Table Of ContentLeitfäden der angewandten Informatik
G. Bolch/M.-M. Vollath
Prozeßautomatisierung
Leitfäden der angewandten Informatik
Herausgegeben von
Prof. Dr. Hans-Jürgen Appelrath, Oldenburg
Prof. Dr. Lutz Richter, Zürich
Prof. Dr. Wolffried Stucky, Karlsruhe
Die Bände dieser Reihe sind allen Methoden und Ergebnissen der Infor
matik gewidmet, die für die praktische Anwendung von Bedeutung sind.
Besonderer Wert wird dabei auf die Darstellung dieser Methoden und Er
gebnisse in einer allgemein verständlichen, dennoch exakten und präzisen
Form gelegt. Die Reihe soll einerseits dem Fachmann eines anderen Ge
bietes, der sich mit Problemen der Datenverarbeitung beschäftigen muß,
selbst aber keine Fachinformatik-Ausbildung besitzt, das für seine Praxis
relevante Informatikwissen vermitteln; andererseits soll dem Informatiker,
der auf einem dieser Anwendungsgebiete tätig werden will, ein Überblick
über die Anwendungen der Informatikmethoden in diesem Gebiet gege
ben werden. Für Praktiker, wie Programmierer, Systemanalytiker, Organi
satoren und andere, stellen die Bände Hilfsmittel zur Lösung von Proble
men der täglichen Praxis bereit; darüber hinaus sind die Veröffentlichun
gen zur Weiterbildung gedacht.
Prozeßautomatisierung
Aufgabenstellung, Realisierung
und Anwendungsbeispiele
Von DrAng. Gunter Bolch
und Dipl.-Inform. Martina-Maria Vollath
Universität Erlangen-Nümberg
83
B. G. Teubner Stnttgart 1991
Dr.-Ing. Gunter Bolch
Geboren 1940 in Westhausen/Württ. Studium der Nachrichtentechnik an der TU Karls
ruhe und der TU Berlin. Ab 1967 wiss. Assistent am Institut für Regelungstechnik der
TU Karlsruhe, 1973 Promotion. Ab 1973 Akad. Rat und seit 1982 Akad. Direktor am
Lehrstuhl für Betriebssysteme an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nüm
berg. Lehr- und Forschungstätigkeit auf den Gebieten "Modellbildung und quantitative
Analyse von Rechensystemen" und "Prozeßautomatisierung". Zahlreiche Industrieko
operationen. Mitarbeit bei mehreren Multiprozessorprojekten. Von 1977 bis 1979 Gast
professur am Departmento de Informatica der Pontificia Universidade Cat6lica (PUC)
von Rio de Janeiro.
Dipl.-Inform. Martina-Maria Vollath
Geboren 1959 in Coburg/Bayem. Ausbildung zur Ingenieurassistentin bei der Firma
Siemens AG. Von 1981 bis 1985 dort tätig in den Bereichen Anwenderprogrammierung
und Automatisierungstechnik. Studium der Informatik mit Schwerpunkt Kommunika
tionssysteme an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nümberg. Dort seit 1989
wiss. Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Betriebssysteme auf den Gebieten der "Prozeßauto
matisierung" und "Modellbildung von Rechensystemen". Außerdem seit Januar 1989
Lehrtätigkeit im Weiterbildungszentrum der Firma Siemens AG im Bereich der PC-An
wendungen.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Bolch, Gunter:
Prozeßautomatisierung : AufgabensteIlung, Realisierung und
Anwendungsbeispiele / von Gunter Bolch und Martina-Maria
Vollath. - Stuttgart : Teubner, 1991
(Leitfaden der angewandten Informatik)
ISBN 978-3-519-02499-6 ISBN 978-3-322-92752-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-92752-1
NE: Vollath, Martina-Maria:
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb
der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und
strafbar. Das gilt besonders für Vervielfaltigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Ein
speicherung und Verarbeitung in j:lektJOilischen Systemen.
© B. G. Teubner Stuttgart 1991
Gesamtherstellung: Zechnersche Buchdruckerei GmbH, Speyer
Umschlaggestaltung: P.P.K,S-Konzepte Tabea Koch, Ostfildern/Stgt.
Vorwort
Obwohl die Prozeßautomatisierung in der Praxis ein ganz wesentliches Ein
satzgebiet für Rechner ist, wird sie im Lehrplan der Informatik noch etwas
stiefmütterlich behandelt. Das vorliegende Buch soll dazu beitragen, hier
Abhilfe zu schaffen und dem zukünftigen Informatiker ein Basiswissen im
Bereich der Prozeßautomatisierung für seine spätere Tätigkeit in der Indu
strie zu vermitteln.
