Table Of ContentPeter Heintel/ Ewald E. Krainz
Projektmanagement
Peter Heintel I Ewald E. Krainz
PROJEKTMANAGEMENT
Eine Antwort auf die Hierarchiekrise?
2. Auflage
GABLER
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Heintel, Peter:
Projektmanagement: eine Antwort auf die Hierarchiekrise? /
Peter Heintel; Ewald E. Krainz. - 2. Auf!. - Wiesbaden:
Gabler 1990
NE: Krainz, Ewald E.:
ISBN-13: 978-3-409-23201-2 e-ISBN-13: 978-3-322-87497-9
001: 10.1007/978-3-322-87497-9
1. Auf!age 1988
2. Auf!age 1990
Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen der Verlagsgruppe Bertelsmann International.
© Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler GmbH, Wiesbaden 1990
Lektorat: Ulrike M. Vetter
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1990
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setzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Ver
arbeitung in elektronischen Systemen.
Satz: Satzstudio RESchulz, Dreieich-Buchschlag
Umschlaggestaltung: Schrimpf und Partner, Wiesbaden
ISBN-13: 978-3-409-23201-2
Vorwort
Seit vielen J ahren arbeiten wir als Trainer bei inner-und uberbetriebli
chen Schulungen und als Berater bei Organisationsentwicklungsvor
haben. Als Sozialwissenschaftler sind wir aber auch in die Pflicht ge
nommen, Probleme vielleicht ein wenig grundsatzlicher zu durchden
ken, als dies in der Praxis ublich ist.
Aus Schulungen wie aus Beratungsprojekten in unterschiedlichen Or
ganisationstypen und mit unterschiedlichen Personengruppen ist uns
das Bedurfnis nach Techniken und Fertigkeiten fUr den Umgang mit
Problemen aller Art gelaufig. Und in der Tat: Was liegt naher als die
Frage "Was tun?", wenn man meint, ein Problem erkannt zu haben?
Die Frage wird oft zu ungeduldig gestellt und oft zu schnell beantwor
tet. Da alles, was in Organisationen geschieht, Menschen betrifft und
sich Menschen nur begrenzt wie Maschinenteile behandeln lassen, fuh
ren sozialtechnische Anweisungen, Plane, Verlaufsdiagramme oft
nicht zu den erwunschten Ergebnissen. Ausschliel3lich Anweisungen
zu folgen ware nur eine weitere Facette des hierarchischen Systems.
Gerade dieses steht aber beim Projektmanagement zur Disposition.
Oft ist es, wenn in Organisationen etwas bewegt werden soli, mehr eine
Frage von Haltung als eine Frage der Technik.
Wir haben vielfach die Erfahrung gemacht, daB Fuhrungskrafte zu
nehmend an den historischen und gesellschaftlichen Hintergrunden ih
rer Tatigkeit interessiert sind; das Theorie- und Einsichtsbedurfnis
wachst proportional mit der Abnahme von Sicherheit beim Planen,
Entscheiden und Steuern angesichts starker werdender Verflechtun
gen, enger werdender Markte und insgesamt zunehmender Komplexi
tat.
Nattirlich spuren Fuhrungskrafte die Defizite des hierarchischen Sy
stems, kennen aber auch die Widerstande, die sich Initiativen, mit der
Absicht etwas zu verandern, entgegenstellen. Auf allen Ebenen wird
man mit Widerspruchen konfrontiert. Wer sich aufmacht, dies im
v
Rahmen von Projektmanagement zu untersuchen, wird bemerken,
dal3 Projektmanagement keine neue management-by-Technik ist, son
dern ein weitaus "radikaleres" Unterfangen, das Hierarchie tiberwin
det, ohne sie "sozialromantisch" abschaffen zu wollen.
Projektmanagement zielt auf die Entwicklung von "Organisations be
wul3tsein", lebt in der Differenz zwischen gewachsener Hierarchie und
der Uberwindung der durch sie verursachten Krisen. Projektmanage
ment mul3 fUr jede Organisation mal3geschneidert und im Sinne der
Vertraglichkeit angepal3t werden - ein weiteres Hemmnis fUr tech
nisch generalisierendes Herangehen.
In dies em Buch wollen wir dem verbreiteten Bedtirfnis Rechnung tra
gen, mehr tiber die Hintergrtinde der Problemlage zu erfahren. Wir ge
hen in drei Schritten vor. Zunachst behandeln wir die Krise der Hier
archie und diskutieren Moglichkeiten und Orenzen von Projektma
nagement; im zweiten Abschnitt untersuchen wir die Leistungsfiihig
keit von Projektgruppen und ihre Bedingungen; im dritten Teil wird
beschrieben, was im Anwendungsfall auf ein Unternehmen zukommt.
Hier lassen wir Kollegen mit Fallbeispielen zu Wort kommen.
Traugott Lindner, Oerhard Schwarz und Norbert Fett danken wir fUr
Hinweise zur Umarbeitung des Manuskripts ftir die Drucklegung; vie
le Anregungen verdanken wir auch den Kolleginnen und Kollegen von
der Osterreichischen Oesellschaft fUr Oruppendynamik und Organisa
tionsberatung (0000), die einen wesentlichen Teil unserer intellek
tuellen Umgebung ausmachen und einen brain trust bilden, dem wir
uns verbunden fUhlen.
