Table Of ContentBrigitte Aulenbacher · Michael Meuser · Birgit Riegraf
Soziologische Geschlechterforschung
Studienskripten zur Soziologie
Herausgeber:
Prof. Dr. Heinz Sahner,
Dr. Michael Bayer und
Prof. Dr. Reinhold Sackmann
begründet von Prof. Dr. Erwin K. Scheuch†
Die Bände „Studienskripten zur Soziologie“ sind als in sich abgeschlossene Bausteine für
das Bachelor- und Masterstudium konzipiert. Sie umfassen sowohl Bände zu den Metho-
den der empirischen Sozialforschung, Darstellung der Grundlagen der Soziologie als auch
Arbeiten zu so genannten Bindestrich-Soziologien, in denen verschiedene theoretische
Ansätze, die Entwicklung eines Themas und wichtige empirische Studien und Ergebnisse
dargestellt und diskutiert werden. Diese Studienskripten sind in erster Linie für Anfangs-
semester gedacht, sollen aber auch dem Examenskandidaten und dem Praktiker eine rasch
zugängliche Informationsquelle sein.
Brigitte Aulenbacher
Michael Meuser · Birgit Riegraf
Soziologische
Geschlechter-
forschung
Eine Einführung
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
Die 1.–8. Auflage erschien im Teubner Verlag
1. Auflage 2010
Alle Rechte vorbehalten
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
Lektorat: Frank Engelhardt
VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien.
Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.
www.vs-verlag.de
Das Werkeinschließlichallerseiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede
Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist
ohneZustimmungdes Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesond ere
für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-
cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem
Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche
Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten
wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.
Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, Berlin
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.
Printed in Germany
ISBN 978-3-531-15584-5
Inhalt
1. Einleitung................ ........................................... ................. 7
I. Entwicklungen der soziologischen
Geschlechterforschung....................................................... 13
2. Soziologische Geschlechterforschung: Umrisse eines
Forschungsprogramms ......................................................... 15
3. Gesellschaftsanalysen der Geschlechterforschung .............. 33
4. Konstruktion von Geschlecht .............................................. 59
5. Methodologie und Methoden der Geschlechterforschung .. 79
H. Ausgewählte Gegenstandsbereiche soziologischer
Geschlechterforschung .............. .............. .......................... 103
6. Gewalt im Geschlechterverhältnis ....................................... 105
7. Körperdiskurse und Körperpraxen der
Geschlechterdifferenz .......................................................... 125
8. Arbeit und Geschlecht - Perspektiven der
Geschlechterforschung ........................................................ 141
9. Geschlechterdifferenzen und -ungleichheiten in
Organisationen......................... ............................................ 157
10. Geschlecht, Politik, Staat .................................................... 173
IH. Stand der Forschung und Perspektiven .......................... 187
11. Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik. Von
der Frauenförderung zum Diversity Management ............... 189
6 Inhalt
12. Intersektionalität ~ Die Wiederentdeckung komplexer
sozialer Ungleichheiten und neue Wege in der
Geschlechterforschung ........................................................ 211
13. Schlussbemerkung ............................................................... 225
Literatur........................................................................................ 227
Sachregister .................................................................................. 279
1. Einleitung
Geschlechterforschung wird inzwischen international, in zahlreichen wissen
schaftlichen Disziplinen und interdisziplinär betrieben. Die Geschlechterfor
schung institutionalisierte sich im deutschsprachigen Raum mit der neuen Frau
