Table Of ContentHenning Börm
Prokop und die Perser
Untersuchungen zu den römisch-sasanidischen  
Kontakten in der ausgehenden Spätantike
Franz Steiner Verlag Stuttgart 2007
Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und 
Beihilfefonds Wissenschaft der VG WORT
Umschlagabbildung:
Barberini-Diptychon, mit freundlicher Genehmigung 
des Musée du Louvre (OA 9063)
Bibliografische Information der Deutschen National-
bibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese 
Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; 
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.
ISBN 978-3-515-09052-0
Jede Verwertung des Werkes außerhalb der Grenzen 
des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig und strafbar. 
Dies gilt insbesondere für Übersetzung, Nachdruck, 
Mikroverfilmung oder vergleichbare Verfahren sowie 
für die Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen. 
Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigen Papier. 
© 2007 Franz Steiner Verlag Stuttgart
Druck: Printservice Decker & Bokor, München
Printed in Germany
DANKSAGUNG......................................................................................................................................9
1. EINLEITUNG.....................................................................................................................................11
2. ÜBERBLICK ÜBER DIE WICHTIGSTE FORSCHUNGSLITERATUR........................................18
2.1 FORSCHUNGEN ZU PROKOP VON CAESAREA......................................................................18
2.2 FORSCHUNGEN ZUR SPÄTANTIKEN OSTRÖMISCHEN GESCHICHTE........................................22
2.3 FORSCHUNGEN ZUM NEUPERSISCHEN REICH DER SASANIDEN............................................27
3. PROKOP: UMWELT, LEBEN UND WERK....................................................................................30
3.1 DAS OSTRÖMISCHE REICH ZUR ZEIT JUSTINIANS...............................................................30
3.1.1 Die innenpolitische Lage..........................................................................................30
3.1.2 Die außenpolitische Lage..........................................................................................37
3.2 PROKOP: HERKUNFT UND LAUFBAHN...............................................................................45
3.3 PROKOPS WERKE UND IHRE ABFASSUNGSZEITEN..............................................................49
3.4 MÖGLICHE QUELLEN PROKOPS.........................................................................................52
3.5 WICHTIGE QUELLEN NEBEN PROKOP.................................................................................57
3.5.1 Römische und syrische Quellen................................................................................57
3.5.2 Armenische, persische und arabische Quellen...........................................................63
4. DAS PERSERBILD IN DER ANTIKEN HISTORIOGRAPHIE......................................................70
4.1 GRUNDPROBLEME DER ANTIKEN ETHNOGRAPHIE..............................................................70
4.1.1 Ethnographie als Erzählung......................................................................................70
4.1.2 Identitäten und Abgrenzung......................................................................................74
4.1.3 Interpretation und Analogie......................................................................................79
4.1.4 Topos und Realität...................................................................................................80
4.2 DIE ENTWICKLUNG DES GRIECHISCH-RÖMISCHEN PERSERBILDES: EIN ABRISS...................84
5. PROKOPS ANGABEN ZU PERSISCHEN REALIEN.....................................................................90
5.1 KÖNIGTUM......................................................................................................................92
5.1.1 Befugnisse und Beschränkungen...............................................................................92
5.1.1.1 Der König als Feldherr.......................................................................................93
5.1.1.2 König und Recht.................................................................................................97
5.1.1.3 Priesterliche Funktionen....................................................................................100
5.1.2 Titulatur, Insignien, Privilegien und Repräsentation.................................................102
5.1.3 Thronfolge..............................................................................................................111
5.1.4 Usurpation..............................................................................................................119
5.1.5 Zwischenbilanz: Prokop und das sasanidische Königtum.........................................124
5.2 ADEL..............................................................................................................................126
5.2.1 Funktionen, Insignien und Stellung zum König........................................................126
5.2.2 „Adelsrat“ und Revolten..........................................................................................135
5.3 ÄMTER, TITEL UND NAMEN.............................................................................................143
5.3.1 Ämter, Titel und Namen..........................................................................................143
5.3.2 Prokop und die persische Sprache............................................................................148
5.3.3 Diplomatie und Gesandtschaften..............................................................................151
5.4 MILITÄRWESEN...............................................................................................................158
5.4.1 Der Aufbau der persischen Streitkräfte.....................................................................159
5.4.2 Ausrüstung und Kampfweise...................................................................................163
5.4.3 Sasanidische Poliorketik..........................................................................................169
5.4.4 Deportationen..........................................................................................................171
5.5 RELIGION........................................................................................................................178
5.5.1 Götter und Rituale...................................................................................................178
5.5.1.1 Polytheismus......................................................................................................179
