Table Of ContentGünter Kirschling
Qualitätssicherung
und Taleranzen
Toleranz- und Prozeßanalyse
für Entwicklungs- und Fertigungsingenieure
Mit 278 Abbildungen
Springer-V erl ag
Berlin Heidelberg GmbH 1988
Professor Dr.-lng. Günter Kirschling
Universität Kassel Gh
ISBN 978-3-540-18482-9 ISBN 978-3-662-12866-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-12866-4
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1988
Ursprünglich erschienen bei Springer-Verlag Berlin Beideiberg New York 1988
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Satz: Interdruck, Leipzig;
2068/3020/543 210
Vorwort
Die Möglichkeit, die Toleranzen von zu Maßketten gehörenden Einzelmaßen unter
statistischen Gesichtspunkten zu berechnen, ist seit Jahrzehnten bekannt. Dennoch
wird von dieser Möglichkeit in der betrieblichen Praxis nur selten Gebrauch gemacht.
Fast ausschließlich werden die Toleranzen von Maßen, die Glieder von Maßketten
sind, in herkömmlicher Weise arithmetisch berechnet. Der Grund dafür ist vor allem
die Tatsache, daß die statistischen Methoden der Toleranzberechnung kompliziert
und schwer durchschaubar sind.
Wenn dennoch mit diesem Buch eine umfassende Darstellung der Toleranzproble
matik und ihrer Bewältigung durch statistische Toleranzrechnungen vorgelegt wird,
dann deswegen, weil es gelungen ist, alle rechnerischen Lösungen bildlich darzustellen
und dadurch transparent zu machen. Bei diesen Bildern handelt es sich um Maßpläne
mit zusätzlicher Darstellung der Toleranzfelder und Angabe der Annahmen über die
darin befindlichen Verteilungen nach Lage, Form und Breite mit zusätzlichen Anga
ben über die jeweiligen Fehleranteile.
Versuche mit Studenten und mit Ingenieuren aus der Industrie haben ergeben,
daß diese Bilder als Ergänzung der exakten, rechnerischen Lösung den Zugang zu die
ser komplizierten Materie erheblich erleichtern.
Dieses Buch wendet sich vor allem an die Mitarbeiter in der Entwicklung und Kon
struktion einerseits und der Fertigung und Qualitätssicherung andererseits, hauptsäch
lich im Bereich des Maschinenbaus und angrenzender Branchen. Leser, die aus dem
Bereich der Qualitätssicherung kommen und daher mit den Grundlagen der Statistik
für quantitative Merkmale vertraut sind, werden kaum Probleme haben, die Inhalte
dieses Buches zu verstehen. Für Leser, die über keine oder über nur unzureichende
Kenntnisse der Statistik verfügen, sind die Kapitel 2 bis 5 vorgesehen. Darin werden
die theoretischen Grundlagen der Statistik, soweit diese ftir das Verständnis der nach
folgenden Toleranzanalysen und Prozeßanalysen erforderlich sind, an praktischen Bei
spielen erläutert.
Zur Toleranzproblematik gehört nicht nur die sorgfältige Berechnung der Teleran
zen in Hinblick auf die Sicherung der Funktion von Maßketten sondern auch deren
Realisierbarkeit in der Fertigung. Dieses Thema wird in den Kapiteln 13 bis 15 aus
führlich behandelt und dürfte vor allem für die Mitarbeiter aus der Fertigung und der
Qualitätssicherung von Interesse sein.
Modeme Zerspanprozesse zeichnen sich durch eine hohe Zerspanleistung aus mit
der Folge, daß diese Prozesse infolge des Werkzeugverschleißes erhebliche Trends auf
weisen. Aus diesem Grunde mußte das bekannte Fachwissen über die Prozeßsteue
rung mittels Qualitätsregelkarten in vielen Punkten erweitert werden, KapitellS.
Dem Leser dieses Buches sei dringend geraten, beim Lesen stets einen wissen-
VI Vorwort
schaftliehen Taschenrechner mit :XIs-Automatik zur Hand zu haben, um jederzeit die
in den Beispielen und Aufgaben vorgegebenen Lösungen rechnerisch nachvollziehen
zu können. Aus diesem Grund wurden alle berechneten Parameter, Kennwerte und
Schätzwerte auf bis zu sechs Stellen und mehr angegeben, eine "Genauigkeit", die we
der theoretisch noch praktisch sinnvoll ist, die es aber dem Leser erheblich erleichtert,
die Richtigkeit seiner Nachrechnungen zu überprüfen.
