Table Of ContentPOLAROGRAPHIE
THEORETISCHE GRUNDLAGEN, PRAKTISCHE AUSFÜHRUNG
UND ANWENDUNGEN DER ELEKTROLYSE MIT DER
TROPFENDEN QPECKSILBERELEKTRODE
VON
PROFESSOR DR. J. HEYROVSKY
PRAG
MIT 252 ABBILDUNGEN IM TEXT
WIEN
SPRINGER-VERLAG
1941
Copyright vested in the Alien Property_Custodian, 1944, pursuant to law.
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1944
Published and distributed in the Public Interest by Authority of the
Alien Property Custodian under License No. A-392
Published by
J. W. EnWARDS
Lithoprinted by
EDWARDS BROTHERS, INc.
Ann Arbor, Michigan, U.S.A.
1944
ISBN-13: 978-3-7091-5223-2 e-ISBN-13: 978-3-7091-5371-0
DOI: 10.1007/978-3-7091-5371-0
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER üBERSETZUNG
IN FREMDE SPRACHEN, VORBEHALTEN
COPYRIGHT 1941 BY SPRINGER-VERLAG OHG. IN VIENNA
Vorwort.
Das vorliegende Buch stellt die kritische Zusammenfassung
derjenigen Forschungsarbeiten dar, die in den letzten 20 Jahren
auf dem Gebiete der Elektrolyse mit der tropfenden Quecksilber
elektrode durchgeführt wurden. Die weite Anwendung dieser
Methode in den verschiedensten Zweigen der Chemie und ihre
Bewährung lassen es gerechtfertigt erscheinen, das in den letzten
Jahren außerordentlich stark angewachsene Schrifttum kritisch
zu besprechen. Dieses ist bis Ende 1940 fast vollständig berück
sichtigt, einige Arbeiten aus dem Jahre 1941 konnten ebenfalls
noch erwähnt werden. Wenn einige Arbeiten aus der jüngsten
Zeit nicht erfaßt wurden, so liegt dies daran, daß einige Zeit
schriften dem Verfasser schwer zugänglich geweser sind. Um bei
einer eventuellen zukünftigen Aufla,ge solche Mängel zu vermeiden,
ersucht der Verfasser alle Fachgenossen um Zu sendung ihrer
Sonderdrucke, sowie um freundlichen Hinweis auf sonstige
Unzulänglichkeiten.
Der Umfang der Monographie ist in folge der zahlreichen
polarographischen Arbeiten doppelt so groß geworden als der
einer als Vorläufer anzusehenden, 1933 in tschechischer S~)rache
erschienenen Monographie ("Anwendung der polarographischen
Methode in der praktischen Chemie" und deren erweiterte russische
Auflage, übersetzt von E. VARASOVA, 1937, 225 fleiten).
Zur Einteilung des Werkes sei gesagt, daß im ersten theo
retischen Teil nur so viel erörtert wird, wie zum Verständnis
der praktisch angewendeten Elektrodenvorgänge nötig ist. Ein
vollkommenes Erfassen dieses Teiles setzt Beherrschung der
Grundzüge der Elektrochemie voraus. Der praktische Teil dagegen
ist so geschrieben, daß er auch einem theoretisch weniger Aus
gebildeten, der nur gewisse Kenntnisse der analytischen Chemie
besitzt, für seine Arbeiten dienen kann. Dieser Teil ist für den
Betriebsanalytiker und selbständigen Forscher geschrieben und
soll dem reinen Praktiker vollständig, ohne Zuhilfenahme der
t.heoretischen Erörterungen des erRten Teiles genügen.
IV Vorwort.
Der Verfasser dankt allen, die ihn bei der Abfassung des
Manuskripts unterstützten, insbesondere den Herren Dr. J. V. A.
NOVAK vom Forschungsinstitut Bat:a, Zlin, welcher einige un
veröffentlichte Vorschrüten zur Verfügung stellte, Dr. V. KA
LOUSEK, der mehrere Zeichnungen anfertigte und Ing. W. MÄTTIG,
der das Manuskript korrigierte.
Prag, im Oktober 1941
J. HEYROVSK1.
Inhaltsverzeichnis.
Theoretischer Teil.
Seite
1. Das Prinzip der Elektrolyse mit der tropfenden Queck.
silberelektrode .... 1
f. • . • • . • • . • • •• . • • • • • • • . . • . . • • . • . . • .