5.5.1.2 Sonnen- und Feuerkult.......................................................................................181
5.5.1.3 Bestattungsrituale..............................................................................................184
5.5.1.4 Polygamie und Inzest.........................................................................................187
5.5.2 Die Rolle der Magier...............................................................................................189
5.5.3 Das Verhältnis zu anderen Religionen und das Problem der „Staatskirche“...............193
5.5.4 Zwischenbilanz: Prokop und die persische Religion.................................................200
5.6 GEOGRAPHIE...................................................................................................................201
5.6.1 Orte und Landschaften.............................................................................................202
5.6.2 Benachbarte Völker.................................................................................................206
5.6.3 Persarmenien und der Kaukasus...............................................................................210
5.6.4 Die „Festung des Vergessens“.................................................................................216
5.6.5 Grenzen..................................................................................................................217
5.6.6 Prokop und die geographischen Verhältnisse im Perserreich.....................................220
5.7 GESCHICHTE...................................................................................................................222
5.7.1 Persische Geschichte vor 400 n. Chr........................................................................222
5.7.2 Persische Geschichte nach 400 n. Chr......................................................................226
5.7.3 Die Mazdakiten.......................................................................................................230
5.7.4 Ursachen und Anlässe der römisch-persischen Kriege..............................................233
5.7.5 Mögliche Hinweise auf die Reformen unter Kavad I. und Husrav I...........................239
5.7.6 Zwischenbilanz: Prokop und die persische Geschichte.............................................242
5.8 SYNTHESE: PERSISCHE REALIEN BEI PROKOP...................................................................243
6. DAS BILD DER PERSER BEI PROKOP........................................................................................247
6.1 DAS VOLK......................................................................................................................247
6.1.1 Negative Attribute...................................................................................................247
6.1.2 Positive Attribute....................................................................................................249
6.2 DIE KÖNIGE....................................................................................................................251
6.2.1 Negative Attribute...................................................................................................251
6.2.2 Positive Attribute....................................................................................................252
6.3 URSACHEN UND PRÄGENDE FAKTOREN DES PERSERBILDES...............................................253
6.3.1 Das literarische Moment: Tradition und Barbarentopik............................................254
6.3.2 Das praktische Moment: Verfügbarkeit und Qualität von Informationen...................257
6.3.3 Das ideologische Moment: „Romidee“ und Rivalität................................................260
6.3.4 Das innenpolitische Moment: „Kaiserkritik“............................................................262
6.3.5 Ein religiöses Moment? Christen und Zoroastrier.....................................................268
6.4 SYNTHESE: PROKOPS PERSERBILD...................................................................................273
7. DIE RÖMISCH-PERSISCHEN BEZIEHUNGEN IN DER AUSGEHENDEN SPÄTANTIKE.....276
7.1 HINWEISE AUF DIE EXISTENZ POSITIVER PERSERBILDER IN OSTROM..................................276
7.1.1 Agathias und das Exil der athenischen Neuplatoniker in Persien...............................277
7.1.2 König Peroz und der anonyme Dialog (cid:1)ε(cid:2)(cid:3) π(cid:4)λτκ(cid:6)(cid:7) (cid:8)πστ(cid:9)µ(cid:7).........................283
7.2 RÖMER UND PERSER: ZEUGNISSE FÜR KOEXISTENZ UND KOOPERATION............................289
7.2.1 Kulturkontakte zwischen Ostrom und dem sasanidischen Iran..................................291
7.2.2 Diplomatische Konfliktlösungen und Kooperation...................................................296
7.2.2.1 Spätantike Außenpolitik: Grundsätzliche Anmerkungen......................................297
7.2.2.2 Römisch-persische Koexistenz und Kooperation zwischen 363 und 540...............299
7.2.3 Yazdgird I. als Vormund des Kaisers und die geplante Adoption des Husrav............308
7.2.4 Konkurrierende Konzepte: „Falken“ und „Tauben“ in Ostrom und Persien...............318
7.3 SYNTHESE: OSTROM UND PERSIEN ZUR ZEIT JUSTINIANS..................................................326
8. FAZIT: PROKOP ALS QUELLE FÜR DAS SASANIDENREICH UND DAS RÖMISCH-
PERSISCHE VERHÄLTNIS UNTER JUSTINIAN......................................................................337
9. BIBLIOGRAPHIE............................................................................................................................341
9.1 QUELLEN........................................................................................................................341
9.1.1 Griechisch-römische Autoren..................................................................................341
9.1.2 Syrische und armenische Quellen............................................................................344
9.1.3 Persische und arabische Quellen..............................................................................344
9.2 FORSCHUNGSLITERATUR.................................................................................................346
REGISTER.............................................................................................................................................370
DANK
Bei der vorliegenden Untersuchung handelt es sich um eine leicht überarbeitete
Fassung meiner althistorischen Dissertation Perser und Persisches bei Prokop von
Caesarea, die im Wintersemester 2005/06 von der philosophischen Fakultät der
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel angenommen wurde.
