Table Of ContentLEHRBDCHER UND MONOGRAPHIEN
AUS DEM GEBIETE DER
EXAKTEN WISSENSCHAFTEN
REIHE DER
EXPERIMENTELLEN BIOLOGIE
BAND I
PFLANZLICHE INFEKTIONSLEHRE
LEHRBUCH DER ALLGEMEINEN PFLANZENPATHOLOGIE
FOR BIOLOGEN, LANDWIRTE, FbRSTER
UND PFLANZENZDCHTER
VON
ERNST GAUMANN
0, PROFESSOR FUR SPEZIELLE BOTANIK
AN DER EIDG. TECHN. HOCHSCHULE IN ZURICH
Mit 467 Abbildungen und 107 Tabellen im Text
Zweite, umgearbeitete Auflage
Springer Basel AG
1951
Nachdruck verboten. Aile Rechte, insbesondere
das der Ubersetzung in frernde Sprachen und der Reproduktion
auf photostatischern Wege oder durch Mikrofilrn, vorbehalten
Copyright 1946, 1951 by Springer Basel AG
Urspriinglich erschienen bei Verlag Birkhauser AG., Basel 1951.
Softcover reprint of the hardcover 2nd edition 1951
ISBN 978-3-0348-6793-1 ISBN 978-3-0348-6806-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-6806-8
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VORWORT
Dieses Lehrbuch ist aus Vorlesungen entstanden, die der Verfasser seit
mehr als zwanzig Jahren an der Eidgenossischen Technischen Hochschule in
Zurich halt. Es mochte in die pflanzliche Infektionslehre einfiihren, also
in einige biologische Probleme, die dem pflanzlichen Kranksein zu Grunde
liegen, nicht aber in die spezielle Pflanzenpathologie, in die Kenntnis
der einzelnen Krankheiten; es erganzt somit den pflanzenpathologischen Unter
richt nach der theoretischen Seite hin.
Es sucht die allgemeinen parasitologischen und epidemiologischen Gesichts
punkte an Hand ausgewahlter Beispiele darzustellen und die Fachausdrucke,
die zum Teil schon in den taglichen Sprachgebrauch ubergegangen sind, zu
umschreiben. Manche von ihnen entstammen der Humanmedizin, haben jedoch
beim Dbergang in die Botanik eine Wandlung erfahren; soweit notwendig wer
den deshalb die Abweichungen unseres pflanzenpathologischen Denkens vom
medizinischen kurz angedeutet.
Die erste Auflage wurde wahrend des zweiten Weltkrieges geschrieben, als
die Schweiz vom geistigen Leben der ubrigen Welt abgeschlossen war. Die vor
liegende 2. Auflage muBte deshalb das gesamte Schrifttum der letzten zehn
Jahre neu berucksichtigen; mehrere Abschnitte wurden umgearbeitet, manche
Abbildungen und Tabellen ausgewechselt und 156 Abbildungen und 17Tabellen
neu hinzugefugt.
NaturgemaB bleibt dem personlichen Ermessen in der Umgrenzung des
Rahmens und in der Auswahl der Beispiele ein weiter Spielraum; der Verfasser
ist deshalb fur Hinweise und Ratschlage herzlich dankbar.
