Table Of ContentMichael Schlieben
Politische Führung in der Opposition
Göttinger Studien zur Parteienforschung
Herausgegeben von
Peter Lösche
Franz Walter
Michael Schlieben
Politische Führung
in der Opposition
Die CDU nach dem
Machtverlust 1998.
Mit einer parteihistorischen
Einleitung von Franz Walter
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1.Auflage März 2007
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©VSVerlag für Sozialwissenschaften | GWVFachverlage GmbH,Wiesbaden 2007
Lektorat:Frank Schindler
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Umschlaggestaltung:KünkelLopka Medienentwicklung,Heidelberg
Druck und buchbinderische Verarbeitung:Krips b.v.,Meppel
Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier
Printed in the Netherlands
ISBN 978-3-531-15454-1
Inhaltsübersicht
Vorwort 7
Franz Walter
Zerbröselnde Erfolgsgeschichte. Eine parteihistorische Einleitung
Vormoderne Tradition als Grundlage einer modernen Politik 9
„Gefälligkeitspolitik“ und interkonfessionelle Verbürgerlichung 14
Politische Führung bei den Christdemokraten 24
Abschied von der christdemokratischen Gesellschaft 28
Es bröckelt und bröselt an etlichen Stellen 30
Michael Schlieben
Politische Führung in der Opposition. Die CDU nach dem Machtverlust 1998
1. Einleitung 36
1.1 Methode, Quellenlage und Forschungsstand 38
1.2 Oppositionsführung 41
1.3 Zum Aufbau 43
2. Innerparteilicher Wettbewerb 46
2.1 Abwahl und Aufarbeitung des „System Kohls“ 46
2.2 Konkurrierender Führungsentwürfe 55
2.2.1 Die „Doppelspitze“ Merkel/Merz 55
5
2.2.2 Machtzuwachs in den Bundesländern 66
2.2.2.1 Die Kanzlerkandidatur des CSU-Vorsitzenden 67
2.2.2.2 Die neuen Ministerpräsidenten der CDU 73
2.3 Die Entwicklung zur „Merkel-CDU“ 81
2.3.1 Die Fraktionsvorsitzende 82
2.3.2 Auf Kanzlerinnenkurs 88
Kapitelfazit: Führung zwischen Kohl und Kinsey 100
3. Oppositionsführung 102
3.1 Oppositionsstrategien und Oppositionsarenen 102
3.1.1 Bundestag: Generaldebatten, Parlamentarische Initiativen
und Ausschüsse 106
3.1.2 Bundesrat und Vermittlungsausschuss 116
3.1.3 Außerparlamentarische Protestaktionen und Offerten 124
3.2 Das Verhältnis zu den Konkurrenz- und Partnerparteien 133
Kapitelfazit: Opposition mit Strategie? 158
4. Politische Führung und Programmentwicklung 160
4.1 Angela Merkels programmatische Führung 163
4.2 Programm-Kritik 176
4.3 Die soziale Verankerung der „Merkel-CDU“.
Rückblick und Ausblick nach der Bundestagswahl 2005 182
5. Fazit 189
6. Literatur 197
6
Vorwort
Inzwischen, da dieses Vorwort verfasst wird, regiert die Große Koalition in Ber-
lin bereits seit ziemlich genau einem Jahr. Die anfängliche Begeisterung für die
neue Koalition ist abgeebbt, die demoskopisch ermittelten Zustimmungswerte
der beiden Regierungsparteien sinken langsam aber stetig, die ersten Krisensit-
zungen mussten bereits durchstanden werden. Im Herbst 2006 einigte sich die
Bundesregierung nach zähem Ringen auf eine Gesundheitsreform, die die Bun-
deskanzlerin Merkel zwar als einen wegweisenden „Durchbruch“ bezeichnete,
die von den vorher geäußerten Ansprüchen der „Oppositionsführerin“ Merkel
jedoch meilenweit entfernt ist. Wenig konnte Angela Merkel bislang von dem
exekutieren, was sie vormals gefordert hatte. Galt sie einstmals als mutige Re-
formerin, erscheint sie heute vielen Kommentatoren als zaghaft, als entschei-
dungsscheu, als Übergangslösung.
Indes, bei genauerem Hinsehen: All diese Vorwürfe kennen wir bereits.
Lässt der Leser dieses Buches die vergangenen sieben Jahre hier noch einmal
Revue passieren, in denen sich die CDU zurück an die Bundesmacht kämpfte,
während gleichzeitig Rot-Grün erodierte, wird er einiges von dem wieder erken-
nen, was uns gegenwärtig alltagspolitisch beschäftigt. Viele der mannigfachen
Konfliktlagen, die heutzutage den gesamten bundespolitischen Prozess prägen,
hatten in der Oppositionsphase der CDU ihren Ursprung, nahmen hier ihre Ent-
wicklung. In diesen sieben Jahren erprobte die im Jahr 2000 unverhofft zur Par-
teichefin gekürte Merkel ihren ganz spezifischen, im Folgenden noch zu be-
schreibenden Führungsstil; in diesen Jahren wuchsen die relativ jungen christ-
demokratischen Landesfürsten zu einem entscheidenden innerparteilichen
Machtfaktor. In diesen Jahren wurden christdemokratische Parteiziele und Pro-
grammpunkte entwickelt, die nicht mehr viel mit denen der Ära Kohl gemein
hatten, die nun allerdings auch wenig Einfluss auf das Regierungshandeln zu
haben scheinen, obgleich sie vermehrt von verärgerten CDU-Politikern als nor-
mative Richtschnur eingefordert werden. Kurzum: Der analytische Rückblick auf
das, was war, erklärt vieles von dem, was ist.
