Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHT DES LANDES NORDRHEIN -WESTF ALEN
Nr. 2625/Fachgruppe Physik/Chemie/Biologie
Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn
vom Minister für Wissenschaft und Forschung Johannes Rau
Dr. rer. nato Manfred Roth
cand. phys. Burkhard Raith
Dr. rer. nato Christian D. Uhlhorn
Prof. Dr. rer. nato Bernhard Gonsior
Institut für Experimentalphysik, Arbeitsgruppe III
Ruhr-Universität Bochum
Spurenelementanalys e
durch ioneninduzierte Röntgenstrahlung
WESTDEUTSCHER VERLAG 1977
© 1977 by Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag
ISBN 978-3-663-01861-2 ISBN 978-3-663-01860-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-01860-5
Inhalt
Zusammenfassung 1
1. Einleitung 1
2. Röntgenemission aus Festkörpertargets 3
2.1 Charakteristische Röntgenemission 3
2.1.1 Ionisation innerer Schalen 3
2.1.2 Fluoreszenzausbeute 5
2.1.3 Form der Spektren 6
2.2 Bremsstrahlung 7
3. Spurenanalyse 8
3.1 Experimentelle Durchführung 9
3.2 Röntgenausbeutefaktoren 12
3.3 Empfindlichkeit der Methode 14
3.4 Anwendungsbeispiele 18
4. Schlußbemerkung und Ausblick 19
5. Literaturverzeichnis 21
6. Bildanhang 23
Zusammenfassung
Die Anwendbarkeit der ioneninduzierten Röntgenfluoreszenz
auf die Spurenelementbestimmung wird untersucht. Für eine
<
simultane Analyse von Elementen im Bereich Z 60 finden
wir bei Nachweis von K-Strahlung mit einem Si(Li)-Detektor
optimale Nachweisbedingungen für Protonen von 2 MeV. Die
nachweisbaren Empfindlichkeiten liegen im ppm-Bereich, wenn
als Matrix Kohlenstoffolien der Dicke 10 - 100)Ug/cm2 ver
wendet werden. Die experimentelle Nachweismethode wird be
schrieben. Die Grenzen für die simultane Analyse vieler
benachbarter Elemente und die Optimierung des Nachweises
einzelner spezieller Elemente werden untersucht.
1. Einleitung
Die Ionisation innerer Schalen bei Atom-Ion-Stößen und die
dabei auftretende Emission charakteristischer Röntgenstrah
lung wird seit mehreren Jahrzehnten untersucht und wird
heute für leichte Projektile gut verstanden. Die Anwendung
auf eine simultane quantitative Bestimmung von Spuren
elementen wurde jedoch erst durch die Entwicklung hochauf
lösender Silizium- und Germanium-Halbleiterdetektoren
möglich. Das Auflösungsvermögen solcher energiedispersiven
Spektrometer reicht aus, benachbarte Elemente oberhalb
von Kohlenstoff anhand ihrer charakteristischen Röntgen
linien nachzuweisen. Zur Elementanalyse werden Targets,
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die die Spurenelemente enthalten, mit beschleunigten
Ionen von 0,5 bis 5 MeV/Nukleon beschossen und die emit
tierten Röntgenstrahlen spektroskopiert. Für Protonen
ist dies schon an relativ kleinen und preiswerten Beschleu
nigeranlagen mühelos möglich. Wegen der hohen Wirkungs
querschnitte für die Erzeugung charakteristischer Röntgen
strahlen ermöglicht diese Methode hohe Empfindlichkeiten
auch dort, wo nur geringe Probenmengen zur Verfügung
stehen1). Für die simultane Analyse ist von Bedeutung,
daß sich der Wirkungsquerschnitt für Röntgenerzeugung nur
langsam und kontinuierlich über das periodische System
ändert im Gegensatz zur Neutronenaktivierungsanalyse, wo
größere Unterschiede bei Neutroneneinfangsquerschnitten
und Zerfallswahrscheinlichkeiten starke Empfindlichkeits
schwankungen von Element zu Element zur Folge haben.
