Table Of ContentPHRONESIS BEI PLATON
Heinz J. Schaefer
Studienverlag Dr. N. Brockmeyer
Bochum 1981
..
.
,
i
VORWORT
Die hier vorgelegte Untersuchung ist die überarbeitete
Fassung meiner Dissertation, die im Wintersemester 1968/69
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
von der Abteilung für Philologie der Ruhr-Universität Bo
Schoafer, Heinz J.: chum angenorrUIlen wurde. Das Thema der Arbeit geht auf eine
Phronesis bei Ploton I Heinz J. Schaefer. _
Bochum: Studienverlag Brockmeyer, 1981. Anregung meines IJehrers W. SCI-IADEWALDT zurück; ausgearbei
ISBN 3-88339-177-8 tet vmrde die Dissertation von 1965 bis 1968 in Bochum.
Aus verschiedenen Gründen erfolgt die Publikation der Ar
beit mit erheblicher Verzögerung; diesen Umstand habe ich
dadurch auszugleichen versucht, daß ich mich bemüht habe,
die inzwischen erschienene Literatur zu Platon heranzuzie
hen und einzuarbeiten. Daß Vollständigkeit auf diesem Ge
biet nicht zu erreichen ist, lehrt ein Blick in den }t'or
schungsbericht zu Platon von L. BRISSON, der 1979 publi
ziert wurde. Liter-atur, die bis zur Jahresmitte 1980 er
schienen ist, konnte im allgemeinen noch berücksichtigt
werden. Weil sie möglicherweise für das hier behandelte
Thema von Interesse sind, nenne ich an dieser Stelle die
Titel von zwei Büchern, die ich nicht mehr benutzen konn
te: D. HELLWIG, Adikia in Platons 11Politeia", und H.-TI.
VOIGTLÄNJJER, Der Philosoph und die Vielen; die genaueren
bibliographischen Angaben möge man dem Literaturverzeich
nis entnehmen
0
Zu danken habe ich H. FLASHAR, unter dessen wohlwollender
Betreuung die Dissertation entstand, für mancherlei Hilfe
und li'örderung; nach Fertigstellune; der Dissertation haben
mir außer ibm wertvolle Hinweise gegeben W. KULLl'flANN und
ISBN 3-88339-177-8 vor allem H. GUNDERT, dessen "Zahlreichen kritischen Anre
AUe Rechte vorbehalten
gungen ich mehr" an Belehrung verdanke, als ich durch die
(cl 1981 by Studienverlag Dr. N. Brockmeyer
Querenburger Höhe 281, 4630 Bochum 1 Nennung seines Namens an einzelnen Stellen der Arbeit zum
Druck Thiebes Hagen
Ausdruck bringen kann. Für Fehler und Irrtümer bin selbst
verständlich ich allein verantwortlich.
Herzlich danke ich für ihre Mühe und Sorgfalt den vier
Helfern, die - auf_ verschiedenen Ge"bieten und in unter-
- 4 -
schiedlicher Weise, allesamt aber mit dem gleichen guten
Willen und derselben Hil~sbereitschaft - aus einem Manu
skript, das in vielem dem Meergott Glaukos in "Politeial1
X glich, eine wohlgeordnete Druckvorlage gemacht haben:
O. BUDNJ, E. FRIGGE, J. HÖCK-HEGEHOFER und T. LINDKEN.
Dann habe ich meinen Eltern zu danken, die dadurch, daß
sie mir das Studium ermöglichten, die Grundlage für diese
Arbeit gelegt haben, die ihnen deshalb gewidmet ist. Ein
Wort des Dankes gilt endlich meiner Frau für ihr großes
Verständnis, mit dem sie meine jahrelangen Bemühungen um
die Fertigstellung dieser Arbeit in ihrer endgültig~n Form
beglei tet hat.
Meinen Eltern
Bochum, im Februar 1981 H. J. S.
PS. Aus TermingrÜllden konnte der ursprünglich geplante
Index locorum leider nicht mehr angefertigt werden.
Aus denselben Gründen mußte ich darauf verzichten,
durch einen Umbruch die Anmerkungen unter den zuge
hörigen Text zu bringen.