Da die Literatur insbesondere über die Themen "Prozeßfähigkeit, Prozeßsteuerung
und Prozeßkorrektur" wenig bietet und das Wenige zudem teilweise widersprüchlich
ist, mußten in vieler Hinsicht eigene Definitionen und Lösungen gefunden werden.
Ich bin mir daher bewußt, daß manche Darstellungen und Beispiele Unklarheiten oder
Unzulänglichkeiten enthalten können; für Hinweise darauf bin ich jederzeit dankbar.
Herrn Prof. Dr.-Ing. P. Th. Wilrich, Freie Universität Berlin, danke ich herzlich für
seine kritische Durchsicht des Manuskripts und für seine Verbesserungsvorschläge.
Dem Springer-Verlag danke ich für sein Interesse an der Verwirklichung dieses Bu
ches.
Melsungen, im Frühjahr 1988 Günter Kirschling
Inhaltsverzeichnis
Formelzeichen X
1 Einleitung 1
2 Begriffe 3
3 Wahrscheinlichkeitsrechnung 7
3 01 Definition der Wahrscheinlichkeit 7
302 Additionssatz (ODER-Satz) 8
303 Multiplikationssatz (UND-Satz) 0 8
4 Wahrscheinlichkeitsverteilungen quantitativer Merkmale 10
401 Allgemeines 0 0 0 0 0 0 0 0 0 10
402 Normalverteilung 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 11
403 Nichtnormale Wahrscheinlichkeitsverteilungen 18
4.4 Zufallsstreubereiche für Mittelwerte 24
S Rechnerische und grafische Auswertung von Meßreihen 26
50 1 Allgemeines 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 26
502 Rechnerische Auswertung ohne Klassieren 27
503 Grafische Auswertung ohne Klassieren 28
5.4 Rechnerische Auswertung klassierter Meßreihen 29
505 Grafische Auswertung klassierter Meßreihen 32
506 Weitere statistische Kennwerte 0 0 0 0 33
507 Die Bedeutung der statistischen Kennwerte 38
6 Mischverteilungen 41
601 Arten von Mischverteilungen 41
602 Mischverteilungen l.Art 41
603 Mischverteilungen 20Art 46
6.4 Der extreme Fall nach Tschebyscheff 65
7 Das Falten von Verteilungen 0 0 69
701 Beschreibung der Faltoperation 69
7 02 Beispiele für Faltoperationen 0 71
VIII Inhaltsverzeichnis
8 Zusammenhang zwischen Toleranzen und Fertigungsverteilungen 95
8.1 Direkte und indirekte Funktionsmerkmale 95
8.2 Festlegung und Einhaltung von Toleranzen 97
8.3 Toleranzen und Kosten . 99
8.4 Fehler und Ausschuß 99
8.5 Arithmetische Toleranzrechnung 100
8.6 Beispiele für arithmetisch berechnete, lineare Maßketten 103
8.7 Das Aussortieren von fehlerhaften Teilen 112
9 Quadratische Toleranzrechnung . 129
10 Statistische Toleranzrechnung bei Einzelmaßen
mit Rechteckverteilungen 138
10.1 Allgemeines . 138
10.2 Ableitung des Reduktionsfaktors und des Erweiterungsfaktors bei
gleich großen Einzeltaleranzen 138
10.3 Berechnung von Maßketten mit ungleich großen Einzeltaleranzen
und rechteckigen Einzelverteilungen 144
10.4 Vorteile der Annahme des Vorliegens von Rechteckverteilungen 147
11 Statistische Toleranzrechnung bei Einzelmaßen mit Trapezverteilung
oder mit Dreieckverteilung 152
11.1 Durchführung der Berechnung 152
11.2 Einfaches Schema zur Nachrechnung festgelegter, linearer Maßketten 167
12 Das Toleranzmodell 171
13 Beurteilung von Lieferiosen oder von Fertigungslosen 177
13.1 Allgemeines . 177
13.2 Stichprobenprüfung bei Maßen 179
13.3 Auswahl von AQL-Werten für die Stichprobenprüfung von Maßen
(Variablenprüfung) 185
13.4 Qualitätsregelkarten für Maße . 208
14 Prozeßanalyse und Prozeßfähigkeit 223
14.1 Prozeßanalyse 223
14.2 Prozeßfähigkeit 244
15 Prozeßsteuerung . 250
15.1 Allgemeine Gesichtspunkte 250
15.2 Prozeßsteuerung mittels Mittelwert-QRK 252
15.3 Prozeßsteuerung mittels Urwert-QRK 272
15.4 Prozeßkorrektur 284
Inhaltsverzeichnis IX
16 Literatur 310
17 Anhang 312
Tabellen 312
Formblatt 321