Die ioneninduzierte Röntgenfluoreszenzanalyse kann in
vielen Bereichen der Biologie, Medizin und Umweltforschung
ebenso wie in Oberflächenanalyse und anderen Fragen aus
industriellen und technologischen Bereichen angewandt
werden. Dabei sind minimale Nachweisempfindlichkeiten
im ppm-Bereich erreichbar2).
Die minimal nachweisbare Konzentration ist prinzipiell be
stimmt durch das Verhältnis von Wirkungsquerschnitt für
die Erzeugung charakteristischer Rönt~enstrahlUng und
kontinuierlicher Untergrundstrahlung3 •
Ziel dieser Untersuchung ist die Vorbereitung von Routine
messungen zur Spurenanalyse von Umweltchemikalien und
die Optimierung der empfindlichkeitsbestimmenden Faktoren.
Dazu werden charakteristische und kontinuierliche Rönt
genausbeuten experimentell bestimmt.
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2. Röntgenemission aus Festkörpertargets
Bei Beschuß von Festkörpertargets mit beschleunigten Ionen
wird sowohl charakteristische als auch nichtcharakteristische
Röntgenstrahlung beobachtet. Diskrete Röntgenübergänge treten
auf, wenn durch das Coulombfeld des einfallenden Projektils
innere Schalen der Targetatome ionisiert und anschließend durch
Elektronen höherer Schalen wieder aufgefüllt werden. Die physi
kalischen Grundlagen dieses Prozesses werden in Kapitel 2.1
erläutert. Nichtcharakteristische Röntgenstrahlung mit konti
nuierlichem Energiespektrum entsteht im wesentlichen als Brems
strahlung bei der Abbremsung der Projektile und der durch sie
erzeugten Sekundärelektronen. Dies wird in Kapitel 2.2 beschrie
ben. Bei Beschuß mit Schwerionen können daneben auch Röntgen
übergänge mit kontinuierlichem Energiespektrum zwischen vor
übergehend ausgebildeten molekularen Orbitalen stattfinden.
Dies ist jedoch für analytische Anwendungen ohne Bedeutung.
2.1 Charakteristische Röntgenstrahlung
2.1.1 Ionisation innerer Schalen
Die Ionisation innerer Schalen bei Atom-Ion-Stößen kann in
zwei Prozesse unterschieden werden. Der erste beschreibt die
Ionisation durch die Coulombwechselwirkung zwischen Projektil
kern und Hüllelektron, wobei die Kernladung punktförmig an
gesehen wird. Mit den Voraussetzungen
Zp <.<. ZT
Z . Z • e2
pT,,»
und h.v ..... 1, (2.1 )
P
wobei Zp und ZT die Kernladung von Projektil und Targetatom
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und vp die Projektilgeschwindigkeit sind, ergeben sich die drei
theoretischen Beschreibungen
Plane Wave Born Approximation (PWBA)4)
Semi Classical Approximation (SCA)5) und
Binary Encounter Approximation (BEA)6).
Die PWBA beschreibt die Projektile als ebene Wellen und be
rechnet den Ionisationsquerschnitt in erster Bornscher Nähe
rung. Dazu werden wasserstoffähnliche Wellenfunktionen be
nutzt. Die SCA berechnet den Wirkungsquerschnitt in zeitab
hängiger Störungstheorie erster Ordnung. Die Projektilbahn
wird als klassische Hyperbelbahn im Coulombfeld des Target
kerns angenommen. Das erlaubt die Berechnung der Ionisations
wahrscheinlichkeit in Abhängigkeit vom Stoßparameter. Die BEA
behandelt den Ionisationsprozeß als klassischen Stoß zwischen
Projektilen und als frei angenommenen Elektronen, die durch
Impulsverteilungen beschrieben werden.
