Table Of ContentPaula-Irene Villa
Sexy Bodies
Reihe Geschlecht und Gesellschaft
Herausgegeben von
Ilse Lenz
Michiko Mae
Sigrid Metz-Gäckel
Ursula Müller
Marlene Stein-Hilbers
Band 23
Paula-Irene Villa
Sexy Bodies
Eine soziologische Reise durch
den Geschlechtskörper
Leske + Budrich, Opladen 2000
Gedruckt auf säurefreiem und altersbeständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Villa, Paula-Irene:
Sexy Bodies : eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper 1 Paula-Irene Villa. -
Opladen : Leske + Budrich, 2000
(Geschlecht und Gesellschaft ; Bd. 23)
ISBN 978-3-322-95194-6 ISBN 978-3-322-95193-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-95193-9
© 2000 Leske + Budrich, Opladen
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InhaIt
Abfahrt ......................................................................................................... 11
1 Stmktur-Subjekt-Handlung-Körper ................................................. 19
1.1 Struktur I: Das Geschlechterverhältnis ......................................... 20
1.1.1 ,Mühsal der Ebenen': Mikro/Makro ..................................... 22
1.1.2 Geschlechterverhältnis und Geschlechterdifferenz ............... 24
1.2 Struktur II: Soziale Ungleichheit .................................................. 28
1.2.1 Soziale Ressourcen ................................................................ 29
1.2.2 Soziale Ungleichheit und Handeln ........................................ 32
1.3 Das Subjekt: Ein Ich, das nicht Eins ist ........................................ 34
1.3.1 Das Subjekt ,ist' nicht (mehr) ................................................ 36
1.3.2 Subjekte erfahren sinnlich ..................................................... 41
1.3.3 Subjekte handeln: Habitus .................................................... .43
1.3.4 Habitus und Hexis ................................................................. 48
1.4 Der Körper als Scharnier von Struktur und Subjekt ..................... 51
1.4.1 Der Geschlechtskärper als
Gegenstand der Frauenforschung ......................................... 53
1.4.2 Der Geschlechtskärper zwischen sex und gender .................. 55
1.4.3 lenseits von sex und gender. .................................................. 56
1.4.4 Was ist das biologische Geschlecht (der ,sex')? ................... 58
Exkurs I Zum Begriff ,Sozialkonstruktivismus' ................................. 61
2 Was tun wir, um das Geschlecht zu sein?
Geschlechtskörper und Handeln ........................................................ 67
2.1 Konstruktivistische Mikrosoziologie der Geschlechter ................ 69
2.1.1 Mikro- und Makrosoziologie ................................................. 69
2.1.2 Geschlechtskonstruktivistische Ethnomethodologie .............. 71
2.2 ,Doing gender' - Geschlecht als ProzeB ....................................... 74
2.2.1 Geschlechtsdarstellung .......................................................... 76
2.2.2 Geschlechtsattribution ........................................................... 76
2.2.3 Die soziale Beziehung ............................................................ 77
5
Exkurs II Doing Sehen ........................................................................ 83
2.2.4 Die Beziehung zwischen Personen und Ressourcen .............. 91
2.3 Der Körper als Ressource ............................................................. 93
2.3.1 Hormone und biologische GeschlechterdijJerenz .................. 94
2.3.2 Hormone als Darstellungsressource ..................................... 96
2.3.3 Kärperliche Ressourcen - soziale Ressourcen ...................... 99
2.4 Interaktionen und soziale Ordnung ............................................. 103
2.4.1 Individualgeschichtliche Prägung ....................................... 105
2.4.2 Naturalisierung qua Wissenssysteme ................................... 108
2.4.3 Naturalisierung qua semiotischem
Verweisungszusammenhang ................................................ 109
2.5 ,Doing gender' und ,Doing Inequality' ...................................... 110
2.6 Kritisches Fazit ........................................................................... 116
3 Was sagen wir, um das Geschlecht zu sein?
Geschlechtskörper und Diskurs ........................................................ 121
