Table Of ContentKirchner I Kirchner· Rhetorik und Glaubwürdigkeit
Alexander und Baldur Kirchner
Rhetorik und
Glaubwürdigkeit
Uberzeugen durch eine neue Dialogkultur
GABLER
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Kirchner, Alexander:
Rhetorik und Glaubwürdigkeit: überzeugen durch eine
neue Dialogkultur I Alexander und Baldur Kirchner. -
Wiesbaden: Gabler, 1999
ISBN 978-3-322-90767-7 ISBN 978-3-322-90766-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-90766-0
Alle Rechte vorbehalten
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden, 1999
Softcover reprint oE the hardcover 1st edition 1999
Lektorat: Ulrike M. Vetter
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Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden
Satz: ITS Text und Satz GmbH, Herford
ISBN 978-3-322-90767-7
"Ich bin aber fest davon überzeugt, dass eine Demokratie ohne
Wahrhaftigkeit und Glaubwürdigkeit der in ihr Redenden ihre
eigenen Fundamente verliert. Ich bin ebenso davon überzeugt,
dass der durch Wahrhaftigkeit glaubwürdige Redner auf die
Dauer der erfolgreichere ist."
(Roman Herzog am 8. Juli 1997 in Tübingen. Der Bundespräsi
dent hielt anlässlich des fünfhundert jährigen Bestehens des Lehr
stuhls für Rhetorik an der Universität Tübingen eine Vorlesung
mit dem Titel "Rhetorik in der Demokratie".)
5
Inhalt
Vorwort 11
Überlegungen zu Sittlichkeit und Wahrhaftigkeit 17
1. Sittliche Postulate in der Rhetorik der Antike und
des Mittelalters 23
Das Alte Testament oder Die Worte des Weisen 24
Platon oder Der ideale Redner ist Dialektiker 26
Isokrates oder Die Goldene Regel 29
Aristoteies oder
Rhetorik ist das Vermögen zu überzeugen 32
Cicero oder Das Ideal des integren Redners 35
Quintilian oder Der von Grund auf gute Redner 38
Seneca oder Die Sprache als Spiegel der Seele 40
Augustinus oder
Die Wahrheit offenbart sich im Inhalt 43
Thomas von Aquin oder
Das Strukturieren als ethische Qualität 46
2. Verantwortung und rhetorische Darstellung 51
Verantwortung entsteht durch
konstruktive Gewissensbildung 53
Eigeninitiative und Entscheidungsfähigkeit 58
Wer entscheidet, übernimmt Verantwortung 61
Wer entscheidet, wird berechenbar 63
Die rhetorische Darstellung 66
Der angstfreie Raum 66
Die Achtung vor dem Wort 68
Das Sprechen in Ich-Botschaften 70
Inhalt 7
3. Glaubwürdigkeit in Wirtschaft und Politik 75
Vom Verlust der Glaubwürdigkeit 75
Glaubwürdigkeit wird verliehen 79
Unglaubwürdig durch Phrasen und Schlagworte 82
Euphemismen 83
Leerformeln und Worthülsen 87
Political Correctness 89
Empfehlungen, um Glaubwürdigkeitsverlust
zu vermeiden 95
4. Die Kampfrhetorik der Gegenwart 99
Die Verletzung der Persönlichkeit 99
Die Bloßstellung vor einem Publikum 102
Die Selbstherrlichkeit des Führenden 107
Rachegefühle 108
Abwehrhaltung 108
Leiden als Lustgewinn 109
Angriffe auf die Person 110
Abwertung des Gesagten 112
"Das kann man so nicht sagen!" 113
"Das sagst du nun schon,
seit wir uns kennen." 114
"Du redest nur Unsinn!" 114
"Du mit deinen Gefühlen!" 115
Das Überreden 116
Wer überredet, handelt spekulativ 118
Wer überredet, kommuniziert manipulativ 120
Das Verschweigen von Informationen 121
Der suggestive Charakter
der Gesprächssituation 123
Wer überredet wird, ist oft konfliktscheu 126
Wer überredet wird, ist oft sprachlich starr 128
8 Inhalt
5. Die Verstärkung belastender Gefühle durch die Rede __ 131
Das Gefühl des Abgewertetseins 134
Mutter und Kind 135
Die Familie 137
Alte Menschen 137
Kranke und Behinderte 137
Tiere 138
Natur und Umwelt 138
Das eigene Geld 138
Das Auto 139
Idole 139
Politische oder religiöse Identifikationen 139
Angstgefühle 140
Distanz pflegen 144
Sachlich kommunizieren 146
Wert auf Status legen 147
6. Hierarchie und Sprache 151
Zum Begriff des Hierarchischen 152
Das sprachliche Erscheinungsbild des Hierarchischen 155
Autoritäres Sprechen 156
Dogmatisches Sprechen 158
Dozierendes Sprechen 163
Die Tendenz zum abstrakten Sprechen 164
Die Bewertung der Zuhörer 166
Stereotype Rückmeldungen 168
Fanatisches Sprechen 169
Der "psychotische" Elativ und
die Verflachung der Sprache 173
Die Sprachlenkung im Dritten Reich 176
7. Selbstwert und Souveränität im Redeverhalten 183
Die autonome Persönlichkeit des Sprechenden 185
Aus dem Erleben des Selbstwertes kommunizieren _ 186
Konstruktive Kritik verbalisieren 188
Inhalt 9
Die Existenz des anderen
nicht in Frage stellen 189
Rückmeldungen nicht pauschal formulieren 191
Rückmeldungen nicht vergleichend
