Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1315
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerpräsidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
DK 551.24 (43-316.2)
551.775 (551.763: 551.24 ([43-316.2])
Dr. Eckhard Böke, Bochum
Im Auftrage der Montangeologischen Arbeitsgemeinschaft
für die westdeutschen Steinkohlengebiete
Rupturen in Kreide und Karbon
am Südrand des Kreidebeckens von Münster
WESTDEUTSCHER VERLAG . KÖLN UND OPLADEN 1963
Nicht für den Verkauf bestimmt
ISBN 978-3-663-04017-0 ISBN 978-3-663-05463-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-05463-4
Verlags-Nr.011315
© 1963 by Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen
Gesamtherstellung: Westdeutscher Verlag·
Inhalt
Vorwort.......................................................... 7
Einleitung 9
Hauptteil ......................................................... 11
I. Die Transgressionsaufschlüsse ................................... 11
A) Frömern .................................................. 11
B) Billmerich ................................................. 17
C) Schacht Heide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
D) Bochum, Querenburger Straße ............................... 23
11. Die Kreideaufschlüsse im Raum Unrra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 30
A) Bankrechte Klüfte. Beziehungen zu den bergbaulich erschlossenen
Untergrundstörunsen ....................................... 30
B) Bankschräge Klüfte ......................................... 33
C) Schichtparallele Gleitungen .................................. 37
D) Das relative Alter verschiedener Kluftscharen .................. 44
III. Mechanische und zeitliche Einordnung der Kreideklüfte 49
IV. Orogene Bewegungen. . . . .. . . . . . . ... .... .. . . .. . . . . . . ... . .... ... 52
Zusammenfassung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 53
Literaturverzeichnis ................................................ 55
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Vorwort
Die vorliegende Untersuchung wurde im Rahmen der Arbeiten der Montan
geologischen Arbeitsgemeinschaft für die westdeutschen Steinkohlengebiete
durchgeführt.
Ihre Betreuung lag in den Händen von Herrn Prof. Dr. FR. LOTZE, dem ich für
die Überlassung des Themas und großzügigste Förderung zu großem Dank ver
pflichtet bin. Mein Dank gilt weiterhin Herrn Prof. Dr. C. HAHNE und Herrn
Dr. G. SEIDEL, Bochum, die mich mit manchem Rat und Hinweis wertvoll unter
stützt haben.
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Einleitung
Das Kreidedeckgebirge läßt im westfälischen Ruhrbezirk zwei tektonisch recht
unterschiedliche Gebiete erkennen. Nach Untersuchungen von BREDDIN (1929)
und LÖSCHER (1929) soll der Bereich des Münsterschen Kreidebeckens westlich
der Linie Haltern-Recklinghausen-Gelsenkirchen-Hamborn zur Zeit der larami
schen Phase eine Spezialdeformation erfahren haben, die eine weitgehende Ab
hängigkeit von den kimmerischen Bruchstrukturen des Zechstein- und Trias
untergrundes zeigt. Im Sinne einer »Umkehrtektonik« wurden Horste und
Gräben kimmerischen Alters zu Muldengräben und Sattelhorsten der Oberen
Kreide, wodurch das derzeitige Bild eines Bruchfaltengebirges entstand. Im Osten
und Süden dieses Bereiches - am Rande der heutigen Kreideverbreitung -
transgrediert dagegen die Oberkreide auf Karbon und fällt mit 1,5°_5° regelmäßig
nach Norden ein. Hier konnten an mehreren Stellen sowohl Über- als auch Ab
schiebungserscheinungen der Kreideschollen längs der zahlreichen variszischen
Quersprünge des Grundgebirges nachgewiesen werden, so daß die Wirksamkeit
postkretazischer Bodenbewegungen auch in diesem Gebiet zum Ausdruck
kommt. Die vorliegende Untersuchung befaßt sich nun mit der Frage, ob und
inwieweit in diesem Gebiet der Bfockgebirgstektonik eine Abhängigkeit des Kreide
Kluftnetzes von den Rupturen - Störungen und Klüften - des karbonischen
Untergrundes besteht. Eng damit verknüpft sind die Fragen der Kluftentstehung.
