroregionen, EWR und Euro-Mit
telmeer-Partnerschaft). Welche Funktion kommt diesen Bündnissen zu,
sind sie Auslaufmodelle oder Korsettstangen einer neuen und erweiterten
Europäischen Union? Welche Alternativen gibt es zur Staatenkooperation
innerhalb der EU, d.h. welche Perspektiven kann die EU Staaten bieten,
die mittelfristig keine Aussicht auf eine Mitgliedschaft haben?
Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen der Vortragsreihe der
Europäischen Akademie Berlin diskutiert. Nachfolgend finden sich die
Beiträge der Referenten, die aus dem Kreis der Wissenschaft und der prakti
schen Politik ausgewählt worden waren und um Referate bzw. Kommentare
gebeten wurden. Von daher ist es nicht verwunderlich, dass die Artikel unter
schiedlich lang und verschieden detailliert sind. Sie tragen jedoch alle dazu
bei, den Untersuchungsgegenstand zu erhellen und die Leitfragen Stück für
Stück zu beantworten.
Im Einzelnen wurden folgende Strukturen innerhalb der EU (und über
sie hinausgreifend) untersucht:
Die deutsch-französische Kooperation,
die Benelux-Zusammenarbeit
der Zusammenschluss von Visegnid
die Nordische Kooperation und
die Kooperation der Mittelmeerländer.
Die Gemeinsamkeit dieser Allianzen besteht nur auf einer sehr oberflächli
chen formalen Ebene, nämlich insofern als es sich jeweils um eine besondere
Form der "verstärkten Zusammenarbeit" handelt, ohne dass dieser Begriff
dafür in Anspruch genommen würde.
Das älteste Bündnis ist die Zusammenarbeit zwischen Belgien, den Nie
derlanden und Luxemburg.
Die Organisationsstruktur der Benelux-Kooperation ist sehr umfassend
und ausgereift. Sie hat ihren Schwerpunkt in der Wirtschaftskooperation.
Über Jahre eilte die Benelux-Gruppe der Europäischen Integration voraus,
verwirklichte die Zollunion und den freien Verkehr von Arbeitskräften,
schaffte Personenkontrollen an den Grenzen ab und schuf so einen gemein
samen Binnenmarkt. Zwischen Belgien und Luxemburg bestand bereits seit
den 20er Jahren eine Währungsunion.
In anderen Bereichen beinhaltet die Kooperation hauptsächlich Emp
fehlungen, die sich allerdings auf immer neue Politikfelder beziehen. Wäh
rend der belgischen EU-Präsidentschaft im Jahr 2001 trat die Benelux-
Regionale Kooperation in Europa 9
Gruppe mit gemeinsamen Vorschlägen auf. Es ist allerdings kaum zu überse
hen, dass die drei Staaten auch Differenzen untereinander haben, die auf
teilweise unterschiedliche geschichtliche Erfahrungen, außenpolitische Präfe
renzen sowie ungleiche Bevölkerungszahlen zurückzuführen sind. Ein
Grundproblem der Benelux-Kooperation besteht darüber hinaus darin, dass
die beteiligten Länder hinter dem Verbund verschwinden und als einzelne
nicht mehr wahrgenommen werden könnten. Bei der Vergabe von Präsident
schaften, EU-Institutionen, Kommissarsposten und Europa-Parlamentssitzen
würden Belgien, die Niederlande und Luxemburg damit schlechter gestellt
denn als Einzelstaaten. Die Benelux-Zusammenarbeit muss daher zu viel Er
folg vielleicht noch mehr fürchten als Misserfolg.
In den Beiträgen von Sophie Vanhoonacker (Niederlande) und Mario
Hirsch (Luxemburg) wird sowohl auf die Geschichte der Benelux-Koopera
tion, als auch auf die aktuelle Situation der drei Staaten in Europa eingegan
gen. Besonderes Augenmerk richten die Autoren auf die positive Rolle der
Benelux-Zusammenarbeit in der EU. Sie betonen aber auch den Aspekt der
fehlenden Strukturen. Beide Verfasser resümieren, dass es "kein wichtiges
europäisches Stelldichein ohne eine gemeinsame Wortmeldung der drei Be
nelux-Länder gibt" (Hirsch).
Das Verhältnis der nordeuropäischen Staaten untereinander war nicht
immer so harmonisch, wie es für Betrachter von außen erscheinen mag. Tat
sächlich gab es zwischen den skandinavischen Staaten gravierende Ausein
andersetzungen und klare Dominanzverhältnisse.
