Table Of ContentPsychopharmaka im Widerstreit
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o.
Benkert H. M. Kepplinger K. Sobota
Psychopharmaka
im Widerstreit
Eine Studie zur Akzeptanz von Psychopharmaka
- Bevolkerungsumfrage und Medienanalyse
in Zusammenarbeit mit Simone Christine Ehmig,
Andreas Hillert, Jiirgen Sandmann und Helga WeiBbecker
Springer
Prof. Dr. Otto Benkert
Psychiatrische Klinik der
Johannes Gutenberg-Universitat Mainz
Untere Zahlbacher Str. 8
55131 Mainz
Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger
Institut fUr Publizistik der
Johannes Gutenberg-Universitat Mainz
Colonel-Kleinmann-Weg 2
55099 Mainz
Dr. Katharina Sobota
Friedrich-Schiller-Universitat Jena
Fiirstengraben 1
07743 Jena
ISBN-13:978-3-642-79458-2 e-ISBN-13:978-3-642-79457-5
DOl: 10.10071 978-3-642-79457-5
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1995
Sofl:cover reprint of the hardcover 1St edition '995
© fUr die Methodik der Rhetorikanalyse (Kap. 4.5) bei K. Sobota
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tigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, daB solche Namen irn Sinne der Warenzei
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Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
2 Fragestellung, Forschungsstand und methodische Probleme. . . . . . . . . . . 7
2.1 Probleme der Meinungs- und Einstellungsforschung. . . . . . . . . . . . . . 7
2.2 Aspekte psychiatrischer Meinungs- und Einstellungsforschung. . . . . 9
2.3 Meinungen und Einstellungen der Bevolkerung
zu seelischen Erkrankungen und psychisch Kranken. . . . . . . . . . . . .. 10
2.4 Meinungen und Einstellungen der Bevolkerung
zu Psychopharmaka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 14
3 Theoretische Annahmen, Untersuchungsanlage und Hauptbefunde 18
3.1 Theoretische Annahmen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.2 Anlage der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3-3 Reliabilitat und Validitat der Befunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 22