Als Arbeitsgebiet wurde der Südrand des Kreidebeckens zwischen Bochum und
Werl gewählt. Nur in diesem Bezirk ermöglichen einige Aufschlüsse, in denen
die Transgressionsfläche zutage tritt, eine genauere Analyse der Zusammenhänge.
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HAUPTTEIL
1. Die Transgressionsaufschlüsse
An vier Stellen ist der Kontaktbereich zwischen Kreidedecke und karbonischem
Untergrund aufgeschlossen. Zwei Übertageaufschlüsse liegen südlich von Unna
in Nähe der Ortschaften Främern und Billmerich; einer am südöstlichen Stadt
rand von Bochum, an der Querenburger Straße. Alle drei Steinbrüche sind in der
Literatur bereits mehrfach beschrieben worden, u. a. von BÄRTLING, 1925;
KUKUK, 1938; ]ESSEN, 1955. Eine weitere günstige Gelegenheit, die feintekto
nischen Verhältnisse zwischen Karbon und Kreide direkt zu studieren, ergab sich
beim Abteufen des Schachtes Heide im Grubenfeld der Zeche Alter Hellweg
b. Unna.
A) Frömern
Über dickbankigem, hartem Werksandstein der Magerkohlenschichten finden sich
lückenhaft Ablagerungsreste des Cenomans. Als Transgressionskonglomerat ent
wickelt, bestehen sie aus einzelnen groben, bis kindskopfgroßen Karbon-Sand
steingerällen, die durch kalkig-knolliges Grünsandmaterial verbunden sind.
Während diese Cenomanreste lediglich in taschenfärmigen Vertiefungen der
Karbon-Rumpffläche auftreten, werden die klippenartig aufragenden Schicht
käpfe vielfach bereits von Labiatus-Mergel bedeckt.
Die Vertiefungen stellen bei räumlicher Betrachtung länglich hingezogene Aus
kolkungen der Meeresbrandung dar, die fast immer stärker ausgeprägten Kluft
zonen des widerstandsfähigen Untergrundes folgen. Recht häufig läßt sich nun
beobachten, wie solche ausgekolkten Karbonklüfte ihre Fortsetzung in der
Kreide finden, »durchlaufen«. In Abb. 1 ist eine ausgekolkte Karbon-Kluftspalte
zu erkennen, die 0,6 m tief mit eckigen, durch Brauneisenmulm verkitteten Kalk
und Sandsteinbräckchen ausgefüllt ist. Zum Liegenden hin nimmt ihr Öffnungs
betrag ab, während in der hangenden Kreidedecke ein scharfer Kluftriß als direkte
Fortsetzung deutlich wird. Denselben Befund liefert Abb. 2: Die rechte ausge
kolkte Karbonkluft hat nahe an der Transgressionsfläche eine Erweiterung
erfahren, von der bereits 1,5 m tiefer nichts mehr zu sehen ist. Entsprechend dem
vorigen Bild pflanzt auch sie sich als Kluftriß in die Kreide fort. Die Kanten, die
von der Kluftspalte und der Transgressionsfläche gebildet werden, sind scharf.
Dieser Tatbestand weist darauf hin, daß die Erweiterung der paläozoischen
Grundgebirgsklüfte erst nach Ablagerung des Kreidesedimentes erfolgt sein dürfte
und daher sicherlich in ursächlichem Zusammenhang mit den darauf aufbauenden
Kreideklüften steht. Hätten die Spalten in ihrer heutigen Form bereits bei der
Transgression des Cenomanmeeres existiert, wäre die Auskolkung wohl weiter
11
fortgeschritten; zumindest sollte eine beträchtliche Zurundung der Kanten statt
gefunden haben. Nur unter dem Schutz der Sedimentbedeckung war ein der
artiger Erhaltungszustand möglich.