KaAiDc; '(E:, JJ L:WXpa:TCC;· xCiv 6 ~ a:(.piJ)ux:::; "!'1C;
TO !J.~ oTIOiJOa(:E ~v c-n.l Toie; 6V6!1a:O~V,
TIAOUOLiS)1;spoc; SLC; TO yi';pac; avacpav~on
(PPCV~OCWc; •
Platon, rrpolitikosrr 261 e
The later Platoni2m i8 a subject on
which agreement may never be reached;
but there i8 sorne hope oi persuading
scholars that a Greek sentence rneans
one thing rather thcl.D another.
F. M. CORNFORD, Plators Cosmology,
London 1937, VII.
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT
3
EINLEITUNG
11
I wPONEIN UND VERWANDTES VOR PLATON 17
II wPONHlaE IN DER "POLITEIA" 37
111 DIE ENTWICKLUNG DES BEGRIFFES wPONHEIE
VOR ·DEM "STAAT" 91
IV DIE BEDEUTUNG VON wPONHEIE IN DEN
SPÄTEREN WERKEN
149
SCHLUSSBEMERKUNG
193
ANHANG
199
LITERATURVERZEICHNIS 215
ANMERKUNGEN
235
EINLEITUNIi
In seiner Rezension zu zwei begriffsgeschichtlichen Unter
suchungen hat J. LATACZ vor einigen Jahren einen Katalog
von Fragen formuliert, die in der Einleitung wissenschaft
a
licher Arbeiten beantwortet werden· sollten. Weil dieser
Fragenkatalog mir sinnvoll erscheint, soll d1ese Einlei
tung danach gegliedert werden.
1) "Warum hat der Verfasser gerade dieses Thema gewählt?"
Mein Interesse an diesem Thema geht zurück auf eine Semi
nararbeit über die Verwendung des Wortes ~p6vno~~ in den
Ethiken des Aristoteles. In diesem Zusammenhang fiel mir
auf, daß der platonische ~p6v~a~c-Begriff noch nicht aus
reichend erforscht war. Mein Lehrer W. SCHADEWALDT ermun
terte mich, dieser Frage nachzugehen. Das Ergebnis meiner
Bemühungen lege ich hier vor.
2) "Wie ist der Forschungsstand?1I
Seit W. JAEGER 1923 in seinem folgenreichen Aristoteles
buch den Versuch unternahm, die Entwicklung des Aristote
les u.a. an seiner Verwendung des Terminus ~p6vncr~c aufzu
zeigenb, nimmt dieser Begriff in der Aristotelesforschung
eine wichtige Stellung ein. Dabei wird zur,genaueren Cha
rakterisierung der 'aristotelischen ~p6vno~c gern als Folie
die platonische benutzt. C Das 'läßt den Eindruck entstehen,
als ob die platonische ~p6vncr~c eine feste Größe, sozusa
gen ein verläßlicher und allseits bekannter Maßstab wäre.
Aber die Charakterisierungen der platonischen ~p6vncr~c
d
weisen einen bedenklichen Grad an Widersprüchen auf. Es
scheint also niemand genau zu wissen, was die ~p6vncr~c bei
Platon eigentlich bedeutet.
- 12 - - 13 -
An Monographien zur platonischen ~p6v~aLs gibt es zwei: 4) "Welcher Methode bedient sich der· Verfasser?"
die Arbeiten von J. HIRSCHBERGER und von E. N. BUFF.8 Da
Wenn es sich bei dieser Arbeit auch nicht um eine "tradi
von beschäftigt sich das Buch J. HIRSCHBERGERs mit den
tionelle isolierende Einzelwort-Untersuchung" im strengen
Dialogen bis zum u:Phaidon", während E. N. BUFF sich auf
Sinne handelt, weil immerhin neben dem Substantiv ~p6vna~G
den -IIPhilebos" und die "Nomoi" beschränkt. Um jedoch Ge
'auch das zugehörige Verb und Adjektiv berücksichtigt wer
meinsamkeiten bzw. Unterschiede zwischen Platon und Ari
den, so ist die angewandte Methode doch als naiv zu be
stoteles besser feststellen zu können, wäre eine Untersu h
zeichnen. Im einzelnen soll auf die Methode genauer unter
chung der Verwendung des Begriffs auch in den übrigen Wer
5) eingegangen werden. Hier dazu nur soviel: Die Methoden
ken Platans erwünscht. Bemerkungen zu diesem Begriff fin
reflexion sollte sowohl bei den philosophischen wie bei
den siqh zwar in fast allen Kommentaren und vielen Mono
den sprachwissenschaftlichen Grundlagen der Arbeit anset
graphien zu Platon, doch fehlt eine·zusammenfassende Be i
zen. Zum Zeitpunkt, als die erste Fassung dieser Arbeit
schreibung, so daß der Wunsch F. DIRLMEIERs nach einer
entstand, nämlich 1965-1968, war die Methodenreflexion
For.tsetzung der Untersuchungen J. HIRSCHBERGERs nach wie
f noch nicht soweit gediehen. Inzwischen habe ich zwar ve~
vor zu Recht besteht. Die hier vorgelegte Arbeit ist ein
sucht, soviel wie möglich an neuerer Platonliteratur einzu
Versuch, diesem Wunsch nachzukommen.