Beim Verfassen eines wissenschaftlichen Erstlingswerkes ist man stets dankbar
für jedwede Art von Unterstützung; ich habe sie reichlich erfahren. An erster
Stelle gilt mein Dank dabei selbstverständlich dem Betreuer dieser Arbeit, Prof.
Dr. Josef WIESEHÖFER (Kiel), der mir während aller Phasen der Entstehung hilf-
reich zur Seite stand, der ein vorbildlicher „Doktorvater“ und stets ansprechbar
war, und der mich zudem vor manch einem vermeidbaren Fehler bewahrte. Nicht
zuletzt danke ich ihm auch für die Aufnahme der Studie in die Reihe Oriens et
Occidens. Herrn Prof. Dr. Peter WEISS (Kiel), an dessen Lehrstuhl ich seit 2004
beschäftigt bin, danke ich herzlich für die Übernahme des Zweitgutachtens sowie
für eine Reihe hilfreicher Anmerkungen. Mein Dank gebührt zudem auch Herrn
Prof. Dr. Thorsten BURKARD (Kiel) für die Erstellung des kurzfristig erforderlich
gewordenen dritten Gutachtens.
Während meiner Tätigkeit am Lehrstuhl von Prof. Dr. Johannes HAHN (Mün-
ster) im Jahr 2003/04 konnte ich auf die dortigen umfangreichen Ressourcen so-
wie insbesondere auf die gesammelte Fachkompetenz des dortigen Seminars für
Alte  Geschichte  zurückgreifen;  nicht  zuletzt  dafür  gilt  ihm  mein  aufrichtiger
Dank. Anregungen und Hinweise zu einzelnen Punkten verdanke ich daneben den
Professoren  Ulrich  GOTTER  (Konstanz),  Geoffrey  GREATREX  (Ottawa),  James
HOWARD-JOHNSTON (Oxford), Mischa MEIER (Tübingen) und Michael WHITBY
(Coventry), sowie nicht zuletzt auch Dr. Matthias HAAKE (Münster) und Dr. Jan
STENGER (Kiel).
Die Arbeit an der Dissertation wurde zeitweilig durch ein Promotionsstipen-
dium des Landes Schleswig-Holstein gefördert. Der Druck wurde freundlicher-
weise finanziert vom Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG Wort.
Gewidmet ist die Arbeit meinen Eltern.
Henning Börm
Kiel, im Frühjahr 2007
God cannot alter the past.
Though historians can.
