Table Of ContentHeidelberger Taschenbticher Band 97
WolfD. Keidel 
Sinnesphysiologie 
Tell I 
Allgemeine Sinnespbysiologie 
Visuelles System 
Zweite, korrigierte Auflage 
Mit 158 Abbildungen 
Springer-Verlag 
Berlin· Heidelberg· New York 1976
Prof. Dr. med. Wolf D. Keidel 
o. Professor und Vorstand des 
1. Physiologischen Instituts der 
UniversiHit Erlangen-Ntimberg 
UniversitatsstraBe 17 
8520 Erlangen 
ISBN -13: 978-3-540-07922-4  e-ISBN -13: 978-3-642-66479-3 
DOl: 10.1007/978-3-642-66479-3 
Library of Congress Cataloging in Publication Data. Keidel, Wolf Dieter. Sinnes 
physiologie. (Heidelberger Taschenbticher; Bd. 97). Bibliography: v. I, p. Includes 
indexes. CONTENTS: T. 1. Allgemeine Sinnesphysiologie. Visuelles System.!. Senses 
and sensation. I. Title. QP431.K4  1976  612'.8  76-41346. 
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© by Springer-Verlag Berlin· Heidelberg 1971, 1976 
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Gesetzgebung als frei zu betrachten wiiren und daher vonjedermann benutzt 
werden dtirflen. 
Herstellung: Oscar Brandstetter Druckerei KG, 62 Wiesbaden
Meinem Lehrer Otto F. Ranke
Vorwort 
Das vorliegende Biichlein stellt eine Zusammenstellung vieler Gespdiche 
dar, die im Zusammenhang mit Vorlesungen, Praktika und Forschungs 
diskussionen am I. Physiologischen Institut Erlangen in den letzten 
15 Jahren gefiihrt worden sind. Dieser Band behandelt die Axiomatik, 
die  allgemeine  Sinnesphysiologie und das visuelle  System.  In  einem 
zweiten  Bandchen sollen Gehor, Gleichgewichtssinn, Hautsinne und 
chemische Sinne eine ahnliche Darstellung erfahren. Ohne Frage be 
deutet in der heutigen Zeit eine solche Synopsis ein Wagnis. Wir glauben 
uns dazu jedoch vor allem deshalb berechtigt, weil an den Autor in den 
letzten Jahren immer wieder der Wunsch nach einer solchen Darstellung 
aus den verschiedensten Kreisen herangetragen worden ist. So wendet 
sich das Biichlein sowohl an die Studierenden der Medizin und Zahn 
medizin, wie auch an Psychologen, Naturwissenschaftler, Technologen 
und interessierte Vertreter aller Fachgebiete, die sich in irgendeiner 
Weise  mit  diesem  eigenartigen  Teilgebiet  der  Selbsterkenntnis  des 
Menschen beschaftigen. Die Sinnesphysiologie betrachtet heute so viele 
Grundfragen  men schlicher  Lebensfunktionen,  daB  sie  nach  unserer 
Auffassung eher Grundlegendes als Detailliertes auszusagen hat.  So 
wiinschen wir dem Biichlein, das ich zugleich OTTO F. RANKE,  dem 
Menschen widmen mochte, der mich auBer Herrn GEORG v. BEKESY, 
NORBERT WIENER und WALTER A. ROSENBLITH am profundesten zum 
Nachdenken iiber die Sinnesphysiologie und die menschliche Communi 
kation angeregt hat, eine wohlwollende Aufnahme beim Leser. Herrn 
SIEGFRIED KALLERT und Frau ILSE KUTSCHAU, die mir bei der Vorberei 
tung des Bandchens entscheidend und selbstlos geholfen haben, gilt 
neben Herrn KARL BURIAN, dem die sorgfaltige Ausfiihrung der Zeich 
nungen zu danken ist, mein besonderer Dank. Das Biichlein ware ohne 
den AnstoB durch den Verleger, Herrn Dr. H. GOTZE, nicht entstanden 
und hatte ohne das groBziigige Eingehen auf aIle Ausstattungswiinsche 
durch den Springer-Verlag im Rahmen der Heidelberger Taschenbiicher 
nicht seine ansprechende auBere Form finden konnen. Auch dafiir habe 
ich in besonderem MaB zu danken. 