Erfreut vom grol3en Interesse an unserem Buch stellen wir die zweite,
geringfUgig veranderte Auflage vor.
Klagenfurt, im Juli 1990 Peter Heintel
Ewald E. Krainz
VI
Inhalt
Einleitung ........................................... .
Teil I: Projektmanagement - warum und wie ..... 7
1. Grtinde fUr Projektmanagement - die Hierarchiekrise . . . . 9
Der notwendige Bewu13tseinssehub und die Systemabwehr 9
Projektmanagement verhilft zu hbherer Organisations-
bewu13theit ........................................... 12
Entseheidungsprobleme in der Hierarehie - der RUekgriff
auf Gruppen .......................................... 14
Faehliehe Kompetenz und hierarehisehe Position sind zweierlei 17
Formale Regelungen Ibsen das Problem nieht . . . . . . . . . . . . . . 19
Projektmanagement als Alternatiye ...................... 21
2. Einwande gegen Projektmanagement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Die formale Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
Die organisatorisehe Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
Die Kompetenzebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
EinfUhrungsprobleme .................................. 31
3. Anwendungsbereiche von Projektmanagement . . . . . . . . . . . 34
Die Organisation als Motiy fUr Projektmanagement . . . . . . . . 34
Innoyationen als Motiy fUr Projektmanagement . . . . . . . . . . . . 36
Spezie\le Aufgaben als Motiy fUr Projektmanagement . . . . . . . 37
4. Arten von Projektmanagement ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
IdentiUit: Das untergeordnete Projektmanagement ......... 43
Differenz: Das abgespaltene Projektmanagement . . . . . . . . . . . 47
Integration: Widerspruehsmanagement an den "Matrixknoten" 51
5. Konsequenzen fUr das Organisieren von Projektmanagement 57
VII
Teil II: Sozial-und Organisationsdynamik im Projekt
management................................. 63
1. Zum systematischen Widerspruch von Gruppe
und Organisation ................................... 69
Menschheits- und individualgeschichtliche Bedingungen . . . . . 70
Emotionale und sozialstrukturelle Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72
Unser historischer Standort ............................. 75
2. Das Element Projektgruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Die Projektgruppe und die Organisation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
Erscheinungsformen von Projektgruppen . . . . . . . . . . . . . . . . 80
Emotionale und sozialstrukturelle Probleme von Projekt-
gruppen ............................................ 83
Die Projektgruppe als Motivationsmittel .................. 86
Hierarchie motiviert nicht wirklich ................. . . . . 87
Was wirklich motiviert, ist die Gruppe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90
Die Bedeutung von Projektgruppen fUr Entscheidungen
und Fuhrungsaufgaben .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92
Defizite hierarchischer Entscheidungsprozesse . . . . . . . . . . . . 92
Konsequenzen fur Fuhrungskrafte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96
Grundsatzliches zur Sozialpsychologie der Gruppe . . . . . . . . . . 98
Der Einsatz von Gruppen im Projektmanagement .... . . .. 101
Wichtige Gruppenphanomene im Projektmanagement . . . . . .. 104
Gruppen als Entscheidungsorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 108
Zur Entscheidungsfahigkeit von Gruppen . . . . . . . . . . . . . . .. 108
Verschiedene Entscheidungsarten - qualitative Unterschiede 110
Konsensentscheidungen ............................... 113
Vor- und Nachteile von Gruppenentscheidungen 116
Vlll
3. Intergruppenprozesse im besonderen und allgemeinen . . . .. 122
Projektmanagement, informelle Gruppen und Gewerkschaft. 122
Prozesse zwischen Gruppen und das Delegationsproblem . . . . 133
Systemreflexion im Projektmanagement .................. 141
Teil III: Schulung, Beratung und Kostenfragen 149
1. Notwendige Kompetenzen fUr Projektmanagement ....... 151
2. Beratung von und im Projektmanagement - Fallbeispiele. 164
Theoretische Vorbemerkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164
Einftihrung zu den Fallbeispielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 170
Systemische Beratung in einem Grol3projekt
(Alfred Janes / Herbert Schober) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174
Neue Technologie - alte Organisation (Alfred Janes) . . . . . .. 200
Konfliktintervention (Bernhard Pesendorfer) .............. 212
Strategisches Personal management - ein internes
Entwicklungsprojekt (Barbara Heitger / Gerardo Drossos) . .. 218
Das "REORG"-Projekt (Alfred Wimmer) .. . . . . . . . . . . . . . .. 229
3. Zur Wirtschaftlichkeil von Projektmanagemenl . . . . . . . . .. 234
Die Frage nach den Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 234
Direktnutzen .......................................... 237
Umwegrentabilitat ..................................... 239
Gesamtwirtschaftlichkeit ............................... 242
Anmerkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 246
Stichwortverzeichnis ................................... 249
IX
Einleitung
Es gibt einige Bucher uber Projektmanagement, in denen man klare
Definitionen, Abgrenzungen, RatschHige, Hinweise auf Gefahren,
DurchfUhrungsplane und dergleichen findet. Ohne den Wert solcher
Bemuhungen schmalern zu wollen - die theoretische Klarheit, Glatte
und Ordnung in der Modellbildung ist eines, die Wirklichkeit in den
Organisationen in Politik, Wirtschaft, offentlicher Verwaltung und
Forschung ein anderes. Wirklichkeit lal3t sich nicht zwingen; sie ver
halt sich immer wieder ungeplant und stdrt die besten aus- und vorge
dachten Plane, Konzepte und Modelle. Unsere Absicht in diesem Buch
ist nun nicht, Definitionen zu verbessern oder Rezepte zu perfektionie
ren, wir setzen vielmehr gerade bei der Differenz zwischen theoreti
scher Einsicht und praktischer Wirklichkeit an, womit wir uns von ei
ner Reihe von Veroffentlichungen auf ahnlichem Gebiet unterschei
den. Nicht, dal3 nicht Regeln uber Planungen, Entscheidungen und
Ablaufe sinnvoll waren; es ware aber technokratisch kurzschlussig, sie
vorweg festzusetzen. Das "Storpotential" der Organisationswirklich
keit, das heil3t der emotionalen und sozial-strukturellen Umgebung ei
nes Projekts, lal3t sich nicht durch Ablaufplane eliminieren.