SAMUEL BUTLER
1. EINLEITUNG
Seit den letzten Jahrzehnten der Republik sah sich Rom am Euphrat einer konkur-
rierenden Großmacht gegenüber – dem arsakidischen Partherreich, das die Römer
zwar nie militärisch unterwerfen konnten,1 das aber in der Regel selbst keine ag-
gressive Westpolitik verfolgte. In der ersten Hälfte des dritten Jahrhunderts än-
derte sich dies. Mit dem Neupersischen Reich der Sasaniden (224 bis 651) grenzte
das Imperium Romanum nun an ein Gemeinwesen, das zwar in vielerlei Hinsicht
an parthische Traditionen anknüpfte, sich insgesamt aber bald als außenpolitisch
agiler erwies, als es die Arsakiden gewesen waren. Mehr als vier Jahrhunderte
lang stellte das Sasanidenreich einen bedeutenden Machtfaktor dar, mit dem die
Römer2 stets zu rechnen hatten. Der Einfluß, den Ostrom und Iran3 aufeinander
ausübten, war dabei insbesondere auch in kultureller Hinsicht erheblich, so daß
sowohl der Aufbau und die Entwicklung des spätantiken Perserreiches als auch
die wechselvolle Geschichte der römisch-sasanidischen Beziehungen für die For-
schung von großem Interesse sind und in den letzten Jahren zunehmende Auf-
merksamkeit auf sich gezogen haben.
Im  Zentrum  dieser  Untersuchung  soll  eine  besonders  wichtige  römische
Quelle stehen: Bei Prokop von Caesarea (Kaisareia) sind nicht nur zahlreiche In-
formationen über Persien zu finden, er berichtet zudem als Zeitzeuge über eine
ausgesprochen bewegte Phase der spätrömischen Geschichte: über die Herrschaft
Justinians I. „des Großen“ (527 bis 565). Es gibt kaum einen Bereich, auf den die-
ser Kaiser nicht direkt oder indirekt eingewirkt hat. Dies gilt sowohl in geographi-
scher Hinsicht als auch in Hinblick auf die Gesellschafts- und Verwaltungsstruk-
tur, das Rechtswesen, die Religionspolitik und die Kunst, wobei die Zeit durch ein
Oszillieren zwischen restaurativen und zukunftsweisenden Maßnahmen gekenn-
zeichnet war. All diese Punkte werden notwendigerweise auch in der vorliegen-
den Studie eine Rolle spielen, doch liegt der Schwerpunkt dieser Untersuchung
auf einem Aspekt, der neben der justinianischen Westpolitik meist eher in den
Hintergrund tritt – eben den politischen wie kulturellen Beziehungen zwischen
Ostrom und dem Sasanidenreich, den beiden Großmächten der Spätantike.
1 Dies gilt auch für die teils erheblichen, aber letztlich ephemeren oder begrenzten Erfolge, die
Trajan, Lucius Verus und Septimius Severus erzielten.
2  Im weiteren Verlauf dieser Studie wird zumeist der Begriff „römisch“ Verwendung finden,
der auch in den Quellen dominiert; im Anschluß an Prokop wird hier zudem aber auch vom
„Oströmischen Reich“ (z. B. Prok. I,17,36; Prok. II,4,12) bzw. „Ostrom“ gesprochen werden.
Die Quellenverweise auf Prokop („Prok.“) beziehen sich auf die acht Bücher der „Kriegsge-
schichte“ (auch Historien oder Bella), sofern sie nicht anderweitig gekennzeichnet sind
(„Prok. Aed.“ und „Prok. An.“). Vgl. zu den einzelnen Werken auch Kapitel 3.3.
3  Die Bezeichnungen „Iran“ oder „(cid:1)r(cid:2)nšahr“, die eher die sasanidische Perspektive wiederge-
ben, erscheinen bei Prokop nicht. Dem vorherrschenden Sprachgebrauch der griechisch-
römischen Quellen wie eines Großteils der althistorischen Forschung folgend wird hier in
Hinblick auf das Sasanidenreich daher zumeist vereinfachend nur von „Persien“ oder dem
„Perserreich“ gesprochen werden.
12 1. Einleitung
Auf den folgenden Seiten sollen, ausgehend von der Sammlung und Bewer-
tung der bei Prokop gebotenen Aussagen über Persien und die Perser, drei Punkte
untersucht werden: Erstens der Umfang und die Qualität der Kenntnisse, die den
Römern (bzw. Prokop) zur Zeit Justinians in Hinblick auf das Sasanidenreich zur
Verfügung standen; zweitens die Einschätzung Persiens und der Perser, die sich
bei Prokop finden läßt, wobei in diesem Punkt die Faktoren bestimmt werden
sollen, die sein Perserbild prägten. Und schließlich soll, ausgehend vom Bericht
Prokops und anderer Quellen, das Verhältnis zwischen Römern und Sasaniden1
im fünften und sechsten Jahrhundert untersucht und die römische Persienpolitik
analysiert werden.
