Table Of ContentSigrid Baringhorst · Uwe Hunger · Karen Schönwälder (Hrsg.)
Politische Steuerung von Integrationsprozessen
Sigrid Baringhorst · Uwe Hunger
Karen Schönwälder (Hrsg.)
Politische Steuerung von
Integrationsprozessen
Intentionen und Wirkungen
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1.Auflage September 2006
Alle Rechte vorbehalten
©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2006
Lektorat:Monika Mülhausen /Tanja Köhler
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN-10 3-531-15173-8
ISBN-13 978-3-531-15173-1
Inhalt
I. Konzeptionen und Intentionen von Integrationspolitik
Sigrid Baringhorst, Uwe Hunger, Karen Schönwälder
Staat und Integration: Forschungsperspektiven zur politischen
Intervention in Integrationsprozesse von MigrantInnen ............................. 9
Axel Schulte
Integrationspolitik – ein Beitrag zu mehr Freiheit und Gleichheit
in der Einwanderungsgesellschaft? ........................................................... 27
II. Integrationspolitik im internationalen Vergleich
Ines Michalowski
Integrationsprogramme in Europa: Konzeption, Effektivität und
wohlfahrtsstaatliches Kalkül ..................................................................... 61
Triadafilos Triadafilopoulos
A Model for Europe? An Appraisal of Canadian Integration Policies...... 79
Petra Bendel
Migrations- und Integrationspolitik der Europäischen Union:
Widersprüchliche Trends und ihre Hintergründe ..................................... 95
Axel Kreienbrink
Vom Grundsatz der Gleichbehandlung? Die Politik des spanischen
Staates hinsichtlich der ‚sozialen Integration’ von Einwanderern .......... 121
Claudia Finotelli
Zwischen humanitärem Handeln und wirtschaftlicher Legitimation.
Der Umgang mit ‚ungewollten Zuwanderern’ in Deutschland
und Italien ................................................................................................ 145
6 Inhalt
III. Integrationspolitik in deutschen Bundesländern und Kommunen:
Beispiele aus der Praxis
Thomas Kunz
Integrationskurse auf kommunaler und auf Bundesebene:
Eine kritische Auseinandersetzung mit einem neuen
Steuerungsinstrument am Beispiel der Stadt Frankfurt am Main ........... 175
Frank Gesemann
Grundlinien und aktuelle Herausforderungen der Berliner
Integrationspolitik ................................................................................... 195
Wolfgang Bautz
Die Integration von Zuwandernden in strukturschwachen
Regionen Brandenburgs .......................................................................... 215
Verzeichnis der Autorinnen und Autoren ....................................................... 228
I. Konzeptionen und Intentionen von Integrationspolitik
Staat und Integration: Forschungsperspektiven zur politischen
Intervention in Integrationsprozesse von MigrantInnen
Sigrid Baringhorst, Uwe Hunger, Karen Schönwälder
Die „Zuwanderung ist gar nicht mehr unser Problem; unser Problem ist die Inte-
gration“: Mit dieser Einschätzung reklamierte der Innenminister und CDU-Poli-
tiker Schäuble im Mai 2006 eine Schwerpunktverschiebung in der deutschen
Migrations- und Integrationspolitik. Integration ist en vogue: Viel energischer
als bislang, so ein breiter gesellschaftlicher Konsens, muss durch staatlich geför-
derte und gelenkte Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass Einwanderer und
ihre Nachkommen Teil der aufnehmenden Gesellschaft werden. „Wahrschein-
lich war der entscheidende Fehler“, so Innenminister Schäuble, „dass man ge-
dacht hat, Integration geschehe von allein“ (2006: 37).
Nicht nur in Deutschland, sondern in etlichen europäischen Staaten wurde
in den letzten Jahren eine neue Integrationspolitik proklamiert. Beansprucht
wird, durch neue Instrumente, erweiterte Ressourcen und eine effektivere Orga-
nisation öffentlicher Maßnahmen die als unbefriedigend eingeschätzte Integra-
tion wichtiger Migrantengruppen voran zu treiben. Sind aber derartig hochge-
steckte Erwartungen berechtigt? Was genau wird unter dem Leitbegriff der „In-
tegration“ angestrebt? Und wie interagieren die hier gebündelten Maßnahmen
unter Umständen mit migrationspolitischen, arbeitsmarktpolitischen und ande-
ren sozialpolitischen Interventionen?
