Table Of ContentMartin O. Steinhauser
Quantenmechanik für
Naturwissenschaftler
Ein Lehr- und Übungsbuch mit
zahlreichen Aufgaben und Lösungen
2. Auflage
Quantenmechanik für Naturwissenschaftler
Martin O. Steinhauser
Quantenmechanik für
Naturwissenschaftler
Ein Lehr- und Übungsbuch mit
zahlreichen Aufgaben und Lösungen
2. Auflage
Martin O. Steinhauser
Fakultät für Informatik und
Ingenieurwissenschaften
Frankfurt University for Applied Sciences
Frankfurt am Main, Deutschland
ISBN 978-3-662-62609-2 ISBN 978-3-662-62610-8 (eBook)
https://doi.org/10.1007/978-3-662-62610-8
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Planung/Lektorat: Christian Gaß, Margit Maly
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Vorwort zur 2. Auflage
Bereits wenige Jahre nach Erscheinen der 1. Auflage von Quantenmechanik für
Naturwissenschaftler hat sich eine 2. Auflage als notwendig erwiesen. Dies zeigt,
dass mit diesem Buch ein echter Bedarf auf dem deutschen Buchmarkt abge-
deckt worden ist. Das Lehrbuch richtet sich an alle Studierenden der Naturwis-
senschaften und technischen Studiengängen an Universitäten oder Hochschulen,
bei denen die Quantenmechanik Bestandteil des Curriculums ist. Das Buch kann
aber zumindest in Teilen (z. B. Kap. 1, 2 und 9) auch von interessierten Lesern
ohne tiefergehende akademisch-mathematische Bildung mit Gewinn studiert
werden, wie ich aus einigen Leserbriefen weiß.
In dieser Auflage sind alle mir bekannten Schreibfehler aus der 1. Auflage kor-
rigiert und auch einige stilistische und didaktische Feinheiten im Text verbessert
worden. Ein neu hinzugekommenes Kapitel behandelt nun auch die Beschrei-
bung von elektrisch geladenen Teilchen im Magnetfeld und die dadurch bedingte
Aufspaltung der Spektrallinien bis hin zur Pauli-Gleichung. Ferner ist der Index
wesentlich erweitert worden und für einige mathematische Ableitungen im Text
sind 10 Lernvideos produziert worden mit insgesamt ca. 2.5 h Lernmaterial.
Man erkennt die Stellen im Buch, an denen Videos zur Verfügung stehen, an dem
folgenden Symbol:
Ich habe den didaktischen Aufbau zum Studium der Quantentheorie aus der
1. Auflage beibehalten, der am Anfang recht ausführlich die historischen Ent-
wicklungen und Schwierigkeiten zum Ende des 19. und zum Beginn des 20. Jahr-
hunderts diskutiert, welche letztendlich zu einer Theorie der Quantenmechanik
geführt haben. Ich bin der Meinung, dass man als Studierender auf diesem etwas
längeren, „historischen“ Weg am besten zu einem Verständnis der Theorie gelangt.
Dies hat sich auch in meinen Kursvorlesungen zur Quantentheorie an der Uni-
versität Basel immer wieder bestätigt, in denen aber natürlich nur wenig Raum
für eine solche ausführliche Diskussion gewesen ist. Ich diskutiere hier z. B.
explizit den Ursprung der Rechnung Max Plancks, die zum Wirkungsquantum h
geführt hat und räume auch mit dem mehr als ein Jahrhundert lang fälschlicher-
weise in Lehrbüchern und Vorlesungen kolportierten Mythos vom Thomson’schen
V
VI Vorwort zur 2. Auflage
Rosinenkuchenmodel des Atoms auf, welches Thomson niemals so formuliert
hatte und das nur auf einem Misverständnis beruhte.
