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des
BUNDESINSTITUTS ZUR ERFORSCHUNG DES MARXISMUS-LENINISMUS
(INSTITUT FÜR SOWJETOLOGIE)
Reihe I: Ideologie
3. Kultur
Nr. 7
Sowjetische Arbeiten zur Suche
nach extraterristischen Zivilisationen
von Dr. Arnold Buchholz
1/3 - Juli 1965
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Zum Inhalts
In der Sowjetunion - wie auch in einigen anderen
Ländern - sind seit einiger Zeit Forschungen zur
Klärung der Frage angelaufen, ob es außerhalb der
Erde kosmische Zivilisationen gibt. Da das Auf
fangen extraterristischer Funksignale für die
Weltöffentlichkeit eine sensationelle Bedeutung
hätte und damit auch weltanschauliche Rückwir
kungen verbunden sein können, wird nachstehend
kurz über die sowjetischen Bemühungen auf diesem
Gebiet berichtet.
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Am 12. April 1965 verbreitete die Nachrichtenagentur TASS eine Mel
dung über die vermutliche Entdeckung einer "SuperZivilisation" im
Weltall „ Am 13. April wurde diese Erklärung auf einer Presse
konferenz praktisch wieder zurückgenommen. In der "Pravda" und
"Izvestija" erschienen erst am 14. April kurze Berichte über diese
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Vorgänge . Dabei wurde die Entdeckung einer Radio-Strahlungsquelle
mit loo-tägigen Intensitätsschwankungen als große wissenschaftliche
Errungenschaft in den Vordergrund gestellt, während die Überlegungen
über die möglichen Ursachen dieser Erscheinung in Form von Fragen
eingekleide t waren.
Die voreiligen Meldungen können als ein Ausdruck dafür angesehen
werden, daß in der Sowjetunion seit längerer Zeit systematische
Überlegungen und Untersuchungen zur Suche nach niederem oder höherem
Leben auf anderen kosmischen Körpern angestellt werden.
Als Pionier einer solchen Forschungsrichtung gilt in der Sowjetunion
G.A. Tichov, der bereits vor mehreren Jahrzehnten damit begonnen hat,
auf den uns benachbarten Planeten mit spektralphotometrischen Metho-
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den nach Lebenszeichen zu suchen . Nachdem er das von bestimmten
Pflanzen gestreute Lichtspektrum untersucht hatte, glaubte er ähnliche
Spektren bei der Beobachtung des Mars feststellen zu könneno Zwar konn
te er die Spektren des Chlorophylls auf dem Mars nicht beobachten, da
für aber solche Spektren, welche auf eine bläuliche Blattfärbung
schließen ließen, wie sie zum Beispiel auf der Erde von Veilchen und
blauem Mohn gegeben werden.
Pressefunk Ost-West, Bonn, 13.4*1965; S. 14^
Novoe v radioastronomii (Neues in der Radioastronomie), Pravda Nr.
I04 v. 14.4*1965. Sosedi po galaktike? (Nachbarn in der Galaxis?),
Izvestija Nr. 87 v. 14.4.196$.
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Vgl. ARNOLD BUCHHOLZ, Ideologie und Forschung in der sowjetischen
Naturwissenschaft, Stuttgart*1953, S. 51/52 und WINFRIED PETRI,
Astrobotanik, ins Osteuropa-Naturwissenschaft 3 (1959) S. 68-71.
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In der letzten Epoche des Stalinismus spielten diese Arbeiten
dann eine gewissen ideologische Rolle, da man auf diese Weise
den Auffassungen von einer Ausnahmestellung des Lebens auf der
Erde entgegentreten wollte. Für G.A. Tichov wurde bei der Ka
sachischen Akademie der Wissenschaften an Alma-Ata eine For
schungsstelle für Astrobotanik eingerichtet. Der V. Band der
"Trudy" dieses Instituts erschien 1957° Allerdings haben die
Arbeiten Tichovs auch in der Stalinzeit einer innersowjetischen
Kritik unterlegen. In neuerer Zeit ist es um die "Astrobotanik"
still geworden.