Unser Zugang zum Thema macht auch eine formale Begriffsdefinition
unmoglich; sie ware eher hinderlich als eine Hilfe. Den Zweck, in unsi
cherem Terrain Sicherheit fUr Denken und Handeln zu schaffen,
konnte sie nicht wirklich erfUllen. Der stringenten EinfUhrung von
Projektmanagement eben falls hinderlich ist ein mittlerweile inflatio
narer Projektbegriff, der unterschiedslos alles mogliche als Projekt
bezeichnet, das nur irgendwie aus dem Alltagskram herausragt. Fur
Sinnvolles wie Unsinniges Projekte einzusetzen, macht Projektma
nagement diffus, praktisch wertlos, wenn es nicht sogar dadurch diffa
miert wird.
Das Problem ist keines der Terminologie, sondern der organisatori
schen Praxis. Obereinstimmung besteht weitgehend darin, dal3 Pro
jektmanagement dort als Organisations form verwendet werden soli,
wo die alltaglichen Anforderungen entsprechende Organisation vor
zusatzliehe Probleme gestellt ist. Automatiseh wird es damit zu einem
Instrument, das seine Existenz der Sehwerfalligkeit oder Untatigkeit
bestehender Organisation verdankt. 1m Projektmanagement wird da
her dem jeweiligen Unternehmen, zumal wenn Projekte gut laufen,
standig des sen partielles Defizit vor Augen geftihrt. Dieser Umstand ist
so konflikttraehtig, dal3 Projektmanagement niemals als blol3 zusatzli
ehes Instrument aufgefal3t werden kann, das sieh harmoniseh einord
nen liel3e. Es geht vielmehr urn einen bewul3twerdenden System- und
Organisationswiderspruch: Projektmanagement deekt die Sehwaehen
unserer bestehenden hierarehisehen und biirokratiseh-funktionalen
Arbeitsorganisation auf.
Unsere auf Funktionsspezialisierung, Aufgabenteilung, Kompetenz
abgrenzungen und Einzelentseheidungen beruhende hierarehisehe Or
ganisationsform ist komplexen Aufgabenstellungen und Entsehei
dungsmaterien nieht gewaehsen. Sie kampft standig und aussiehtslos
gegen den "Verlust des Ganzen". Wenn in Projekten Personen aus ver
sehiedenen Abteilungen, quer dureh die Hierarehie und aus verse hie
den en Faehdisziplinen zusammengezogen werden, dann fiihrt dies der
Idee naeh wohl zu einer komplexitatsangemessenen Synthetisierung,
zugleieh aber wird organisatoriseh ein Widersprueh zur Hierarehie
etabliert. Projektmanagement ist daher das Management dieses Wi
derspruehs; es ist sowohl Indiz wie aueh Bewaltigungsform einer uni
versellen Krise unserer bisher entwiekelten hierarehisehen Arbeits
und ProblemlOsungsorganisation. Arbeitsteilung hat die Mensehen
auseinandergefiihrt, Projektmanagement mul3 sie problembezogen
wieder integrieren.
An die glatte instrumentelle Integrierbarkeit von Projektmanagement
zu glauben ware illusionar. Management von Projekten bedeutet nieht
nur, den immanent en Ablaufvon Projekten zu fiihren, zu steuern und
zu kontrollieren, sondern und vor allem die Handhabung des mit der
Einriehtung von Projektmanagement etablierten Widerspruehs, das
flexible Eingehen auf Umgebungsdeterminanten. Jede Organisation,
jedes Unternehmen hat seine spezifisehe individuelle Eigenart, ist ein
spezifisehes, emotional-sozialstrukturelles Gefiige; ebenso ist jedes
Projekt einzigartig. Dureh Verfahrensregelungen, Modelle, Ablauf-
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