3.1 Diskurstheorie - ,Sprache handeIt' ............................................. 123
3.1.1 Genealogie als kritisehe Methode ....................................... 124
3.2 Die Macht des Wortes: Diskursive Performativität .................... 127
3.2.1 Wiederholungen und Zitate ................................................. 128
3.2.2 Diskursiver Guerilla-Krieg?
Performativität und subversive Wiederholungen ................. 130
3.3 Diskurs und Intelligibilität I:
Foucaults Analyse moderner Sexualität.. .................................... 138
3.4 Diskurs und Intelligibilität II:
Butlers Genealogie der Geschlechterdifferenz ............................ 141
3.4.1 Zwangsheterosexualität ....................................................... 144
3.4.2 Travestie: Imitation ist Imitation ist Imitation ..................... 149
3.5 Diskurs und Körpermaterie ......................................................... 154
3.5.1 Penetration als Norm der sexuierten Morphologie ............. 159
3.6 Das Recht auf das Wort: Sprache und soziale Macht ................. 165
3.6.1 Sprache als Ausdruck sozialer Macht. ................................. 166
3.6.2 Der soziale Wert der Sprache .............................................. 169
3.6.3 Diskursiver Guerilla-Krieg revisited ................................... 171
6
3.7 Sprache und Hexis-
eine andere Form, Diskurs und Körper zu verknüpfen ............... 173
3.8 Kritisches Fazit ........................................................................... 174
4 Was spüren wir, um das Geschlecht zu sein?
Geschlechtskörper und leibliches Empfinden ................................. 179
4.1 Leib-Phänomenologie im Kontext der Mikrosoziologie ............. 184
4.2 Der phänomenologische Körper ................................................. 188
4.2.1 Zwischen zentrischer und exzentrischer Positionalität ........ 188
4.2.2 Leiblich spüren, was der Körper bedeutet ........................... 192
4.2.3 Sex als Scharnier zwischen Körper und Leib ...................... 195
4.2.4 Zwischenkritik ...................................................................... 201
4.2.5 Körperformen in Opposition ................................................ 203
4.3 Asymmetrien der Geschlechterdifferenz ..................................... 206
4.3.1 Frau-Sein: Schmerz und VerletzungsojJenheit .................... 208
4.3.2 Mann-Sein: Gewalt und Aggression .................................... 211
4.3.3 Frauen werden anerkannt, Männer behaupten sich ............ 213
4.4 Kritisches Fazit ........................................................................... 216
5 Am vorläufigen Ende ......................................................................... 223
Der Tanz der Konstruktionen: Tango und Geschlecht .......................... 239
1 Tango Sociologica ..................................................................... 240
2 Tango: eine transnationale Erfolgsgeschichte? ........................ 242
3 Hingabe und anderes mehr. ... der Tanz ..................................... 248
4 Diskurs der GeschlechterdijJerenz ............................................. 254
5 Doing Tango .............................................................................. 258
6 Von den Kopfgeburten zum Herzklopfen ................................... 262
Literaturverzeichnis .................................................................................. 265
Abbildungsverzeichnis .............................................................................. 275
7
Danke
Dieses Buch ist die leieht überarbeitete Version meiner an der Fakultät für
Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum 1998 eingereichten Dis
sertation. ,Die Diss' ist mehr als eine Qualifikationsarbeit - sie ist eine Le
bensphase und ein Zustand. DaS es eine gute und produktive Zeit war, daran
habe viele Menschen ihren Anteil. Mein Dank gilt zunächst und ganz beson
ders Prof. Ilse Lenz, die mich - oft lange nach ,Feierabend' - kontinuierlich
ermutigt, beraten, begleitet und mit mir diskutiert hat. Das von ihr gemein
sam mit Dr. Angelika Wetterer geleitete Forschungskolloquium war ein Ort
anregender sozialwissenschaftlicher Debatten. Prof. Annette Treibel verdan
ke ich viele Anregungen, Hinweise und sonstige Unterstützung, ohne die
diese Arbeit so nicht geschrieben worden wäre. Prof. Strohmeier sei für seine
Unterstützung besonders gedankt. Ein professionelles Forum in jeglicher
Hinsicht war das DFG-Graduiertenkolleg ,Geschlechterverhältnis und So
zialer Wandel' an der Universität Dortmund, in dem ich drei Jahre ideelle
Stipendiatin war. Dieser interdisziplinäre Kontext war eine institutionelle und
menschliche Heimat während der Promotion. Es setzt sich aus allen beteilig
ten Professorinnen, Stipendiatinnen und Organisatorinnen zusammen; ihnen
allen gilt mein besonderer Dank. Weiterhin danke ich von ganzem Herzen
Ute L. Fischer, die als Freundin und Kollegin das Leben, während und/oder
trotz der Diss' mit mir geteilt hat, sowie Sylvia M. Wilz, die die Arbeit kri
tisch, intensiv und freundschaftlich begleitet hat. Auch meiner Freundin und
Kollegin Rutvica Andrijasevic sei gedankt. PD Dr. Gabriele Klein danke ich
für inspirierende Gespräche. Dank auch an Charlotte Ullrich und Andres
Friedrichsmeier für Hilfe bei der Erstellung des Manuskripts. Mehr als ich in
W orte zu fassen vermag, danke ich Michael Cysouw für Nähe in jeglicher
Hinsicht. DaS sich Intellekt und Emotionen gegenseitig brauchen und beflü
geln, ist ein Ergebnis dieser Arbeit und zugleich der Alltag unserer Bezie
hung. Meiner Mutter verdanke ich schlieBlich, neben Anderem, den SpaS an
sowie den Mut zur Wissenschaft.