3.4 Hauptbefunde. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 25
4 Ergebnisse der Mainzer Studie .................................. 27
4.1 Vorgehensweise. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 27
4.2 Ansichten zur Behandlung von psychischen Erkrankungen . . . . . . .. 28
4.2.1 Behandlung korperlicher und psychischer Erkrankungen ......... 28
4.2.2 Praferenzen fUr Spezialisten bei psychischen Erkrankungen . . . . . .. 30
4.2.3 Anwendung von Psychopharmaka in konkreten Fallen. . . . . . . . . . .. 32
4.2.4 Praferenzen fUr Behandlungsalternativen ....................... 34
4.2.5 Abstrakte Urteile fiber Psychopharmaka ........................ 35
4.2.6 Typologie der Befragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 38
4.3 Informationsquellen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 40
4.3.1 Eigene Erfahrungen mit psychischen Erkrankungen . . . . . . . . . . . . .. 40
4.3.2 Krankheits- und Medikamentenerfahrungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 41
4.3.3 Kontakte zu psychisch Kranken. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 43
4.3.4 Gesprache fiber psychische Erkrankungen und Psychopharmaka . .. 46
4.3.5 Informationen aus den Massenmedien.......................... 48
4.3.6 Bilanz der Informationsquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 52
4.4 Themen und Tendenzen der Pressedarstellung. . . . . . . . . . . . . . . . . .. 54
4·4.1 Vorgehensweise............................................. 54
442 Anzahl der Artikel und Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55
443 Funktionen der Beitrage. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 57
444 Urheber der Aussagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 62
VI Inhaltsverzeichnis
4.4.5 Kontext der Aussagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 63
4.4.6 Gegenstande der Aussagen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 67
4.4.7 Wertende Charakterisierungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 68
4.4.8 Bilanz der Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 74
4.5 Rhetorik der Pressedarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78
4.5.1 Ziel der Untersuchung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 78
4.5.2 Vorgehensweise............................................. 78
4.5.3 AusmaB des stilistischen Pathos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 84
4.5.4 Pathos von Beitragen in verschiedenen Stilformen ............... 85
4.5.5 Pathos der verschiedenen Blatter. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 87
4.5.6 Art des stilistischen Pathos. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 89
4.5.7 Bilanz der Rhetorikanalyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93
4.6 Erinnerungen, Kenntnisse und Meinungen der Befragten. . . . . . . . .. 97
4.6.1 Erinnerung an Medienberichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 97
4.6.2 Identifikation von Medikamenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 103
4.6.3 Vermutungen iiber Wirkungen und Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . .. 106
4.6.4 Ansichten zur Tolerierbarkeit von Nebenwirkungen . . . . . . . . . . . . .. 110
4.6.5 Ursachen der Ansichten zur Tolerierbarkeit von Nebenwirkungen .. 115
4.6.6 Bilanz der Fragen zu Erinnerungen, Kenntnissen und Meinungen .. 116
4.7 Ursachen von Widerstanden und Widerspriichen. . . . . . . . . . . . . . . .. 118
4.7.1 Ursachen der Widerstande gegen Psychopharmaka . . . . . . . . . . . . . .. 118
4.7.2 EinfluB der Angst vor Kontrollverlust auf die Ablehnung
von Psychopharmaka. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 125
4.7.3 Ursachen der Widerspriiche zwischen abstrakten und konkreten
Urteilen iiber die Anwendung von Psychopharmaka . . . . . . . . . . . . .. 130
4.7.4 Bilanz der Ursachenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 136
5 Zusammenfassung der empirischen Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 140
5.1 Ergebnisse der Mainzer Studie ................................. 140
5.2 Diskussion der Mainzer Studie vor dem Hintergrund
friiherer Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 145
5.2.1 Vorbemerkung.............................................. 145
5.2.2 Abstrakte Urteile iiber die Anwendung von Psychopharmaka . . . . .. 147
5.2.3 Ansichten zur Anwendung von Psychopharmaka im konkreten Fall 147
5.2.4 Ansichten iiber die Wirkungen von Psychopharmaka . . . . . . . . . . . .. 148
5.2.5 Ansichten zur Suchtgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 149
5.2.6 Folgerungen................................................ 149
6 Interpretation und Foigerungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153
6.1 Angst mobilisiert Gefiihle. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 153