Für den Ionisationsquerschnitt ergeben sich aus diesen
Theorien folgende Abhängigkeiten von der Projektilenergie Ep'
der Ladung des Targetatoms ZT und der Projektilladung Zp:
Mit wachsender Projektilenergie steigt der Wirkungsquerschnitt
an, erreicht ein Maximum, wenn die Projektilgeschwindigkeit
gleich der mittleren Bahngeschwindigkeit der Elektronen der
betrachteten Schale wird und nimmt dann 'VE~1 ab.
Mit steigender Targetatomladung ZT sinkt der Ionisationsquer
schnitt einer bestimmten Schale infolge der zunehmenden Bin
dungsenergie der Elektronen. Dementsprechend ist der Ionisa
tionsquerschnitt der L-Schale eines Elements höher als der
der K-Schale.
Für die Abhängigkeit von der Projektilladung Zp ergibt sich
ein Skalenverhalten. Der Ionisationsquerschnitt für ein
Projektil der Masse Ap' der Ladung Zp und der Energie Ep be
trägt das Z 2-fache des Wirkungsquerschnitts für Protonen der
p
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gleichen Geschwindigkeit
(2.2)
Die genannten Theorien beschreiben die experimentellen Er
gebnisse für leichte Projektile (p,d,«) und höhere Energien
gut. Für schwerere Projektile und niedrigere Energie sind
Korrekturen erforderlich, beispielsweise solche, die Einflüsse
der Projektilb ewegung auf die Targetelektronenzustände berück
sichtigen.
Ein anderer Ionisationsmechanismus beschreibt die Ionisation
durch Elektronenpromotionsprozesse infolge der Ausbildung
quasimolekularer Orbitale um Target- und PrOjektilkern7). Dies
gilt für geringe Energien « 1 MeV/amu) und schwere Projektile,
insbesondere für annähernd symmetrische Ion-Atom-Stoßsysteme,
und führt zu erheblich höheren Wirkungsquerschnitten gegenüber
den Voraussagen der obengenannten Theorien. Für die Spurenana
lyse haben diese Prozesse bisher noch keine merkliche Beach
tung gefunden.
2.1.2 Fluoreszenzausbeute
Für ein durch Ionisation einer inneren Schale angeregtes Atom
bestehen verschiedene Zerfallsmöglichkeiten. Einmal kann die
Vakanz durch ein Elektron einer energetisch höher liegenden
Hauptschale aufgefüllt werden, wobei die freiwerdende Energie,
die Differenz der Bindungsenergien der beteiligten Schalen,
als für das jeweilige Atom charakteristische Röntgenstrahlung
emittiert wird. Die zweite,alternative Zerfallsmöglichkeit
besteht im Auffüllen der Vakanz durch den strahlungslosen
Übergang eines Elektrons einer höherliegenden Schale, wobei die
beim Übergang freiwerdende Energie auf ein gebundenes Elektron
übertragen wird. Erfolgt dabei der Übergang aus einer höher
liegenden Hauptschale, handelt es sich um Auger-übergänge, bei
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strahlungslosen Übergängen innerhalb einer Hauptschale spricht
man von Coster-Kronig-übergängen. Übergänge mit gleichzeitiger
Emission von Röntgenstrahlung und Elektronen sind ebenfalls
beobachtet worden8), jedoch bleibt dieser sogenannte radiative
Auger-Effekt im allgemeinen kleiner als 1 %0. Der Anteil der
Zerfälle, die unter Emission von charakteristischer Röntgen
strahlung erfolgen, ist gegeben durch die sogenannte Fluores
zenzausbeute9) für die entsprechende Vakanz in einer inneren
Schale. Die Art der übergänge wird durch die Auswahlregeln
für die Emission elektrischer Dipolstrahlung bestimmt; magne
tische Dipolstrahlung und Übergänge höherer Multipolordnung
sind für analytische Probleme ohne Bedeutung. Die Lebensdauer
von Löchern in inneren Schalen ist <10-15s, die emittierte
Strahlung besitzt eine nahezu isotrope Verteilung. Die Fluores
zenzausbeute ist für K-Strahlung für Elemente mit Z< 20,
kleiner als 20 %, nimmt dann mit steigendem Z rasch zu und
erreicht 90 % oberhalb Z = 60; für L-Strahlung ist sie für
Z < 70 kleiner als 20 % und erreicht 50 % bei Z = 90.