arbeiten, gestehe aber nach wie vor mein Defizit an Metho
3) "Inwiefern sind die bisher erzielten Ergebnisse unbe- denreflexion. Zur Entschuldigung darf ich vielleicht darauf
hinweisen, daß die Erträge der semantischen Theorie für die
frie,digend ?"
inhaltliche Interpretation doch vielfach eher enttäuschend
Zum einen besteht in der Aufarbeitung des Materials eine
sind. j
groß~ Lücke, denn es fehlen sämtliche Dialoge Platons vom
"Symposion" bis zum "Kritias" und die "Briefe". Zum ande Den Wunsch nach einer stärkeren Berücksichtigung des Wort
ren i'st die Arbeit J. HIRSCHBERGERs stärker philosophie feldes haben auch H. GUNDERT und W. KULLMANN mir gegenüber
geschichtlich als philologisch orienti"ert, was zur Konse geäußert. Daß ich ihm nicht nachgekommen bin, liegt darin
quenz hat, daß es ihm nicht so sehr um den Wortlaut, son begründet, aaß ausreichende Genauigkeit in der Abgrenzung
dern um den Inhalt geht; die verschiedenen Wörter, die der Bedeutung einzelner Wörter innerhalb eines Wort~eldes
Platon zur Bezeichnung von "Wissen" oder "Erkenntnis" ge m.E. nur durch Erfassung all er Belege zu erreichen
braucht, werden von J. HIRSCHBERGER nicht auseina,nderge ist; dies scheint mir eine Forderung zu sein, die allein
halten. Ihn interessiert die Auseinandersetzung Platons
von der Quantität her - es müßten etwa ~SXV~, Err~aT~~~,
mit den Problemen um Wissen und Wert, nicht die Terminolo
~a8~~a, vou~, yvw~~, ao~Ca mit Adjektiven, Verben und Ab
gie. Die Arbeit von E. N., BUFF ist zwar philologisch aus leitungen berücksichtigt werden, was leicht zu mindestens
gerichtet, weist aber so gra.vierende Mängel auf, daß sie 2.500 Belegen führt - das übersteigt, was man vernünftiger
kaum brauchbar ist. Eine'stärker ins Einzelne gehende Aus weise von einer Dissertation erwarten kann. Realisierbar
einandersetzung mitbeiden Werken soll .am Ende des dritten erscheint mir der Wunsch etwa bei einzelnen Dialogen,
g
bzw. vierten Kapitels dieser Arbeit erfolgen. nicht aber beim gesamten Werk Platons. Versuche, aie ein
zelnen Wörter voneinander schärfer abzugrenzen, ohne daß
- 14 - - 15 -
alle einschlägigen Belege erfaßt und berücksichtigt wur zen zu interpretieren, weil ·man versuchen sollte, jeden
den, bleiben erfahrungsgemäß im Ungefähren stecken.k Dialog zunächst nur aus sich heraus zu verstehen. Erst
wenn das gelungen oder gescheitert ist, sollten ähnliche
5) "Was für eine Art von Arbeit erwartet den Leser über- oder widersprechende Passagen aus anderen Werken Platons
haupt?" zur Bestätig~ng, Verdeutlichung oder Modifizierung der
Zunächst sei betont, daß es sich um eine p h ,i 1 0 1 0 - Aussage herangezogen werden. Wenn man diese zwei Etappen
gis ehe Arbeit handeltl, d.h. um den Versuch, einen der Annäherung an den Text nicht voneinander trennt, läuft
Text - in diesem Fall einen philosophischen - aus sich man Gefahr, eventuelle Widersprüche einzuebnen oder Ände
heraus zu verstehen und historisch möglichst adäquat zu rungen in der Lehre Platons zu übersehen. Mit voller Kon
erfassen.rn Dabei ist die Wortwahl des Philosophen von größ sequenz wurde diese Absicht nur bei der Behandlung der
IIpoli teia" durchgeführt; die Ergebnisse aus diesem Werk
ter Wichtigkeit; das scheint für stärker philosophiege
werden am Ende des zweiten Kapitels zusammengefaßt und
schichtlich orientierte Werke nicht ohne weiteres zuzu
treffen.ll Dagegen wird'von philologischen Untersuchungen solJen den Maßstab bilden, an dem die Bedeutung der Wörter
zur Bel?!,~!f_~_gesc~~chte erwartet, daß sie "die Wortbedeu cppove.:"i:v, cpp~v ~fJ,0t; und CPP~V1l0[,t; in den anderen Schriften
tung an den einzelnen Stellen genau zu klärenIl unterneh Platans sich messen läßt.
