Table Of ContentSeptischer Abort und bakterieller Schock
Septischer Abort
und bakterieller Schock
Herausgegeben von Josef Zander
Unter Mitarbeit von
F. K. Beller· U. Bleyl . H. Graeff
H.-J.Krecke· W.Kuhn· H.-G. Lasch
Mit 11 Abbildungen und 6 Farbtafeln
Springer-Verlag Berlin· Heidelberg. New York 1968
In dieser Monographie ist der Inhalt eines Symposiums zusammen
J
gefaBt, welches am 11. uni 1967 anlaBlich der 135. Tagung der Mittel
rheinischen Gesellschaft fiir Gynakologie und Geburtshilfe in Heidel-
berg stattfand
ISBN-13: 978-3-642-88173-2 e-ISBN-13: 978-3-642-88172-5
DOl: 10.1007/978-3-642-88172-5
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ubersetzt oder in irgendeiner Form vervielfaItigt werden
© by Springer-Verlag Berlin' Heidelberg 1968
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1968
Library of Congress Catalog Card Number 68 - 22464
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ohne besondere Kennzeichnung nicht zu det Annahme, dail soIche Namen im Sinne det Warenzeichen- und
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Titel-Nr. 1494
Vorwort
Septischer Abort und bakterieller Schock gehoren zu den Er
krankungen der Schwangerschaft mit vitaler Bedeutung. Die Mortali
Hit ist hoch. Entwickelt sich ein bakterieller Schock stirbt noch jede
zweite Patientin. Der septische Abort mit nachfolgendem bakteriellem
Schock kommt gehauft in den Bereichen groBer Stadte vor. Er ist
erschreckender Ausdruck noch ungeloster sozialer Probleme unserer
Zeit.
In den letzten Jahren hat sich die Aufmerksamkeit der Gynako
logen, Internisten, Pathologen und Pathophysiologen vermehrt den
pathogenetischen V organgen im Verlauf des bakteriellen Schocks zu
gewandt. Daraus haben sich neue Ansatze fur die fruhzeitige Dia
gnose sowie fur therapeutische und prophylaktische MaBnahmen ent
wickelt.
In dieser Monographie ist der Inhalt eines Symposiums zu
sammengefaBt, welches am 11. Juni 1967 anl:'iBlich der 135. Tagung
der Mittelrheinischen Gesellschaft fur Gynakologie und Geburtshilfe
in Heidelberg stattfand. Aus der Sicht verschiedener Fachdisziplinen
wurden Pathogenese, Pathophysiologie, Klinik und Therapie des sep
tischen Aborts und des bakteriellen Schocks sowie prophylaktische
MaBnahmen diskutiert. Es wurde versucht, Grenzen unseres gegen
wartigen Wissens aufzuzeigen. Fragestellungen der arztlichen Praxis
standen dabei im Vordergrund.
Nach dem lebhaften Verlauf der Diskussion erschien es gerecht
fertigt, den Inhalt des Symposiums zu veroffentlichen. Die Teil
nehmer hoffe n, damit praktizierende Arzte und Facharzte uber den
septischen Abort und den bakteriellen Schock zu informieren sowie
erneut auf deren Ge£ahrlichkeit aufmerksam zu machen. Sie mochten
gleichzeitig Hinweise fUr diagnostische, therapeutische und prophy
laktische MaBnahmen geben.
Den Firmen B. Braun, Melsungen, Bayer, Leverkusen, sowie der
Deutschen Hoffmann La Roche AG, Grenzach, danken die Teil
nehmer des Symposiums fur die groBzugige Unterstutzung der Druck-
VI Vorwort
legung. Sie danken weiterhin Herrn Dr. H. Gotze yom Springer
Verlag, Heidelberg, des sen Verstandnis und verlegerische Initiative
die Veroffentlichung des Symposiums in der vorliegenden Form er
moglichte.
Heidelberg, im Marz 1968 J. ZANDER
Inhaltsverzeichnis
Pathogenese, Klinik und Therapie des septischen Schocks in der
Schwangerschaft. Von F. K. BELLER. Mit 4 Abbildungen.. 1
Pathophysiologie des Endotoxinschocks. Von H.-G. LASCH.