In die Zeit Justinians und Prokops fielen die Anfänge einer Entwicklung, die zu
immer erbitterteren, immer längeren Kriegen zwischen Ostrom und Persien führ-
te, deren geographischer Rahmen2 sich zunehmend ausweitete und die im Endef-
fekt dazu beitrugen, der arabischen Expansion den Weg zu ebnen. Doch zugleich
sah das sechste Jahrhundert auch die Vollendung des diplomatischen Instrumenta-
riums, dessen sich die beiden Mächte im gegenseitigen Umgang bedienten: Das
Verhältnis zu den östlichen Nachbarn war Teil des politischen Alltags geworden,
und das grundsätzliche römische Überlegenheitsgefühl verhinderte keineswegs,
daß die Diplomatie die Gleichrangigkeit der Sasaniden längst de facto anerkannte
und nicht selten auf Kooperation setzte.
Es ist anzunehmen, daß sich im Kontext der Analyse der Darstellung der Per-
ser bei Prokop Rückschlüsse auf das Wissen der Römer über  ihre persischen
Nachbarn sowie nicht zuletzt auf den Charakter der iranisch-römischen Beziehun-
gen in der Spätantike ziehen lassen. Zudem kann Prokops Zeugnis systematisch
als Quelle für das Sasanidenreich genutzt werden3 – die Überlieferung für das
Neupersische Reich ist zwar weitaus umfangreicher als noch für die Parther, doch
stellen alle Quellengruppen die Forschung vor jeweils eigene, erhebliche Proble-
me, so daß neben der „östlichen“ Überlieferung auch der Beitrag der römischen
1  Wie in der Forschung allgemein üblich, wird die Bezeichnung „Sasaniden“ hier je nach
Kontext auf zwei verschiedene Arten verwendet werden: In einem weiteren Sinne meint sie
die Bewohner des spätantiken Perserreiches (vgl. auch Kapitel 4.1.2), im engeren Sinne nur
die Angehörigen der Königsfamilie.
2  Bereits Theodor Mommsen charakterisierte die Beziehungen zwischen Rom und Iran als
„eine nur durch Waffenstillstände unterbrochene ewige Fehde um das linke Ufer des Eu-
phrat“ (Mommsen 1904, S. 358). Und in der Tat konzentrierten sich die Kämpfe schon in
parthischer Zeit weitgehend auf Armenien bzw. Transkaukasien und Mesopotamien. Allen
etwaigen weitergehenden Forderungen von arsakidischer und sasanidischer Seite zum Trotz
scheinen die Perser die römische Herrschaft in Syrien und Kleinasien in der Regel de facto
akzeptiert zu haben. Husrav I. war nach langer Zeit der erste Großkönig, der seine militäri-
schen Operationen nicht auf die unmittelbare Grenzregion beschränkte, sondern 540 Syrien
angriff (vgl. Börm 2006). Aber erst sein Enkel Husrav II. begnügte sich dann seit etwa 610
nicht mehr mit Plünderungszügen, sondern strebte eine dauerhafte Eroberung Ägyptens, Sy-
riens und wohl auch Kleinasiens an.
3  In bezug auf die Geschichte und innere Struktur des Neupersischen Reiches wird dabei aller-
dings in der Regel weniger mit neuen Erkenntnissen als eher mit weiteren Belegen für bereits
Bekanntes zu rechnen sein. Zur schwierigen Quellenlage in Hinblick auf das Sasanidenreich
vgl. auch die Kapitel 3.5.1 und 3.5.2 dieser Arbeit.
1. Einleitung 13
Zeugnisse von größter Bedeutung ist. In diesem Zusammenhang ist auffällig, daß
auch Prokop selbst den Ereignissen im Orient1 besondere Beachtung schenkt:
Zwar umfaßt seine Darstellung der Gotenkriege ein Buch mehr als die der Perser-
kriege. Doch es ist der Osten, mit dem Prokops Historien beginnen, und es sind
die Bücher über die Perserkriege, in denen sich die zentralen Exkurse über den
Nika-Aufstand ((cid:11) Ν(cid:12)κ(cid:13) στ(cid:14)σ(cid:7)) von 532 und die „Justinianische Pest“ finden;
und auch in den „Bauwerken“ widmet sich Prokop gleich nach der einleitenden
Beschreibung Konstantinopels der persisch-römischen Grenzregion.