o
men ; diese Forderung erweist sich allerdings angesichts
Da die Fragestellung J. HIRSCHBERGERs anders akzentuiert
der lrnapp 400 Belege für cppovs[;v, cPpov ~fJ,0t; Und cppOV1l01.t;
war und seine Ergebnisse deshalb mit denen einer philolo
bei Platon als im ganzen unerfüllbar; es soll ihr aber in
gischen ·Untersuchung nicht ohne wei tere·s kommensurabel
einem begrenzten Bezirk durch die Interpretation der IIPO_
sind, werden die früheren Dialoge im Anschluß an den
liteia" im Hinblick auf ihren Gebrauch der erwähnten Wör
"Staat" besprochen, ebenso in einem weiteren Kapitel das
ter entsprochen werden. Der IIStaat" bietet sich dazu aus
Spätwerk. Weil sich nicht leugnen läßt, daß die Aussagen
zwei Gründen besonders an: Zum einen ist er von J. HIRSCH
aller Dialoge im allgemeinen konvergieren, und daß manche
BERGER und E. N. BUFF nicht behandelt worden, so daß die
Passagen durch ~tellen iri anderen Werken besser verständ
Erklärung unmittelbar ansetzen kann und sich nicht erst
lich werden, wUrde in. den beiden letzten Kapiteln die oben
von früheren Interpretationerr frei machen muß. Zum ande
?eschriebene Methode nicht in voller Strenge angewandt;
ren - und dieser Grund wiegt erheblich schwerer - ist der
meine Platonauffassung i~t gemäßigt unitarisch, analog zu
"Staatll das Zentrum .von Platons geschriebenem Werk. liEs
der, wie sie H. 'HAPP fUr Aristoteles formuliert hat. r
gibt wenige Schriften der früheren Zeit, die nicht in ir
gendeiner Weise in ihn münden, wenige der späteren, die Um Platons Verwendung der drei untersuchten Termini besser
nicht in ihm den Ursprung haben oder sich auf ihn zurück verstehen zu können, wird im ersten Kapitel dieser Arbeit
beziehen. "p Diesem Urteil P. FRIEDLÄNDERs .lassen sich die ihre Geschichte und die einiger verwandter Wörter von ih
Außerungen vieler bedeutender Platoninterpreten ~ die rem frühesten Vorkommen an, soweit es uns greifbar ist,
q
Seite stellen. Es ist demnach anzunehmen, daß die Unter bis zu Platon verfolgt. Dabei erweist es sich, daß zumin
suchung der Wörter vom Stamm cppov- gerade in diesem Dialog dest für CPP.OVTJCJht; der doppelte Bezug zur Theorie und
besonders ergiebig sein wird. Dabei ist beabsichtigt, jede zur Praxis nicht eine speziffsche Auslegung Platons ist,
Belegstelle zuerst einmal für sich und dann im Dialoggan- sondern dem Wort von Anfang an zu eigen war. Insofern ist
!~
- 16 -
die communis opinio, nach der Aristoteles mit seinem ein
seitig auf die Praxis bezogenen CPPOV110Lc;:-Begriff "auf die
vorplatonische Bedeutungsstufe" zurückgeht, wohl nicht
mehr z-u halten. S Auch der späte Platon dürfte nicht der
Ansatzpunkt für Aristoteles sein; darüber mehr in der I. iIlPONEIN UND VERWANDTES VOR PLATON
"Schlußbemerkung" der vorliegenden Arbeit.
