Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr.1122
Herausgegeben
im Auftrage des Ministerprasidenten Dr. Franz Meyers
von Staatssekretar Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
DK 622.792.5
Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E. h. Hermann Schenck
Dozent Dr.-Ing. Werner Wenzel
Dr.-Ing. Gunther Dietrich
Institut fiir Eisenhiittenwesen der Rhein.-Westf. Technischen Hochschule Aochen
Reaktionskinetische Betrachtung des Sintervorganges
und Moglichkeiten zur Leistungssteigerung
(Entwicklung eines Schachtsinterverfahrens)
D 82 (Diss. T H Aachen)
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-663-06666-8 ISBN 978-3-663-07579-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-07579-0
Verlags-Nr. 011122
© 1962 Springer Fachmedien Wiesbaden
Urspriinglich erschienen bei Westdeutscher Verlag. Koln und Opladen 1962
Inhalt
1. Einleitung und Problemstellung ...................................... 7
1.1 Zweck und Bedeutung des Sinterns in der Eisenhiittenindustric ......... 7
1.2 Allgemeine Beschreibung des Sintervorganges ........................ 7
1.3 Problemstellung................................................... 8
2. Temperatur-und Reaktionsverlauf im Sinterbett; physikalisch-chemische
Vorgange in den einzelnen Temperaturbereichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
2.1 Der makroskopische Reaktionsverlauf und Methoden zu seiner Unter
suchung. Chemisches Profil - Temperatur-Zeit-Kurven . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
2.2 Der heterogene Stoff-und Warmeaustausch beim Sintern ............... 15
3. Zur Reaktionskinetik innerhalb einer gasdurchstromten Schiittung ..... 18
3.1 Konvektiver Stoff-und Warmeaustausch in laminarer und turbulenter Stro-
mung - Grenzschichtdiffusion ...................................... 18
3.2 Reaktionskinetische Betrachtungen iiber den Verbrennungsprozel3 in einer
erzwungenen Stromung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 23
4. Temperaturverlauf und Warmeausbreitungsprobleme beim Sintern;
physikalisch-mathematische Beschreibung des fUr den SinterprozeB
charakteristischen Temperaturverlaufes ............................... 31
4.1 Der Warmedurchgang durch eine kornige Feststoffschicht als rein konvek
tives Warmeausbreitungsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 33
4.2 Die konvektive Warmeausbreitung in einer kornigen Feststoffschicht unter
Beriicksichtigung der Warmeleitung ................................. 37
4.3 Moglichkeit zur Berechnung der Temperaturverteilung innerhalb einer sta-
tionar sinternden Feinerzmischung .................................. 42
5. Temperatur von Gas und Feststoff im Sinterbett ...................... 49
5.1 Ziindtemperatur von Sintermischungen und Ziindpunktbestimmung ..... 49
5.2 Warmeiibergang zwischen Gas und Feststoff im Sinterbett . . . . . . . . . . . . . .. 51
5
6. V orschlage und Verfahrensmoglichkeiten zur Durchfiihrung einer
Leistungssteigerung beim Sintern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56
6.1 Theoretische Folgerungen und praktische Vorschlage zur Intensivierung des
konvektiven Warme- und Stoffaustausches beim herkommlichen Sinter-
verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 56
6.2 Das Kernpelletsinterverfahren - Ursachen fiir Entwicklung, Vorteile und
Anwendungsmoglichkeiten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 61
6.3 Das Schachtsinterverfahren - Entwicklung und Vorteile . . . . . . . . . . . . . . .. 69
7. Zusammenstellung der verwendeten Abkiirzungen .................... 75
8. Zusammenfassung .................................................. 77
9. Literaturverzeichnis ................................................. 79
Anhang 83
I. Berechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 85
II. Beschreibung der Temperaturmessungen im Sinterbett .................. 90
6
1. Einleitung und Problemstellung
1.1 Zweck und Bedeutung des Sinterns in der Eisenhiittenindustrie
Der Hochofen als zur Zeit wichtigstes roheisenerzeugendes Aggregat verlangt
ein stiickiges Einsatzmaterial, das eine ausreichende Durchgasung der Moller
saule im Ofe n gewahrleistet. Urn die neben den Stiickerzen in immer groBerem
MaBe [1] bis [4] anfallenden Feinerzmengen ebenfalls im Hochofen verhiitten zu
konnen, miissen die Feinerze »stiickig gemacht« werden. Das hierfiir am meisten
angewandte Agglomerierverfahren [5, 6, 7] ist das Sintern, da beim SinterprozeB
nicht nur ein Stiickigmachen der Feinerze erfolgt, sondern dariiber hinaus auch
eine thermisch-chemische Aufbereitung der Eisenerze stattfindet, die sich in einer
Leistungssteigerung der Roheisenproduktion der Hochofen [8] bis [14] wesentlich
bemerkbar macht.
