Table Of ContentAndreas Spal
Poesie – Erotik – Witz
Untersuchungen zur antiken
Literatur und Geschichte
Herausgegeben von
Heinz-Günther Nesselrath, Peter Scholz
und Otto Zwierlein
Band 122
Andreas Spal
Poesie – Erotik –
Witz
Humorvoll-spöttische Versinschriften zu Liebe und
Körperlichkeit in Pompeji und Umgebung
ISBN 978-3-11-044775-0
e-ISBN (PDF) 978-3-11-044914-3
e-ISBN (EPUB) 978-3-11-044854-2
ISSN 1862-1112
Library of Congress Cataloging-in-Publication Data
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© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Satz: Dörlemann Satz, Lemförde
Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen
♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier
Printed in Germany
www.degruyter.com
Vorwort
Die vorliegende Arbeit ist die leicht überarbeitete Fassung meiner Dissertation,
die von der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln im Januar 2014
angenommen wurde; die Defensio erfolgte im April 2014. Zu spät erst habe ich
Kenntnis erhalten von Peter Keegans Buch Graffiti in Antiquity, London 2014, so
daß es in dieser Arbeit nicht mehr Berücksichtigung finden konnte.
Ich möchte meinem Doktorvater Professor Jürgen Hammerstaedt für seine Betreu-
ung und Unterstützung – gerade in für meine Familie und mich schwierigen
Jahren – sehr herzlich danken. Ferner weiß ich es sehr zu schätzen, daß ich in
dem von den Professores Rudolf Kassel und Jürgen Hammerstaedt geleiteten Dok-
torandenkolloquium wiederholt Fragestellungen und Probleme meines Projektes
habe vorstellen und diskutieren dürfen. Professor Anja Bettenworth und Profes-
sor Peter Schenk danke ich dafür, daß sie sich bereitgefunden haben, als Zweit-
gutachter für meine Arbeit zu fungieren. Ebenso bin ich all den weiteren ehema-
ligen und aktuellen Mitgliedern des Instituts für Altertumskunde der Universität
zu Köln verbunden, die mich in den Jahren der Arbeit an meiner Dissertation in
unterschiedlicher Weise unterstützt und begleitet haben.
Den Herausgebern der Untersuchungen zur antiken Literatur und Geschichte,
den Professores Otto Zwierlein, Heinz-Günther Nesselrath und Peter Scholz,
danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe sowie für wertvolle Hin-
weise, Anregungen und auch Verbesserungsvorschläge.
Frau Katharina Legutke vom Verlag De Gruyter danke ich für ihre Hilfe vor
und während des Drucklegungsprozesses dieses Buches.
Der Philosophischen Fakultät der Universität zu Köln möchte ich dafür
danken, daß sie den Druck dieser Arbeit finanziell unterstützt hat.
Schließlich möchte ich besonders meiner Familie danken, vor allem meiner
Frau und meinen Kindern, die während all der Zeit immer für mich da waren
und mich – jeder auf seine ganz eigene Art und Weise – unterstützt haben, die
meine Launen ertragen haben und mir Mut gemacht haben, wenn ich verzwei-
felt war. Unsere kleine Franziska, die viel zu früh von uns gegangen ist, hat mir
immer wieder ohne Worte, ohne Gesten, aber stets unmißverständlich deutlich
gemacht, was wirklich wichtig und was nur allzu belanglos ist im Leben. Dieses
Buch würde es ohne diese wunderbaren Menschen nicht geben. Ihnen widme ich
es aus tiefstem Herzen und in inniger Liebe.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1
Thema 3
Methodik 12
Forschungsstand und Literatur 14
Textedition und kritische Zeichen 17
Texte, Übersetzungen und Kommentare 23
Politik 25
1 (= CIL IV 346) 25
2 (= CIL IV 1939, add. S. 213/465; CLE 231) 33
Den Liebenden Wohl und Verderben 46
3 (= CIL IV 1173, add. pp. 204/461; CLE 946) 46
4 (= CIL IV 4659; CLE 2063) 61
