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Ratten im Labyrinth
Norbert Bolz - 978-3-8467-5290-6
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Norbert Bolz
Ratten im Labyrinth
Niklas Luhmann und
die Grenzen der Aufklärung
Wilhelm Fink
Norbert Bolz - 978-3-8467-5290-6
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© 2012 Wilhelm Fink Verlag, München
Wilhelm Fink GmbH & Co. Verlags-KG, Jühenplatz 1,
D-33098 Paderborn
Internet: www.fink.de
Umschlagabbildung: © HerrBullermann – Fotolia.com
Einbandgestaltung: Evelyn Ziegler, München
Herstellung: Ferdinand Schöningh GmbH & Co KG, Paderborn
E-Book ISBN 978-3-8467-5290-6
ISBN der Printausgabe 978-3-7705-5290-0
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INHALT
Vorwort................................................................................ 007
I. Luhmann in nuce.................................................................. 010
II. Es kommuniziert................................................................... 050
III. Die Phantomdebatte mit Habermas...................................... 066
IV. Die zweite Vertreibung aus dem Paradies.............................. 080
V. Theorie ist des Teufels........................................................... 091
VI. Der blinde Fleck.................................................................... 101
Anmerkungen....................................................................... 130
Literaturverzeichnis............................................................... 134
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VORWORT
Wundersam eigen,
Die sich immerfort selbst erzeugen
Und niemals wissen, was sie sind.
Goethe1
Dieses Buch kann weder Niklas Luhmann noch den Luhmannianern
gerecht werden – Luhmann nicht, weil er sich nicht als Klassiker, als
genialer Autor großer Bücher gesehen hat; den Luhmannianern nicht,
weil ich weder historische, noch systematische Rücksichten nehme.
Weder unterscheide ich zwischen Früh- und Spätwerk, noch erhebe
ich Anspruch auf Vollständigkeit in der Darstellung der Luhmann-
schen Grundbegriffe oder gar seines „Systems“. Auch die Kritiker
muss ich enttäuschen. Das Schlusskapital „Der blinde Fleck“ will
keine „Entlarvung“ in Aussicht stellen. Es geht vielmehr darum, die
notwendigen Sichtbeschränkungen einer großen Theorie zu benen-
nen. Ich beschränke mich auf das, was mir interessant zu sein scheint;
das heißt, ich verfahre eklektizistisch.
Auf unseren Helden stößt man nicht nur in der Soziologie. Seit
Jahrzehnten betreiben vor allem die Geisteswissenschaften eine Art
Outsourcing der erkenntnistheoretischen Reflexion an Luhmann. Er
suchte vor allem bei Nichtsoziologen Inspiration und hatte vor allem
bei Nichtsoziologen Erfolg. Die Gründe für diese Luhmann-Inflation
liegen auf der Hand. Seine Systemtheorie war und ist konkurrenzlos,
weil niemand sonst den Mut zur Gesellschaftstheorie hat. Dafür gibt
es auch objektive, historische Gründe. Sowohl die deutsche Philoso-
phie des Geistes als auch die Französische Revolution haben uns da-
von abgehalten, eine Theorie der modernen Gesellschaft zu entwik-
keln. So konnte Luhmann selbstbewusst und erfolgreich als Allein-
unternehmer der Soziologie auftreten. „Dass ein Versuch, die Gesell-
schaft zu begreifen, misslungen ist, rechtfertigt es noch nicht, einen
solchen Versuch nicht mehr zu unternehmen.“ (Wohl 17)
Luhmann hatte keine Angst vor der Philosophie und erst recht nicht
vor der Theorietradition seines Fachs. Er nahm es mit allen auf. Luh-
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8 VORWORT
mann wollte nicht fortsetzen, sondern radikal neu anfangen. Deshalb
betonte er den Bruch mit der Tradition, also mit Max Weber, aber
auch mit Talcott Parsons. Und so erklärt sich der oft krampfhafte An-
schluss an Humberto Maturana, Fritz Heider und George Spencer
Brown. Alle diese Autoren verdanken ihre Prominenz in Deutschland
fast ausschließlich Luhmann. Von Heider sagte Luhmann selbst, sein
Beitrag sei „in der akademischen Erkenntnistheorie bisher übersehen“
(AuR 231) worden. Maturana hat sich vielfach, wenn auch vergebens,
dagegen gesträubt, von Luhmann verstanden worden zu sein. Und Ge-
orge Spencer Brown ist, wenn man von einem knappen Lob Heinz von
Foersters in einer abgelegenen Zeitschrift einmal absieht, selbst in Ame-
rika so gut wie unbekannt gewesen.
Paradigmenwechsel oder Selbstmystifikation? Mit Luhmann kann
es einem ähnlich gehen wie bei der Lektüre von Hegels „Phänome-
nologie des Geistes“: Man bekommt als Leser rasch das Gefühl, jeder
Gedanke, jede Theorie sei hier schon gedacht, genau platziert und
„aufgehoben“. Das macht sein Denken weitgehend immun gegen
Kritik. Luhmanns Leser geht es deshalb meist wie Gretchen:
Du lieber Gott! was so ein Mann
Nicht alles alles denken kann!