Manche Lehrbücher gehen einen anderen, pragmatischen Weg, indem sie die
Axiome der Quantenmechanik wie bei einer rein mathematischen Abhandlung
direkt an den Anfang der Diskussion stellen und auch die Wellenfunktion am
Anfang als ein axiomatisches Element einführen. Eine andere Gruppe von Lehr-
büchern – vor allem im angelsächsischen Bereich – startet gerne direkt mit der
Dirac-Notation von quantenmechanischen Zuständen, die ich aber erst in Kap. 4
nach einer Diskussion der Schrödingergleichung in der Orts- und Impulsdar-
stellung einführe. Ich halte diesen Zugang zum Studium der Theorie, die auch der
historischen Entwicklung folgt (in der die Schrödingergleichung zeitlich vor der
Dirac’schen Formulierung der Quantentheorie mit Vektoren im Hilbertraum liegt),
für sinnvoller und einfacher – vor allem für Studierende, welche die Theorie zum
ersten Mal studieren. Dieses zum allgemeinen Verständnis zentrale Kap. 4 erklärt
im Detail die mathematische Struktur der Theorie der Quantenmechanik und sollte
daher mit besonderer Sorgfalt studiert werden.
Man sollte zudem das Missverständnis vermeiden, dass die Quantenmechanik
ausschließlich eine Theorie der Wellenfunktionen im Ortsraum sei. Dies wird
vor allem in der theoretischen Chemie (der sog. „Quantenchemie“) und in der
physikalischen Chemie bisweilen so dargestellt, weil in vielen entsprechenden
Lehrbüchern oft ausschließlich nur die spezielle Ortsdarstellung aber nicht die
abstrakte Formulierung der Theorie durch Zustandsvektoren im Hilbertraum
behandelt wird. Der abstrakte, vieldimensionale Konfigurationsraum, in dem die
Wellenfunktionen existieren, stimmt nämlich nur ausnahmsweise beim Wasser-
stoffatom – also bei einzelnen Teilchen – mit dem gewöhnlichen Ortsraum
überein. Wir werden aber tatsächlich vor allem in Kap. 9 sehen, dass es letzlich
gar nicht so ganz klar ist, wovon genau die Quantentheorie handelt, was also
ihre eigentliche Ontologie darstellt. Hierüber herrscht bis heute keineswegs end-
gültige Klarheit, auch wenn viele Lehrbücher durch das vollständige Auslassen
einer solchen Diskussion – bzw. durch dogmatisches Festhalten an „dem Nebel
aus dem Norden“ der sog. Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik bis-
weilen diesen Eindruck erwecken. Die dogmatische Kopenhagener Deutung der
Quantenmechanik, die auf Niels Bohr zurückgeht und die jahrzehntelang in Lehr-
büchern wieder und wieder kopiert wurde als die einzig „allgemein akzeptierte“
oder „anerkannte Deutung“ der Theorie, ist inzwischen längst überwunden und
als völlig falsch befunden worden durch die Einführung des Kohärenzkonzeptes
seit den 1970er Jahren. Trotzdem diskutieren wir auch diese Interpretation aus
historischen Gründen neben möglichen anderen in Kap. 9.
Seit der Bologna-Erklärung von 1999, als man sich politisch unter der von
Konzernen der Privatwirtschaft hervorgebrachten falschen Hypothese von „in-
ternationaler Wettbewerbsfähigkeit“ europaweit auf eine strikte Verschulung
von Universitätsstudien einigte und diese an den Universitäten nach und nach
auch umsetzte, ist aus dem Studium leider oftmals ein auf Effizienz getrimmtes
„Klausuren“- oder Pseudo-Studium geworden, in dem viele Studenten verlernt
bzw. nie gelernt haben, was es heißt, in einem guten Sinne zu studieren. Bildung
Vorwort zur 2. Auflage VII
(und nicht Ausbildung) um ihrer selbst willen zählt nicht mehr allzuviel. Dement-
sprechend ist die häufigste Frage, die ich meinen Vorlesungen höre, eine Schüler-
Frage, die Studenten früher nie gestellt hätten: „Kommt das in der Klausur dran?“.
Das Studium an Universitäten und Hochschulen ist durch die Bologna-Reform
leider sehr verengt und – wie der Philosoph Richard David Precht sehr treffend
in seinem Buch „Anna, die Schule, und der liebe Gott“ schreibt – „einem öko-
nomischen Diktat der Nützlichkeit, Anwendung und Beschleunigung unterworfen
worden“.