enbewegung Ende der 1960er Jahre und sie zeichnet sich durch recht lebendige,
konstruktive und aufregende Debatten über die Kategorie "Geschlecht" aus, die
in einer kurzen Zeitspanne zu einer bemerkenswerten Produktivität führten. Die
Ausdifferenzierung der theoretischen und methodischen Ansätze des relativ jun
gen universitären Forschungsbereiches fand in einer solch enormen Geschwin
digkeit statt, dass er inzwischen eine nahezu unüberschaubare Anzahl empiri
scher Untersuchungen, vielfältiger Diskussionslinien und teilweise recht gegen
läufiger theoretischer Ansätze zur Kategorie "Geschlecht" aufweisen kann. Auch
die soziologische Geschlechterforschung erreichte in nur wenigen Jahren diese
bemerkenswerte empirische und theoretische Breite und Tiefe. Diese erfreuliche
Entwicklung stellte uns als Autorinnen und Autor dieses Bandes allerdings vor
ein kaum zu bewältigendes Problem: Angesichts des begrenzten Umfangs eines
Einführungsbuches in die soziologische Geschlechterforschung konnten wir
nicht allen Ansätzen, Diskussionslinien und Weichenstellungen gleichermaßen
gerecht werden. Betraut mit der Aufgabe, für die Lehrbuchreihe Studienskripten
eine Einführung in die soziologische Geschlechterforschung zu schreiben, galt es
die schwierige Aufgabe zu bewältigen, zwischen den unterschiedlichen For
schungsansätzen und Forschungsrichtungen eine Auswahl treffen zu müssen,
womit auch immer und unvermeidbar Auslassungen einhergehen, und zugleich
den Leserinnen und Lesern einen breiten Überblick und eine grundlegende Ori
entierung in den Diskussionen zur Kategorie "Geschlecht" zu bieten.
Wir entschieden uns dafür, in die wesentlichen Traditionen und Traditions
brüche, in die zentralen Diskussionslinien und Weichenstellungen der Ge
schlechterforschung einzuführen, um der Leserin und dem Leser einen Überblick
über die vielschichtigen Diskussionen der Geschlechterforschung zu bieten. Die
Auswahl fand im Rahmen eines gemeinsamen Diskussionsprozesses statt und ist
B. Aulenbacher et al. Soziologische Geschlechterforschung, DOI 10.1007/978-3-531-92045-0_1
© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010
8 Einleitung
damit auch von den theoretischen Perspektiven, den Erfahrungen und den Kom
petenzen der Autorinnen und des Autors im Feld der Geschlechterforschung ge
prägt. Die ausgewählten Ansätze, Gegenstandsbereiche und Diskussionslinien
werden im Rahmen einer zeit- und wissenschaftsgeschichtlich orientierten Ein
führung vorgestellt, die der Geschlechterforschung von ihren Anfangen bis heute
folgt. Der Vielzahl empirischer Studien, denen die Geschlechterforschung wert
volle Einblicke in ganz unterschiedliche Felder des gesellschaftlichen Lebens
verdankt, werden wir nur bedingt gerecht und vielleicht am ehesten noch dann,
wenn das Buch die Neugierde der Leserinnen und Leser weckt und dazu anregt,
eigenständig weiter zu recherchieren. Auch konnten in diesem Einführungsband
nicht alle Gegenstandsbereiche der Geschlechterforschung in den Blick genom
men werden. Wir beschränkten uns auf wenige Bereiche, die immer wieder
wichtige Bezugspunkte in den Diskussionen der Geschlechterforschung bilden,
ohne damit jedoch anderen Untersuchungsfeldem ihre Bedeutung absprechen zu
wollen. Trotz aller notwendigen Einschränkungen sind wir davon überzeugt,
dass wir eine weit gefasste und fundierte Einführung in die Geschlechterfor
schung vorlegen, die einen gehaltvollen Überblick und eine interessante Orien
tierung in diesem wachsenden Forschungsfeld bietet und die hoffentlich dazu an
regt, sich weiter und eingehender mit diesem spannenden und lebendigen For
schungsstrang zu befassen.
Das Buch untergliedert sich in drei Schwerpunkte. Der erste Schwerpunkt
führt unter dem Titel Entwicklungen der soziologischen Geschlechterforschung
zum einen in ihre Entstehungszusammenhänge, zum anderen in ihre übergrei
fenden Thematiken ein. Im auf die Einleitung folgenden zweiten Kapitel wird
der Frage nachgegangen, wie sich die Perspektive auf die Kategorie Geschlecht
im Zuge der Ausdifferenzierung der wissenschaftlichen Diskussionen verändert
hat. Was ist eigentlich das Forschungsprogramm der Geschlechterforschung?