Beschämt nur steh’ ich vor ihm da,
Und sag’ zu allen Sachen ja.2
Aber wir wollen es anders als Gretchen machen. Das I. Kapitel bietet
eine Art Schmetterlingssammlung besonders prägnanter Sätze aus
dem Gesamtwerk Luhmanns, die frappieren und faszinieren. Überall
da, wo es meinen Kommentaren nicht gelingt, diese zunächst rätsel-
haften Sätze aufzuhellen, mag der Leser einfach weiterspringen. Da
sie aber thematisch geordnet sind, empfehle ich natürlich eine „linea-
re“ Lektüre.
Ähnliches gilt für das Verhältnis der einzelnen Kapitel zueinander.
Im II. Kapitel stelle ich die Kommunikationstheorie Luhmanns dar.
Es folgt die Darstellung einer Kontroverse, die in der intellektuellen
Öffentlichkeit zwar große Wellen geschlagen, auf die geistige Ent-
wicklung Luhmanns allerdings kaum Einfluss genommen hat: die
Auseinandersetzung mit Jürgen Habermas. Dass ich ihr so viel Platz
einräume, liegt daran, dass die starken Kontrasteffekte den Denkstil
Luhmanns sehr gut konturieren. Thema des IV. Kapitels ist das, was
man mit dem Allermundewort Globalisierung bezeichnet, nämlich
das Leben in der einen Weltgesellschaft unter Bedingungen von Un-
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VORWORT 9
gewissheit und Unsicherheit. Das V. Kapitel gibt eine Antwort dar-
auf, was Luhmann – ersatzweise – denen zu bieten hat, die von einer
Theorie der Gesellschaft eine Kritik der Gesellschaft erwarten.
So weit bleibt meine Darstellung überwiegend deskriptiv. Erst im
Schlusskapitel versuche ich dann, Luhmann auf Distanz zu halten,
um konkret zu benennen, was uns seine großen theoretischen Ent-
deckungen verdecken. Dabei, wie auch in den anderen Kapiteln, habe
ich mich nur an meiner eigenen, „primären“ Lektüreerfahrung orien-
tiert und die ins Uferlose angewachsene Sekundärliteratur zu Luh-
mann völlig ignoriert. Das ist natürlich riskant. Doch hier hat mir ein
Satz Mut gemacht, den Dietrich Schwanitz in einem immer noch
sehr lesenswerten Buch über unseren Helden formuliert hat: „Seine
Toleranz gegenüber dem, was über ihn gesagt wird, grenzt geradezu
an Heiligkeit.“3
***
Für Rat, Kritik und Geleit danke ich Bernhard Pörksen, Stephan
Frühwirt, Johanna Schulz – vor allem aber und wie immer: Raimar
Zons.
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I. LUHMANN IN NUCE
Man kann nicht abschließen, man kann nur anschließen.
(RdG 93)
Das klingt zunächst wie das „hypoleptische“ Prinzip der Joachim-
Ritter-Schule – man kann nicht mit einer „tabula rasa“ oder bei
Adam und Eva beginnen, sondern muss an die Überlieferung an-
knüpfen. Aber die für die moderne Welt charakteristische „Entzwei-
ung“ zwischen Herkunft und Zukunft macht das Anknüpfen zum
Problem. Luhmann löst es ganz anders als Ritter. Anschluss kann
zwar für beide weder Traditionsbindung noch Ausrichtung auf ein
Ziel hin heißen. Aber Luhmann denkt ein System, das seine Opera-
tionen an nichts anderes als an die eigenen Operationen selbst an-
schließt – und sich dadurch schließt. Operativ geschlossen heißt aber
eben nicht abgeschlossen, sondern gerade: zeitlich offen, ohne Telos.
Das ist der Effekt der zweiwertigen Codes wie wahr / falsch oder
zahlen / nicht zahlen, die die sozialen Systeme ordnen. Damit sind
wir bei einem der zentralen Begriffe von Luhmanns Systemtheorie:
Anschlussfähigkeit.
Die Ökologie ist die Welt der Nischen und Nachbarschaften, der
losen Kopplungen und des Blicks auf das Nächste. Das muss immer
mitgedacht werden, wenn Luhmann von „Medium“ spricht. Gemeint
ist stets: lose Kopplung, also eine nicht logische, sondern rein zeitli-
che Verknüpfung. Anschlussfähigkeit hat deshalb nichts mit Konsens,
„adaequatio“ und logischer Konsistenz zu tun. Die konkrete An-
schlussfähigkeit der Operationen tritt gerade an die Stelle von Ratio-
nalität. Und das Prinzip der Anschlussfähigkeit heißt eben auch: we-
der Anfang noch Ende. Die Archäologie und die Frage nach dem Ur-
sprung werden genau so ausgeblendet wie die Eschatologie und die
Frage nach Zweck und Ziel.
Das Prinzip Anschlussfähigkeit richtet das Augenmerk nur auf die
Transformationen und Permutationen, in denen das System sich
selbst macht: Autopoiesis. „Sich selbst macht“ heißt konkret: Die an-
schlussfähigen Elemente entstehen durch Reduktion von Komplexität
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