Die Art und das Ziel dieser Arbeit bringen es mit sich,
daß die innerschulische Lehre Platans für sie weniger wich
t . Die Aufgabe des ersten Kapitels ist. ebenso sprach- wie. be
tig ist. Dafür gibt es zunächst einen äußeren Grund: Sinn
griffsgeschichtlicher Art; es soll das semantische und le
vollerweise kö.nnen bei einer Untersuchung der Terminologie
xikalische Material überprüft werden, das Platon vorfand.
eines bestimmten Autors nur seine eigenen Formulierungen
Da die drei wichtigsten Wörter - ~povElv, ~p6vL~ocund
zugrunde gelegt werden;- bei den Zeugnissen zur ungeschrie
~p6vnaLs1 - eine unterschiedlich lange Geschichte haben,
benen Lehre handelt es sich aber immer um Berichte über
erweist es sich als nützlich, sie getrennt zu betrachten
Platons Lehre, die seine Terminologie nicht exakt wieder
u und dabei jeweils gedanklich oder sprachlich verwandte
geben. Dennoch habe ich die nach meiner Kenntnis bisher
Prägungen heranzuziehen. Die erdrückende Fülle von Bele
e~nzige Sammlung von Texten zur ungeschriebenen Lehre
durchgearbeitet, die K. GAISER verdankt wird.v Das Ergeb gen, vor allem bei ~povElv, macht es unmöglich, auf alle
Stellen oder auch nur auf eine repräsentative Auswahl aus
nis ist dürftig: ~p6VnOLC kommt in den Testimonia Platonica
führlich einzugehen. Deshalb werden in diesem Kapitel nur
dreimal vor und zwar ohne besonders große philosophische
w die Ergebnisse vorgetragen; eine Zusammenstellung des re
Relevanz. Für die Seltenheit dieses Wortes im Zusammen
levanten Materials ist am Schluß der Arbeit, der besseren
hang mit der Prinzipienlehre läßt sich ein innerer Grund
Übersicht wegen in Listenform, beigegeben.
angeben: Die Prinzipienlehre hat es vor allem mit der On
tologie zu tun; es ist wohl kein Zufall, daß die Zahl der Sowohl in der Liste als auch bei der folgenden Behandlung
die Seele betreffenden Fragmente klein ist (frg. 25A. 66A. ausgewählter Stellen ist im Groben die chronologische Rei
66B. 67a. 67b GAISER) und daß es dort um die Einordnung henfolge der Autoren gewahrt; sie wird allerdings biswei
der Seele in die Dimensionenfolge oder um die Seele als len unterbrochen, ~enn das sprachliche Sondergut der ein
die Transzendenz erkennendes Subjekt geht, nicht aber um zelnen Literaturgattungen, die sich im Griechischen auch
die Seele des inkorporierten Menschen, die sich in der durch das Vokabular deutlicher voneinander abheben als in
Welt der Phänomene zu bewähren hat. Genau hier ist aber anderen Sprachen, verlangt eine zusammenfassende Behand
der Ort, den Platon der ~p6VnaLC zuweist. Wenn man die Be lung. Aus diesen Gründen wird folgender Aufbau angewandt:
deutung der ~p6vnaLC im Dialogwerk Platons untersucht, er Auf die Darstellung des epischen Materials - Horner und He
weist sich Platon eben nicht IIprimär als Fortsetzer des s~od - folgen die frühen Lyriker; ihnen schließen sich die
2
vorsokratischen Arche-Denkens 11 , sondern als Politiker _ vorsokratischen Denker an , von denen vor allem die als
oder weniger prätentiös ausgedrückt - als Erzieher in der wörtlich g~sicherten Fragmente herangezogen werden. Von den
Nachfolge des Sokrates.x . Tragikern und Komikern einerseits, den Historikern Herodot
und Thukydides andererseits geht die Untersuchung über zu
- 18 - - 19 -
den Platon unmittelbar voraufgehenden Rednern Antiphon, Substantiv im Dativ näher bestimmen.15 Dieser Gebrauch ist
Lysias und Andokides. Es folgt Platons Zeitgenosse Xeno jedoch selten geblieben und läßt sich bei attischen Pro
phon, der für die Zurückgewinnung der sokratischen Termi saisten, außer Platon, Phd. 96 b 4, nicht nachweisen.