Dennoch feiert die nordeuropäische Kooperation in Form des Nordi
schen Rats im Jahre 2002 ihr 50-jähriges Bestehen. Der Nordische Rat führt
seit dieser Zeit die Länder Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland und
Island als Partner zusammen. Er ist älter als die EU-Mitgliedschaft Däne
marks, Finnlands, Schwedens und greift über die EU hinaus. Jährliche und
thematisch spezielle Treffen der Mitglieder beinhalten die Interessenkoordi
nation in vielen Politikbereichen.
Es entsteht der Eindruck, als ob die nordischen Staaten eher als andere
Länder Europas erkannt hätten, dass staatliche Souveränität nicht mehr die
Hauptsäule einer gemeinsamen Politik sein kann, sondern regionale Interes
sen in den Vordergrund treten. Diese Erkenntnis ermöglicht es den nordi
schen Staaten, ihre gemeinsamen Interessen mittels ad hoc-Kooperation im
Rahmen des Nordischen Rats zu artikulieren. Der Nordische Rat bildet also
eine Art Netzwerk, das die personellen und institutionellen Voraussetzungen
für diese Kooperationen zur Verfügung stellt.
Eine stabile Grundlage der Zusammenarbeit ist das Gefühl einer gemein
samen, nordischen Identität. Diese greift über die EU geographisch hinaus
und ist in der Bevölkerung wohl auch stärker verwurzelt als das Zugehörig
keitsgefühl zur Europäischen Union. Inwiefern überlappen nun die EU
Politik und die Vorstellungen der Länder des Nordischen Rats? Bereitet die
Nicht-EU-Mitgliedschaft Norwegens im Nordischen Rat Probleme bei der
Durchsetzung von Beschlüssen? Ist der Nordische Rat eine pressure group
10 Danuta Kneipp/Eckart D. Stratenschulte
innerhalb der Europäischen Union? Hierauf gehen earl-Einar Stälvant
(Stockholm) und Asmund Kristoffersen (Oslo) in ihren Beiträgen ein.
Jüngeren Datums ist die Kooperation von ursprünglich drei, seit der
Trennung der Tschechoslowakei vier, Staaten Mitteleuropas, der der ungari
sche Ort Visegnid den Namen gegeben hat.
Vereint durch das gemeinsame Interesse an europäischer Integration,
aber durchaus unterschiedlich in der nationalen Prioritätensetzung, füllt die
vom tschech(oslowak)ischen Präsidenten Vaclac Havel initiierte Visegrad
Gruppe ein politisches Vakuum in Mittel-Ost-Europa aus. Ähnliche histori
sche Erfahrungen, geographische Nähe und intellektueller Input konnten
Mitte der 90er Jahre trotzdem Unstimmigkeiten zwischen den drei bzw. vier
nicht übertünchen und ließen Politiker an dem gemeinsamen Konzept zwei
feln.
Während der letzten Jahre kam es in der Visegrad-Zusammenarbeit zu
einer Renaissance, so dass sie auch als Partner für andere regionale Koopera
tionsgruppen in Europa interessant geworden ist.
Trotz dieser positiven Bilanz wird der Visegrad-Gruppe im europäischen
Ausland häufig mehr Bedeutung zugewiesen als in den Teilnehmerländern
selbst. In den vier Staaten bestehen große Zweifel darüber, ob der Visegrad
Kooperation eine gemeinsame Identität zu Grunde liegt, die über das Interes
se der EU-Mitgliedschaft hinausgeht. Es wird daher häufig die Frage nach
dem "Danach" gestellt. Wird sich die Kooperation als ,,Lobby-Gruppe" er
halten, wenn ihre Mitglieder der Europäischen Union angehören werden?
Rafal Morawiec (Warschau) und Martin Svarovsky (Prag) gehen sowohl
auf die Geschichte der Visegnid-Gruppe, als auch auf die Perspektiven dieser
Verbindung ein und diskutieren sie anhand von Beispielen.
Auch im MitteJmeerraum gibt es Kooperationsstrukturen, die jedoch we
niger solche der EU-Mittelmeeranrainer untereinander sind als Beziehungen,
die die EU-Mittelmeerländer mit den südlichen Anrainern unterhalten. In
seinen beiden Artikeln schildert Bichara Khader (Belgien) sowohl die Situa
tion der südlichen Mittelmeerländer als auch deren Kooperation mit der EU.