Historischer Ursprung der Meßmethode . . . . . . . . . . . . . 1
Meßanordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4
Die Polarisation der tropfenden Quecksilberelektrode
und die Depolarisationsvorgänge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Prinzip des Polarographen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 10
Vorteile der tropfenden Quecksilberelektrode ..... . .. 11
II. Mathematische Analyse der Stromspannungskurven .... 13
Die exponentielle Form der Kurven. . . . . . . . . . . . . . .. 13
Stufen an den Stromspannungskurven . . . . . . . . . . . . .. 18
Die Gleichung des Diffusionsstromes . . . . . . . . . . . . . . .. 23
Die Bedeutung der Halbstufenpotentiale . . . . . . . . . . .. 28
Die polarographischen Grenzströme . . . . . . . . . . . . . . . .. 43
Der Einfluß des Widerstandes bei den Stromspannungs-
kurven ........................................ 50
Der Ladungs- oder Kapazitätsstrom . . . . . . . . . . . . . . .. 55
Der Einfluß der Temperatur auf die Stromspannungs-
kurven ........................................ 58
III. Hauptvorgänge an der tropfenden Quecksilberelektrode. . 61
Kathodische Abscheidung der Kationen. . . . . . . . . . . .. 62
Kathodische Reduktion der Kationen. . . . . . . . . . . . . .. 67
Reduktion der Anionen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 71
Reduktion der nichtdissoziierten Molekeln . . . . . . . . . .. 77
Anodische Wirkung der Anionen .. . . . . . . . . . ... . . . . .. 96
Anodisches Auflösen der Amalgame. . . . . . . . . . . . . . . .. 102
Anodische Oxydation der Kationen ................. 103
Anodische Oxydation der Molekeln . . . . . . . . . . . . . . . .. 108
Gleichzeitig verlaufende Reduktions- und Oxydations-
elektrodenvorgänge .............................. 110
IV. Wasserstoffüberspannung und katalysierte Vorgänge ... 119
Verschiebungen der Abscheidungspotentiale . . . . . . . . .. 120
Herabsetzung der Überspannung ................... 131
Katalyse der Wasserstoffperoxydreduktion ........... 142
V. Polarographische Kriterien der Reversibilität .......... 145
VI Inhaltsverzeichnis.
Seite
VI. Maxima an den Stromspannungskurven ............... 159
VII. Untersuchungen mit nichtwäßrigen Lösungen ......... 184
VIII. Anwendungen auf rein wissenschaftliche Probleme. . . . .. 185
Allgemeines über Reduzierbarkeit an der tropfenden
Quecksilberkathode ............................. 185
Gleichgewichte der komplexen Cyanide ............. 191
Untersuchungen der Keto·Enol·Tautomerie ......... 197
Reaktionskinetische Untersuchungen ................ 199
IX. Tabellen der Depolarisationspotentiale ................ 202
Praktischer Teil.
T. Polarograph und Geräte............................. 211
Galvanometer und Nebenschluß .................... 215
Die elektrolytischen Gefäße..... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 220
Der Polarograph . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 224
H. Ausführung der Messungen .......................... 242
Das Aufstellen der polarographischen Apparatur ..... 242
Die einfachsten polarographischen Messungen....... 244
Bestimmung des Potentials der ruhenden und der
tropfenden Elektrode ............................ 251
Auswertung der Polarogramme. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 256
Messungen der Stromstärken zu quantitativen Bestim·
mungen ........................................ 263
Die Ursachen von Störungen des Kurvenverlaufes ... 270
IH. Allgemeines über Anwendbarkeit der polarographischen
Analyse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 272
IV. Mikroanalytische Anordnung ......................... 283
V. Einzelne Analysenvorschriften ....................... , 288
Bestimmung des Sauerstoffs 288. - von Wasserstoff·
peroxyd 294. - der Alkalimetalle 295. - der Al·
kalien neben Ammonium 298. - der Metalle der
alkalischen Erden 300. - von Aluminium 304.
- von Mangan 305. - des Eisens 312. - des
Nickels und des Kobalts 314. - von Chrom bei der
Stahlanalyse 317.- von Vanadin bei der Stahl·
analyse 318. - von Molybdän 318. - von Wolfram
320. - von Zink 321. - von Kadmium 323. - von
Blei 326. - von Zinn 328. - von Thallium 329. -
von Antimon und Wismut 330. - (gleichzeitige) von
Wismut und Blei 331. - der Verunreinigungen im
Blei 331. - von Arsen 332. - des Kupfers 335. -
von Uran 345. - von Gold 347. - des Quecksilbers
348. - des Europium in Gemischen seltener Erden
349. - von Jodid und Jodat 350. - der Bromate 353.