Die Corona-Pandemie, welche seit dem Frühjahr 2020 den ganzen Planeten
im Griff hat, und deren Beginn der Ausbreitung im asiatischen Raum außer-
halb Chinas ich während eines längeren Forschungsaufenthaltes an der Nanyang
Technological University (NTU) in Singapur hautnah erlebte, führte zusätzlich
durch viele Einschränkungen zu großen Veränderungen in der akademischen For-
schung und auch in der Art, wie Wissen und Wissenschaft an Universitäten und
Hochschulen seit dieser Zeit vermittelt bzw. durchgeführt wird. Umso wichtiger
ist es für die Studierenden, gutes Lernmaterial zur Verfügung zu haben, das auch
im Selbststudium bewältigt werden kann. Durch die vielen Übungsaufgaben (zum
großen Teil mit Lösungen), Prüfungsfragen an den jeweiligen Kapitelenden in
diesem Buch und durch die in der 2. Auflage zusätzlich zur Verfügung gestellten
Lehrvideos, die zur Erklärung besonders kniffliger, interessanter oder fehler-
anfälliger Herleitungen von Formeln online aufgerufen werden können, leis- tet
dieses Werk hoffentlich einen guten Beitrag zum Lernerfolg beim Studium der
Quantentheorie.
Pandemiebedingt und auch durch meinen Wechsel von der Universität Basel
an die Frankfurt University of Applied Sciences als neuer Professor für Ange-
wandte Physik und Informatik im Jahr 2020 ist diese 2. Auflage erheblich später
als ursprünglich geplant fertig gestellt worden. Ich bedanke mich hier ausdrück-
lich für die Geduld und das Verständnis von Frau Margit Maly sowie Frau Bianca
Alton vom Springer-Verlag. Ich hoffe, dass dieses Buch auch in der 2. Auflage
weiterhin zahlreiche Leser finden und vielen Studierenden helfen wird, ein sehr
gutes Verständnis der Grundlagen der Quantentheorie zu erlangen. Im Grunde
genommen ist dies ein Lehrbuch, wie ich es mir selbst als Student gewünscht
hätte, weil es viele Feinheiten und Details explizit erklärt, die in so manchen
anderen Büchern entweder gar nicht erwähnt oder hinter allzu spitzfindiger und
komplizierter Mathematik versteckt werden, so dass man als Studentin oft den
sprichwörtlichen Wald vor lauter Bäumen nicht mehr erkennen kann.
Noch ein Wort zum „gendern“ in der Sprache: Gleichberechtigung zwischen
den Geschlechtern ist etwas völlig selbstverständliches und findet allmählich
auch Eingang in die Schriftform der Sprache. Allerdings halte ich von dem Gen-
dersternchen ⋆ oder Doppelpunkten inmitten von Wörtern in Sätzen nicht be-
sonders viel, weil es meiner Meinung nach Texte sehr unleserlich macht und im
allgemeinen als sehr störend im Lesefluss empfunden wird. Ich gehe daher ganz
unbekümmert mit dem grammatischen Geschlecht um, und verwende manch-
mal die weibliche und manchmal die männliche Form, ohne damit irgendeine
Konnotation oder gar Wertung zu verbinden. Es ist dann jeweils inklusiv zu
VIII Vorwort zur 2. Auflage
lesen, so dass grundsätzlich immer das grammatisch weibliche oder männliche
Geschlecht gemeint ist.
Ich bin Leserinnen weiterhin dankbar, falls sie Inkonsistenzen, Druckfehler
oder inhaltliche Fehler entdecken und mir mitteilen. Erreichen kann man mich
hierzu über Research Gate (https://www.researchgate.net/profile/Martin-Stein-
hauser) oder per eMail an der Frankfurt University: [email protected]
uas.de.