Mit 1 Abbildung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29
Klinik und Therapie des akuten Nierenversagens unter Bertick
sichtigung des Endotoxinschocks. Von H.-J. KRECKE. Mit
2 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
Pathologisch-anatomische Demonstrationen zur intravasalen Ge
rinnung und Fibrinolyse. Von U. BLEYL. Mit 6 Farbtafeln. 56
Prophylaktische MaBnahmen beim septischen Abort. Von W.
KUHN und H. GRAEFF. Mit 4 Abbildungen. . . . . . . . 74
Rundtischgesprach und Diskussion tiber septischen Abort und
bakteriellen Schock . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
Anschriftenverzeichnis
Herausgeber: Professor Dr. JOSEF ZANDER
Universitats-Frauenklinik
6900 Heidelberg
VoBstr.9
Mitarbeiter: Professor Dr. FRITZ KARL BELLER
Dept. of Obstetrics and Gynecology
New York Univ. Bellevue Medical Center
550 First Avenue
New York, USA
Privatdozent Dr. UWE BLEYL
Pathologisches Institut der Universitat
6900 Heidelberg
Berliner Str. 5
Dr. HENNER GRAEFF
Universitats-Frauenklinik
6900 Heidelberg
VoBstr.9
Privatdozent Dr. HANS-JURGEN KRECKE
Ludolf Krehl-Klinik
Med. Universitatsklinik
6900 Heidelberg
Bergheimer Str. 58
Dr. WALTHER KUHN
U niversitats-F rauenklinik
6900 Heidelberg
VoBstr.9
Professor Dr. HANNS-GOTTHARD LASCH
Med. Kliniken und Polikliniken der Universitat
6300 GieBen
Klinikstr.32b
Pathogenese, Klinik und Therapie
des septischen Schocks in der Schwangerschaft
*
F. K. BELLER
Der Zusammenhang zwischen gramnegativen 1nfektionen und
Schock wurde erst vor wenigen Jahren erkannt. Zwar hat schon
LAENNEC im Jahre 1831 den Zusammenbruch des Kreislaufes als Folge
von 1nfektionen beschrieben. Die Bedeutung gramnegativer 1nfek
tionen als Ursache von Schockzustanden geht jedoch erst auf die
funfziger Jahre zuriick (WAIBREN, 1951; BRODEN und HALL, 1951).
1m geburtshilflich gynakologischen Schrifttum waren es STUDDIFORD
und DOUGLAS (1956), die in klassischer Weise den Zusammenhang
zwischen septischem Abort und Schock aufgezeigt haben. Seitdem
nimmt die Literatur standig zu. Es ist offensichtlich, daB es sich um
ein Krankheitsbild handelt, das im Augenblick die hochste Mortalitat
alIer Erkrankungen in der Schwangerschaft aufweist.
Definition, Epidemiologie und Prognose
Das Krankheitsbild kann wissenschaftlich definiert werden als
"Schock im Gefolge eines septischen Abortes, bedingt durch Endo
toxine gramnegativer Erreger". Klinisch ist die Definition weitaus
schwieriger. Endotoxine sind Lipopolysaccharide, die in der Zellwand
lokalisiert sind und in der Blutbahn durch BakterienzerfalI eine Endo
toxinamie erzeugen. Eine Ausschwemmung von Bakterien in die
Zirkulation, ausgehend von einer lokalen 1nfektion, z. B. dem Uterus,
ist nicht notwendigerweise V orbedingung fur eine Endotoxinamie.
Endotoxinausscheidung ohne Sepsis kann auch, wie spater auszu
fiihren sein wird, von einer lokalen 1nfektion erfolgen.
* Department of Obstetrics and Gynecology, New York University School
of Medicine, New York, New York.
Unterstiitzt durch das National Institute of Child Health and Human Devel
opment (HD 00270-06).
Senior Investigator, Health Research Council of the City of New York
(1-297).
Zum Gedachtnis von HANS RUNGE, 1892-1964.
1 Zander, Sept. Abort
2 F. K. BELLER:
Die Definition ist erschwert, weil Exotoxine von gramnegativen
Keimen, z. B. von Staphylokokken und Streptokokken in etwa 5 %
toxische Symptome und Schock verursachen konnen. Jedoch 25 bis
60 % der Patienten mit gramnegativen Infektionen entwickeln Schock
zeichen (EBERT und ABERNATHY, 1961).