Das neue Interesse an einer aktiven und wirksamen Integrationspolitik und
die hiermit verknüpften Herausforderungen an die Sozialwissenschaften waren
Gründe dafür, im Oktober 2004 eine Tagung des Arbeitskreises Migrationspoli-
tik in der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW) den In-
tentionen und Wirkungen politischer Steuerungsversuche von Integrationspro-
zessen zu widmen. Die Tagung fand am Wissenschaftszentrum Berlin für So-
zialforschung statt; ihre Beiträge liegen diesem Band zugrunde.
Tagung und Band verfolgen das Ziel, zu einer Belebung der Forschung bei-
zutragen. Denn im Hinblick auf die Analyse der Rolle der Politik im Rahmen
der Inkorporation von MigrantInnen in Aufnahmegesellschaften gibt es deut-
liche empirische wie theoretische Defizite. Die Rolle der Staaten, kritisierte
Aristide Zolberg schon 1999 (71), „in shaping international migration has been
largely ignored by immigration theorists”. Ähnlich vermerkte auch Jim Holli-
10 Sigrid Baringhorst, Uwe Hunger, Karen Schönwälder
field in seinem Überblick über politikwissenschaftliche Forschungslinien, die
Forschung kämpfe noch darum, den Staat wieder hineinzubringen in die sozial-
wissenschaftliche Analyse von Migration (2000: 137f.). Zum Teil ist dieses
auch von anderen Experten beklagte Defizit in den letzten Jahren verringert
worden, indem insbesondere über die Fähigkeit heutiger Nationalstaaten, in Mi-
grationsbewegungen gestaltend einzugreifen, eine intensive Debatte geführt
wurde. Wie auch Hollifields Überblick reflektiert, bestehen aber insbesondere
im Hinblick auf die Rolle des Staates bei der Gestaltung der Integrationsprozes-
se von Einwanderern die größten Forschungslücken. Sieht man von der Staats-
angehörigkeitspolitik ab, dann hat sich das Interesse in den letzten Jahren auf –
in Tomas Hammars Begrifflichkeit – immigration policy und nicht immigrant
policy konzentriert. Auch für die deutsche Forschung gilt, dass zwar die eine
oder andere Fallstudie vorliegt, es aber weder ausreichende Evaluierungen ver-
gangener Integrationsprogramme (Sprachkurse, Bildungspolitik, kommunale
Politik etc.) noch überzeugende Angebote einer Einzeluntersuchungen systema-
tisierenden, generalisierenden und theoretisch einordnenden Gesamtperspektive
gibt (vgl. aber z. B. zur Antidiskriminierungspolitik Baringhorst/Schönwälder
1992; zu Sprach- und Integrationskursen Schönwälder/Söhn/Michalowski 2005;
Schulte, Gesemann, Michalowski, Kunz in diesem Band).
Die Stärken der noch relativ jungen politikwissenschaftlichen Migrations-
und Integrationsforschung in Deutschland liegen eher in der Analyse politischer
Debatten und Konflikte und der Grundlinien staatlicher Politik. Untersucht wur-
den z. B. Entwicklung und Besonderheiten des deutschen Staatsangehörigkeits-
rechts (Hagedorn 2001), der Nationbegriff (Oberndörfer 1991), die Minderhei-
tenpolitik von Kommunen (Baringhorst 1991; Filsinger 2002), Asylpolitik und
Streit um das bundesdeutsche Asylrecht (Blanke 1993; Münch 1993), die Rolle
des Einwanderungskonflikts für die Parteienkonkurrenz (Thränhardt 1993),
Konflikte um den Bau von Moscheen, also die öffentliche Präsenz der zugewan-
derten Minderheiten (Leggewie 2002), die Rolle der Europäischen Union als
migrationspolitischer Akteur (Santel 1995), Konzeption und Umsetzung poli-
tischer Interventionen gegen Diskriminierung (Baringhorst/ Schönwälder 1992),
die Entwicklung der deutschen und europäischen Ausländerpolitik (Dohse 1981;
Schönwälder 2001; Meier-Braun 1988; Angenendt 1997; Heinelt 1994; Butter-
wegge/Hentges 2003; Hunger/Santel 2003; Gesemann 2001; Treichler 2002;
Schulte 1997) sowie Arbeit und Einfluss von Migrantenorganisationen (Fijal-
kowski/Gillmeister 1997). In diesem Band repräsentiert der Beitrag von Axel
Kreienbrink das wachsende Interesse der deutschen Politikwissenschaft an den
integrationspolitischen Ansätzen anderer europäischer Staaten. Mit Spanien
stellt er eines der ‚jungen’ Einwanderungsländer vor, dessen Politik aufgrund
der schnellen Zunahme der MigrantInnenzahl und einer mutigen Legalisierung
Staat und Integration 11
irregulärer MigrantInnen zur Zeit besondere Aufmerksamkeit findet. Claudia
Finotelli vergleicht in ihrem Beitrag den Umgang mit ungewollten MigrantIn-
nen in Deutschland und Italien. In den Mittelpunkt ihres Vergleichs stellt sie
dabei die illegale Migration nach Italien und die Asylmigration nach Deutsch-
land, die sie als zwei funktional äquivalente Migrationsströme ansieht, die je-
doch in beiden Ländern entsprechend ihres verschiedenen Sozialstaatsmodells
unterschiedlich politisch bearbeitet werden.