Die Beziehungen zwischen der EU und den nicht-europäischen Mittel
meerstaaten haben spätestens durch die Erklärung von Barcelona 1995 eine
offizielle Grundlage erhalten. Die Durchsetzung der Euro-Mediterranen Part
nerschaft ist nun ein Element der Politik der EU. Die südeuropäischen Mit
glieder der EU bilden dabei die Brücke zwischen der EU und den nicht
europäischen Mittelmeerstaaten. Die "Brückenfunktion" hat allerdings posi
tive und negative Aspekte. Faktoren wie politische und wirtschaftliche Instabi
lität des Mittelmeerraums, aber auch sicherheitspolitische Fragen sind zu be
rücksichtigen. Einer verfehlten Strukturentwicklungspolitik in der südlichen
Mittelmeerregion muss von europäischer Seite eher ganzheitlich begegnet wer
den. Die Interdependenz wirtschaftlicher, sicherheitspolitischer, innenpoliti
scher sowie sozialpolitischer Aspekte ist in dieser Region besonders groß.
Dieses Problem ist für die europäischen Mittelmeerstaaten zentraler Be
standteil ihrer täglichen Politik. Trotzdem gehen die tatsächlichen Initiativen,
Regionale Kooperation in Europa 11
wie die der Euro-Mediterranen Partnerschaft, von der EU aus und nicht von
einer regionalen Zusammenarbeit der Mittelmeerstaaten. Es lassen sich kaum
Strukturen erkennen, die auf eine intensive Zusammenarbeit der Mittelmeer
länder der EU untereinander hindeuten. Ursachen dafür können sowohl in
der Vielfalt der Interessen der europäischen Mittelmeerstaaten, als auch in
der Komplexität der oben genannten Probleme der südlichen Mittelmeerlän
der gesehen werden. Die EU-Mittelmeerländer selbst definieren sich nicht
ausschließlich, im Falle Frankreichs nicht einmal vorrangig durch die geo
graphische Lage am Mittelmeer.
Zunehmend zeigt sich nun, dass in einigen Politikbereichen, wie zum
Beispiel der Einwanderungspolitik, doch nach gemeinsamen Wegen gesucht
wird. Auch im wirtschaftlichen Bereich streben die Mittelmeerstaaten mit ih
ren südlichen Nachbarn nach gemeinsamen Lösungen und verhandeln zum
Beispiel über die Errichtung einer Freihandelszone in der Mittelmeerregion.
Ohne eigene Organisation, aber mit festen Kooperationsstrukturen funk
tioniert die deutsch-französische Zusammenarbeit.
Als die erste Europäische Gemeinschaft, die Europäische Gemeinschaft
für Kohle und Stahl, 1951 gegründet wurde, war ihre wesentliche Aufgabe,
den deutsch-französischen Gegensatz einzufrieden und die Konfrontation
durch Kooperation zu ersetzen. Von daher kam Deutschland und Frankreich
vom Anbeginn der europäischen Integration eine Schlüsselrolle zu.
Wesentliche Impulse der europäischen Einigung, ja sogar diese selbst,
gingen von einer deutsch-französischen Initiative aus. Dies geschah, obwohl
die europapolitischen Konzeptionen beider Länder keineswegs identisch wa
ren oder auch nur nahe beieinander lagen. Die deutsch-französische Zusam
menarbeit war nie ein Fall von Interessenidentität, sondern vielmehr von in
stitutionalisierter Konfliktmoderation.
Wie ist es um den "deutsch-französischen Motor" heute bestellt? Stottert
er nur (was ja gelegentlich nicht zu überhören ist), oder wird er durch die
Veränderungen in der Europäischen Union gar nicht mehr gebraucht? Das
Ziel der Friedenssicherung unter den Mitgliedstaaten ist so vollständig er
reicht, dass es zunehmend in Vergessenheit gerät. Ist es Deutschland und
Frankreich möglich, trotz unterschiedlicher Auffassungen weiterhin gemein
sam zur europäischen Einigung beizutragen? Wie werden die Konflikte aus
getragen und Interessendivergenzen überbrückt?
Hierzu äußern sich Jean-Pierre Froehly und Michael Roth (beide
Deutschland). Die Autoren zeigen einzelne Punkte auf, die innerhalb der
deutsch-französischen Kooperation zentral und auch auf europäischer Ebene
von Bedeutung sind. Ein weiterer in den beiden Beiträgen diskutierter Aspekt
ist die Bedeutung der persönlich-personellen Grundlage staatlicher Koopera
tionen.
Weil die deutsch-französische Kooperation für lange Zeit die Grundlage
der gesamten Europäischen Gemeinschaft war, wurde sie von den anderen
Mitgliedstaaten unterstützt, gleichzeitig jedoch auch durchaus kritisch be
äugt. Deutschland und Frankreich haben immer wieder versucht, dem Ein-