Letzterer Tatsache kommt urn so mehr Bedeutung zu, als in dem Betrieb der
Hochofen mit Sintermoller eine Moglichkeit liegt, dem steigenden Weltstahl
bedarf [15, 16, 7] durch eine Roheisenmehrerzeugung in vorhandenen Hochofen
anlagen zu begegnen, ohne daB vorerst zusatzliche Hochofenkapazitaten erstellt
werden miissen. Eine Steigerung der Roheisenerzeugung durch hohen Sinter
anteil im Moller bedingt aber auch eine Steigerung der Sinterproduktion, die
entweder durch Leistungssteigerung der vorhandenen Sinteranlagen oder durch
Erstellung von zusatzlichen Sinterkapazitaten aufzufangen ist.
Letzterer Weg ist bei den einzelnen Hochofenwerken oftmals aus Platzgriinden
nicht moglich, zum anderen mit hohen Investitionskosten verbunden.
Die Bestrebungen der Eisenindustrie in den letzten zwei Jahrzehnten gehen
hauptsachlich dahin, wesentliche Leistungsverbesserungen hinsichtlich Quantitat
als auch Qualitat des in den vorhandenen Anlagen erzeugten Sinters zu erreichen.
Hiervon geben zahlreiche Veroffentlichungen iiber Laboruntersuchungen und
Betriebsversuche und -verfahren beredt Zeugnis.
1.2 Allgemeine Beschreibung des Sinterprozesses
Das Sin tern von Erzen ist als ein VerbrennungsprozeB aufzufassen, bei dem das
zu verbrennende Schiittgut 90-95% Asche, d. h. nicht brennbare Bestandteile
enthalt.
Ein Ziinden und Verbrennen eines solchen »minderwertigen« Brennstoffes auf
einem Rost ist bei natiirlichem Luftzug nicht moglich. Durch Anwendung von
kiinstlich erzeugtem Zug ist auch eine intensive Verbrennung von gering-brenn-
7
stoffhaltigem Schiittgut1 gut moglich, wie dies beim Saugzug-oder Drucksintern
einer Sinterrohmischung der Fall ist.
Bei den heute allgemein gebrauchlichen Saugzugsinterverfahren wird durch eine
brennstoffhaltige, feuchte, an ihrer Oberflache geziindete Feinerzmischung Luft ge
saugt. Dabei bildet sich innerhalb der Mischung eine sogenannte Brenn- oder
Sinterzone aus, die mit gewisser Geschwindigkeit in Stromungsrichtung der Gase
fortschreitet. Die in der Brennzone stattfindende intensive Oxydation des bei
gemischten Brennstoffes bewirkt eine intensiv zunehmende Erwarmung des Fein
erzgemisches, welches ein mehr oder minder starkes Aufschmelzen, Verschlacken
und Zusammensintern der einzelnen Erzkorper zur Folge hat. Das Produkt ist
ein mehr oder weniger festes, porosverschlacktes Eisenerz-Gangart-Gemisch in
Form eines zusammenhangenden Sinterkuchens.