Das unbefriedigende Wissen über die Wirkungen politischer Interventio-
nen auf Integrationsprozesse ist aber nicht nur ein Resultat wissenschaftlicher
Versäumnisse und einer mangelnden Tradition einer Wirkungsforschung, son-
dern ist bis heute auch auf das Defizit der Politik zurückzuführen, sich offen
Klarheit über die Wirkungen einmal beschlossener Maßnahmen zu verschaffen.
So musste der „Erste Jahresbericht über Migration und Integration“ der Kom-
mission der Europäischen Gemeinschaften kürzlich konstatieren, dass sich nicht
feststellen lasse, „ob bei der Entwicklung umfassender Integrationsstrategien auf
einzelstaatlicher Ebene Fortschritte erzielt wurden“ (2004: 7).
Einer politikwissenschaftlichen Integrationsforschung mangelte es in einem
Deutschland, das MigrantInnen eher verdrängen als integrieren wollte, lange an
einem Ernst zu nehmenden Gegenstand. Dies zumindest glaubten viele Sozial-
wissenschaftlerInnen, die die hartnäckige Weigerung bundesdeutscher politi-
scher Eliten attackierten, die Realität der Einwanderung anzuerkennen und ihr
durch eine gestaltende Politik Rechnung zu tragen. Heute dagegen wird immer
häufiger die Position vertreten, dass die Fokussierung der Perspektiven auf eine
Kritik an den Defiziten der Regierungspolitik den Blick auf die Widersprüche
zwischen der offiziellen Darstellung der Ausländerpolitik des Bundes und einer
durchaus differenzierten Realität des Umgangs mit der Einwanderungsrealität
verstellte (vgl. z. B. Bade/Bommes 2000) – Wissenschaft also auch durch ihr
politisches Engagement behindert wurde. Eine einseitige Wahrnehmung bun-
desdeutscher Politik als ganz und gar determiniert durch das Streben nach Aus-
grenzung der MigrantInnen und eine Privilegierung ethnisch deutscher Gemein-
schaft wird in der internationalen Forschung zunehmend infrage gestellt. Immer
häufiger findet sich hier die Einschätzung, „dass Deutschland ähnliche integra-
tionspolitische Entscheidungen“ wie etwa Großbritannien, die Niederlande und
Frankreich getroffen habe, und „dass sich die deutsche Integrationspolitik heute
in viel weniger starkem Maße von derjenigen anderer europäischer Länder un-
terscheidet als gemeinhin behauptet“ (Mahnig 2001: 181, 160). Immer mehr do-
miniert des Weiteren die Unzufriedenheit mit Konzepten, die die dominierenden
Modi der Inkorporation von MigrantInnen vor allem auf in erster Linie im
Staatsangehörigkeitsrecht zum Ausdruck gebrachte Modelle exkludierender, in-
kludierender oder multikultureller Politik zurückführten. Zu sehr widersprechen
Description:Wie lassen sich gesellschaftliche Integrationsprozesse politisch steuern? Ausgerichtet an dieser erkenntnisleitenden Frage geben die Beiträge dieses Sammelbandes einen Überblick über Erfahrungen und Ergebnisse aus unterschiedlichen Bereichen staatlicher Integrationspolitik. Dabei werden neben den