Erlangen, im Juli 1971  WOLF D. KEIDEL 
VII
Inhaltsverzeichnis 
A. Einf"lihrung  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 
Kritische Betrachtung der Grundbegriffe .  2 
"Probabilistic Approach"  3 
Raum und Zeit.  .  .  .  .  4 
BewuBtsein  .  .  .  .  .  .  6 
Psychologischer Aspekt  6 
Physiologischer Aspekt  13 
Modalitiit  13 
Qualitiit.  .  .  .  .  .  .  14 
Quantitiit  .  .  .  .  .  .  15 
Information - Informationstheorie - Informationsverarbeitung in 
Organismen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  16 
B. AUgemeine Sinoesphysiologie .  25 
Quantifikation der Empfindungsstiirke .  25 
Weber-Fechner'sches Grundgesetz  .  .  27 
Stevens'sche Potenzfunktion  .  .  .  .  .  30 
Bedeutung des Exponenten "n" der Stevens'schen Potenzfunktion und 
Erkliirung ihrer Giiltigkeit.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  33 
Liirmbewertungsschemata .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  37 
Sinneserlebnis - Empfindung und Wahrnehmung  .  .  .  .  .  .  .  44 
Verschltisselung der Information im Sinnesorgan ("Kodierung")  47 
Wirkungsgradveriinderung der Informationsleitung durch efferente, 
deszendierende Fasersysteme.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  52 
Kodierung im Rezeptor und Informationsleitung in der Einzelfaser  64 
Informationsleitung in der Nervenfaser  71 
Dekodierungsprozesse.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  79 
Einteilung der Sinne  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  86 
Psychophysische Schwellenmessungen. Schwellenarten der Sinnesorgane  88 
1. Absolutschwellen.  .  .  90 
2. Intensitiitsschwellen.  .  .  .  .  91 
3. Unterschiedsschwellen  93 
Sukzessivunterschiedsschwelle  93 
IX
Simultanunterschiedsschwelle  94 
4. Ortsschwellen  .  97 
5. Zeitschwellen  .  .  99 
6. Raumschwellen  100 
Sinnesmannigfaltigkeit  102 
C. SpezieUe Sinnesphysiologie des Auges  104 
I.  Antransportorgan  .  .  .  .  .  .  .  .  104 
Physiologische Optik des Antransportorganes  109 
1. Brechungsgesetz  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  110 
2. Abbildung durch einfache optische Systeme.  112 
3. Abbildung durch Linsen.  .  .  .  .  .  .  .  .  114 
4. Abbildung durch komplizierte (= zusammengesetzte) 
optische Systeme  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  116 
5. Abbildungsfehler durch Linsen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  118 
6. Kriimmungsradien der brechenden Flachen des Auges  124 
7. Messung der Kriimmungsradien. Ophtalmometer  124 
8. Augenfehler  .  .  .  .  .  .  127 
9. Akkommodationsvorgang  132 
10. Augenspiegel .  139 
11. Pupillenweite.  .  .  .  .  .  142 
II. Transformationsorgan (Netzhaut)  144 
1. Absolut- und Intensitatsschwelle  147 
Dunkel- und Helladaption  149 
2. Unterschiedsschwellen.  .  155 
3. Zeitschwelle  .  .  .  .  .  .  161 
4. Ortsschwelle (Sehscharfe)  166 
a) Abhangigkeit der Sehscharfe vom betrachteten Objekt .  166 
b) Abhangigkeit der Sehscharfe vom Ort der Abbildung 
auf der Netzhaut.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  167 
c) Abhangigkeit der Sehschiirfe von der Beleuchtungsstarke..  169 
d) Abhangigkeit der Sehscharfe vom Leuchtdichtenquotienten .  171 
Messung der Sehscharfe  171 
Simultankontrast .  173 
5. Gesichtsfeld  .  .  .  .  .  178 
6. Bewegungsschwelle  .  .  180 
7. Raumschwelle (stereoskopisches Sehen)  181 
Pulfricheffekt.  .  .  .  .  .  .  .  188 
8. Farbensehen.  .  .  .  .  .  .  .  190 
Farbkreisel und Anomaloskop  195 
Sehbahn.  .  .  .  .  .  .  .  .  .  198 
x
9. Objektive Erscheinungen am Auge  200 
Elektroretinogramm.  .  .  .  .  .  .  201 
Aktionspotentiale des Sehnerven  .  203 
10. Blendung im Kraftfahrzeugverkehr  210 
11. Optische Sinnestiiuschungen  214 
Literaturverzeichnis  .  .  .  .  221 
Namen-und Sachverzeichnis.  223 
Quellenverzeichnis der Abbildungen .  227 
XI
A. Einftihrung 
Alle Informationen tiber die Umwelt wie tiber unseren eigenen Korper 
erhalten wir vermittels un serer Sinnesorgane. Unser BewuBtsein, Aus 
druck normaler Funktion des gesamten Zentralnervensystems, tibersetzt 
alles, was unsere Sinnesorgane aufnehmen, in Empfindungen und Wahr 
nehmungen, in Phanomene und BewuBtseinsinhalte, die unser Wach 
empfinden zumindest ebenso ausftillen wie un sere Gedanken. Ja, geht 
man dieser Problematik auf den Grund, so zeigt sich, daB weder die 
klassische  Unterteilung der Hirnfunktion in Motorik und  Sensorik, 
also in die Einleitung von Handlungen und Verhaltensweisen einerseits 
und in Wahrnehmungen andererseits, noch die Standarddarstellung der 
Psychologie und Philosophie, namlich die Trennung in Gedanken und 
Geftihle, langer haltbar sind. Vielmehr bedarf dies alles einer neuen Ord 
nung, welche sich auf den gleichzeitigen Ablauf von drei vollig vonein 
ander verschiedenen Grundfunktionen der Physiologie der Sinne und 
der Sinnesempfindungen sttitzen muB, namlich von 1. Energietransfor 
mationen, 2.  Informationsverarbeitungen und 3.  BewuBtseinsinhalten 
(Abb. 1). 