5 (= CIL IV 1649, 1649a, 1649b; CLE 944) 64
Strafe für Venus 70
6 (= CIL IV 1824; CLE 947) 70
Feuer der Liebe 83
7 (= CIL IV 1898; CLE 948) 83
Schwarze Mädchen 89
8 (= CIL IV 1520; CLE 354) 89
9 (= CIL IV 6892; CLE 2056) 101
Res gestae: „Hier habe ich …“ 113
10 (= CIL IV 1516; CLE 955) 113
11 (= CIL IV 9246b; CLE 2058) 122
Schmerzhaftes 131
12 (= CIL IV 1820; 1821; 1822; CLE 50) 131
13 (= CIL IV 1881/1882; CLE 47) 141
Binsenwahrheiten 147
14 (= CIL IV 1884; CLE 46) 147
15 (= CIL IV 4488; CLE 49) 151
16 (= CIL IV 10030) 153
Eine Wirtshausszene? 158
17 (= CIL IV 10195) 158
Von Schreibern und Lesern 167
18 (= CIL IV 2360, add. p. 219; CLE 45) 167
VIII Inhaltsverzeichnis
Rückblick und Ausblick 175
Die Lesungen der Texte 177
Der Inhalt 178
Sprache und Metrik 180
Der geistig-literarische Kontext 182
Räumlicher Kontext und Kommunikation 184
Quellen- und Literaturverzeichnis 187
Abkürzungsverzeichnis verwendeter Inschrifteneditionen, Nachschlagewerke
und Sammlungen 189
Ausgaben und Kommentare 193
online Ressourcen 197
Sekundärliteratur 198
Anhang (Abbildungen) 207
Indices 223
Thema
Über jene bittere Ironie des Schicksals ist schon viel geschrieben und gesagt
worden: Mit seinem Ausbruch im Jahr 79 n. Chr. löschte der Vesuv viele tausend
Menschenleben aus und verschüttete die umliegenden Ortschaften wie etwa
Pompeji oder Herculaneum; was damals eine Tragödie gewaltigen Ausmaßes
war, stellt für die Altertumskunde einen Glücksfall dar. Denn kaum ein anderes
Studienobjekt ermöglicht es, die Lebenswirklichkeit Kampaniens in jener Zeit
(und auch darüber hinaus) in einem solchen Umfang und derart unmittelbar zu
erfahren.
Für die Philologie sind es die Gelegenheitsinschriften – vor allem die Graf-
fiti1 –, die von besonderem Interesse sind und die man hauptsächlich in Pompeji
entdeckt hat. Diese schriftlichen Hinterlassenschaften sprechen, anders als offi-
zielle, in Stein gemeißelte Texte, in einer einzigartigen Direktheit zu uns. Denn
mehr noch als diese Monumentalinschriften handelt es sich bei ihnen gewisser-
maßen um Stimmen aus der Vergangenheit, die auf den Wänden eingefangen
wurden. Sie erzählen uns vom Alltag im Schatten des Vesuv, von Liebe und Leid,
Ernst und Spiel. Es handelt sich um Grüße2, Anwesenheitsnotizen3, Spott4 und
vieles erdenkliche mehr an Sinnigem wie auch Unsinnigem. Ein Vergleich mit
Kritzeleien, wie man sie auch heute etwa auf öffentlichen Toiletten oder auf Park-
bänken sieht, liegt nahe.
Jene Notizen waren überwiegend kurz und in schlichter, teilweise auch
obszöner Prosa niedergeschrieben. Dabei unterscheidet sich die Sprache dieser
Inschriften nicht selten in erheblichem Maße von dem Latein, das uns aus der
Lektüre der Klassiker geläufig ist. Sie stellt somit eine entscheidende Quelle dar,
die uns wertvolle Einblicke in das damals gesprochene Latein sowohl in lexikali-
scher als auch in grammatikalischer Hinsicht vermittelt5.
1 Als Graffiti (auch tituli scariphati genannt) bezeichnet man gemeinhin solche Inschriften, die
in die Wand geritzt oder auf diese mit Kohle geschrieben werden. Davon unterschieden werden
die sogenannten Dipinti (tituli picti), die mit einem Pinsel aufgetragenen Inschriften. Eine sol-
che Unterscheidung ist für diese Arbeit weitestgehend ausreichend, wiewohl es auch eine Reihe
von nicht-monumentalen Inschriften gibt, die sich aufgrund ihrer Ausführung einer solchen
scharfen Trennung entziehen (vgl. Inschrift 16). Entsprechend mahnt Kruschwitz (2006-2) S. 7,
Anm. 22, mit Hinblick auf diese Gruppe von Inschriften eine stärkere terminologische Differen-
zierung an.
