Table Of ContentPRAXIS DER SOZIALPSYCHOLOGIE
PRAXIS DER SOZIALPSYCHOLOGIE
Herausgegeben von Prof. Dr. Georg Rudinger, Bonn
BAND 1
SOLIDARITAT UND WOHNEN
ft.·.·
~
DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG
DARMSTADT 1974
SOLIDARITAT
UND WOHNEN
Eine Fe1dstudie
Von
Dr. Ernst-Dieter Lantermann
Wissenschaftlicher Assistent an der RWTH Aachen
Die Dissertation wurde von der Phi1osophischen Fakultat der Universitat
Bonn im Jahre 1974 angenommen.
Mit 12 Abbi1dungen und 38 Tabellen
a
•
DR. DIETRICH STEINKOPFF VERLAG
DARMSTADT 1974
Ernst-Dieter Lantermann, geb. 11.8.1945 in Oberhausen
studierte Psychologie an der Universitat Bonn
1971 DiplomprUfung (Dipl.-Psych.) in Bonn, 1974 Promotion zum
Dr.phil. in Bonn, zur Zeit Wissenschaftlicher Assistent an der Rhei
nisch-Westfalischen Technischen Hochschule Aachen. Derzeitige wis
senschaftliche Arbeitsschwerpunkte: Altersrolle, Wahrnehmung der
Stadtumwelt, Einstellungsmessung. Die hier veroffentlichte Arbeit
beruht auf der Dissertation des Autors.
ISBN-13: 978-3-7985-0415-8 e-ISBN-13: 978-3-642-72315-5
DOl: 10.1007/978-3-642-72315-5
© 1974 by Dr. Dietrich Steinkopff Verlag, Darmstadt
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1974
AIle Rechte vorbehalten (insbesondere des Nachdrucks und der Ubersetzung)
Kein Teil dieses Buches darf in irgendeiner Form (durch Photokopie, Xerographie,
MikrofIlm, unter Verwendung elektronischer Systeme oder anderer Reproduktions
verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert werden. Bei Her
stellung einzelner VervieWiltigungsstiicke des Werkes oder von Teilen davon ist nach
§ 54, Abs. 2 URG eine Vergiitung an den Verlag zu entrichten, tiber deren Hohe der
Verlag A uskunft erteilt.
Gesamtherstellung: Graphische Werkstatten Kosel, Kempten
Zweck und Ziel der Reihe
Praxis der Sozialpsychologie liefert Informationen aus der Praxis sozialpsycho
logischer Forschungsarbeit, deren Ergebnisse Moglichkeiten zur Losung gegenwiiJ
tiger sozialer Probleme bieten sollen.
Praxis der Sozialpsychologie tragt zur systematischen Sammlung sozialpsycho
logischer Kenntnisse und Erkenntnisse beL Sozialpsychologie wird daher irn wei
testen Sinne, z. B. im Sinne der HandbUcher von Graumann und Lindzey &
Aronson *), verstanden.
Praxis der Sozialpsychologie ist als Forum fUr soziale Psychologie in seiner
Erscheinungsform und -weise nicht fixiert: neben Monographien werden auch
Sammelbande mit mehreren Beitragen verschiedener Autoren zu einem Uberge
ordneten Leitthema, kritische Sammelreferate Uber sozialpsychologische Neuer
scheinungen und Reader zur Veroffentlichung angenommen. Hauptgewicht wird
auf empirische Beitrage gelegt, seien es Feldstudien, Feldexperimente oder La
borversuche. Der stets angestrebte Praxis-Bezug mu~ jedoch in jedem Fall den
methodischen Anforderungen genUgen, wie sie etwa von Bredenkamp und Fe
ger **) zusammengestellt worden sind. Die Bevorzugung empirischer Arbeiten
steht jedoch der Publikation von theoretischen EntwUrfen und methodologischen
Beitragen nicht im Wege.
Praxis der SoziaZpsychologie wendet sich an Psychologen, Soziologen, Sozial
wissenschaftler allgemein und an die Fachleute der Praxis, welche in ihrer Ar
beit auf empirisch fundierte Informationen aus der Sozialpsychologie angewiesen
sind.