Zurich 6 Prof. Dr. E. GAUMANN
UniversitatsstraBe 2
Direktor des Institutes fiir spezielle Botanik
1. Marz 1950 der Eidg. Techn. Hochschule
7
INHALTSUBERSICHT
Einleitung . . . . . . 11
1. Kapitel: Die Infektion 15
§ 1. Der Mechanismus der Infektion . 17
§ 2. Die Umweltbedingungen der Infektion . 34
1. Der EinfluB der Feuchtigkeitsverhiiltnisse 42
2. Der EinfluB der Umwelttemperatur ... 46
3. Der EinfluB des Lichtes . . . . . . . . 52
4. Der EinfluB der Reaktion der Keimungsliisung . 53
§ 3. Infektionszeit, Inkubationszeit, Fruktifikationszeit 54
§ 4. Die Infektionsdichte . . . . . . . . . . . 59
§ 5. Der Infektionsweg. . . . . . . . . . . . 66
1. Der Befall durch die intakte Kiirperhaut 66
2. Der Befall durch Korperoffnungen . 67
3. Der Befall durch privilegierte Organe 73
a) Bltiteninfektion . . 74
b) Keimlingsinfektion. . . . . . . 77
c) Knospeninfektion . . . . . . . 79
d) Nadeln als spezifische Eintrittspforten 80
e) Wurzelhaare als Eintrittspforten. . . 80
4. Verletzungen als Eintrittspforten . . . . 81
5. Parasitogene Schadstellen als Eintrittspforten 85
6. Der Befall durch Wunden, die von Vektoren geschaffen wurden 86
§ 6. Die Besiedlung des Wirtes . . . . . . . . . 86
1. Die Art der Besiedlung des Wirtes . . . . . . . . . 86
2. Die Ausbreitungswege der Erreger im Wirt . . . . . 91
3. Die Ausbreitungsgeschwindigkeit der Erreger im Wirt . 99
4. Lokalinfektion und Allgemeininfektion 101
5. Die elektive Besiedlung des Wirtes . . . 105
a) Intra- und extramatrikale Besiedlung 105
b) Gewebespezifische Besiedlung . . . . 108
c) Organspezifische Besiedlung. . . . . 109
d) Organotrope und histotrope Besiedlung . 112
2. Kapitel: Die Infektketten ....... . 117
§ 1. Die Beschaffenheit der Infektketten . 117
1. Homogene Infektketten . 118
2. Heterogene Infektketten. . . . . 120
§ 2. Die Infektionsquellen . . . . . . . 123
1. Der infizierte Wirt als Infektionsquelle 126
2. Saprophytische Entwicklungszustiinde des Erregers als Infektionsreservoire 132
a) Saprophytische Entwicklungszustiinde an der Oberfliiche des ktinftigen
Wirtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132
b) Saprophytische Entwicklungszustiinde im Erdboden 135
3. Dauerzustiinde des Erregers als Infektionsquellen 147
8 lnhaltsiibersicht
§ 3. Die Ubertragung der Krankheitserreger . 151
1. Die direkte Keimiibertragung . . . . 152
a) Die germinative Keimiibertragung . 152
b) Die vegetative Keimiibertragung 156
c) Die adharente Keimiibertragung. . 158
2. Die indirekte Keimiibertragung. . . . 162
a) Autonome Ausbreitung des Erregers 162
b) Anemochorie 163
c) H ydrochorie . 173
d) Phytochorie . 175
e) Zoochorie . . 176
f) Anthropochorie 198
§ 4. Die Epidemiologie der pflanzlichen lnfektionskrankheiten 199
1. Das Bild der Epidemien . . . . . . . . . 203
a) Annuelle Schwankungen der Epidemien. . . . . . 203
b) Sakulare Schwankungen der Epidemien ..... . 206
2. Die Voraussetzungen fiir das Zustandekommen einer Epidemie . 209
a) Die Haufung anfalliger Wirtsindividuen 210
b) Die erhiihte Krankheitsbereitschaft des Wirtes. 211
c) Die Anwesenheit geeigneter Zwischenwirte 215
d) Die Anwesenheit eines aggressiven Erregers 220
e) Die Reproduktionskraft des Erregers . . . 228
f) Leichte Ausstreubarkeit des Erregers . . . 232
g) Euryiizische Entwicklungsanspriiche des Erregers 235
h) Optimale Witterungsverhaltnisse fiir die Entwicklung des Erregers
(Meteoropathologie) . . . . . . . . . . . . . . . . 236
i) Die Ursache der progressiven Heftigkeit der Epidemien . 244
3. Die Voraussetzungen fiir das Abklingen einer Epidemie 248
a) Die wachsende Durchseuchung der Bestande 249
b) Die Abnahme der Krankheitsbereitschaft der Wirte 250
c) Die Abnahme der Vitalit at des Erregers. . . . . . 251