- von Nitraten und Nitriten 354. - des Schwefel·
dioxyds 359. - von Sulfaten 359. - von Chloriden
Inhaltsverzeichnis. VII
Seite
360. - von Seleniten und Telluriten 362. - von
Formaldehyd 362. - von Acetaldehyd 363. - von
Aceton 368. - des Diacetyls in Kunstbutter 369. -
von Fumar- und Maleinsäure 369. - von cis-und
trans-Akonitsäure 371. - der Askorbinsäure (Vita
min C) 371. -von Ketosen 374. -von Saccharin 376.
- von Nikotin in Tabak 377. - von Strychnin in
Strychnin·Chininpräparaten 377. - von Nitrobenzol
378. - von Hymatomelansäure in Torfen 382. -
von Methylenblau bei Untersuchung aktiver Kohlen
383. - von Cystein und Cystin 384. - von Senfgas 389.
- von Adrenalin, Citral und Citronellal 390. - von
einigen Sexualhormonen 391.
VI. Physiologische und medizinische Eiweißuntersuchungen . 392
Eiweißbestimmung in Rückenmarkflüssigkeit ........ 393
Eiweißbestimmung im Harn ........ . . . . . . . . . . . . . .. 395
Verfolgung der Eiweißdenaturierung . . . . . . . . . . . . . . .. 395
Verfolgung der proteolytischen Eiwe~spaltung ...... 397
Bestimmung der Eiweißspaltprodukte . . . . . . . . . . . . . .. 398
Untersuchung des menschlichen Blutserums in Be-
ziehung zu einigen pathologischen Zuständen ...... 401
Ergebnisse bei Karzinom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 407
Beweis von Proteolyse· bei biologischen Enzymreak.
tionen ............................. , ........... 408
VII. Unterscheidungen durch Unterdrücken der Kurven-
maxima ............................................ 408
Bestimmung des Reinheitsgrades des Trinkwassers ..... 409
Unterscheidung der Essige ......... , ............... 412
Unterscheidung der Zuckersorten ................... 412
Bestimmung des Gesamtgehaltes an adsorbierbaren
Stoffen ......................................... 414
VIII. Polarometrische Titrationen .......................... 419
Titration der PbH-Ionen und BaH-Ionen 424. -
SO,"-, C 0," und Fe(CNls""-Ionen 425. - ZnH-
2
Ionen 426. - NiH-, COH- und CuH-Ionen. 427. -
CI/-Ionen 428. - J/-Ionen 428. - PO,"'-Ionen 429.
- MoO,"-Ionen 430.
Redoxtitrationen mit polarometrischer Endpunktsbe-
stimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 430
IX. Polarographisches Schrifttum......................... 437
Sachverzeichnis .......................................... 483
Theoretischer Teil.
I. Das Prinzip der Elektrolyse mit der tropfenden
Quecksilberelektrode.
Historischer Ursprung der Meßmethode.
Die bei der polarographischen Methode als Hauptbestandteil
dienende langsam tropfende Quecksilberelektrode hat eine zwar
kurze, jedoch lehrreiche Entwicklung
durchgemacht, die tief mit den fundamen
talen Problemen der Elektrochemie ver
knüpft ist. Schon seitFARADAYs Zeiten
pflegen die Elektrochemiker mit V orlie be
Quecksilber als geeignetstes Elektroden
material zu benutzen. Die hervorragen
den Eigenschaften des Quecksilbers sehen
wir heutzutage einerseits in der über
spannung, die sich der Wasserstoffab
scheidung gegenüberstellt, anderseits in
der Leichtigkeit, mit der sich Quecksilber
sowohl kathodisch abscheidet, wie ano
disch auflöst, d. i. sich vollkommen re
versibel verhält; dazu tritt noch der Vor
teil des flüssigen Zustandes des Queck
silbers, durch den es imstande ist, immer
dieselbe Oberflächenbeschaffenheit auf Abb.1. LIPPMANNsche
rechtzuerhalten, wobei der edle Charak Kapillarelektrode zur
Messung der Ober
ter des Quecksilbers seine chemische Un
flächenspannung von
angreifbarkeit bewirkt. polarisiertem Queck-
Im Jahre 1873 hat G. LlPPMANNl silber.