nologie bedeutsam werden kann. Die Redner der platonischen
Zeit, von denen Isokrates wegen der Fülle des begrifflich Die sprachliche Entwicklung von cppovsl:v läßt sich kurz
relevanten Materials, die unmittelbar mit seinem Bildungs folgendermaßen darstellen:
anspruch und seiner bewußten Konkurrenz gegenüber den Eri 1) cPpovsl:v absolut kommt von Homer an vor und bleibt stän
stikern und Dialektikern zusammenhängt, der wichtigste ist, dig in Gebrauch.
bleiben von der Betrachtung ausgeschlossen. Freilich sind
" 2) CPPOVELV mit acc. rei ist ebenfalls homerisch; es erlebt
die bei ihnen vorkommenden Stellen durchaus noch nicht ge
eine besondere Blüte bei den Tragikern und tritt in der
3
nügend interpretiert worden ; es fehlt auch noch eine Un
Prosa - außer in der stereotypen Wendung ~Eya CPpovs1:'v -
tersuchung über die gegenseitige Beeinflussung zwischen
zurück, ohne ganz zu verschwinden.
Philosophen und Rednern des 4. Jahrhunderts auf diesem Be
3) cppovsl:v mit Adverb läßt sich seit Homer nachweisen und
griffsfeld.
bleibt auch später üblich, ohne dieselbe Ausdehnung wie
2) zu erreichen. Vor allem ED cppovsl:v mit seinen Syno
1. cPPOVE1:'V
nyma oder Opposita (xa/l..wC; CPPOVSLV, xaxwC; CPPOVELV usw.)
Das Verb CPPOVELV, das schon bei Homer mehrmal's vorkommt, ist in der Prosa lebendig.
4
ist, wie M. LEUMANN im Anschluß an Apollonios Dyskolos
4) CPPOVELV mit abhängiger Konstruktion, schon bei Homer
wahrscheinlich gemacht hat, eine verselbständigte Form aus
selten, verschwindet in der Folgezeit mehr und" mehr: In
dem Partizip EUCPPOVEW~, das seinerseits vom adjektivi
6 der Prosa lassen sich nur sehr wenige Belege finden.
schen Kompositum EUCPPWV hergeleitet werden muß. Doch
scheint die Herkunft des Wortes in homerischer Zeit schon 5) CPpovElv mit präpositionalem Ausdruck läßt sich im Epos
nicht mit Gewißheit nachweisen; später "kommen vor allem
nicht mehr bekann;t g~wesen "zu sein-, denn .sein Gebrauch hat
sich von den Komposita weg auf das Verbum simplex verla die Verbindungen CPPOVSLV xIX'1'a acc., CPPo'Jsl:v 11EPC gen.
gert, das sowohl absolut als auch mit dem Akkusativ Neu und ~EYO: CPPOVELV E::11C dat. vor.
trum verbunden auftritt.? Daneben steht cPPOVE1:'v auch mit 6) CPPOVELV mit instrumentalem Dativ findet man nur bei den
9
AdverbS oder mit abhängiger Konstruktion wie Infinitiv Vor~okratikern und in den von ihnen abhängigen doxogra
10 11 12
mit Objekt , AcI oder Nebensatz. Ein sicherer Beleg phischen Berichten.
für CPPOVE1:'V mit präpositionalem Ausdruck läßt sich bei Ho
mer nicht finden13; doch scheint dies~ Verbindung, die Die verschiedenen grammatischen Verbindungen, die das Wort
später häufig auftritt, im pseudohesiodeischen "Scutum" cPPOVE1:'V eingehen kann, sollen im folgenden darauf über
vorzuliegen.14 p~üft werden, ob sie für die Bedeutung des Wortes relevant
sind.
Bei den späteren Autoren-kommt zu diesen Möglichkeiten der
" 1) cPPOVE1:'V absolut gebraucht bedeutet fast immer "denken".
Verbindung kaum etwas Neues hinzu. Die Vorsokratiker ge
Nur an zwei Stellen (Horn., 11. XXII, 59 und Aisch., eh.
winnen eine neue Formulierung, indem 'sie CPPOVEI:V durch ein
517) muß man "denken" wohl verallgemeinern zu "leben". 16