Table Of ContentLeslie Marder
Reisen durch die Raum-Zeit
FacetteD der Physik
Physik hat viele
Facetten: historische. technische
soziale. kulturelle. philosophische und
amusante. Sie konnen wesentl.iche und
bestimmende Motive fur die Beschaftigung
mit den Naturwissenschaften sein. Viele
Lchrbucher lassen diese "Facetten der
Physik" nur erahnen. Daher soU
unsere Buchreihe ihnen
gewidmet sein.
Prof. Dr. Roman Sexl
Herausgeber
Bisher erschienen:
Weber/Mendoza, Kabinett physikalischer Rarititen
Boltzmann, Populire Schriften
Marder, Reisen durch die Raum-Zeit
Gamov, Mr. Tompkins' seltsame Reisen durch
Kosmos und Mikrokosmos
Leslie Marder
Reisen
durch die Raum-Zeit
Das Zwillingsparadoxon -
Geschichte einer Kontroverse
Friedr. Vieweg & Sohn Braunschweig/Wiesbaden
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Marder, Leslie:
Reisen durch die Raum-Zeit: d. Zwillingsparadoxon,
Geschichte e. Kontroverse / L. Marder. [Obers.:
Johanna Aichelburg). - Braunschweig, Wiesbaden:
Vieweg, 1979.
Einheitssacht.: Time and the space-traveller (dt.)
ISBN-13: 978-3-528-08421-9 e-ISBN-13: 978-3-322-86594-6
DOl: 10.1007/978-3-322-86594-6
Dieses Buch ist die deutsche Obersetzung von
L. Marder
Time and the Space-Traveller
© George Allen & Unwin Ltd., London, 1971
Obersetzung: Johanna Aichelburg, Wien
1. Auflage 1979
Nachdruck 1982
Aile Rechte an der deutschen Ausgabe vorbehalten
© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig 1979
Die Vervielfaltigung und Obertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch
fiir Zwecke der Unterrich.tsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag
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fremden geistigen Eigentums entschieden werdel). Das gilt fiir die VervieifaItigung durch alle
Verfahren einschlieBlich Speicherung und jede Obertragung auf Papier, Transparente, Filme,
Blinder, Platten und andere Medien.
Satz: Friedr. Vieweg & Sohn, Braunschweig
Umschlaggestaltung: P. Morys, Salzhemmendorf
v
Vorwort
Das urspriingliche Ziel dieses Buches war es, einen Uberblick iiber die Litera
tur zum Uhrenparadoxon in der Relativitatstheorie zu geben. Die Fillie des Mate
rials, das iiber diese kontroversielle Frage existiert, ist in Biichern und Zeitschriften
weit verstreut. Dies fiihrt dazu, daB jedes Mal, wenn die Kontroverse aufflammt,
dieselben Argumente vorgebracht werden mit der Uberzeugung, daB sie neu sind.
Da nun das Phanomen der Zeit dilatation alltaglich (zumindest in den Laboratorien)
wurde, schien es wiinschenswert, das Material "unter einem Dach" zusammenzu
fassen, urn die Argumente zu ordnen und unter einem einheitlichen Gesichtspunkt
zu untersuchen. Das Uhrenparadoxon beschaftigt schon lange sowohl den Laien als
auch den Wissenschaftler, so daB es mein Ziel war, das Buch in sich abgeschlossen
und die Mathematik so einfach als moglich zu halten.
Mit dem tieferen Eindringen in die zentrale Frage der Relativitat der Zeitmes
sung wurde mir klar, daB es notwendig war, das Paradoxon in einem groBeren Rah
men zu untersuchen, so lite es nicht nur als ein logisches Gesellschaftsspiel erschei
nen. Oft wird yom Leser verlangt, sich "ein Raumschiff, das von der Erde mit 50 %
(oder 90 % oder 99 %) der Lichtgeschwindigkeit startet", vorzustellen. Ein Techno
loge oder ein Physiker konnte entgegnen, dies sei unrealistisch. Daher habe ich ver
sucht, die Frage nach den Grenzen der Raumfahrt zu behandeln; die Auswirkungen
der Zeitdilatation bei Raumfahrten iiber groBe Distanzen; die Eigenart von lebenden
Uhren; die Bedeutung neuerer Experimente iiber die Zeitdilatation; die Giiltigkeit
der speziellen Relativitatstheorie; usw. Obwohl die Darstellung elementar ist, konn
te dieses Buch fiir den ernsthaften Studenten der Relativitatstheorie (wie auch den
naturwissenschaftlich interessierten Leser) niitzlich sein. Fiir Spezialisten kann es als
eine ziemlich umfassende Literaturquelle dienen. Ein mit Anmerkungen versehenes
Literaturverzeichnis befindet sich am SchluB des Buches.