für die Mes~ung der Oberflächenspan
nung des polarisierten Quecksilbers seine Kapillarelektrode ein
geführt, welche sich für Untersuchungen der Elektrokapillarität
1 Pogg. Ann. 14-9, 547 (1873).
Heyrovsky, Polarographie. 1
2 Prinzip der Elektrolyse mit der tropfenden Quecksilberelektl'ode.
am besten erwiesen hat und in dem bekannten "Kapillarelektro
meter" häufig angewendet wurde. Im LIPPMANNschen Gerät (Abb. 1)
finden wir die sinnreiche Einführung einer sehr kleinen Elektrode -
des Quecksilbermeniskus in der Kapillare - gegenüber einer weit
größeren Elektrode, welche durch die Oberfläche des sich am Boden
des Elektrolytgefäßes befindenden Quecksilbers gebildet wird. Beim
Stromdurchgang wirkt die an dieses Elektrodenpaar angelegte
elektromotorische Kraft nur auf die kleine Elektrode, welche dabei
physikalische und chemische Allderungen erleidet und deswegen
Abb. 2. Die tropfende Elektrode von Ku6ERA zur Messung der Ober
flächenspannung von polarisiertem Quecksilber.
"polarisierbar" ist; dagegen bleibt die physikalische und chemische
Beschaffenheit der großen Elektrode beim Stromdurchgang -
dank der geringen an ihr herrschenden Stromdichte - unverändert,
so daß diese Elektrode als "unpolarisierbar" betrachtet wird. Im
Jahre 190::S modifizierte G. KUCERA1 die LIPPMANNsche Methode,
indem er durch Heben des Quecksilberbehälters den Druck bis
zum langsamen Austropfen des Quecksilbers steigerte und die
Oberflächenspannung des polarisierten Quecksilbers durch Wägen
der Tröpfchen bestimmte. KUCERAS Anordnung ist in Abb. 2 wieder
gegeben. Die elektromotorische Kraft2 wurde von einem 2-V-Ak-
1 Drud. Ann. (4), 11, 529, 698 (1903).
2 Die elektromotorische Kraft (E.M.K.) sowie die Potential
differenz oder Spannung wird entweder in Volt (V) oder in Milli-
Historischer Ursprung der Meßmethode. 3
kumulator durch zwei Stöpselrheostaten zu je 1000 Q ,abgezweigt,
um bei bestimmten Werten der E. M. K. das Gewicht der Quecksilber
tropfen zu ermitteln. Dazu wurden 30 bis 60 Tröpfchen im Löffel L,
Abb. 2, aufgefangen und gewogen. Es zeigte sich, daß das Gewicht
bei langsamem Abtropfen (je 3 bis 4 sec.) der Oberflächenspannung
des polarisierten Quecksilbers proportional ist. Trägt man nun
im Diagramm die Tropfengewichte an der Ordinate gegen die be
treffenden Spannungen an der Abszisse auf, erhält man die be
kannte Elektrokapillarkurve, welche LIPPMANN durch die Größen
des Quecksilberdruckes bei konstant gehaltener Höhe des Queck
silbermeniskus ermittelt hat. In den meisten Fällen stimmten die
durch LIPPMANNS "statische" und
KUCJERAS "dynamische" Methode
erhaltenen Kurven' befriedigend
überein, manche Kurven KUCERAS
zeigten jedoch bemerkenswerte Ab
weichungen, die sich durch "sekun
däre Maxima" auszeichneten. Abb. 3
zeigt eine solche anomale Kurve b
und die normale "elektrokapillare
Parabel" a von LIPPMANN. KUCERA
fand sekundäre Maxima meistens,
wenn er als Elektrolyte verdünnte Lö
sungen benutzte. Besonders auffal
lend waren seine "sekundären Maxi
ma" an Kurven, welche mit wäßrigen
E
Lösungen der niederen Fettsäuren
~Ov
erhalten wurden. KUCERA beschrieb
Abb. 3. Die Elektrokapillar
diese Anomalien in einer Mitteilung kurve vonLIPPMANN (a) und
an die böhmische Akademie1, jedoch von Ku CERA (b) mit anoma-
ohne ihre Ursache aufzuklären. Bis lem Maximunl.
zum Jahre 1918 wurde diese Er-
scheinung nicht weiter untersucht. Erst zu Ende 1918 machte Pro
fessor KUCERA den damaligen Cand. phil. J. HEYROVSKY auf die
oben erwähnten Anomalien aufmerksam und forderte ihn auf, das
Wesen dieser Erscheinung näher zu untersuchen. Während der
Untersuchungen der "sekundären Maxima", welche später durch
Adsorption des Luftsauerstoffes an der tropfenden Quecksilberelek
trode erklärt werden konnten, fand J. HEYROVSKY, daß eine die
volt (mV) angegeben; die Stromstärke oder -intensität in Ampere (A)
und der Widerstand in Ohm (Q).
1 BuH. int. Acad. Sei. de Boheme, 1903.
l'