Die Autoren wenden sich damit hauptsächlich an Informatikstudenten und
Fachleute, die bereits Vorkenntnisse in Informatik haben. Der Inhalt des Bu
ches soll sie mit den Aufgaben der Prozeßautomatisierung vertraut machen
und ihnen Kenntnisse darüber vermitteln, welche spezielle Peripherie bzw.
welche Hardwarestrukturen notwendig sind, welche speziellen Anforderun
gen an die Betriebssysteme (sog. Echtzeit betriebssysteme) gestellt werden
und welche speziellen Programmiersprachen es gibt.
Ziel ist es, die Studenten bzw. Leser, die später im Bereich der Prozeßau
tomatisierung tätig sind, auf ein Umfeld vorzubereiten, in dem sie Fach
gespräche nicht nur mit Informatikern, sondern auch mit Ingenieuren der
verschiedensten Fachrichtungen, Naturwissenschaftlern oder z.B. auch Me
dizinern zu führen haben. Es wird verdeutlicht, daß bei der Automatisierung
in den unterschiedlichsten Bereichen immer nach den gleichen Grundprinzi
pien vorgegangen wird: Daten werden aus dem zu automatisierenden Prozeß
erfaßt und im Rechner entsprechend der Aufgabenstellung verarbeitet. An
schließend wird, gemäß den Ergebnissen dieser Verarbeitung, in den Prozeß
über Stellglieder eingegriffen und/oder es werden die Ergebnisse der Verar
beitung zur Anzeige gebracht.
Grundlage für dieses Buch ist eine Vorlesung, die seit vielen Jahren an der
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-N ürnberg für Informatikstuden
ten angeboten, aber auch von Hörern anderer Fachrichtungen besucht wird.
Die Anregungen und die Kritik der Studenten wurden berücksichtigt und
sind in dieses Buch miteingeflossen.
6 Vorwort
An dieser Stelle sei allen gedankt, die zum Entstehen des Buches beigetragen
haben. Unterlagen für einzelne Kapitel haben uns freundlicherweise folgende
Herren überlassen: Dr. H. Dietsch, Dr. P. Eschenbacher, J. Gewalt, Dr. P.
Hollezcek und Dipl.-Ing. T. Bonkhofer von der Firma Bayer AG Leverkusen.
Der Abschnitt "Beispiele für Echtzeitbetriebssysteme" wurde unter Mitar
beit von Herrn Dipl.-Inf. F. Hauck verfaßt. Wir danken auch Herrn Dipl.-Ing.
G. Piesche und seinen Kollegen von der Firma Siemens, Bereich Automa
tisierungstechnik, die uns mit einem Beispiel und Informationen über das
Vorgehen in der Praxis gute Anregungen gaben.
Für die mühsame Arbeit des Korrekturlesens und konstruktive Kritik be
danken wir uns bei Herrn Dipl.-Inf. W .. Jarschel und Herrn Dipl.-Inf. S.
List.
Mit zum Gelingen des Buches beigetragen haben auch die hervorragenden
Arbeitsmöglichkeiten am Lehrstuhl für Betriebssysteme von Herrn Prof. Dr.
F. Hofmann, wofür wir uns an dieser Stelle besonders bedanken. In bewähr
ter Weise bewältigte Herr H. Heinze die notwendige Layoutarbeit und das
Zeichnen der zum Teil sehr umfangreichen Bilder. Er verwendete dafür '!EX,
Jj.TEX und METAFONT. Dabei bewies er sehr viel Einfühlungsvermögen und
Geduld. Ihm gilt daher unser besonderer Dank.
Ebenso bedanken wir uns bei Herrn Dr. P. Spuhler vom Teubner Verlag und
bei den Herausgebern der Reihe "Leitfäden der angewandten Informatik",
insbesondere bei Herrn Prof. Dr. L. Richter für wertvolle Hinweise und die
Aufnahme des Buches in das Verlagsprogramm.
Erlangen, im Dezember 1990 G. Bolch, M.-M. Vollath
Hinweis zum Lesen
*
Die mit einem versehenen Abschnitte sind nicht unbedingt zum Verständ
nis des Gesamttextes notwendig. Sie dienen der Vertiefung für entsprechend
interessierte Leser.