Dabei ist allerdings zu beachten, daß gerade Prokop als eine ebenso unver-
zichtbare wie problematische Quelle zu gelten hat. Da er für viele Ereignisse –
nicht nur in bezug auf das Sasanidenreich – unser einziger Zeuge ist, ist jeder
Beitrag zum Verständnis seines Werkes, seiner Intentionen und Arbeitsweisen
auch für die Erforschung der Jahre zwischen 400 und 550 von großer Bedeutung.
Gerade Prokops ethnographische Aussagen sind dabei von diversen Faktoren ab-
hängig; neben den Informationen, die ihm jeweils zur Verfügung standen, spielen
auch seine Auswahl, Anordnung und Interpretation des Materials eine zentrale
Rolle. So steht hier die Frage danach im Mittelpunkt, welche Informationen die
althistorische Forschung zulässigerweise aus seinem Bericht gewinnen kann – und
welche nicht: Der Umfang, in dem in der Forschung Quellenkritik geübt wird,
schwankt gerade in Prokops Fall ganz erheblich. Während vor allem (aber nicht
nur) die ältere Forschung oft geradezu eine Nacherzählung seines Berichtes bietet,
vertreten andere Gelehrte ein entgegengesetztes Extrem, indem sie insbesondere
seine ethnographischen Angaben sowie die Darstellung von Ereignissen, bei de-
nen Prokop nicht Augen- oder zumindest Zeitzeuge war, für mehr oder weniger
wertlos erachten: Teils gilt er als ein ebenso virtuoser wie unzuverlässiger Erzäh-
ler. Und in der Tat muß gerade die Auswertung seines Berichts über Persien als
heikles Unterfangen gelten, da hier die unterschiedlichsten Faktoren Prokops Dar-
stellung beeinflussen. Bei dem Versuch, die ethnographischen Angaben über die
Perser unter Berücksichtigung des jeweiligen Kontextes und der Parallelüberliefe-
rung auszuwerten, wird es daher darauf ankommen, einen gangbaren Mittelweg
zwischen einem Übermaß an Vertrauen und übertriebener Skepsis zu finden.
Die vorliegende Untersuchung bewegt sich somit thematisch im Schnittpunkt
dreier Forschungsfelder und muß sich der Aufgabe stellen, allen drei Bereichen
zumindest grundsätzlich gerecht zu werden: Seit etwa 30 Jahren befassen sich
Althistoriker verstärkt mit der Spätantike, so daß es heute kaum mehr möglich ist,
1 Die Dichotomie Orient – Okzident ist nicht unproblematisch, da sie letztlich eine willkürliche
Grenze zieht und zudem leicht unausgesprochene Wertungen impliziert (vgl. zum Problem
des „Orientalismus“ auch Hauser 2001). Die vorliegende Untersuchung wird sich aber nicht
zuletzt aus Gründen der Konvention und aufgrund der Beobachtung, daß auch Griechen und
Römer dazu neigten, die „östlichen Barbaren“ ähnlich wie die Germanen als eine große
Gruppe mit (vermeintlich) gemeinsamen Merkmalen zu betrachten (vgl. Kapitel vier), den-
noch mitunter dieser Terminologie bedienen. Dabei soll unter „Orient“ zumeist das Gebiet
östlich der römischen Reichsgrenze verstanden werden, vereinzelt aber auch (kontextabhän-
gig) der „römische Orient“ mit Ägypten und Syrien. Der Begriff ist also recht unscharf, wie
sich nicht zuletzt in Hinblick auf die „Kultur“ erweist: Zählt etwa Armenien zum Orient?
Und wie steht es mit dem römischen Nordmesopotamien mit seinen teils uralten Städten?
14 1. Einleitung
die wissenschaftliche Literatur zu den Jahrhunderten zwischen Diokletian und
Mohammed1 zu überschauen. Gerade Justinian und sein Versuch, die kaiserliche
Herrschaft auch faktisch wieder im Westen des Mittelmeerraumes zu etablieren,
haben dabei die besondere Aufmerksamkeit vieler Gelehrter auf sich gezogen.