Wie hat sich der Blick auf den Gegenstand im Laufe der Jahre verändert und
welche Auswirkungen auf das Selbstverständnis hatten die Veränderungen? Sol
che Fragen standen bei der Gründung der Geschlechterforschung mit auf der
Tagesordnung und sind seither vielf<iltig bearbeitet worden. In die in diesem Zu
sammenhang entstandenen und seither immer weiter ausdifferenzierten Gesell
schaftsanalysen der Geschlechterforschung führt das dritte Kapitel ein. Es stellt
verschiedene Ansätze vor und zeigt, wie sie an soziologische Denktraditionen
anschließen, teilweise aber auch mit ihnen brechen oder über sie hinausweisen,
um dem Zusammenhang von Geschlecht und Gesellschaft auf die Spur zu kom
men. Im vierten Kapitel zur Herstellung von Geschlecht werden Ansätze vorge
stellt, die danach fragen, wie das Alltagswissen der Gesellschaftsmitglieder über
Einleitung 9
Geschlecht strukturiert ist. Zu diesen Alltagsannahmen, die auch unreflektiert in
soziologische Konzeptionen und Untersuchungen einfließen, gehört, dass die so
zialen Unterschiede von Männern und Frauen einen ,natürlichen' Grund haben.
Solche Annahmen werden grundlegend verworfen und stattdessen wird gefragt,
wie Geschlechterdifferenzen gesellschaftlich und kulturell hergestellt werden.
Das fünfte Kapitel rekapituliert schließlich die methodologischen Diskussionen
der Geschlechterforschung. Diese drehen sich um die Frage, ob die Geschlech
terforschung eine spezifische Methodologie benötigt, die sich von den üblichen
Standards empirischer Forschung unterscheidet. Anhand der Entwicklung dieser
Diskussionen lässt sich verfolgen, wie die Institutionalisierung der Geschlechter
forschung im Wissenschaftssystem vonstatten ging.
Im zweiten Schwerpunkt des Lehrbuches mit dem Titel Ausgewählte Ge
genstandsbereiche der Geschlechterforschung befassen wir uns ebenfalls mit
Themen, die von Beginn an präsent waren. Im sechsten Kapitel wird ein Thema
aufgenommen, das in der Gründungsphase der Frauenforschung einen zentralen
Stellenwert hatte: die Frage, ob und in welcher Hinsicht das Geschlechterver
hältnis strukturell von Gewalt geprägt ist, die Männer gegen Frauen ausüben.
Ausgehend von diesen Anfängen zeichnet der Beitrag nach, wie die Forschung
zum Verhältnis von Geschlecht und Gewalt zu einem differenzierten Blick ge
funden hat, der Gewalt unter Männern und Gewalt von Frauen ebenfalls in ei
nem geschlechtertheoretischen Rahmen betrachtet. Gegenstand des siebten Kapi
tels sind kulturelle Diskurse und soziosomatische Praxen der Geschlechterdiffe
renz. Der Körper ist erst in jüngster Zeit als ein soziologischer Gegenstand er
kannt worden. Daran haben der feministische Körperdiskurs und der Ansatz der
sozialen Konstruktion von Geschlecht einen entscheidenden Anteil. Die Ge
schlechterforschung fragt danach, wie die Geschlechterordnung in die Körper
von Frauen und Männern eingeschrieben wird und auf diese Weise als etwas Na
türliches erscheint. ,,Arbeit" ist zwar ein traditionsreiches und sehr bedeutendes
Thema in der Soziologie, aber nicht zuletzt die von Frauen verrichtete Arbeit hat
dabei wenig Aufmerksamkeit erfahren. In Kritik an dieser Ausblendung hat die
Geschlechterforschung eine ganz eigene, ganzheitliche Perspektive auf Arbeit
entwickelt. Darin werden alle gesellschaftlich bedeutsamen Arbeitsforrnen in