In den Jahren zwischen 1998 und 2005 hat sich die Welt ein Stückweit ver-
ändert. Globalisierung, Terror, Anti-Islamismus, so heißen die in ihrer Dring-
lichkeit neuen Schlagwörter, mit denen sich die Politiker in Berlin, Paris, Wa-
shington oder Bombay auseinander zu setzen haben. Auch die deutschen Partei-
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en – und somit auch das gesamte Parteiensystem – wandelten sich in dieser Zeit.
Die SPD verlor in der Ära Schröder fast zweihunderttausend Mitglieder; die
Grünen unter Außenminister Fischer verscheuchten ihre letzten Fundis; die PDS
fusionierte unter der Führung Gysis und Lafontaines mit westlichen Gewerk-
schaftlern; die Westerwelle-FDP mauserte sich zu einer nicht unerfolgreichen,
beinahe marktradikalen Partei –, und auch, und nicht zuletzt, die CDU durchlief
in dieser Zeit einen nachhaltigen und vielschichtigen Transformationsprozess.
Die vorliegende Studie zeichnet den Wandel der CDU in den Jahren zwi-
schen 1998 und 2005 nach. Die diversen, in dieser Zeit aufgestiegenen Füh-
rungsakteure und deren Führungsstrategien werden unter die Lupe genommen
und der Prozess analysiert, den die politische Führung der Union konsequent als
„Modernisierung“ der Partei bezeichnete. Um die Qualität dieses Wandels richtig
einordnen zu können, empfiehlt es sich, sich die Entwicklung der christdemokra-
tischen Partei in Gänze zu vergegenwärtigen. Daher folgt nun eine parteihistori-
sche Einleitung von Franz Walter, die die traditionellen Erfolgsursachen der
CDU benennt und sich überdies mit den Führungstechniken früherer christde-
mokratischer Parteivorsitzender auseinandersetzt.
*
So ein Buch schreibt man natürlich nie ganz alleine, es gab viele Unterstützer,
von denen hier nur einige genannt werden sollen. Mein herzlicher Dank gilt
Franz Walter, meinem akademischen Lehrer und mehrjährigen Arbeitsgruppen-
„Chef“. Er betreute das Projekt, unterstützte, inspirierte, förderte es. Überaus
hilfreich für die Realisierung dieser Arbeit war auch das Büro des Ersten Parla-
mentarischen Geschäftsführers der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag, das
mich zwei Monate lang hospitieren und beobachten ließ, und das Archiv des
Willy-Brandt-Hauses, das mich ausdauernd mit Pressematerialien versorgte.
Dem VS-Verlag für Sozialwissenschaften, der die „Göttinger Studien zur Partei-
forschung“ erst ermöglichte, besonders natürlich Lektor Frank Schindler, sei für
das Vertrauen und die hilfreiche Umsicht gedankt.
Michael Schlieben, Göttingen, Oktober 2006.
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Zerbröselnde Erfolgsgeschichte.
Eine parteihistorische Einleitung von Franz Walter
In der alten Bonner Republik galt der chronische Vorsprung der Christdemokra-
ten nahezu als ausgemacht; es hatte lange Zeit Methode, dass die Christdemokra-
ten vorne lagen. Die CDU stellte die Führung des politischen Konzerns, die So-
zialdemokraten bildeten den Betriebsrat - an dieses Bild hatte man sich im Laufe
der bundesrepublikanischen Jahre gewöhnt. Die CDU, ohne Zweifel, ist ein ganz
außergewöhnliches Erfolgsmodell unter den europäischen Parteien. In der deut-
schen Parlamentsgeschichte zumindest hat ihr keine andere Partei je das Wasser
reichen können. Von den ersten 50 Jahren der Bundesrepublik standen die
Christdemokraten 36 Jahre an der Spitze der Bundesregierung, während der
ewige sozialdemokratische Rivale im gesamten 20. Jahrhundert nur in 18 Jahren
zum Zuge kam. So sozialdemokratisch also war das Jahrhundert nicht gewesen,
das da unlängst zu Ende gegangen ist.
Eher im Gegenteil. Meist waren die Sozialdemokraten, wenn es darauf an-
kam, die großen Verlierer der historischen Auseinandersetzungen in Deutsch-
land. Die Christdemokraten dagegen gehörten oft genug zu den Gewinnern. Sie
hatten ziemlich regelmäßig die Nase vorn, waren fast immer eine Spur schneller,
flexibler, machtpolitisch ausgekochter, eben erfolgreicher als die Sozialdemokra-
ten.
Vormoderne Tradition als Grundlage einer modernen Politik
Die Christdemokraten waren all das vor allem deshalb, weil sie auf Traditionen
gründeten, die dem aufgeklärt-liberalen Durchschnittsintellektuellen in Deutsch-
land als vorgestrig, ja finster reaktionär gelten. Denn die CDU war in ihren Ur-
sprüngen und blieb in ihren Kernen katholisch. Sie stützte sich also in der Tat
stärker als jede andere Partei auf ausgesprochen vormoderne Glaubensinhalte,
Mentalitäten, Sozialschichten, Institutionen, Hierarchien. Eben gerade darum
war sie so erfolgreich. Eben darum überstanden die Parteien des politischen
Katholizismus schon vor der CDU und besser als sämtliche übrigen Parteien die
Modernisierungskrisen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Eben darum
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