Praxis der Sozia!psychologie solI moglichst in 4 Banden pro Jahr in etwa
vierteljiihrlichen Abstanden erscheinen. Manuskripte sind an den Unterzeichne
ten einzureichen, der Uber ihre Aufnahme in die Sammlung entscheidet und den
Mitarbeitern die entsprechenden Richtlinien fUr die Gestaltung der Bande auf
Wunsch Ubermittelt. Herausgeber und Verlag sind fUr aIle Anregungen fUr die
weitere Ausgestaltung der Reihe jederzeit dank bar.
Prof. Dr. Georg Rudinger
Psychologisches Institut der Universitat Bonn,
5300 Bonn I, An der Schlo~kirche
*) Lindzey, G. & Aronson, E. (Eds.): The Handbook of Social Psychology, 5
Vols., Addison-Wesley, Reading Massachusetts 1968/1969
Graumann, C. F. (Hrsg.): Handbuch der Psychologie, Bd. 7,1: Sozialpsychologie:
Theorien und Methoden. Hogrefe Gottingen 1969 und Handbuch der Psychologie,
Bd. 7,2: Sozialpsychologie: Forschungsbereiche, Hogrefe Gottingen 1972
**) Bredenkamp, J. & Feger, H.: Kriterien flir die Entscheidung tiber Aufnahme
empirischer Arbeiten in die Zeitschrift flir Sozialpsychologie, Zeitschrift flir So v
zialpsychologie, 1, 1970,43-47
Vorwort
Die ersten Dberlegungen zur vorliegenden Untersuchung gehen auf meine
Tatigkeit am Psychologischen Institut der UniversiHit Bonn zurlick, nicht
zuletzt angeregt von dort gewonnenen Theorien und Forschungsergebnis
sen, wie sie von Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Thomae in seinen Schriften for
muliert worden sind.
Die Studie hiitte ohne die groBzligige Unterstlitzung der Stadt Miilheim
in dem vorliegenden Rahmen nicht entstehen konnen; vor aHem Herrn
Johansen danke ich flir seine Mitarbeit.
An der umfangreichen Erhebung der Daten waren Herr Bongers, Herr
Huber, Herr Hundsalz, Frl. Konigs, Herr Lindner, Herr Ney, Frl. Rehn,
und Herr Schreckling beteiligt. Flir diese wissenschaftliche Basisarbeit
danke ich ihnen. 1m Rahmen eines Forschungspraktikums gaben Frl.
Dopp und Herr Pelzer manche Anregungen zur Entwicklung des Konzep
tes: "Soziale Balance".
Herrn Prof. Dr. Hubert Feger, der diese Dissertationsschrift betreut hat,
gilt mein besonderer Dank. Der Gedankenaustausch mit ihm brachte vie
le wertvolle Erkenntnisse flir diese Arbert. Gleiches gilt flir Herrn Prof.
Dr. Georg Rudinger, mit dem ich nicht nur im Institut Gelegenheit zu
kritischen Gespriichen fand.
Besonders herzlich danke ich auch Berrn Prof. Dr. Roskam, Nijmegen,
der mit gro~er Geduld und vielen Hinweisen aus manchen Schwierigkei
ten half.
Ohne die Mitarbeit von Herrn Guillot hiitte die Arbeit wohl nicht die vor
liegende Form erhalten. Er hatte mit groBem Einsatz eigene Programme
erstellt oder schon vorhandene an aktuelle ProblemsteHungen adaptiert;
zweifellos aber hat Elisabeth Buck - oft unter Vernachliissigung ihrer
eigenen Arbeit - den Erfolg erst ermoglicht.
Aachen, Sommer 1974 Ernst-Dieter Lantermann
VI
Inhalt
v
Zweck und Ziel der Reihe .