den Blick genommen und im Zusammenhang mit der Arbeitsteilung zwischen
den Geschlechtern betrachtet. Wie dies geschieht, zeigt das achte Kapitel. Der
alltägliche Blick in Organisationen genügt, um festzustellen, dass Frauen in den
Spitzenpositionen, sei es in der Wirtschaft, sei es in der Verwaltung, nicht in
gleichem Ausmaß vertreten sind wie Männer. Wie kommt es zu solchen und
weiteren Ungleichheiten? In die Erklärungen, die die Geschlechterforschung hier
10 Einleitung
anzubieten hat, führt das neunte Kapitel ein, indem es verschiedene Perspektiven
auf die Verfasstheit von Organisationen und die Gleich- und Ungleichstellung
der Geschlechter darin ausleuchtet. Ein wesentlicher Forschungsstrang in der
Geschlechterforschung beschäftigt sich mit den Geschlechterkonstruktionen in
Politikkonzeptionen, mit den geschlechtsspezifischen Grundlagen des politi
schen Feldes, mit dem geschlechtsspezifischen Logiken im politischen Prozess
und mit den unterschiedlichen politischen Handlungsfeldern des Staates. Dabei
ging es nicht nur darum, die geschlechtlichen Grundlagen auszuloten, sondern
Konzeptionen des Politischen vorzulegen, die nicht nur die männlichen Interes
sen und Lebenswelten widerspiegeln. Zwei Themen stehen in diesen Diskussio
nen im Zentrum: Die Grenzziehung zwischen Privatheit und Öffentlichkeit und
die damit einhergehenden mehr oder weniger unreflektierten geschlechtsspezifi
schen Zuweisungen. Und die Frage danach, inwiefern der Staat ein Koalitions
partner bei der Herstellung der Geschlechtergerechtigkeit sein kann. Diesen De
batten widmet sich das zehnte Kapitel.
Der dritte Schwerpunkt des Buches bewegt sich unter dem Titel Stand der
Forschung und Perspektiven zusammen mit der Geschlechterforschung über ihre
Grenzen hinaus. Sowohl in politischer als auch in theoretischer und empirischer
Hinsicht sind neben geschlechtsbezogenen weitere soziale Differenzen und Un
gleichheiten zu einem zentralen Thema der Geschlechterforschung geworden.
Das elfte Kapitel beschäftigt sich mit dem nie ganz einfachen Verhältnis zwi
schen Gleichstellungspolitik und Geschlechterforschung. In den Anfangsjahren
eng verbunden mit den Themen und dem emanzipatorischen Anspruch der Frau
enbewegung differenzierten sich die theoretischen Ansätze mit der Institutionali
sierung der Geschlechterforschung rasch auf einem hohen Niveau aus und der
wissenschaftliche Dialog wird inzwischen auf einer solch theoretisch anspruchs
vollen Ebene geführt, dass seine politische Relevanz nicht mehr unmittelbar ein
sichtig ist. Aber auch die Frauenbewegung hat sich weiterentwickelt. Wie lassen
sich die Entwicklung, das Verhältnis und der Dialog zwischen Geschlechterfor
schung, Bewegung und institutionalisierter Politik beschreiben? Wo sind Brü
che, aber auch erneute Annäherungen erkennbar? Im zwölften Kapitel geht es
um das Thema Intersektionalität, die Überkreuzung verschiedener sozialer Dif
ferenzen und Ungleichheiten, insbesondere nach gender, race, class. Rekon
struiert wird die Geschichte dieses Gedankens von seinen Anfängen in den USA
der 1960 Jahre bis zu seiner gegenwärtigen Aufnahme im europäischen und
deutschsprachigen Kontext. Dies wird verbunden mit einem Blick auf weitere
Diskussionen in der Geschlechter- und Ungleichheitsforschung, die ein verfrüh
tes Ende gefunden hatten, aber bis heute nach- und in die Diskussion um Inter-