Singapur und Freiburg im Breisgau Martin O. Steinhauser
Februar 2022
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung ................................................. 1
1.1 Woraus besteht Materie?................................. 2
1.2 Woher kommt die Materie?............................... 4
1.3 Unsere heutige Vorstellung von Materie..................... 7
1.4 Die klassische Mechanik................................. 9
1.5 Die Lagrange–Funktion der klassischen Mechanik ............ 12
1.6 Die kanonischen Bewegungsgleichungen.................... 14
1.6.1 Determinismus in der klassischen Mechanik.......... 16
1.6.2 Bewegungsgleichungen und Poissonklammern ........ 17
1.7 Der Gültigkeitsbereich der klassischen Teilchen–Mechanik ..... 19
1.8 Ausblick auf die Quantenmechanik ........................ 20
1.8.1 Quantisierung .................................. 21
1.8.2 Das Korrespondenzprinzip........................ 21
1.8.3 Die Solvay-Konferenzen.......................... 21
1.9 Indeterminismus in der Quantenmechanik................... 23
1.10 Die Welleneigenschaften von Licht ........................ 24
1.10.1 Von Newton zu Maxwell ......................... 25
1.10.2 Formale Beschreibung von Wellen.................. 28
1.11 Zusammenfassung der Lernziele .......................... 31
Literatur ................................................... 37
2 Einführung in die Quantenmechanik........................... 39
2.1 Einleitung ............................................ 40
2.2 Entwicklung der modernen Atomtheorie .................... 45
2.2.1 Entdeckung des Elektrons......................... 45
2.2.2 Entdeckung des Atomkerns ....................... 51
2.3 Schlüsselexperimente zur Quantenmechanik . . . . . . . . . . . . . . . . . 57
2.3.1 Atomare Spektren und diskrete Energiewerte ......... 57
2.3.2 Das Strahlungsspektrum schwarzer Körper ........... 64
2.3.3 Der photoelektrische Effekt ....................... 97
2.3.4 Lichtquantenhypothese von Einstein ................ 98
2.3.5 Der Compton-Effekt............................. 100
IX
X Inhaltsverzeichnis
2.3.6 Der Frank–Hertz–Versuch ........................ 106
2.3.7 Die Einstein–Koeffizienten im
Strahlungsgleichgewicht.......................... 108
2.4 Atommodelle.......................................... 114
2.4.1 Das Bohrsche Atommodell........................ 115
2.4.2 Die Sommerfeldsche Erweiterung
des Bohrschen Atommodells ...................... 122
2.4.3 Schwierigkeiten und Grenzen des
Bohr-Sommerfeld’schen Atommodells............... 125
2.4.4 Rydberg–Atome ................................ 126
2.5 Zusammenfassung der Lernziele .......................... 127
Literatur ................................................... 151
3 Materiewellen und die Schrödinger-Gleichung .................. 155
3.1 Schrödingers Wellenmechanik ............................ 157
3.1.1 Wellen- und Teilchencharakter von
Licht und Materie............................... 160
3.1.2 De-Broglie-Materiewellen ........................ 162
3.2 Wellenpakete und Wellenfunktion ......................... 165
3.2.1 Gruppen- und Phasengeschwindigkeit
von Materiewellen .............................. 173
3.2.2 Normierung.................................... 176
3.2.3 Übertragung auf drei Dimensionen ................. 177
3.2.4 Die Heisenberg’sche Unschärferelation .............. 178
3.3 Die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung................... 183
3.3.1 Die Schrödinger-Gleichung für Teilchen
im Potenzial
V(x).......................................... 186
3.3.2 Berechnung von Mittelwerten ..................... 188
3.3.3 Der Wahrscheinlichkeitsstrom ..................... 196
3.3.4 Stationäre Lösungen der Schrödinger-Gleichung....... 198
3.4 Die Lösung der Schrödinger-Gleichung für einfache Modell-
systeme .............................................. 201
3.4.1 Überblick über eindimensionale Potenzialprobleme .... 201
3.4.2 Allgemeine Aussagen bei eindimensionalen
Potenzialproblemen ............................. 205
3.4.3 Das freie Teilchen............................... 210
3.4.4 Lösungsverhalten der Wellenfunktion ϕ(x) ........... 210
3.4.5 Das Eigenwertspektrum gebundener Teilchen ......... 213
3.4.6 Das Teilchen im Kastenpotenzial (Potenzialtopf) ...... 218
3.4.7 Der quantenmechanische Tunneleffekt............... 229
3.5 Zur Entstehung der Quantenmechanik ...................... 240
3.5.1 Heisenbergs Matrizenmechanik .................... 240
3.6 Die Bedeutung der Schrödinger’schen Wellenmechanik ........ 247
3.7 Zusammenfassung der Lernziele .......................... 248