Dafür aber zeichneten sich neue Perspektiven für die Entdeckung
außerirdischer vernunftbegabter Wesen auf Grund der raschen Ent
faltung der Radioastronomie ab. In der Sowjetunion wurde zur
Diskussion der in diesem Zusammenhang auftretenden Fragen vom
2o. bis 22. Mai 1964 eine Konferenz bei der armenischen Stern-
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warte Bjurakan veranstaltet . An der Konferenz nahmen u.a. die
bekannten sowjetischen Astronomen V.A. Ambarcumjan, B.V. Kukarkin
und I.S. Sklovskij teil. Sklovskij ist Leiter der Abteilung für
Radioastronomie des Astronomischen Sternberg-Instituts der Uni
versität Moskau, unter dessen Oberleitung auch die neue periodi
sche Radiostrahlung entdeckt wurde. Die Vorträge und Diskussionen
der Konferenz waren in drei Gruppen gegliedert: Allgemeine Proble
me der außerirdischen Zivilisa*ixiien, Verbindungsaufnahme mit außerir
dischen Zivilisationen, Probleme der Sprache bei interplanetaren
Verbindungen.
Die Teilnehmer gingen davon aus, daß gegenwärtig Verbindungen mit
außerplanetarischen Zivilisationen nur durch elektromagnetische Sig
nale möglich sind. Zur Identifizierung der Signale, die von anderen
denkenden Wesen herrühren, ist es erforderlich, sich gleichsam "auf
deren Standpunkt zu stellen". Man nimmt also an, daß sich auch an-
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L.M. GINDILIS, Problema vnezemnych civilizacij (Das Problem der
außerirdischen Zivilisation), ins Vestnik Akademii nauk SSSR, 1964*
H. 9, S. 118-12o; A. PETROV, Poisk vnezemnych civilizacij (Die Su
che nach außerirdischen Zivilisationen), ins Naucno-techniceskie
obscestva SSR, 1964, H. 12, S. 58/59.
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dere Zivilisationen darum benühen werden, Signale maximaler Reich
weite mit möglichst großem Informationsinhalt auszusenden, die zudem
so beschaffen sind, daß man sie leicht von natürlichen kosmischen
Sendequellen unterscheiden kann.
Für die Suche nach Signalen wurden zwei experimentelle Hauptrich
tungen herausgestellt.
Die erste Richtung bezieht sich auf die Suche nach Signalen von Zi
vilisationen, die eine ähnliche Entwicklungsstufe wie unsere er
reicht haben. Die Suchmethode muß davon ausgehen, daß eine solche
Zivilisation zur Überbrückung der Entfernung eine scharf gebündelte
Strahlung in einem sehr engen Frequenzbereich aussenden würde. Kor
respondierendes Akademiemitglied V.l. Siforov entwickelte zwei Mög
lichkeiten für den Empfang solcher Signale. Die eine Möglichkeit
wäre, einen Empfänger zu verwenden, der sich von einer Frequenz zur
anderen automatisch fortschaltet, und die andere wäre die, einen
Empfänger zu bauen, der den gesamten Frequenzbereich gleichzeitig
umfaßt. Seiner Meinung nach dürfte die zweite Variante brauchbacersein,
da sie gestattet, die Zeit für das Aufsuchen der Sendefrequenz bedeu
tend abzukürzen. Zur Klärung der Frage, ob wir allein im Weltall sind,
empfahl Akademiemitglied V.A. Kotel'nikov, einen Empfänger mit mehre
ren Kanälen zu bauen, der aus einer großen Anzahl von Filtern besteht,
wobei jedes Filter auf eine ganz bestimmt Frequenz mit einem Durchlaß
bereich in der Größenordnung von 1 Hertz abgestimmt ist. Für die In
betriebnahme eines solchen Empfängers empfahl V.A. Kotel'nikov den
Aufbau eines Antennenkreises, der den gesamten Himmelsraum erfassen
könnte. Um auf diese Weise ein Signal aus einer Entfernung bis zu
tausenden von Lichtjahren aufzufangen, sind Antennen mit einem Spie
geldurchmesser von etwa 11 m erforderlich. Auf Grund seiner Berech
nungen ist Kotel'nikov davon überzeugt, daß die Nachforschungen nach
einer Zivilisation bis zu einem Abstand in der Größenordnung von
5oo Lichtjahren durchaus real sind.