Ein weiteres wesentliches und charakteristisches Kennzeichen flir den Sinter
prozeB und die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Brennfront in Stromungs
richtung ist die »regenerative« V orwarmung der Verbrennungsluft hinter der
Brennfront durch den noch gllihenden Sinter und die »regenerative« V orwarmung
der rohen Sintermischung vor der Brennfront durch die hei13en Abgase. Ohne
eine derartige V orwarmung von Luft und Beschickung ware ein Sintern, d. h.
Erhitzen des Feinerzgemisches auf Sintertemperatur, mit den angewandten, ge
ringen Brennstoffsatzen von 4 bis 8% nicht moglich.
Die V orwarmung von Reaktionsgas und Feststoff ist Kennzeichen des Gegen
stromprinzips, das einen hohen warmetechnischen Wirkungsgrad gewahrleistet.
1.3 Problemstellung
Im Gegensatz zu den reinen Gegenstromverfahren, wie z. B. bei Schachtofen
prozessen mit festem Austrag, wird beim herkommlichen SinterprozeB nicht das
Feststoffmaterial der Reaktionszone entgegen bewegt, sondern die Reaktionszone
bewegt sich innerhalb der Feststoffmischung in Richtung der erzwungenen Gas
stromung; hinsichtlich des Reaktionsablaufes ist also der SinterprozeB eine
instationare, heterogene, exotherme Reaktion, bei der die technisch wichtigste
Frage, namlich die Frage nach der Reaktionsgeschwindigkeit und Leistung,
gleichzusetzen ist mit der Frage nach der Fortpflanzungsgeschwindigkeit der
Brennfront oder Sinterzone. Die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Brennfront
einer Sintermischung ist abhangig von einer Vielzahl von physikalischen und
chemischen EinfluBgroBen, die teils stofflich bedingt sind (chemische Zusammen
setzung, mineralogischer Aufbau, Porengefiige, Erweichungsverhalten, Warme
kapazitat, Warmeleitfahigkeit der einzelnen Einsatzstoffe sowie Reaktionsfahig
keit und Zusammensetzung des Brennstoffes), teils von anderen z. T. willkiirlich
einstellbaren Bedingungen (Kornung, Brennstoffgehalt, Feuchtigkeit, Mischzeit,
Schiitthohe, Gasdurchlassigkeit, Stromungsgeschwindigkeit, Unter- oder Dber
druck, Verbrennungsatmosphare, Temperatur von Luft und Mischung) abhangen.
1 Ahnliche Verhiiltnisse findet man beim Rosten sulfidischer Erze [17] und bei der Ver-
gasung von Waschbergen [18].
8
Wahrend in den letzten drei Jahrzehnten der Zusammenhang der auffalligsten
EinfluBgroBen bei der Eisenerzsinterung unter den jeweilig ortlich verschiedenen
Bedingungen weitgehend geklart werden konnte, ist eine Anwendung vorliegen
der Ergebnisse reaktionskinetischer Forschung insbesondere hinsichtlich der kon
vektiven Stoff- und Warmeiibertragung beim Sinter von Eisenerzen noch nicht
erfolgt.
Die Verfasser haben mit der vorliegenden Arbeit den Versuch unternommen,
Erkenntnisse und GesetzmaBigkeiten der chemischen Kinetik ahnlicher Prozesse
sowie die theoretischen Grundlagen iiber Warmetransport und Warmeaustausch
auf den SinterprozeB anzuwenden, um die Hintergriinde fiir die beobachtbare
Sintergeschwindigkeit theoretisch aufzuklaren und weiterhin Erklarungen fiir
eine Reihe von beobachtbaren Phanomenen bei Sintern zu geben. Fernerhin
sollen unter Hinweis auf eigene Untersuchungen allgemeingiiltige Forderungen
und V orschlage hinsichtlich der Sintermoglichkeiten und Leistungssteigerungen
aufgezeigt werden.