Inhalt
1 Einleitung 9
2 Automatisierung technischer Prozesse 13
2.1 Entwicklung der Prozeßautomatisierung . . . . . . . . 13
2.2 Klassifizierung und Identifikation technischer Prozesse 20
2.2.1 Definitionen................. 20
2.2.2 Klassifizierung technischer Prozesse .... 21
2.2.3* Mathematische Modelle (Prozeßmodelle) . 25
2.2.4 * Prozeßidentifikation ..... . 33
2.3 Aufgaben der Prozeßautomatisierung .. 47
2.3.1 Datenerfassung ......... . 47
2.3.2 Auswertung ("Datenreduktion") 55
2.3.3 Überwachung 59
2.3.4 Steuerung 68
2.3.5 Regelung .. 78
2.3.6 Führung ... 92
2.3.7 Optimierung 99
3 Rechensysteme in der Prozeßautomatisierung 112
3.1 Verschiedene Prozeßkopplungsarten . . . . . . . . . 112
3.1.1 Kein Prozeßrechnereinsatz . . . . . . . . . . 113
3.1.2 Indirekte Prozeßkopplung (off-line-Betrieb) 113
3.1.3 Dialogbetrieb (in-line-Betrieb) ....... 114
3.1.4 Direkte Prozeßkopplung (on-line-Betrieb) . 115
3.2 Betriebssicherheit und Zuverlässigkeitsanforderungen 117
3.2.1 Begriff der Verfügbarkeit. . . . . . . . . . . . 118
3.2.2 Verfügbarkeit in zusammengesetzten Systemen 120
3.2.3 Konfigurationen zur Erhöhung der Zuverlässigkeit 123
3.3 Struktureller Aufbau von Automatisierungssystemen .. , 126
3.3.1 Struktur konventioneller Automatisierungssysteme 126
3.3.2 Zentraler Prozeßrechner . . . . . . . . . . . . . .. 126
8 Inhalt
3.3.3 Rechnereinsatz mit redundanten Einzelgeräten ("Back-
up-Geräte") ..................... , 127
3.3.4 Doppelrechnersystem . . . . . . . . . . . . . . . ., 127
3.3.5 Verdopplung der Einzelwerke eines Rechensystems 130
3.3.6 Dreirechnersystem . . . . . . . . 130
3.3.7 Dezentrale Prozeßrechensysteme 131
3.4 Prozeßrechner-Hardware......... 136
3.4.1 Grundaufbau eines Rechners 138
3.4.2 Busse, die Verbindungswege im System 139
3.4.3 Prozeßeinheit........... 142
3.4.4 Programmunterbrechungssystem 144
3.4.5 Zeitgeber . . . . . . . . 144
3.5 Peripherie von Prozeßrechnern ..... 146
4 Software in Prozeßautomatisierungssystemen 151
4.1 Echtzeitbetriebssysteme . . . . . . . . . 154
4.1.1 Aufbau eines Betriebssystems . . 155
4.1.2 Aufgaben eines Betriebssystems. 156
4.1.3 Echtzeitbetrieb (Realzeitbetrieb) 163
4.1.4 Beispiele für Echtzeitbetriebssysteme . 164
4.2 Programmunterbrechungen .......... 177
4.3 Programmiersprachen für Prozeßrechner . . . 180
4.3.1 Anforderungen an Prozeßprogrammiersprachen 180
4.3.2 Arten von Prozeßprogrammiersprachen 181
4.4 Programmier beispiele 185
4.4.1 Beispiele in PEARL . . . . . . . 187
4.4.2 Beispiele in ADA . . . . . . . . . 192
4.4.3 Allgemeines zur Modularisierung 195
5 Ausblick 197
6 Glossar / Definitionen 199
Monographien, Bücher 204
Index 208
9
1 Einleitung
In vielen Bereichen der industriellen Fertigung aber auch in Labors und
Forschungsinstituten ist die Prozeßautomatisierung, d.h. der Einsatz von
Rechnern zur Datenerfassung, Datenauswertung, Überwachung, Steuerung,
Regelung, Führung und Optimierung in technischen Prozessen, von erheb
licher Bedeutung.