Bei dem Forschungsprogramm geht man von der Voraussetzung aus, daß
die sendende Zivilisation über einen Sender mit einer Leistung von
einer Million kW verfügt. Bei einem technischen Entwicklungsstand/
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der dem unsrigen entspricht, wäre eine solche Leistung zu erreichen.
Um eine maximale Reichweite und optimale Nachrichtenverbindung zu er-
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halten, dürfte der Frequenzbereich von lo bis lo Hertz, d.h. der Be
reich der Zentimeter und Dezimeter-Wellen,offensichtlich am günstig
sten sein. Wenn man sich auf einen Bereich von nicht allzugroßer
Entfernung, etwa in der Größenordnung von looo Lichtjahren, beschränkt,
dann könnte eine entsprechende Apparatur im Laufe von zehn Jahren un
gefähr 264 000 Objekte untersuchen, was etwa der Zahl geeigneter Ster
ne im zu untersuchenden Gebiet gleichkäme.
Die zweite Arbeitseinrichtung bezieht sich auf die Suche nach Signa
len von einer Zivilisation, die auf einer bedeutend höheren Stufe
steht als die unsere und damit über eine solche Laistung verfügt
(lo erg/sek und mehr), bei welcher die Notwendigkeit einer scharf
gebündelten Strahlung fortfällt, so daß die Möglichkeit besteht, die
Signale in einem breiten Frequenzbereich auszusenden. Auf diese Weise
könnte eine große Informationsmenge in recht kurzer Zeit ausgesendet
werden. Eine besondere Schwierigkeit dieser Forschungsrichtung liegt
darin, daß die Signale eines breiten Frequenzbereichs der natürlichen
kosmischen Radiostrahlung sehr ähnlich sind. Über die Möglichkeiten
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der Differenzierung solcher Strahlungsquellen hielt N.S. Kardasev,
der später auch die These von der Entdeckung einer neuen "Superzivi-
lisatiön" in der TASS-Meldung vertreten hat, ein Referat.
Bei der Konferenz wurden auch die Möglichkeiten der Aussendung von
Signalen diskutiert. S.E. Chajkin hat den Vorschlag vorgebracht,
eine Art "Bereitschaftssignal" auszusenden, welches davon Kenntnis
geben soll, daß die Erde ein Zivilisations-Niveau erreicht hat, in
welchem sie eine Information von anderen Zivilisationen empfangen
kann. Dann könnte eine Zivilisation höheren technischen Fortschritts
nach Empfang des Bereitschaftssignals mit Sendungen in Richtung
Erde beginnen.
Zu den besonders aktuellen Fragen zählen die Konferenzteilnehmer
das theoretische Studium der Statistik künstlicher Signale, der
kosmischen "Linguistik", der Entschlüsselungstheorie und der Lern-
Theorie.
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Es wurde empfohlen, bei einer Reihe vonlnstitutionen Abteilungen
oder Forschungsstellen für Probleme der außerirdischen Zivilisa
tionen zu bilden. Ferner soll eine Koordinierungsstelle beim Astro
nomischen Rat und dem Problemrat für "Radioastronomie" organisiert
werden, die auch eine neue Konferenz für das zweite Halbjahr 1965
vorbereiten soll.