6.2 FaBbare Angst: Nebenwirkungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 155
6.3 UnfaBbare Xngste: Verlust der geistigen Integritat ................ 156
6.4 Furcht vor dem Grundlosen ................................... 158
6.5 Irritation der »Begriffs-Menschen" . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 161
6.6 Anziehungskraft der Gesprachstherapien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 163
6.7 Sprachlosigkeit der biologisch-naturwissenschaftlichen Psychiatrie 164
6.8 Griinde fiir Psychopharmaka . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 166
Inhaltsverzeichnis VII
7 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 168
7.1 Fakten und Fiktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 168
7.2 Grundlagen der Befragung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172
7.3 Bildung der Quasi-Skalen anhand der Befragungsdaten . . . . . . . . . .. 182
7-4 Erganzende Tabellen und Abbildungen zur Befragung . . . . . . . . . . .. 186
7.5 Grundlagen der Inhaltsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 192
7.6 Erganzende Tabellen und Abbildungen zur Inhaltsanalyse . . . . . . . .. 198
7.7 Grundlagen der Rhetorikanalyse ...................•........... 202
Literatur .......................................................... 210
Mitarbeiterverzeichnis
Prof. Dr. Otto Benkert Dr. Jiirgen Sandmann
Psychiatrische Klinik der Psychiatrische Klinik der
Johannes Gutenberg-Universitat Johannes Gutenberg-Universitat
Mainz Mainz
Untere Zahlbacher Str. 8 Untere Zahlbacher Str. 8
55131 Mainz 55131 Mainz
Simone Christine Ehmig M.A. Dr. Katharina Sobota
Institut fiir Publizistik der Friedrich-Schiller-Universitat Jena
Johannes Gutenberg-Universitat Fiirstengraben 1
Mainz 07743 Jena
Colonel-Kleinmann-Weg 2
55099 Mainz Helga WeiSbecker M.A.
Institut fiir Publizistik der
Dr. Dr. Andreas Hillert Johannes Gutenberg-Universitat
Psychiatrische Klinik der Mainz
Johannes Gutenberg-Universitat Colonel-Kleinmann-Weg 2
Mainz 55099 Mainz
Untere Zahlbacher Str. 8
55131 Mainz
Prof. Dr. Hans Mathias Kepplinger
Institut fiir Publizistik der
Johannes Gutenberg-Universitat
Mainz
Colonel-Kleinmann-Weg 2
55099 Mainz
1 Einleitung
Psychopharmaka sind umstritten. Der Arzt, der einen psychisch Kranken mit
Psychopharmaka behandeln mochte, trifft auf Widerstand. Patienten und
deren Angehorige lehnen eine pharmakologische Therapie oft mit Nachdruck
ab; Medien und weite Kreise der Bevolkerung scheinen sie in ihrer Raltung zu
bestarken. Der wissenschaftlich informierte Arzt kann diese Ablehnung kaum
nachvollziehen. Er weiB, daB mit den Psychopharmaka erstmals Medikamente
zur Verfiigung stehen, mit denen psychische Erkrankungen wirksam behandelt
werden konnen. Mit der Entwicklung der modernen Psychopharmakologie in
den fiinfziger Jahren konnte die Psychiatrie ihre therapeutischen Moglichkei
ten revolutionieren. Von nun an wurden die Behandlungszeiten immer kiirzer.
Die bisherigen zumeist unwissenschaftlichen Therapien konnten aufgegeben
werden. Der Arzt verhalf den Patienten in vielen Hillen zu einer schnellen
sozialen und beruflichen Rehabilitation. Die Tiiren der Psychiatrie wurden
geoffnet.
Trotzdem stehen Psychopharmaka im Zwielicht. Art, AusmaB und Griinde
dieses Phanomens geben Ratsel auf. Die Aversionen gegeniiber Psychophar
maka sind nicht leicht zu entschliisseln. Verunsicherungen konnen von sehr
individuellen Angsten, z.B. der Furcht vor dem Verlust der Selbstkontrolle, aus
gehen. Das Orakel eines Wahns, des Irreseins oder der Verriicktheit wirkt noch
immer bedriickend. Neben den individuellen Angsten konnte die Ablehnung
von Psychopharmaka auch durch Einfliisse bestimmt sein, die in der gesell
schaftlichen Dimension zu suchen sind. Insofern liegt es nahe, auch die Offentli
che und veroffentlichte Meinung zu untersuchen. Angesichts der Komplexitat
dieser Motivlage muB sich die Psychiatrie, wenn sie die Griinde fiir die Vorbe
halte gegen Psychopharmaka klaren mochte, der Unterstiitzung anderer Diszi
plinen versichern. Bei der hier vorgestellten Mainzer Studie wurde die Zusam
menarbeit mit der Kommunikationsforschung und der analytischen Rhetorik
gesucht. Auf diese Weise ist ein interdisziplinares Projekt zustandegekommen,
das sich sowohl urn eine empirische Erfassung als auch urn eine Deutung des
Problems bemiiht hat.
Basis der Arbeit sind eine Bevolkerungsumfrage und zwei Medienanalysen.
Die Bevolkerungsumfrage (2176 Personen reprasentativer Querschnitt, zum Tell
Split Ballot) klart unter anderem
- den Informationsstand der Bevolkerung,
- ihre Informationsquellen,
- ihre Einstellungen zu Psychopharmaka, und zwar
- ihre allgemeinen Ansichten zu dieser Medikamentengruppe und
- ihre Meinungen in bezug auf konkrete Anwendungssituationen,
2 Einleitung
- ihre Urteile tiber Eigenschaften von Psychopharmaka sowie
- ihre Urteile im Vergleich zu anderen Therapien.
