Table Of ContentE. Mutschier K. Schrör (Hrsg.)
Pentaerithrityl-
•
tetra nitrat
Pharmakologische und klinische Daten
zur Koronaren Herzkrankheit
Prof. Dr. med. Dr. rer. nato Dr. h. c. E. Mutschier
Pharmakologisches Institut, Biozentrum Niederursel
Marie-Curie-Straße 9, 60439 Frankfurt/Main
Prof. Dr. med. K. Schrör
Institut für Pharmakologie
Heinrich -Heine-Universität
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
Wissenschaftliche Betreuung der Reihe
Prof. Dr. med. H. T. Schneider
Medizinische Fakultät Universität Bonn
Hochschule für Technik und Wirtschaft (FH) Albstadt-Sigmaringen
Arbeitsgruppe Pharmakologie, Anton-Günther-Straße 51,
72488 Sigmaringen
ISBN 978-3-7985-1197-2 ISBN 978-3-642-87801-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-642-87801-5
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© Steinkopff Verlag, Darmstadt, 1999
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Satz: K+V Fotosatz GmbH, Beerfelden
Gedruckt auf säurefreiem Papier
Herrn Dr. Helmut Främmel (1915-1997) gewidmet
Vorwort
Die Bedeutung von NO-Donatoren in der Therapie der Koronaren Herzkrank
heit ist seit Generationen etabliert. Die NO-Liberation als endogene Defizite
substituierendes Wirkprinzip hat durch die Verleihung des Nobelpreises an
NO-Forschungsgruppen ihren pharmakologischen Stellenwert erneut einer
breiten Öffentlichkeit bewußt gemacht.
Das zu der Klasse der Nitrovasodilatatoren gehörende Pentaerithrityltetrani
trat (PETN)" weist gegenüber anderen Vertretern dieser Substanzklasse eine
Reihe von physiologischen, pharmakologischen und klinischen Unterschieden
auf. Der rasche Wirkungseintritt und die Langzeitwirkung kann durch die
Pharmakokinetik der Hauptmetaboliten von PETN erklärt werden. Die in kli
nisch relevanten Modellen mehrfach gezeigte fehlende Toleranzentwicklung ist
zwar in ihren Mechanismen nicht vollständig verstanden, aber von erheblicher
Bedeutung für den therapierenden Arzt. Von klinischer Relevanz ist auch die
im Gegensatz zu anderen Nitraten deutlich geringere Inzidenz von Kopf
schmerzen. Der endothelprotektive, antiatherosklerotische Effekt könnte dieser
Substanz neue Anwendungsfelder eröffnen bzw. positive Ergebnisse aus out
come-Studien erwarten lassen.
1998 trafen sich in Potsdam die Forschungsgruppen, die PETN untersu
chen, zu ihrem traditionellen jährlichen Erfahrungsaustausch. Dieses PETN
Expertentreffen ergänzt und konzentriert die Forschungsergebnisse, die seit
dem vorangegangenen Treffen erarbeitet und auf nationalen und internationa
len Kongressen präsentiert wurden. Das hohe Niveau dieser Forschungsarbei
ten kann exemplarisch belegt werden durch die Annahme von Beiträgen auf
der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Herz- und Kreislaufforschung
sowie der 71st Scientific Session der AHA. Die Veröffentlichung von Original
beiträgen aus der PETN-Forschung in anerkannten Journals wie dem Euro
pean Journal of Pharmacology, dem International Journal of Clinical Pharma
cology and Therapeutics sowie den Biochemical Biophysical Research Com
munication sind ebenfalls deutliche Belege für die wissenschaftliche Qualität
der PETN -Forschungsaktivitäten.
In Potsdam präsentierte die Arbeitsgruppe um Hess (Humboldt-Universität
Berlin) Befunde, die gezeigt haben, daß wirkstofforientierte Synthesen an
PETN auch heute noch für die Erweiterung der therapeutischen Möglichkeiten.