Finanziell wurde die Promotion durch ein Stipendium der Graduierten
förderung NRW ermöglicht.
9
Abfahrt
Debatten um Gen- und Reproduktionstechnologien, um neue Krankheiten
und neue medizinische Verfahren oder um neue Kommunikations- und In
formationsmedien haben Fragen nach der Natur und nach unserem Verständ
nis des menschlichen Körpers virulent gemacht: Was ist der menschliche
Körper, wenn sich nicht nur Tiere, sondern auch Menschen zumindest po
tentiell gentechnisch ,herstellen' (klonen) lassen? 1st der menschliche Körper
bloBe chemisch reproduzierbare ,Materie' jenseits kognitiver oder emotio
naler Prägungen? Was ist natürlich an einem Körper, der trotz Hirntod ein
lebendes Kind zur Welt bringt oder bringen kann? Wie wichtig ist die kör
perliche Präsenz mit allen Sinnen für menschliche Kommunikation, wenn
diese auch per Internet relativ gut ohne diese auskommt und für Millionen
von Menschen selbstverständlicherweise so funktioniert? Stellen die Plasti
nate der Ausstellung , Körperwelten' (in Mannheim 1997) wirklich unsere
Körper dar? Oder ist es vielmehr so, wie Duden (1997:490f.) in Bezug auf
eine andere, ähnliche Ausstellung zum Körpee schreibt: "Beim Ausgang
hatte ich das Gefühl, ich sei meiner Leibhaftigkeit entkleidet worden, hätte
sie abgelegt. ( ... ) Hier waren alle Dimensionen verrückt, jede Orientierung an
einem Soma, am Körper, Fleisch, Sensibilität waren ausgelöscht, ( ... )". So
oder ähnlich geht es wohl vielen Menschen, die die aktuelle Medikalisierung,
Biologisierung und Kommerzialisierung des Körpers in der öffentlichen
Diskussion (wie im Zuge des , Human Genome-Projects', der pränatalen
Medizin, Organspenden usw.) mit Unbehagen betrachten. Und zunehmend
befremdet nehmen auch Teile der scientific community die gegenwärtigen
Diskussionen um den Körper in den Sozialwissenschaften und/oder der Ge
schlechterforschung wahr. Dieses Unbehagen läBt sich durchaus als Reaktion
auf veränderte Wahrnehmungen und auf einen z.T. ent-traditionalisierten
Umgang mit dem Körper im Alltag vieler Menschen deuten. Möglicherweise
hinkt die wissenschaftliche Debatte in Bezug auf den Körper der Lebenswelt
hinterher. In vielen Subkulturen und vor allem in der Welt der Medien hat
sich schon seit einiger Zeit ein z.T. spielerischer Umgang mit dem eigenen
Körper etabliert. Er ist für viele ein wesentliches Instrument für verschieden
ste Inszenierungen von Identitäten, d.h. er ist, so jedenfalls die Selbstwahr
nehmung vieler, ein Medium der Selbstdarstellung (und Selbstkonstruktion),
das sich kaum noch von Kleidung, Frisur oder Schmuck unterscheidet. Zu
mindest läBt sich die Popularisierung von ehemais tabuisierten Körpereingrif
fen wie plastisehe (Schönheits-)Chirurgie, Piercing, Tatoos oder auch Hor
monkuren ebenso wie der Boom der Fitness-Studios so deuten.