Die Differenz zwischen K- und L-Fluoreszenzausbeute für K- und
L-übergänge gleicher Energie beträgt ungefähr 0,15 bis 0,20.
Fluoreszenzausbeuten für K- und L-Strahlung sind gut bekannt,
jedoch gelten diese Werte für den Fall einer einzigen Vakanz
in einer K- oder L-Schale. Deshalb muß bei der Analyse der
Röntgenspektren auf der Basis solcher Fluoreszenzausbeuten vor
ausgesetzt werden können, daß nur eine einzige primäre Vakanz
pro Projektilstoß erzeugt wird, was für leichte Ionen weitgehend
zutrifft. Die Auswirkung von durch den Stoß mit Schwerionen
erzeugten primären Vielfachvakanzen auf die Fluoreszenzaus
beute wird noch untersucht.
2.1.3 Form der Spektren
Die Auswahlregeln und übergangswahrscheinlichkeiten für
elektrische Dipolstrahlung bestimmen die Form der Röntgen
spektren. Bei K-Strahlung werden zwei Röntgenlinien,K~- und
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Kß-Strahlung, beobachtet, die je nach Auflösungsvermögen des
Detektors bei Elementen mit höherem Z in jeweils zwei Linien
aufgelöst werden. haben Energien zwischen 2,3 keV
K~-Linien
bei Schwefel und 75 keV bei Blei. Bei L-Strahlung können je
nach Detektorauflösungsvermögen zehn und mehr Übergänge be
obachtet werden. Im allgemeinen enthält ein Si(Li)-L-Röntgen
spektrum vier prominente Linien. Wegen der in Kapitel 2.1.1
beschriebenen Abhängigkeit der Ionisationswahrscheinlichkeit
von Atomzahl des beschossenen Atoms werden bei leichten Ele
menten vorwiegend K-Strahlung im Energiebereich 1,5 - 45 keV
und bei schwereren Elementen L-Strahlung im Energiebereich
3 - 15 keV beobachtet. Bei Targets, die sowohl leichte als
auch schwerere Elemente enthalten, kann dieses zu Schwierig
keiten bei der Spektrenauswertung führen, die durch rechne
rische Anpassung der Linienform und Linienzerlegung gelöst
werden müssen.
2.2 Bremsstrahlung
Bei Beschuß von Festkörpern mit Ionen tritt neben der charak
teristischen Röntgenstrahlung immer kontinuierliche Strahlung
in Form von Bremsstrahlung auf. Sie besteht im wesentlichen
aus zwei Komponenten, der Bremsstrahlung von Sekundärelektronen
und der Projektilbremsstrahlung. Außerdem kann kontinuierliche
Strahlung, die aus der Compton-Streuung von Gammastrahlung
angeregter Targetkernzustände im Detektor oder seiner näheren
Umgebung herrührt, vor allem für schwere Ionen und höhere Ein
schußenergien beobachtet werden. Sekundärelektronenbremsstrah
lung tritt im niederenergetischen Bereich des Spektrums auf
und verschwindet oberhalb der Energie tm = (4 me/Mp) Ep' der
maximalen Energie, die durch ein Projektil der Masse Mp und
der Energie Ep einem freien ruhenden Elektron der Masse me
übertragen werden kann.
Die Projektilbremsstrahlung trägt zum höherenergetischen
(>tm) Untergrund bei. Der Wirkungsquerschnitt für elektrische