" Handelsname: Pentalong®
VI Vorwort
sinnvoll sind. Die von Hammes und Mitarbeitern durchgeführte Validierung
der gaschromatographischen/massenspektrometrischen Bestimmung von
PETN-Hauptmetaboliten liefert die methodische Voraussetzung für die valide
bioanalytische Begleitung der biomedizinischen PETN-Forschung. Kojda und
Mitarbeiter (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf) kONnten ihre bisherigen
Befunde zur cytoprotektiven Wirkung von PETN dahingehend erweitern, daß
diese Wirkung auch an bereits vorgeschädigtem Edothel auftritt. Hohlfeld und
Mitarbeiter (Heinrich-Heine-Universität, Düsseldorf) konnten die Wirkung
von PETN auf Infarktgröße über Hemmung der Aktivierung neutrophiler Gra
nulozyten und Reduktion der Adhäsion von Leukozyten erklären. Das Ausblei
ben von Toleranzeffekten unter nicht intermittierender PETN-Therapie läßt
sich nach Befunden der Arbeitsgruppe Bassenge (Universität Freiburg) da
durch erklären, daß im Gegensatz zu GTN nur minimale Mengen von reakti
ven Sauerstoffspezies (ROS) gebildet werden. Die Arbeitsgruppe H. Schröder
(Universität Halle/Saale) wies andererseits experimentell nach, daß PETN und
sein Metabolit PETriN die Expression endogener antioxidativer Stoffwechsel
wege stimuliert. Vor dem Hintergrund der zahlreichen chemischen, pharma
kologischen und physiologischen Befunde ist bedauerlich, daß die von Silber
(München) präsentierten klinischen Daten aus einer Multizenterstudie eine
Entscheidung zur Entwicklung einer einmal täglichen Dosierung noch offen
ließen.
Erstmalig wurden auf dem Expertentreffen auch Forscher für ihre geleistete
Arbeit ausgezeichnet. Der von EMS Dottikon (Schweiz) gestiftete Posterpreis
wurde von der Jury Herrn Dr. B. Fink (Arbeitsgruppe Bassenge, Freiburg) zu
erkannt. Frau Stefanie Oberle (Arbeitsgruppe Schröder, Halle) erhielt für ihre
Präsentation den vom Steinkopff Verlag gestifteten Preis für den besten Nach
wuchsforscher. Frau Oberle überzeugte die Juroren durch die Vorbereitung
und Präsentation ihres Beitrages sowie ihre Sicherheit in der anschließenden
Diskussion.
Vor dem Hintergrund der vielfältigen, sich gegenseitig stützenden pharma
kologischen Daten erscheint die Planung und Durchführung weiterer klini
scher Untersuchungen sinnvoll, die eine definitive Aussage über den klini
schen Stellenwert der Substanz zulassen.
E. Mutschler K. Schrör
Inhaltsverzeichnis
Neue Chemosynthesen an PETN-Metaboliten und Strukturanaloga
U. Hess, A.-K. Windeck, H. Brosig, G. König
2 Gleichzeitige Bestimmung von Pentaerithrityldinitrat und Pentaerithritylmononitrat
im Humanplasma mit Gaschromatographie/Massenspektrometrie ........... 11
W. Hammes, Christine Bourscheidt, Renate Glasneck, H. Bökens
3 Kann eine nicht-intermittierende, niedrig dosierte Gabe von PETN die Progression
der endothelialen Dysfunktion bei etablierter Atherosklerose verzögen? . . . . . . . 25
A. Hacker, E. Noack, G. Kojda
4 Ferritin und Hämoxygenase:
Antioxidative Gene als "Target" für Pentaerithrityltetranitrat 31
Stefanie Ob erle, Petra Schwartz, H. Schröder
5 In vivo induzierte Bildung von reaktiven Sauerstoffspezies durch Behandlung
mit Pentaerithrityltetranitrat oder Nitroglyzerin: Wirkung von Vitamin C . . . . . . . 39
B. Fink, S. Dikalov, M. Schwemmer, D. Stalleicken, E. Bassenge
6 Wirkung von PETN auf die experimentelle Myokardischämie beim Schwein 53
T. Hohlfeld, Y.c. Vogel, M. Braun, K. Schrör