Zum sechsten Jahrhundert müssen daneben auch byzantinistische und (allerdings
vornehmlich für die germanischen Reiche) mediävistische Arbeiten berücksichtigt
werden, wodurch die Forschungslage noch unübersichtlicher wird.
Neben den Arbeiten zur oströmischen Geschichte des fünften und sechsten
Jahrhunderts müssen hier ferner natürlich jene zu Prokop herangezogen werden;
dieses Feld ist zwar kleiner, doch wurde nicht zuletzt seit der bahnbrechenden
Prokop-Monographie von Averil Cameron aus dem Jahr 19852 eine ganze Reihe
an großen und kleineren Beiträgen zu diesem Autor veröffentlicht, wobei hier ne-
ben Althistorikern und Byzantinisten auch Altphilologen hervorgetreten sind. Al-
lein 2004 erschienen drei Monographien, die sich ausschließlich oder in wesentli-
chen Teilen mit Prokop befassen.3
Und schließlich tritt als drittes Feld die Sasanidenforschung hinzu, die in den
vergangenen 20 Jahren spürbar intensiviert worden ist und an der neben Althisto-
rikern natürlich insbesondere Iranisten beteiligt sind, zu deren Verdiensten nicht
zuletzt auch die Bereitstellung wissenschaftlicher Editionen und Übersetzungen
der östlichen Quellen zu zählen ist. Während dabei die Kontakte zwischen dem
spätantiken Imperium und dem Perserreich unbestritten in den Bereich des Faches
Alte Geschichte gehören, ist die Zahl der althistorischen Studien, die sich speziell
mit sasanidischen Interna befassen, nach wie vor hingegen vergleichsweise ge-
ring.4 Einige der wichtigsten Arbeiten zu allen drei hier relevanten Bereichen –
Prokop, das Oströmische Reich und die Sasaniden – sollen in einem eigenen Ka-
pitel in aller Kürze diskutiert werden.
Das Ziel der vorliegenden Studie wird es letztlich sein, Prokops Bericht über
Persien und die Perser in den historischen Kontext einzuordnen. Seine Darstellung
1  Dies ist selbstverständlich nicht der Ort für eine Diskussion über Epochengrenzen. Im
deutschsprachigen Raum versteht man unter der Spätantike in aller Regel den Zeitraum zwi-
schen 284 und 565 (vgl. u. a. Martin 1995; Demandt 1998; Brandt 2001; Krause 2006). Auch
Heinz Bellen läßt die Epoche mit Justinian enden (Bellen 2003); und in der Tat erscheint et-
wa für Italien 565/568 neben 476/480 (König 2007) als ein markanter Einschnitt. Für den
Osten ist es wohl richtiger, die Antike mit dem weitgehenden äußeren und inneren Zusam-
menbruch des Imperiums nach 600 enden zu lassen (so z. B. Foss 1975; Cameron 1993; Mit-
chell 2006). Vereinzelt wird die Zäsur dabei nicht erst bei Herakleios, sondern bereits bei
Phokas gesetzt (Jones 1964 [602]; Lilie 2003, S. 75f. [610]); zumindest im Vorderen Orient
stellt die arabische Expansion ab 632/636 aber wohl den entscheidenden Einschnitt dar. Zum
Problem der Epochengrenzen vgl. Maier 1968, S. 10–20, und Clover/Humphreys 1989.
2 Cameron 1985.
3  Brodka 2004; Kaldellis 2004; Kalli 2004. Kallis Arbeit über die mittelalterliche Überliefe-
rungsgeschichte des „Gotenkrieges“ ist für die vorliegende Untersuchung allerdings ohne
größere Relevanz.
4  Gerade die angelsächsische Forschung zählt eher als die deutschsprachige auch das Neuper-
sische Reich zum Gegenstand der Althistorie: Der geographische Rahmen der Late Antiquity
sei „the vast geographical space covered by the Roman and the Sasanian Empires“ (Bower-
sock/Brown/Grabar 1999, S. x). Zum Problem der althistorischen Sasanidenforschung vgl.
zuletzt den ausgezeichneten Überblick bei Walker 2002, S. 47–56.