Technische Prozesse sind Vorgänge oder Abläufe in den unterschiedlich
sten Bereichen, wie z.B. Energieerzeugung, Stahlerzeugung, Fahrzeugbau,
Straßenverkehr, naturwissenschaftliche Experimente. In allen Fällen werden
dabei, mit Hilfe spezieller Meßwertgeber, Meßwerte (Daten) aus dem zu au
tomatisierenden Prozeß erfaßt und in einem Rechner gespeichert, d.h. im
Rechner wird ein sogenanntes Prozeßabbild geführt. Diese Daten werden an
schließend entsprechend der AufgabensteIlung verarbeitet. Daher wird auch
häufig der Begriff "Prozeßdatenverarbeitung" anstelle von Prozeßautomati
sierung verwendet. Die Ergebnisse einer solchen Verarbeitung werden entwe
der auf einem Drucker oder einem Monitor ausgegeben. Im Falle der Über
wachung werden sie, wenn notwendig, dem Bedienungspersonal als Warnsi
gnale gemeldet. Sie können auch dazu verwendet werden, um gezielt über
Stellglieder - also automatisch - oder durch Anweisungen an das Bedie
nungspersonal - also manuell - in den Prozeß einzugreifen.
Ein großer Teil der Aufgaben, die heute von Prozeßrechensystemen über
nommen werden, wurden früher von einzelnen Geräten ausgeführt, wie z.B.
Meßgeräte vor Ort, Blattschreiber , Fernschreiber, Grenzwertmelder , Abta
ster, elektronische Regler oder Relaissteuerungen. Diese Geräte wurden und
werden im Laufe der Zeit immer mehr von Rechnern und/oder Rechensyste
men entsprechend der zunehmenden Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit
ersetzt, was durch die Einführung von Mikrorechnern noch weiter beschleu
nigt wird. Die dadurch erzielten Lösungen werden preiswerter und flexibler.
Zudem wird so die Möglichkeit geschaffen, auch solche Prozeßabläufe durch
zuführen, die mit bisherigen Einzelgeräten technisch gar nicht möglich gewe
sen wären. Damit ergibt sich der Rahmen für dieses Buch: Für welche A uf-
10 1 Einleitung
gaben, mit welcher Struktur und welcher zusätzlichen Hard- und Software
werden Prozeßrechensysteme eingesetzt und wie sehen typische Anwendun
gen aus?
Begonnen wird im zweiten Kapitel mit einem geschichtlichen Abriß der Pro
zeßautomatisierung, ausgehend von Anlagen, die noch völlig ohne Automa
tisierung liefen, über Anlagen mit einem zentralen Prozeßrechner, bis hin zu
dezentralen, verteilten Strukturen mit einer Vielzahl einzelner Mikrorechner .
Es folgt im zweiten Abschnitt eine Klassifizierung technischer Prozesse nach
verschiedenen Gesichtspunkten und eine Beschreibung der Möglichkeiten zur
Modellierung technischer Prozesse, wobei mathematische Modelle eine be
sondere Rolle spielen. Ein Prozeß kann um so besser automatisiert werden, je
genauer man ihn kennt, d.h. je genauer man ihn modellieren kann. Wie man
sich für einen gegebenen technischen Prozeß das zugehörige mathematische
Modell beschafft, wird im Abschnitt Prozeßidentifikation beschrieben.
Den zentralen Teil des zweiten Kapitels und damit auch den wichtigsten
Teil des Buches bildet der Abschnitt Aufgaben der Prozeßautomatisierung,
in dem ausführlich beschrieben wird, wofür die Prozeßautomatisierung ange
wendet wird. Einfache Aufgaben, die aber aufgrund der Fülle von Informa
tionen ohne Rechner gar nicht mehr zu bewältigen wären, sind die Datener
fassung, die Datenreduktion und die Auswertung von Daten. Aufgaben wie
Überwachung, Steuerung und Regelung können durch die Verwendung von
Rechnern schneller, besser, flexibler, zuverlässiger und billiger ausgeführt
werden. Außerdem kann man dadurch die zu automatisierenden Anlagen
größer und komplexer auslegen. Übergeordnete Aufgaben sind die Führung
und die Optimierung technischer Prozesse. Bei der Führung greift der Rech
ner durch Vorgaben für die Steuerung und Regelung so in den Prozeß ein,
daß dieser in der gewünschten Weise abläuft. Bei der Optimierung geht man
noch einen Schritt weiter. Der Rechner beeinflußt den Prozeß derart, daß
dieser bezüglich eines oder mehrerer Kriterien, z.B. Kosten oder Energie,
optimal abläuft.
Das dritte Kapitel beschreibt die Durchführung der erläuterten Aufgaben
in der Prozeßautomatisierung mittels Rechner. Die Art der Aufgabe be
stimmt die Art und Weise der Kopplung zwischen Rechner und Prozeß.
Die verschiedenen Prozeßkopplungsarten werden in Abschn. 3.1 vorgestellt.
Der zweite Teil dieses Kapitels widmet sich den Zuverlässigkeits- und Sicher
heitsaspekten, die bei der Prozeßautomatisierung von besonderer Bedeutung