7 Doppelblinde, plazebokontrollierte Pilotstudie zur Wirksamkeit einer 1xtäglichen
Gabe von Pentaerithrityltetranitrat (PETN) im Vergleich zur 3xtäglichen Gabe
bei Patienten mit stabiler Angina pectoris .......................... 61
S. Silber
Verzeichnis der Vorsitzenden, Autoren und Referenten
Prof Dr. med. Dr. rer. nato Prof Dr. U. Heß
Dr. h. C. E. Mutschier Dr. A.-K. Windeck
Pharmakologisches Institut H. Brosig
Biozentrum Niederursei Humboldt -Universität Berlin
Marie-Curie-Straße 9 Institut für Pharmazie
60439 Frankfurt/Main Goethestr. 54
13086 Berlin
Prof Dr. med. E. Bassenge
S. Dikalov Prof Dr. med. T. Hohlfeld
Dr. B. Fink Prof Dr. med. K. Schrör
Institut für Pharmakologie
Dr. M. Schwemmer
Heinrich -Heine-Universität
Institut für Angew. Physiologie
Moorenstr. 5
Hermann-Herder-Straße 7
40225 Düsseldorf
79104 Freiburg
Stefanie Oberle
Dr. W. Hammes
Petra Schwarz
Christine Bourscheidt
Prof Dr. H. Schröder
Renate Glasneck
Institut f. Pharmakologie U. Toxikologie
Dr. H. Bökens
f. Naturwissenschaften
Schwarz Pharma AG Fachbereich Pharmazie
Alfred-Nobel-Str. 10 Wolfgang-Langenbeck-Str. 4
40789 Monheim 06120 Halle
A. Hacker Prof Dr. med. S. Silber
Prof Dr. med. E. Noack Kardiologische Gemeinschaftspraxis
PD Dr. G. Kojda Tal 21
80331 München
Institut für Pharmakologie
Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5 Dr. med. D. Stalleicken
40225 Düsseldorf G. König
ISIS PHARMA GmbH
Galileistr. 6
08056 Zwickau
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Neue Chemosynthesen an PETN *-Metaboliten
und Strukturanaloga
U. HESS, A.-K. WINDECK, H. BROSIG, G. KÖNIG
• Einleitung
Die Chemie rund um das seit über 40 Jahren therapeutisch verwendete und
seit 1901 bekannte Pentaerithrityltetranitrat (PETN) ist bis in die 40er Jahre
fast ausschließlich als Sprengstoff entwickelt worden. Danach wurden weder
nennenswerte synthetische Entwicklungen noch generelle Untersuchungen
zum elektrochemischen Redoxverhalten von PETN als NO-Donor unternom
men, so daß eine pharmazeutisch-chemisch/elektochemisch orientierte Syn
theseforschung durchaus Erfolgschancen versprach.
Die nach einer Literaturstudie 1996 konzipierte Forschungsrichtung [1] erwies
sich in folgenden Richtungen als erfolgreich [2, 3].
Entwicklung strukturanaloger Säurederivate des PETN mit vasodilatatori
scher Wirkung,
Entwicklung eines Prodrugs für Pentaerithrittrinitrat (PETriN) mit redoxge
förderter NO-Liberation und ausgeprägter Vasodilatation sowie
Elektrochemische Untersuchungen zum Reduktionsverlauf der organischen
Nitratfunktion.
Synthese von strukturanalogen Säurederivaten des PETN
mit vasodilatatorischer Wirkung
Zur Realisierung der Entwicklungskonzeption erfolgte primär die Synthese der
zu PETN strukturanalogen Säuren 3-Nitryloxy-2,2-bis(nitryloxymethyl)pro
pionsäure (Tri-PS),
4-Nitryloxy-3,3-bis(nitryloxymethyl)butansäure (Tri-BS) und 2,2-Bis(nitryl
oxymethyl)-malonsäure (Bis-MS) sowie deren Säurederivaten (Abb. 1).
Tri-PS ist durch Oxidation von PETriN [4,5] mittels Permanganat, Salpeter
säure und Se02 bzw. auch durch anodische Oxidation zugänglich (Abb. 2).
Analog läßt sich Bis-MS aus Pentaerithritdinitrat (PEDN; [4,5]) herstellen.
Die Synthese von Tri-BS kann auf zwei Wegen erfolgen (Abb.3): Einmal
über das aus Pentaerithrit (PE; !) leicht zugängliche PE-bromid (~). Die Ni
trierung von ~; zum Trinitrat (~) und dessen Grignardierung zu ,1, gefolgt von
der anschließenden Reaktion mit CO2, führt zu Tri-BS (~; Abb. 3).