Vorwort . VI
Einleitung •
Ubersicht tiber den Aufbau der Untersuchung 2
1. Einige Grundannahmen der Umwelt-Psychologie 3
2. Spezifische Umwelt: Wohnumwelt 9
2.1. Physikalische Dimensionen der Wohnumwelt 9
2.2. Kognitive Reprasentation der Wohnumwelt . 10
2.3. Soziale Interaktion in Relation zu physikalischen
Aspekten des Raumes 16
2.3.1. Raumliche Distanz . 16
2.3.2. Dichte 17
2.3.3. Monotonie und Lage 18
2.4. Soziale Komponenten der Wohnumwelt . 21
2.4.1. Soziale Isolation und Uberlastetheit 21
2.4.2. Privatheit . 23
2.4.3. Soziale Mischung 24
3. Solidaritat und soziale Balance in Wohnquartieren • 28
3.1. Solidaritat 28
3.2. Soziale Balance 32
3.3. Annahmen tiber Zusammenhange zwischen sozialer Balance,
Solidaritat und Aspekten der Wohnumwelt . 35
4. Konstruktion von Skalen zur sozialen Balance und Solidaritats
Bereitschaft • 37
4.1. Skaliermodelle des komparativen und kategorialen
Urteils (Thurstone) . 39
4.2. Das stochastische Folding-Modell von Bechtel 44
4.3. Multidimensionale Ahnlichkeits-Skalierung . 47
4.4. Eine Skala der sozialen Balance 49
4.4.1. Skalierung nach dem Gesetz des komperativen Urteils 49
4.4.2. Skalierung nach dem Folded-Modell von Bechtel 56
4.4.3. Multidimensionale Ahnlichkeits-8kalierung der
Indikatoren der sozialen Balance • 62
4.4.4. Eine erste Untersuchung mit der Skala ZUI sozialen
Balance . 66
VII
4.5. Eine Skala der Solidaritat~Bereitschaft in stiidtischen
Wohnquartieren • 68
4.5.1. Auswahl der Indikatoren 68
4.5.2. Skalierung nach dem Gesetz des ka tegorialen Ur tells 69
4.5.3. Konsistenz-Oberpriifungen • 71
4.5.4. Testungen der Skala 72
4.5.5. Testung der Relevanz • 76
4.5.6. Bestimmung der Personenkennwerte • 78
5. Feldstudie zur Relation von Solidaritats-Bereitschaft und sozialer Balance
in spezifischen Wohnquartieren 82
5.1. Probleme einer Feldstudie • 82
5.2. Drei Wohnquartiere. 91
5.2.1. Die Auswahl der Siedlungen 92
5.2.2. Die Stichprobe • 94
5.3. Einige Momente des objektiven und subjektiven
Environments 95
5.4. Hypothese 1: Relation zwischen sozialer Balance und
Solidaritat~Bereitschaft • 99
5.5. Hypothese 2: Soziale Balance und Solidaritats-Bereit
schaft in spezifischen Wohnq uartieren • 103
5.5.1. Unterschiede zwischen den Personenkennwerten von
Bewohnern unterschiedlicher Siedlungen 104
5.5.2. Isolierung weiterer Varianzantelle 111
5.5.2.1. Mit der sozialen Balance korrespondierende Faktoren. 111
5.5.2.2. Mit der Solidaritats-Bereitschaft korrespondierende
Faktoren • 118
Diskussion 123
Zusammenfassung 129
Literatur . 131
Anhang . 141
Sachregister 149
VIII
Einleitung
In dieser Arbeit sollen einige Momente des Zusammenhanges zwischen
Bereitschaft zum solidarischen Handeln und Komponenten der physikali
schen und sozialen Umwelt dargestellt werden. Es ist nichtbeabsichtigt -
und nach Meinung des Verfassers beim gegenwiirtigen Stand des Wissens
im Bereich der Umwelt-Psychologie (Environmental Psychology) auch
nicht moglich -, einzelnen Aspekten der physikalischen und sozialen Um
welt quantitativ exakt bestimmbare Einfllisse auf soziales Verhalten und
Verhaltens-Dispositionen zuzuordnen. Ein soIches Vorhaben bedarf zu
klinftiger intensiver interdiszipliniirer Zusammenarbeit von Verhaltenswis
senschaftlern, Architekten, Stiidteplanern, Soziologen und Okonomen.
1m Zentrum dieser Arbeit steht vielmehr die These eines kurvenlinearen
Zusammenhanges zwischen Solidaritiits-Bereitschaft und erlebter sozialer
Verflechtung von Bewohnern stiidtischer Wohnquartiere, wobei "Solida
ritiit" wie "soziale Verflechtung" hier ausschliej),lich auf Verhaltens-und
Erlebnis-Aspekte innerhalb des Wohnbereichs Bezug nehmen.
Dabei wird angenommen, daj), die erlebte soziale Verflechtung des Einzel
nen Resultat von Wechselwirkungen zwischen Personlichkeits-spezifischen
Faktoren und Zustiinden der physikalischen und sozialen Umwelt ist.