Ein weiterer Hinweis auf die zeitlichen Beziehungen zwischen Kreide-Sedimen
tation und Spaltenbildung ergibt sich bei näherer Betrachtung der schon erwähn
ten Kluftspaltenfüllungen : Die völlig ungeschichtete, brekziöse Anordnung des
Abb. 1 Ausgekolkte Karbonkluft (Str. 168°), die sieh ins Deckgebirge fortpflanzt
Frömcrn
Füllmaterials besagt, daß die Kreidepartikel wohl kaum in bereits vorhandene,
offene Fugen sedimentiert wurden. Hingegen spricht vieles dafür, daß dieses
Kreidematerial im Zuge der endgültigen Klufterweiterung nach vorangegangener
Sedimenteindeckung in die entstehenden Hohlräume eingestürzt ist. Es liegen
keine Anzeichen dafür vor, daß Relativbewegungen auf den Karbonklüften statt
gefunden haben.
Fast alle Kreideklüfte, die aus Karbonklüften hervorgehen, verlaufen anfangs
recht unregelmäßig. Sie stehen in den ersten Zentimetern annähernd senkrecht
zur Transgressionsfläche und verzweigen sich oft gabelig. Festere Gerölle werden
nicht durchschlagen, sondern umfahren. Erst in weiterem Abstand von der Trans
gressionsfläche stellen sich diese Kluftäste senkrecht zu den Schichtflächen, z. T.
auch unter geringfügiger Anderung ihres ursprünglichen Streichwertes (Abb.
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3-6). An zwei verschiedenen solcher schräg einfallenden Kluftverästelungen
konnten kleine Abschiebungen festgestellt werden (Abb. 6).
Diese bank rechten Kreideklüfte, die sich direkt aus Rupturen des Untergrundes
ableiten lassen, bilden die Hauptschar im Deckgebirge. Deutlich kommt bei einem
Vergleich der Poldiagramme die geometrische Übereinstimmung des Kluftbildes
in Karbon und Kreide zum Ausdruck (Abb. 7): In NNW/SSE-licher Richtung
Abb. 2 Karbonklüfte (Str. 170°), deren Schnittkante mit der TransgressionsAäche
scharf ist
Sie sind nach oben hin keilförmig erweitert und mit feinem, aber brekziösem
Kreidematerial gefüllt
Auf der rechten Spalte fußt eine Kreidekluft (Str. 167°)
Frömern
(167°) kongruieren die Kluftpolmaxima. Von zwei Ausnahmen abgesehen - hier
gehen die beiden 115°/85°S, 78°N streichenden Karbonklüfte in 112°, 117°/85°N
verlaufende Kreideklüfte über (Abb. 8) -, konnten nur in dieser Richtung »durch
gehende« Klüfte beobachtet werden. Die Übereinstimmung in der 65°-Richtung
ist in diesem Sinne nur eine scheinbare, denn genetisch handelt es sich bei den
Kreideklüften um eine vom Untergrund unabhängige Anordnung von Bruch
flächen, die als Spannungsausgleichsreaktion der Kreidedecke auf die im Sinne
eines Durchpausungsvorganges aufgerissene Hauptkluftschar anzusehen ist. Eine
nähere Erörterung der Mechanik erfolgt in einem Sonderkapitel.
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Abb. 3 Mit eckigem Karbon- und
Kreidematerial gefüllte, aus
gekolkte Karbonspalte
eStr.173°)
Aus ihr entwickelt sich eine
Deckgebirgskluft, die sich
mehrfach verzweigt
Das Streichen der einzelnen
Teilstücke beträgt im Mittel
167 ± 4°
Främern
Abb. 4 Gabelig verzweigte Karbon/
Kreidekluft eStr. 164°)
Främern
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