3. Kapitel: Die parasitische Eignung der Erreger . . . 253
§ 1. Die angeborenen, konstitutionellen Verschiedenheiten in der parasitischen
Eignung . . . . . . . . . . . . . . 253
1. Affinitat, Aggressivitat, Pathogenitat 253
2. Die Wirtswahl . . . . . . . . 258
3. Die Spezialisierung der Erreger . . . 264
§ 2. Die Veranderungen der parasitischen Eignung 274
1. Veranderungen durch Kernentmischung (Segregation) . 275
2. Veranderungen durch vegetative Kernmischung (Heterokaryose) 279
3. Veranderungen durch sexuelle Kernmischung (Kernphasenwechsel) 283
4. Veranderungen durch Bastardierung 286
5. Veranderungen durch Mutation. . . . . . . . . . . 289
6. Der EinfluB der Ernahrung . . . . . . . . . . . . 294
7. Veranderungen durch den Wirt (Das Passageproblem). 299
8. Der EinfluB von Mischinfektioneu 308
9. Der EinfluB der Umwelttemperatur . . . . . 317
§ 3. Die Voraussetzungen der parasitischen Eignung . 328
1. Die AufschlieBung des Wirtskiirpers . . . . . 328
2. Die Auseinandersetzung zwischen Erreger und Wirt . 330
3. Die stofflichen Grundlagen der pathogenen Wirkung der Erreger 332
Inhaltsiibersicht 9
4. Kapitel: Die Krankheitsbereitschaft der Wirte 337
A. Die angeborene Krankheitsbereitschaft . 343
I. Die stofflichen Grundlagen der Axenie 346
§ 1. Die Befallsresistenz . . . . . . 347
1. Die V erkiirzung der Expositionszeit der anfii.lligen Gewebe 347
2. Die Verkiirzung der Expositionszeit der anfii.lligen Organe 349
3. Die Wuchsform . . . . 353
§ 2. Die Eindringungsresistenz 353
1. Der Bau der Oberhaut . 353
2. Der Bau der Spaltoffnungen 355
§ 3. Die Ausbreitungsresistenz. . . 355
1. Generelle Ausbreitungsresistenz der Zellwii.nde 356
2. Ausbreitungsresistenz durch Barrikadengewebe 359
3. Der mangelnde Nii.hrstoffgehalt der Gewebe 362
4. Der mangelnde Gehalt an Wuchsstoffen 363
5. Die Aziditii.t des Zellsaftes . . . . 365
6. Der osmotische Wert des Zellsaftes 367
7. Keimwidrige Zellinhaltsstoffe . 368
§ 4. Die Toxinresistenz . 375
II. Die Abwehrreaktionen . 375
§ 1. Die Abwehrreaktionen s. str. 377
1. Antiinfektionelle Abwehrreaktionen 378
a) Autonome antiinfektionelle Abwehrreaktionen 379
aa) Plasmatische Abwehrreaktionen 379
bb) Nekrogene Abwehrreaktionen. . . . . . 391
b) Induzierte antiinfektionelle Abwehrreaktionen 412
aa) Sensibilisierung durch den Erreger selbst (infektionsgebundene
Abwehrreaktionen) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413
bb) Sensibilisierung durch die Stoffwechselprodukte des Erregers . 422
c) Der Mechanismu s der antiinfektionellen Abwehrreaktionen. 426
aa) Erworbene Agglutinine 429
bb) Erworbene Lysine 431
cc) Erworbene Bakteriophagen 431
dd) Erworbene Antikorper gegen Viren 433
2. Antitoxische Abwehrreaktionen . 434
aa) Histogene Demarkationen 437
bb) Gummose Demarkationen 448
3. Induzierte Toleranz . . 451
§ 2. Die passive Immunisierung . . . . 460
§ 3. Abwehrreaktionen und Immunitii.t . 461
III. Die Vererbung der Krankheitsbereitschaft 466
B. Die Verii.nderungen der Krankheitsbereitschaft durch die Urnw elt (Die Disposition
des Wirtes) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469
1. Die ontogenetischen Verschiebungen der Krankheitsbereitschaft. 473
2. Der EinfluB der Vitalitii.t des Wirtes . 489
3. Der EinfluB der Ernii.hrung. . . . 493
4. Der EinfluB der Umwelttemperatur 504
5. Der EinfluB des Wasserhaushaltes . 518
6. Der EinfluB des Lichtes . . . . . 525
7. Der EinfluB des Kohlensii.uregehaltes der Luft 530
8. Der EinfluB der Bodeneigenschaften . . . . . 532
10 Inhaltsiibersicht
9. Der Einflul.l der Pfropfung . . . . . 535
10. Der Einflul.l von Primarerkrankungen 538
11. Der Einflul.l von Schadigungen 546
5. Kapitel: Die Erkrankung . . . . . . . . 556
§ 1. Allgemeine Gegebenheiten . . . . . . . . . . 559
1. Symptomhafte und symptomlose Erkrankung 559