Schicht  Elementar- Me6grii6e  Dimension 
einheit 
.  Empfindungs- % (Schwelle) 
Bewu13tsem stufe  LI i . LI t . Llf 
i'  , 
Abb. 1.  Dreischichteneintei  Zeit 
Information Signal  bit 
lung bewu13ter Empfindungen  (oder Raum) 
des Menschen in Energie, In 
Energiequant  Raum und 
formation  und Bewu13tseins  Energie  LIE  erg  Zeit 
inhalt (etwa Empfindung) 
Eine Einftihrung in die hieraus ableitbare moderne Problematik und in 
die betrachtlich hahere Ubersichtlichkeit der gedanklichen Einordnung 
dieser drei Grundfunktionen, die in verschiedene Schichten eingestuft 
werden konnen, solI das Anliegen des vorliegenden kleinen Biichleins 
sein. 
1
Kritische Betrachtung der Grundbegriffe 
Die klassische Philosophie und Psychologie hat sich groBe Miihe damit 
gemacht,  Sinnes- und  Hirnfunktion  auseinanderzuhalten  und  noch 
obendrein von Willensintentionen, wir wiirden heute sagen, von Ver 
haltensweisen  als  "motorischen"  Anteil  vom  "sensorischen"  abzu 
trennen. SCHOPENHAUER's "Wille" und "Vorstellung" sind dafUr eben 
so beispielhaft wie DESCARTES' "res cogitans" und "res extensa". (Abb. 2) 
philosophischer  triviale  Dimension 
Begriff  Bezeichnung 
res  Geist  ? 
cogitans  Bewu/3tsein  • 
res  Materie  Raum  Abb.  2.  Descartes'sche  Einteilung 
extensa  Masse  und 
der Struktur der  Lebewesen in  die 
Energie  Zeit  "res cogitans" und die "res extensa" 
Strahlung 
Auch die theoretische Sinnesphysiologie unserer Tage geht, wenn auch 
mit Vorzeichenwechsel gegeniiber dem Locke'schen und Hume'schen 
Sensualismus, von dieser Einteilung aus, betont aber im Gegensatz zu 
der oben geschilderten dualistischen Auffassung der materiellen und 
geistigen Vorgange die Einheitlichkeit, eine Art Neo-Holismus also, 
nach welcher beide Dinge ein und dieselbe Sache nur von verschiedenem 
Standpunkt aus seien (HENSEL). 
Dennoch vermag dieser Versuch einer konstruktiven Homogenisierung 
des Leib-Seele-Problems, dessen iiberzeugendste Fassung bei SPINOZA 
in der Art des "psycho-physischen Parallelismus" zu finden ist,  die 
tatsachlich vorliegende Denkschwierigkeit nur zu verschieben,  nicht 
wirklich aufzulosen. Die Einteilung im Rahmen wissenschaftlicher Un 
tersuchungsverfahren: Physik fUr den Reiz und zum Teil fUr die Funk 
tion des Sinnesorgans selbst, Physiologie fUr die auf den Organismus 
bezogenen und ihm eigentiimlichen Stoffwechselprozesse und Psycho 
logie fUr die uns bewuBt werdenden Sinnesempfindungen und Wahr 
nehmungen, befriedigt heute nicht mehr: Der bekannte Ausspruch des 
Anatomen VIRCHOW, "er habe schon Tausende von Gehirnen seziert, 
aber noch niemals eine Seele gefunden", ist nicht bloB zeitgebunden 
dem  materialistisch-positivistischen  Denken  verhaftet  und  etwa  im 
Haeckel'schen Sinne gesprochen, lost vielmehr das Problem im Ende eben 
sowenig wie die Anschauung jenes beriihmten zeitgenossischen Physio 
logen, der fUr seine Wissenschaft das Kausaldenken des Naturwissen 
schaftlers, fUr seine personlichen GefUhle und ethischen Antriebe ein 
2