formulieren 193
Auf Machtstreben verzichten 194
Toleranz gegenüber dem Du 195
Angemessene Sprache 197
Mut zur Sprechpause 198
Die Souveränität des Sprechenden 199
Glaubwürdigkeit in der Einleitung 200
Gelassenheit im Reagieren 203
Klarheit im Umgang mit den Aussagemodi 205
Bescheidenheit des Sprechenden 207
8. Der scholastische Disput - disputatio legitima 209
Entstehung und Methode der disputatio 209
Die Würdigung des Partners 213
Das Zuhören 214
Das Repetieren 215
Denkdisziplin und Konzentration 217
Gelassenheit und Geduld 219
Schlussbetrachtung 223
Bei sich selbst beginnen 223
Zum Wandel bereit sein 225
Sich selbst neu begreifen 226
Anmerkungen 229
Literaturverzeichnis 235
Stichwortverzeichnis 239
Die Autoren 243
10 Inhalt
Vorwort
Auch dieses Buch beschäftigt sich mit der Überzeugungsfähigkeit
des Redners. Gewiss mag diese Absicht nichts Außergewöhnliches
bekunden. Fallen doch dem Rhetorikschüler schon bei oberfläch
lichem Hinschauen zahlreiche Publikationsangebote zu dieser The
matik in die Hände. Da ist von sicherem und freiem Auftreten die
Rede; die Stabilisierung des Selbstvertrauens verheißt manch an
derer Titel. Zu richtigem und wirkungsvollem Argumentieren ver
führen wiederum Verlagsankündigungen, die einem lange erfolg
los agierenden Verkäufer neuen Mut zusprechen könnten. So breit
und schillernd wie die Titel der rhetorischen Fachliteratur klingen
auch die Seminarankündigungen der Bildungsveranstalter auf dem
deutschsprachigen Markt. In den Programmen der Volkshoch
schulen zum Beispiel finden sich oftmals die verlockenden Pro
phezeiungen, nach dem Besuch eines Rhetorikkurses ohne Lam
penfieber sprechen zu können. Manche dieser Bildungsträger
scheinen sogar eine "Rhetorik für Frauen" entwickelt zu haben.
Die innerbetrieblichen Seminare orientieren sich vorwiegend an
ähnlichen Zielsetzungen. Interne und externe Trainer warten mit
standardisierten Konditionierungsprogrammen auf, um die Kom
munikationsfähigkeit der Teilnehmenden auf die betrieblichen
Ziele einzuschwören. Manchmal greifen einige der "Persönlich
keitstrainer" dabei zu sehr "nach der Psyche", so dass es um die
ohnehin schon erschütterte seelische Stabilität der Seminarbesu
cher geschehen ist.1 Welche Verantwortung tragen eigentlich die
Trainer solcher Veranstaltungen? Für die sogenannten "Persön
lichkeitstrainer" gilt wohl die psychoanalytische Grundbeobach
tung:
Vorwort 11
Wer zu einem individuellen Umgang mit seinem Nächsten
nicht fähig ist, flieht meist in und versteckt sich hinter Tech
niken.
All jenen, die persönlichkeitsorientierte Veranstaltungen durch
führen, sei gesagt, dass sie für ihr Handeln im Seminar die Ver
antwortung tragen. Jeder verantwortungsvolle Seminarleiter be
gründet ausreichend seine Methode und lässt darüber auch Dis
kussionen zu. Außerdem beobachtet er sorgfältig, ob sich zwischen
ihm und den Teilnehmenden emotionale Abhängigkeiten aufbau
en. Sollte dies geschehen, so ist er im Sinne der moralischen
Qualität seiner Veranstaltung verpflichtet, diese Beziehungsstruk
tur in einem Einzelgespräch zu klären. Dazu allerdings ist auch
eine wirkliche Gesprächsfähigkeit des Trainers oder Seminarleiters
vonnöten. Wer jedoch während eines Arbeitsjahres von Seminar
zu Seminar jagt, findet bestenfalls seine eigenen narzisstischen
Bedürfnisse befriedigt; er kann sich kaum den seelischen Anliegen
seiner Teilnehmer in Geduld widmen. Wie aber will ein Trainer
psychische Probleme seiner Teilnehmer erkennen, da er sie bei
sich selbst nicht bemerkt? Es bleibt ihm wohl lediglich die Flucht
in das Methodische seines Trainingsangebotes. Vermutlich auf
solche Trainings bezieht sich der nicht gerade von fachlicher Kom
petenz strotzende Artikel über "Sinn und Unsinn von Rhetorik
kursen - Nur Gestik, Körperhaltung und Pausentechnik sind er
lernbar".2
Wer also soll die Menschen Kommunikationsfähigkeit und vor
allem die rhetorische Kompetenz lehren? Wir stimmen Gert Ue
ding sehr zu, wenn er sich über das Berufsbild des Rhetorik-Leh
rers so äußert: "Das fehlende oder verzerrte Berufsbild des Rhe
torik-Lehrers ist aber nicht nur Folge gesellschaftlicher Vorurteile
und kulturpolitischer Fehlentwicklungen im schulischen Bereich:
es gibt keinen geregelten Ausbildungsgang, weder an den Univer
sitäten noch an den Fachhochschulen, keinen Studiengang, keinen
qualifizierenden Abschluss, etwa ein Diplom oder einen Magister.
Die Ausbildung verläuft im bereits angedeuteten Do-it-yourself-
12 Vorwort