* Handelsname: Pentalong®
2 U. Hess et al.
0",,- .;:;0 0",,- .;:;0
N N
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I. I.
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0 ""-0' O?' ""-0
4-Nitryloxy-2.2-bis(nitryloxy 2.2. Bis(n itryloxymethyl) 3-N itryloxy-2. 2- bis( nitryloxy
methyl)butansäure (Tri-BS) malonsäure (Bis-MS) u. methyl)propionsäure (TriPS)
u. Säurederivate Säurederivate u. Säurederivate
Abb. 1. Zu PETN strukturanaloge Säuren
o
/ 0
O::::::::=N~=X:
Oxidation o OH
--------------~. o 0
N/ '\, ·-0
\\ jN -
O
PETriN TriPS
Abb. 2. Oxidation von PETriN zu Tri-PS
Weiterhin ist Tri-BS aus ~ über eine Cl-Synthese mittels KCN und die Ver
seifung des resultierenden Cyanids Q zur Säure Z sowie deren Nitrierung mit
950/0-iger HN0 zugänglich.
3
Die Darstellung der Säure derivate wie Ester, Amide und Hydrazide erfolgte
mit herkömmlichen Methoden im Hinblick auf die Entwicklung neuer Meta
bolitenstrukturen mit vasodilatatorischem Wirkprofil, die sich ebenfalls auf ni
trierte Etherderivate von PETriN und PEDiN erstreckte.
Eine Auswahl von 6 synthetisierten Vertretern zeigte bei der Prüfung zum
Ausmaß der Relaxation von isolierten Aortenringen des Kaninchens [6) nach
Huisgen, Noack und Kojda [7) ähnliche pD Werte wie vergleichsweise unter
2-
suchtes PETN, PETriN, PEDiN und Pentaerithritmononitrat (PEMN).
Das Ausmaß der Relaxation ist in Abb.4 als Prozentsatz der bei der jeweili
gen Wirkstoffkonzentration noch verbleibenden Kontraktion (Restkontraktion)
dargestellt. Die halbmaximal wirksame Konzentration ECso gibt die Wirkstär
ke wieder und ist als pDz-Wert (Konz. in -log M) ausgedrückt.
Als Prototyp der Synthese von Nitratethern seien PETriN-methylether und
Bis-PETriN -ether genannt.
Neue Chemosynthesen an PETN-Metaboliten und Strukturanaloga 3
o
I.
OH
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PE __H_ B_r _ _ _ __H_ N_O_/H_2_S0_, _ _
O~O
Eisessig •
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HO Br 0 :::::::::::N+ / '" N
~, ~!
1 HO PE-Br \
o 0
Mg
1. CO" 2. Hp
-Mg(OH)Br
HN03 §., Tri-BS
~N
OH ~~~_KC_N -HO~a.
1. Ba(OH)" 2. HßO,
• _ _
HO HO
HO I HO HO ~
Abb. 3. Synthese von Tri-BS
PETriN-methylether ist sowohl über eine WILLIAMSON-Synthese aus Na
methylat und PETriN-chlorid, wie auch durch Methylierung von PETriN mit
Diazomethan zugänglich.
Bis-PETriN-ether erhält man aus PETriN und Thionylchlorid in Gegenwart
von Pyridin oder durch Nitrierung des leicht zugänglichen Dipentaerithrits
mit hochkonzentrierter Nitriersäure. Mittels Hydrazin in Ethanol/Dioxan las
sen sich zwei Nitratgruppen des Bis-PETriN-ethers zu Bis[2-hydroxymethyl-
2,2-bis(nitryloxymethyl)ethyllether (Bis-PEDiN-ether) reduzieren (Abb. 5).
Von besonderem Interesse erwies sich der 3-Nitryloxy-2,2-bis(nitryloxy
methyl)propionsäure-[3-nitryloxy-2,2-bis(nitryloxymethyI) propyl 1e ster (TriPS
PETriN-ester), da er nach elektrochemischen Untersuchungen eine redoxgeför
der te NO-Liberation als "sich selbst reduzierendes System" zuläßt. Seine Syn
these erfolgt aus TriPS über dessen Säurechlorid (TriPS-Cl) und Veresterung mit
tels PETriN (Abb. 6).