Ebenso wird die Bereitschaft zum solidarischen Handeln zur Durchsetzung
gemeinsamer Interessen innerhalb des Wohnbereichs als aus dem Zusam
mentreffen von Pers6nlichkeits-spezifischen Merkmalen, Merkmalen des
auch die Wohnsituation entscheidend mitkonstituierenden, sie libergrei
fenden sozio-6konomischen Systems, sowie aus Aspekten der jeweils kon
kret erfahrenen Wohnumwelten entwickelt, aufgefaj),t.
Die Komplexitiit dieser angesprochenen Interaktion von historischen, oko
nomischen, sozialen und physikalischen Faktoren erschwert die Analyse
von Einfllissen isolierter Momente der Wohnumwelt auf Verhalten und Er
leben und schriinkt a priori den Geltungsbereich erhaltener Ergebnisse ein.
Es werden keine Regelmiij),igkeiten zwischen Umwelt- und Verhaltens-As
pekten erwartet, die sich von "Leningrad bis Rom" (so Heil, /971, Seite
166) in gleicher Weise darstellen.
Aus diesen Uberlegungen heraus ergeben sich einige Konsequenzen flir das
weitere Vorgehen:
1. Flir die Analyse der Beziehungen zwischen Umwelt und Verhalten
werden nur die als wesentlich erachteten qualitativen Dimensionen
der Wohnumwelt erfaj),t;
2. Die Ergebnisse der Untersuchung sind nur sinnvoll interpretierbar vor
dem Hintergrund der spezifischen historischen und gesellschaftlichen
Situation der Bundesrepublik Deutschland.
1m Rahmen dieser Arbeit kann eine Analyse der historischen, politischen
und okonomischen Situation der BRD nicht geleistet werden, ebenso we
nig wie der vielfiiltigen Verflechtungen von Okonomie und Stiidtebau. Die
meisten, die konkrete Wohnwelt konstituierenden gesellschaftlichen Fak-
toren bleiben ungenannt. Nur an Stellen, an denen zur Begriindung des
weiteren Vorgehens Verweise auf diese Aspekte unerHiBlich sind, werden
einige dieser Rahmenbedingungen verdeutlicht. Thema der vorliegenden
Untersuchung sind demnach Erscheinugsformen des gesellschaftlichen
Teilbereichs Wohnen und weniger deren gesellschaftliche Begriindungen.
Es bleibt dennoch zu hoffen, daB durch Arbeiten dieser Art Zusammen
hange sichtbar werden, deren Kenntnisse zu einer im Sinne der Bewohner
optimalen Gestaltung stadtischer Wohnquartiere genutzt werden konnen.
Ubersicht tiber den Autbau der Untersuchung
Nach einem Dberblick liber die Entwicklung eines neuen Zweiges der Psy
chologie, der Umwelt-Psychologie (Environmental Psychology oder Archi
tectural Psychology) soHen ausfUhrlich theoretische Ansatze und empiri
sche Befunde liber Wechselwirkungen von physikalisch-sozialer Umwelt
und Verhalten und Erleben der in diesen Umwelten sich aufhaltenden In
dividuen dargestellt und, soweit wie moglich, systematisiert werden.
Detailliert werden im AnschluB daran Untersuchungen und theoretische
Erorterungen vorgestellt, die sich auf diejenigen spezifischen Momente der
Wohnumwelt beziehen, denen Einfllisse auf solidarisches und kommunika
tives Verhalten von Bewohnern stadtischer Wo hnquartiere zugeschrieben
werden. Begriffe wie "Integration", "Dichte", "Privatheit", "Territoriali
tiit", "Hom ogenitiit " werden vorgestellt und auf das Ziel der Untersu
chung hin reflektiert.
Es schlieBt sich an die Entwicklung der Haupthypothese dieser Arbeit:
die Annahme einer kurvenlinearen Beziehung zwischen solidarischen Ver
haltens-Dispositionen und erlebter sozialer Verflechtung sowie die Hypo
these moderierender Einfllisse besonderer Umwelt-Faktoren auf den Aus
pragungs-Grad dieser Variablen.
Es folgt die Darstellung der einzelnen Konstruktions-Schritte fUr die Er
stellung von Skalen zur "sozialen Balance" und "Solidaritats-Bereitschaft".
In weiteren Kapiteln dieser Arbeit werden die Haupt-Hypothesen der Un
tersuchung auf ihre Gliltigkeit in realen Wo hnsituationen hin iiberpriift.
Die Arbeit endet mit einer Einschatzung und Beurteilung der Ergebnisse.
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