Der eher breite historische Uberblick iiber die Grundlagen der speziellen Rela
tivitatstheorie ist teilweise fiir den Nicht-Spezialisten gedacht und teilweise, urn die
Begriffe und die Terminologie fiir die nachfolgenden Kapitel zu prazisieren.
Ich danke den vielen Autoren, die an einer so interessanten und manchmal
auch heiteren Debatte teilgenommen haben. Mein besonderer Dank gilt den Herren
Dr. Sebastian von Horner yom National Radio Astronomy Observatory, Greenbank,
West Virginia, Dr. G. J. Withrow yom Imperial College of Science and Technology,
London, der American Association for the Advancement of Science, und Thomas
VI Vorwort
Nelson Ltd. fur die Erlaubnis, bestimmtes Material in die Kapitel 3 und 4 aufzuneh
men. (Die vollstandige Danksagung befindet sich an den relevanten Stellen im
Text.)
Von Anfang dieser Studie an war mir klar, welche Seite in der Kontroverse
recht hat. Nichtsdestoweniger war mir die Anzahl der verschiedenen, teils scharfsin
nigen und interessanten Argumente, die im Laufe der Arbeit zu Tage traten, eine
willkommene Dberraschung.
L. M.
VII
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Seit dem Erscheinen der englischen Ausgabe konnte durch die Verbesserun
gen im Bau von Atomuhren das Uhrenparadoxon direkt iiberpriift werden. 1m Okto
ber 1971 unternahmen die Physiker J. C. Hafele und R. Keating, 1) ausgestattet mit
Atomuhren, in einer normalen Verkehrsmaschine einen Flug urn die Erde. Sie hat
ten errechnet, daB die Genauigkeit von Atomuhren ausreicht, urn den relativisti
schen Zeiteffekt zu messen, indem man den Gang einer Uhr, die im Flugzeug die
Erde umkreist, mit dem einer Uhr auf der Erde vergleicht. Allerdings setzt sich der
zu erwartende Effekt aus zwei Komponenten zusammen: aus dem eigentlichen Ge
schwindigkeitseffekt und dem Gravitationseffekt (wie in Kap. 6 genau beschrieben).
Der relativistische Gravitationseffekt besagt, daB Uhren in der Nachbarschaft groBer
Massen wie z. B. der Erde langsamer gehen als im Weltraum. Bei einer Flugh6he von
etwa 10 km und einer Reisegeschwindigkeit von 800 km/h iiber eine Flugdauer von
ca. 50 Stunden sind beide Effekte von der gleichen Gr6Benordnung, namlich etwa
200 Nanosekunden (10-9 s). Das Vorzeichen des Geschwindigkeitseffekts hangt da
von ab, ob der Flug in westlicher oder ostlicher Richtung urn die Erde erfolgt. Eine
Uhr auf der Erdoberflache bewegt sich mit der Erdrotation mit und befindet sich
daher nicht im strengen Sinn in einem Inertialsystem. Fiir einen im Weltraum ruhen
den Beobachter bewegt sich eine in westlicher Richtung (gegen die Erdrotation)
fliegende Uhr langsamer als die auf der Erde. Daher wird die Erduhr aufgrund des
Geschwindigkeitseffektes gegeniiber der Flugzeuguhr nachgehen. Bei einem Flug ge
gen Osten addiert sich die Fluggeschwindigkeit. zu der der Erdrotation und der Ef
fekt verlauft umgekehrt. Da nun der Gravitationseffekt stets zu einem Vorgehen
der Flugzeuguhr gegeniiber der auf der Erde fiihrt, addieren sich Gravitations- und
Geschwindigkeitseffekte bei einem Ostflug.
Bei der Auswertung dieses Experiments miissen Flughohe und Fluggeschwin
digkeit genau beriicksichtigt werden. Trotz einfacher experimenteller Methoden
konnten Hafele und Keating die Vorhersage der Relativitatstheorie bis auf etwa
8 % genau bestatigen.