Urn die Besonderheiten in der Einstellung zu Psychopharmaka zu erfassen,
wurde eine Kontrollgruppe tiber eine vergleichbare Medikamentengruppe
(Herz-Kreislauf-Mittel) befragt.
Die Medienanalyse stellt fest, welche und wie viele Aussagen tiber Psycho
pharmaka in Zeitungen und Zeitschriften enthalten sind (Inhaltsanalyse) und
in welchem Stil sie dem Leser prasentiert werden (Rhetorikanalyse). Diese
Daten werden mit verschiedenen Verfahren aufbereitet, miteinander vernetzt
und aus der Sicht der verschiedenen Disziplinen interpretiert.
Eines der auffalligsten Ergebnisse der Meinungs- und Medienanalyse ist, daB
die Bevolkerung nur sehr unzulanglich tiber Psychopharmaka informiert ist:
Die Bezeichnungen, unterschiedlichen Verwendungs- und Wirkungsweisen der
Medikamente sind genauso ungelaufig wie Vorstellungen tiber die Art und das
Gewicht der Erkrankungen, die mit Psychopharmaka zu behandeln sind. Urn
diese Kluft zwischen der arztlichen und der laienhaften Sicht zu verdeutlichen,
sollen den kommunikationswissenschaftlichen Befunden einige medizinische
Informationen tiber das Thema Psychopharmaka vorangestellt werden.
Was sind Psychopharmaka?
Der Ausdruck Psychopharmakon ist seit langem bekannt. Reinhardius Lorchus
aus Hadamar (Hadamarius) gab Mitte des sechzehnten Jahrhunderts unter dem
Titel "Psychopharmakon hoc est: medicina animae" eine Sammlung von Trost
und Sterbegebeten heraus. Nach vielen inhaltlichen Wandlungen bezeichnet der
Begriff heute jene Substanzen, ftir die nach kurz- oder langfristiger Gabe zwei
felsfrei ein therapeutischer Effekt auf die Psyche nachweisbar ist. Aus dem Kreis
der vielen chemischen Mittel, die neben ihren Wirkungen auf den tibrigen Kor
per auch psychische Effekte hervorrufen, wird jedoch nur eine kleine Gruppe
definierter Wirksubstanzen zu den Psychopharmaka gerechnet. Schmerzmittel,
Narkosemittel oder Substanzen gegen Epilepsien und die Parkinsonsche
Erkrankung haben zwar auch psychotrope Wirkungen, gehoren aber nicht in
das engere Spektrum der Psychopharmaka. Auch Alkohol und Drogen haben
eine psychotrope Wirkung, werden aber nicht zur Behandlung psychischer
Erkrankungen angewandt (Benkert u. Hippius 1992).
Wie wirken Psychopharmaka?
Die Wirkungsweise von Psychopharmaka kann nicht mit einfachen, mechani
stischen Modellen erklart werden. Dies gilt nattirlich auch ftir die Erklarungs
modelle zur Genese seelischer Storungen. Das heiBt jedoch nicht, daB seelische
Krankheiten nicht auch naturwissenschaftlichen Gesetzen unterliegen. Psychi
sche Erkrankungen sind immer auch somatische Erkrankungen, wie z.B. ein
Bluthochdruck oder eine Zuckerkrankheit. Der Unterschied liegt darin, daB
besonders psychische Erkrankungen haufig durch auBere Faktoren, wie akute
StreBsituationen oder chronische psychische Belastungen, ausgelost und unter
halten werden konnen. Diese EinfluBgroBen setzen bei entsprechend disponier
ten Menschen einen biochemischen ProzeB in den Nervenzellen des Gehirns in
Gang, der zu psychischen Krankheiten flihren kann. Solche Storungen treten
Description:Psychopharmaka sind umstritten. Ärzte wissen, daß mit Psychopharmaka Medikamente zur Verfügung stehen, mit denen psychische Erkrankungen wirksam behandelt werden können. Zahlreiche Patienten, vor allem aber weite Kreise der Bevölkerung ohne eigene Erfahrungen mit Psychopharmaka, lehnen dagegen