9
2. Temperatur- und Reaktionsverlauf im Sinterbett
Physikalisch-chemische Vorgange in den einzelnen Temperaturbereichen
2.1 Der makroskopische Reaktionsablauf und Methoden zu seiner
Untersuchung
Unterbricht man einen SaugzugsinterprozeB durch Abschalten des Saugzug
gebliises und legt den halbfertigen Sinterkuchen in einer vertikalen Ebene frei,
so stellt man folgendes fest: Ober der noch hellrot gliihenden Sinter- oder Brenn
zone befindet sich eine Schicht von teils gliihendem, teils bereits abgekiihltem,
fertigem Sinter. Unterhalb der verhaltnismaBig diinnen Brennzone (diinn in bezug
auf die Gesamtschiitthohe) beobachtet man einen schmalen Chargenabschnitt von
getrocknetem, heiBem Sinterrohgut, an den sich in Richtung des Rostes noch
eine weitere Schicht von warmen, aber feuchtem Sinterrohgut anschIieBt.
Eine von E. M. Mc. BRIAR und Mitarbeitern [19] angegebene spezielle Technik2
fiir die Untersuchung derartig unterbrochener Sinterungen gestattet es, um
fassende Aussagen iiber chemische Zusammensetzung und Aussehen des Sinter
materials in den verschiedenen Chargenabschnitten zu machen, so daB hieraus auf
die verschiedenen Reaktionszonen und den thermisch-chemischen Reaktions
ablauf geschlossen werden kann.
R. D. BURLINGAME und Mitarbeiter [20] konnten z. B. durch schichtenweise Probe
nahme an halbfertiggesinterten Versuchschargen und durch Auftragung der
chemischen Analysenergebnisse iiber der Betthohe Aussagen iiber die chemischen
Veranderungen und das Reaktionsgeschehen in den einzelnen Zonen innerhalb
einer sinternden Labradorfeinerzmischung geben.
In Abb. 1 sind derartige »chemische Profile« fiir zwei Sintermischungen mit ver
schiedenen Brennstoffgehalten (3% C und 6% C) wiedergegeben. Die iibrigen
Bedingungen, wie Windmenge (16,8 m3Jm2 min), Feuchtigkeit 9,5%, Ziindung,
Kornung und Zusammensetzung der Mischung wurden konstant gehalten. Wie
den Diagrammen Abb. 1 zu entnehmen ist, laBt sich der in einer geziindeten
Sintercharge fortschreitende SinterprozeB in sechs Zonen unterteilen, deren Aus
dehnung in Stromungsrichtung je nach Sinterbedingungen verschieden sein kann.
Die Tab. 1 gibt einen Oberblick iiber die senkrechte Ausdehnung der einzelnen
Zonen (vom Taupunktniveau bis zur Ebene des fertigen Sinters) bei verschiede
nen Mischungsbrennstoffgehalten.
Sintern in konischer Versuchspfanne mit korbf6rmigem Einsatz; Unterbrechung des
2
Sinterprozesses durch Abschalten des Geblases; Kuhlung unter Stickstoffatmosphare;
schichtenweise Probenahme fur chemische Analyse oder impragnieren des gesamten
Einsatzes mit flussigen selbsthartenden Kunststoffen mit anschlieBender mikroskopi
scher Untersuchung von Schliffproben.
10
1 Feuchte Mischung 4 Kalzinierungs- u. Reduktionszone
2 Trocknungs-Zone 5 Brennfront oder Sinterzone
3 Zone der Hydratwasserabspaltung 6 Sinter .
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Abb. 1 Chemische Veranderungen im Sinterbett [20]
Tab. 1 [20]
Brennstoffgehalt der Mischung 3%C 6%C
Zonen mittlere Hohe der Zonen in mm
Feuchte Zone
(tiber Taupunktniveau von 9,5% H20) 32 70
Trocknungszone 13 19
Zone der Hydratwasserabspaltung 19 38
Kalzinierungs-und Reduktionszone 6 13
Brenn-oder Sinterzone 13 25
11