2. Bereich der lnfektion und Bereich der Erkrankung 561
3. Das Gewicht von Erreger und Wirt bei der Symptombildung. 566
4. Der Einflul.l der Umweltbedingungen auf das Krankheitsbild und den
Krankheitsverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 572
§ 2. Morphologisch-anatomische Manifestationen der Erkrankung . . . . . 575
1. Storungen im vVachstum und in der Formbildung des Wirtes (Teratologie) 576
2. Storungen im anatomisch-histologischen Aufbau des Wirtes {pathologische
Anatomie) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 591
§ 3. Physiologische Manifestationen der Erkrankung (pathologische Physiologie) 595
1. Storungen des Energiestoffwechsels . . . 599
2. Storungen des Kohlehydratstoffwechsels. 608
3. Storungen des Eiweil.lstoffwechsels . 612
4. Storungen des Mineralstoffwechsels . 615
5. Storungen des Wasserhaushaltes . . 616
6. Storungen im Chemismus der Zellen 622
6. Kapitel: Die Bekampfung der pflanzlichen Infektionskrankheiten 627
§ 1. Die Infektionsprophylaxe 627
§ 2. Die Dispositionsprophylaxe. 631
§ 3. Die Therapie . . . . . . . 631
Zitierte Literatur 635
Register .... 651
11
EINLEITUNG
Der Zustand der Erkrankung HiBt sich weder in der Humanmedizin noch
in der Pflanzenpathologie knapp und erschopfend umschreiben. Jedenfalls liegt
aber ein Wesenszug der Erkrankung im Eintreten einer augenfalligen, mani
festen Reaktion des betroffenen Organismus; bleibt diese a us, so wird man
(ausgenommen bei symptomlosen Erkrankungen) eher von einer Schadigung
sprechen; wenn zum Beispiel phanerogamische Parasiten (die Schuppen
wurz, Lathraea Squamaria L.) oder Halbparasiten (der Augen trost, Euphra
sia, oder der Wachtelweizen, Melampyrum) ihren Wirten Stoffe entziehen,
ohne daB die befallenen Individuen darauf sichtbar (oder hochstens durch ein
gewisses Zuriickbleiben im Wuchs) reagieren, so ist dies nicht eine Erkrankung,
sondern bloB eine Schwachung oder Schadigung derselben.
Die augenfalligen Reaktionen des Wirtes werden Krankheitssymptome
genannt. Die Lehre von den Symptomen heiBt Symptomatik. Die Dia
gnostik schlieBt aus den Symptomen auf die Art der Erkrankung; ihre Be
stimmungsschliissel arbeiten nach der Methode der Differen tialdiagnose.
Mit den Krankheitsursachen befaBt sich die At iologie, mit der Heilung die
Thera pie und mit dem Vorbeugen die Hygiene und die Prophylaxe. Die
Medizin bezeichnet die Vorgeschichte eines Krankheitsfalles als seine Ana
mnese, seine Entwicklung als die Pathogenese.
Nach der Natur der krankheitsauslosenden Einwirkungen zerfallen die
Pflanzenkrankheiten in physiologische und in Infektionskrankheiten.
Die physiologischen Krankheiten werden oft negativ als micht para
sitare Krankheiten )) bezeichnet; sie gehen zum Beispiel auf inn ere Storungen
zuriick (Pathologie des Stoffwechsels, der Bildung von Wuchsstoffen, von
organogenen Wirkstoffen usw.) oder auf iibermaBige Einwirkung der AuBenwelt
(Hitze, Kalte, Fabrikgase usw.) oder auf partielle Unterernahrung (Mangel
krankheiten, zum Beispiel Mangel an P, N, K, Ca oder an Spurenelementen;
Darstellung der letzteren bei ScHARRER, 1941).
Die Infektionskrankheiten werden durch Ansteckung ausgelost und
sind ihrerseits in der Regel wieder ansteckungsfahig, iibertragbar, in
fektios. Als Erreger kommen in Betracht:
a) Parasitische Pilze (pilzliche Infektionskrankheiten, Mykosen). Im
Gegensatz zu den Infektionskrankheiten des Menschen und der warmbliitigen
Tiere, die iiberwiegend durch pathogene Bakterien und nur in geringem MaBe
durch pathogene Pilze hervorgerufen werden, dominieren bei den pflanzlichen
Infektionskrankheiten aus spater zu besprechenden Grunden die Pilze als
Erreger; von 162 wirtschaftlich wichtigen Infektionskrankheiten der landwirt-