Obwohl das Krankheitsbild des endotoxischen Schocks defini
tionsgemal3 durch Endotoxine gramnegativer Erreger hervorgerufen
wird, kann infolge Fehlens diagnostischer Differentialteste die Infek
tion mit Chlostridium Welchii, Novyi und septicum, zumindest im
Beginn, klinisch nicht abgetrennt werden. Dies verwirrt die No
menklatur weiterhin, da das Chlostridium ein grampositiver Keirn
ist, der Exotoxine bildet. Diese Exotoxine konnen ebenfalls einen
Schock verursachen; die Pathophysiologie des spateren Stadiums der
Erkrankung ist jedoch grundsatzlich verschieden von der Endotoxin
amie. Da die Behandlung im Initialstadium, speziell hinsichtlich der
aktiven Mal3nahmen, mit denen der Endotoxinamie identisch ist,
schliel3en viele Autoren, einschliel3lich DOUGLAS und BECKMAN (1967),
sowie Fox (1967) die Chlostridium-Infektion in das Krankheitsbild
ein, obwohl dies pathophysiologisch nicht ganz korrekt ist.
Die Haufigkeit der Erreger geht aus Tabelle 1 hervor, der das
Material der Mortality Commitees des Staates Californien als Grund
lage diente (Fox, 1967), sowie eine Zusammenfassung von EBERT und
ABERNATHY, 1961 (Tabelle 2). Die Haufigkeit entspricht etwa unserem
Material. Besonders interessant ist die relative Haufung von Coli- und
Chlostridium-Infektionen, die fur den klinischen Verlauf schwer
wiegende Folgen haben kann.
Gramnegative Infektionen infolge septischen Aborts treten in
gral3en Stadten gehauft auf. Dies geht aus Abb. 1 hervor, die, wieder
urn ausgehend yom Material der Maternal Mortality Study in Califor
nien, eine Haufung urn die grol3eren Stadte aufzeigt, wahrend die
landlichen Bezirke weitaus weniger betraffen sind. Diese Tatsache
hangt mit der Massierung von artefiziellen Aborten in den Grol3stadten
zusammen. Bei unseren Kranken ist die Ursache fur den septischen
Abort fast ausnahmslos ein artefizieller Abort.
Das Krankheitsbild des septischen Schocks tritt in unserem Mate
rial etwa in 1 % aller Aborte und etwa 2,5-3 % aller fieberhaften
Aborte auf. Eine generelle Zunahme von gramnegativen Infektionen
im Gesamtgebiet der Medizin wird angenommen. Es ist im Augenblick
vollig unklar, worauf diese Zunahme beruht. Man kann theoretisieren,
ob die Zunahme des Wissens in Mikrabiologie, Immunologie, ex-
Pathogenese, Klinik und Therapie des septischen Schocks 3
Tabelle 1. Typen von Organismen in Blutkulturen von 65 Patienten. (Nach Fox, 1967)
Organismen Zahl
der Falle
E. coli 20
E. coli und Streptococcus 2
E. coli und proteus 1
E. coli und Chlostridium welchii 2
Staphylococcus 6
Hemolytic Streptococcus 6
Anaerobic Streptococcus 3
Streptococcus und Staphylococcus 2
Klebsiella 1
Klebsiella und E. coli 1
Klebsiella und Streptococcus 1
Chlostridium Welchii 10
Chlostridium und Streptococcus 1
Chlostridium und Staphylococcus 1
Chlostridium perfringens 2
Chlostridium perfringens und E. coli 1
Chlostridium tetani 2
Aerobacterium aerogenes 1
Candida albicans 1
Kultur neg. 1
Tabelle 2. Hauftgkeit von Schockzustanden geordnet nach Keimen
Microorganismen Patienten mit
Schock in %
Gramnegative Organismen:
E. coli 10
Paracolon spp. 24
Klebsiella - Aerobacter spp. 13
Proteus spp. 18
Pseudomonas spp. 20
N. mengingitidis 25
Grampositive Organismen:
Staphylococcus aureus 5
D. pneumoniae 5
Streptococcus ssp. 6
Chlostridium ssp. 58
Nach einer Zusammenstellung aus dem Schrifttum von EBERT und ABER
NATHY.
perimenteller Pathologie und Physiologie eine bessere Diagnose er
moglicht, oder, wofiir manches spricht, daB es sich um eine absolute
epidemiologische Frequenzsteigerung auf Grund unbekannter Ur
sachen handelt.
1*