In der Zwischen zeit hat eine Forschungsgruppe der Universitat Maryland2)
(von September 1975 bis Januar 1976) dieses Experiment verfeinert: Mit Flugzeu
gen wurden Atomuhren auf etwa 10 km Hohe gebracht und ihr Gang mit dem Gang
1) J. C. Hafele und R. Keating, Science 177 (1972) 166
2) C. Alley et ai, University Maryland preprint.
VIII Vorwort zur deutschen Ausgabe
von Atomuhren am Boden verglichen. Die Flugroute wurde dabei von der Boden
station mittels Radar standig iiberwacht und Position und Geschwindigkeit be
stimmt. Insbesondere wurde darauf geachtet, da~ die Uhren vor Erschiitterungen,
Magnetfeldem und Temperaturschwankungen moglichst geschiitzt sind. Der Zeit
vergleich der Uhren konnte auch wahrend des Fluges mittels Laser-Impulsen durch
gefiihrt werden. Die Auswertung der Daten ergab eine Bestatigung der Theorie inner
halb einer Fehlergrenze von 1,6 %. Mit den Ergebnissen dieser Experimente werden
die Gegner der Relativitatstheorie, die den relativistischen Zeiteffekt negieren, wei
ter in die Defensive gedrangt.
Das Buch ist nicht nur fUr den naturwissenschaftlich orientierten Leser son
dem auch fiir den Wissenschaftstheoretiker wertvoll, zeigt es doch am Beispiel des
Uhrenparadoxons eine wissenschaftliche Kontroverse, welche W. Biichel3) in einer
auf "Einstein zuriickgehenden Inkongruenz zwischen Physik und Philosophie der
Relativitiitstheorie" sieht.
P. C. Aichelburg
3) W. Buche!, Zs. f. allgemeine Wissenschaftstheorie Bd. V, 2, 218 (1974)
Siehe auch: T. S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt 1967.
IX
Inhal tsverzeichnis
1 Einleitung ................................ . 1
2 Grundlegendes zur Relativitatstheorie .............. . 11
2.1 Bringt uns den Ather nicht zurUck! ................... 11
2.2 Michelson-Morley und wie es dazu kam . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
2.3 Die unveranderliche Lichtgeschwindigkeit . . . . . . . . . . . . .. 19
2.4 Das Messen von Lange und Zeit. . . . . . . . . . . . . . 22
2.5 Gleichzeitigkeit und die Synchronisation von Uhren 27
2.6 Die Lorentztransformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 32
2.7 Bewegte Lineale und Uhren ............................ 39
2.8 Minkowskis vierdimensionale Raum-Zeit . . . . . . . . . . . . . . . .. 48
3 Das Zwillingsparadoxon ....... . 56
3.1 Das verlorene Paradoxon .... . ....... . 56
3.2 Wir aile sind Uhren ......................... . 61
3.3 Beschleunigte Uhren ........................ . 69
3.4 Ober den Besuch entfernter Leute ......... . 77
4 Die Zweifler ............... . 89
4.1 Das Problem der Beschleunigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89
4.2 Ober die Gleichzeitigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 99
4.3 Der Doppler-Effekt und der k-Kalkiil ......... . . . . . . .. 106
4.4 Wann ist eine Uhr keine Uhr? ............... . . . . . . .. 111
4.5 Das Prinzip der Unmoglichkeit .......................... 113
4.6 Die spezielle Relativitatstheorie: richtig oder falsch? . . . . . .. 115
5 Experimentelle Beweise ......... . 120
5.1 Vor 1950 ............... . 120
5.2 Mesonen und die fiinfziger Jahre ............ . 123
5.3 Der Mossbauer-Effekt und die sechziger Jahre 127
5.4 Die Verwendung von kiinstlichen Erdsatelliten ....... . 134
x Inhaltsverzeichnis
6 Das Uhrenparadoxon in der allgemeinen Relativitatstheorie .. 136
6.1 Das Aquivalenzprinzip ....................... . 136
6.2 Der Karussell-Zugang zur allgemeinen Relativitatstheorie . 144
6.3 Und nocheinmal: das Paradox on ........ . 150
Anhang .... 153
Bibliographie 155
a) Das Uhrenparadoxon. Ausgewahlte Zitate . 155
b) Andere Zitate .............. . 167
Namen-und Sachwortverzeichnis ..... 170