Sachverzeichnis 322
Formelzeichen
d" Erwartungswert von IUO'
EG Eingriffsgrenze
N Umfang der Grundgesamtheit oder des Loses oder einer Wahrscheinlich
keitsverteilung bei deren Simulation durch eine diskrete Verteilung mit
ganzzahligen x-Werten
Nennmaß
Ni Besetzungszahl der j-ten Klasse einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
n Stichprobenumfang
ni Besetzungszahl der j-ten Klasse in einer Stichprobe
p Fehleranteil (grenzüberschreitender Anteil) in der Grundgesamtheit oder bei
einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
p Fehleranteil in der Stichprobe
G ( u) Flächenanteil (Wa hrscheinlichkeitssumme) von - oo bis u
Pa Annahmewahrscheinlichkeit
Q( u) Flächenanteil von u bis + oo
u standardisierte, normalverteilte Zufallsgröße (tt = 0; 0' = 1)
x Merkmal
xi i-ter betrachteter Wert x
xi Klassenmitte der j-ten Klasse
g(x) Wahrscheinlichkeit für den Wert x
G(x) Wahrscheinlichkeitssumme bis einschließlich x
Weitere Formelzeichen in Tabelle 2.1 und im Text
1 Einleitung
Den Mitarbeitern der Entwicklung und Konstruktion und den Mitarbeitern der Ferti
gung und Qualitätssicherung ist gemeinsam die ständige Konfrontation mit dem Phä
nomen, daß technische Erzeugnisse nicht genau auf Sollmaß gefertigt werden können.
Vielmehr sind -je nach technischem Aufwand - mehr oder weniger große systema
tische und/oder zufallsbedingte Abweichungen vom Sollmaß unvermeidbar.
Dies gilt vor allem flir technische Erzeugnisse, die in großen Serien oder in Mas
senproduktion hergestellt werden. Gleichzeitig müssen diese Erzeugnisse austausch
bar sein, das heißt, sie müssen nach wahlloser Paarung und Montage zu Bausätzen die
vorgegebene Funktion erfUllen.
Der Konstrukteur berücksichtigt die unvermeidbaren Abweichungen, indem er fUr
alle Maße Grenzmaße - direkt oder indirekt - vorgibt, zwischen denen die Istmaße
der Werkstücke liegen müssen, die Grenzmaße eingeschlossen. Anders formuliert:
Jedes Maß ist ein toleriertes Maß.
Die Auswahl der Taleranzen ist fUr den Konstrukteur problemlos, wenn es sich um
Passungen, d. h. um zweigliederige Maßketten handelt. Dafür gibt es seit Jahrzehnten
das ISO-Toleranzsystem für Paßmaße, das durch eine Vielzahl von DIN-Normen über
nommen und ergänzt wurde. In diesem System sind viele Begriffe und deren Bezie
hungen zueinander genormt. Auch sind darin die Beträge für Taleranzen (Toleranz
klassen) in Abhängigkeit von Nennmaßbereichen (Toleranzreihen) festgelegt. Ferner
sind die Taleranzen nach Toleranzfeldlagen geordnet.
'VÖllig problemlos ist die Auswahl der Taleranzen für den Konstrukteur auch dann,
wenn die Maße nicht mit anderen Maßen in Interaktion treten (indirekte Funktions
maße, genaue Definition später). Diese Maße werden mit Allgemeintaleranzen verse
hen, wofür es ebenfalls Normen gibt.
Problematisch wird die Auswahl der Taleranzen nach Betrag und Lage des Tole
ranzfelds, wenn es sich um drei- oder mehrgliederige Maßketten handelt. Für diesen
Fall gibt es keine Normen und der Konstrukteur muß nach eigenem Ermessen ent
scheiden, oft ohne über die Entscheidungskriterien hinreichend informiert zu sein.
Folglich halten sich viele Konstrukteure an den Grundsatz:
"Toleranzen so weit wie möglich und so eng wie nötig"
mit dem Nachsatz:
"im Zweifel besser zu eng"
und Fälle ohne Zweifel sind äußerst selten.
Die Fertigungs-und Qualitätsleute berücksichtigen die unvermeidbaren Abweichun
gen, indem sie ein Qualitätssicherungssystem unterhalten. In jedem Falle sorgen sie
dafür, daß die Forderung erflillt wird, daß die Istmaße in den jeweiligen Toleranzfel-