,Science for Life - A Window into Life'. Ausstellung im Wellcome-Institut, London.
11
Abgesehen von den Spekulationen um die Bewertung soleher Phänome
ne, läBt sich wohl eines grundsätzIich feststellen: die aktuellen (öffentIichen
wie sozialwissenschaftlichen) Diskussionen um den Körper zeugen von einer
Verunsicherung darüber, was der Körper überhaupt ist. Es ist Angerer nur
zuzustimmen, wenn sie schreibt: "Der Körper ( ... ) nimmt ( ... ) die Position
eines Vnbekannten ein, dessen selbstverständIiche Vertrautheit sich vielfach
infrage zu stellen begonnen hat." (Angerer 1995:17). Auch für mich war
diese Verunsicherung im Laufe der nun vorIiegenden Arbeit immer wieder
mehr als verwirrend. Letztendlich war es aber eine produktive Herausforde
rung, die mich darin bestärkt hat, an einem theoretischen Projekt festzuhal
ten, das den Körper nicht als das, was er ,eigentiich ist' entdecken will, son
dern zeigen möchte, daB das, was der Körper ist, sich nur in seinen vielfälti
gen Bedeutungen und Konstruktionsmodi erschlieBt. Insofern ist ein Ziel
dieses Buches, Verwirrung und Vnsicherheiten zu schaffen, gleichzeitig aber
die Leser/innen durch diese Vntiefen in - hoffentIich erkennbar - struktu
rierter Weise hindurchzuführen. In diesem Sinne stelIt das vorliegende Buch
eine Reise dar. Das Ziel - der Geschlechtskörper - scheint vertraut, entpuppt
sich aber, wie bei Reisezielen nicht selten der Fall, als Produkt der Phantasie
der Reisenden. Anders ausgedrückt: wir werden unser ursprüngIiches Reise
ziel nie erreichen, denn es wird sich auf dem Weg ständig verwandeln. Dafür
bietet die Route thrilI, sex and violence (bzw. soziologisch Aufregendes,
Auseinandersetzungen mit SexuaIität und mit diskursiver wie symbolischer
Gewalt).2
Die Brisanz der erwähnten Verunsicherung in bezug auf den (Ge
schlechts-)Körper ergibt sich zunächst daraus, daB der Körper gemeinhin der
Sphäre des Natürlichen zugeschlagen wird. Einen Körper haben wir, das ist
doch klar. Mit diesem werden wir geboren, er entwickelt sich von selbst,
wird maI krank und alt, er führt ein Eigenleben und entzieht sich unserem,
also sozialen Tun. Es gleicht folgIich einem Sägen an den Grundpfeilern
unserer Wahrnehmung, wenn, wie im Falle der in dieser Arbeit behandelten
Ansätze, postuIiert wird, daB natürliche Objekte nur angeblich oder scheinbar
natürlich sind. Was der Körper ist, erweist sich nämlich bei genauerer sozio
logischen Betrachtung als ungewiB. Wenn etwa der Geschlechtskörper als
Resultat hegemonialer Diskurse oder als konstruierte Interaktionsrealität
analysiert wird, dann scheint er sich in den Konstruktionen, die ihn ,ma
chen', zu verIieren. DaB der Körper, auch und gerade der Geschlechtskörper
beides, Natur und Kultur zugleich ist, das ist eine der zentralen Einsichten
dieser Arbeit und wird ausführlich in allen KapiteIn ausgeleuchtet. Es wird
sich aber auch zeigen, daB es genau darauf zu achten gilt, was in einem je-
2 Drogen oder Rock'n Roll komrnen nicht vor. Es wäre sicherlich lohnend, einen genaueren
Blick auf die geschlechtlich relevanten Wechselwirkungen zwischen Drogenkonsum und
leiblichen Erfahrungen zu werfen und dies auch noch im Zusamrnenhang mit jugendlichen
Subkulturen wie z.B. Techno zu stellen. Zu letzterem vgl. Klein 1999.
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Description:InhaltIn diesem Einführungs- und Handbuch werden aktuellesoziologische (handlungstheoretische, phänomenologische unddiskurstheoretische) sowie feministische Perspektiven auf den Körperrekonstruiert. Bei der synthetischen Zusammenführung geht es vor allem umeine kritische Auseinandersetzung mit E