2 Z. B.: CIL IV 5350: Aemilius Fortunato fratri sal(utem).
3 Z. B.: CIL IV 383: Paris hic | fuit.
4 Z. B.: CIL IV 10222: Promus fellator. Das Graffito ist mit einer Profilzeichnung eines Kopfes mit
offenem Mund versehen.
5 Mit Recht macht Kruschtwitz (2004) S. 28, darauf aufmerksam, daß nicht von einer echten
4 Einleitung
Gelegentlich aber gossen die Schreiber ihre Graffiti auch in eine metrische
Form6. Dabei bestehen diese Texte meist lediglich aus wenigen oder sogar nur
einem Vers. Hier hat das Vulgärlateinische bisweilen ebenfalls einen prägen-
den Stempel hinterlassen, welcher sich nicht nur in Wortwahl und Gramma-
tik, sondern auch in Hinsicht auf den Versbau niederschlägt. Wie die metrisch
ungebundenen Kritzeleien umfassen sie ein breites thematisches Spektrum: Sie
reichen von dem, was wohl in der Schule gelernt worden ist7, über bewußte oder
vielleicht auch unbewußte Auseinandersetzungen mit literarischen Vorlagen wie
etwa Vergil oder Ovid bis hin zu (möglicherweise) eigenständigen und eigenwil-
ligen Gedichten8.
In der vorliegenden Arbeit setze ich mich mit den versifizierten Graffiti und
Dipinti der Vesuvstädte auseinander, wobei ich eine Gruppe von achtzehn Gele-
genheitsinschriften witzig-spöttischer Natur behandele, die im thematischen
Bereich der Erotik und der Körperlichkeit angesiedelt sind. Dies sind die natür-
lichen Inhalte für solche Alltagsinschriften – ein Blick auf manche moderne Krit-
zelei mag zum Vergleich genügen – oder, um es mit den Worten Edward Court-
neys zu sagen: „In the case of graffiti verse form can concentrate the wit by its
concision, and it is also the natural medium for the expression of erotic feelings.
Umgangssprache die Rede sein dürfe, da allein mit der Schriftform zwangsläufig eine Stilisie-
rung einhergehe.
6 Fele (1986) S. 5, schätzt, daß etwa 4 % der Graffiti und Dipinti metrisch sind. Doch erscheint
meines Erachtens bei dieser Zahl eine gewisse Zurückhaltung angeraten: Solin (1984) S. 280,
spricht von rund 7300 Wandinschriften in Pompei und Umgebung, die bis 1970 in den Bänden
des CIL IV publiziert worden seien – rund 3600 weitere Inschriften stammen aus Herculaneum
und Stabiae bzw. sind in beträchtlicher Zahl Amphorenaufschriften (ebd., Anm. 3). Bei diesen
komme ich auf eine Zahl von etwa 350 metrischen Graffiti und Dipinti; in diese Ziffer habe ich
aller dings auch rund 100 Texte einbezogen, welche bruchstückhaft oder unvollendet sind oder
bei denen nicht sicher ist, ob es sich tatsächlich um Verse handelt; man vergleiche beispiels-
weise die Inschrift CIL IV 2320: Felix hic locus | est, bei der theoretisch ein Hexameteranfang
vorliegen könnte. So identifiziert auch Fele, wie ich meine, solche Inschriften als metrisch, über
deren vermeintliche Metrizität man durchaus anderer Meinung sein kann. So sagt sie, bei dem
Graffito CIL IV 760 handele es sich bei den Worten Destil<l>atio me tenet, die in der vierten Zeile
der Inschrift stehen, um eine „tetrapodia trocaica catalettica“ und zwar „κατὰ στίχον“ (ebd.
S. 6–7). Angesichts der vorangehenden Zeilen (Obli<n>ge mȇnt[u]la[m] | mentlam elingẹṣ | [- - - - -]|)
erscheint diese Behauptung aber kaum haltbar.
7 So findet sich der Anfangsvers der Aeneis zumeist vollständig oder auch nur in Anspielung bei
ungefähr zwanzig Inschriften. Milnor (2014) S. 252–262, zeigt Skepsis gegenüber dem Gedan-
ken, daß es sich um Schulreminiszenzen handelt.
8 Auf den Aspekt der Originalität von Verskritzeleien werden wir noch zu sprechen kommen;
siehe unten S. 11.