Table Of ContentPARTEIGRUPPEN IN DER GROSS-STADT
SCHRIFTEN DES INSTITUTS FÜR POLITISCHE WISSENSCHAFT
HERAUSGEGEBEN VOM WISSENSCHAFTLICHEN LEITER PROF. DR. OTTO STAMMER, BERLIN
BAND 16
RENATE MAYNTZ
Parteigruppen in der Großstadt
Untersuchungen in einem Berliner Kreisverband der CDU
Mit einem Vorwort von Otto Stammer
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
ISBN 978-3-322-97962-9 ISBN 978-3-322-98541-5 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-98541-5
© 1959 Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag, Köln und Opladen 1959.
Softcover reprint ofthe hardcover 1s t edition 1959
Bindearbeiten: Korne/ius Kaspers' Düsseldorf
INHALT
Erläuterungen ...................................................... VII
Vorwort. Von Professor Dr. Otto Stammer ........................... IX
Einleitung .......................................................... 1
Leitfragen der Untersuchung .......................................... 1
Wahl des Untersuchungs gegenstandes .................................... 4
Materialsammlung. ...... .. .......... ............. . .... .. .. .......... . 5
Abgrenzung der Gültigkeit der Ergebnisse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Erstes Kapitel
Geschichte und Aufbau des Kreisverbandes Westmitte 11
Gründungsgeschichte des Kreisverbandes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
Die Struktur des Kreisverbandes nach den Satzungen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Bevölkerung und eDU-Mitglieder im Bezirk Westmitte; Wahlergebnisse 22
Zweites Kapitel
Mitgliederwerbung und Auswahl von Amtsträgern ...................... 28
Mitgliederwerbung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 28
Aktive und inaktive Mitglieder im Kreisverband .......................... 36
Wahl der Ortsgruppenvorstände ........................................ 42
Auswahl der Mitglieder in Ausschüssen und Arbeitsgemeinschaften und ihrer
Vorsitzenden. ..................................................... 50
Selektion des Kreisvorstandes .......................................... 55
Selektion der Bezirksverordneten, Abgeordneten und Wahlbeamten im Kreis-
verband Westmitte ................................................. 64
Mitwirkung des Kreisverbandes bei der Wahl des Landesvorstandes und der
Bundestagsabgeordneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 69
Drittes Kapitel
Allgemeine Aspekte der sozialen Ordnung des Kreisverbandes ....... .. . .. 74
Aufgabenverteilung, Koordinierung und Kontrolle ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 74
Faktoren der Integration .............................................. 76
Spannungen im Kreisverband . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85
VI Inhalt
Viertes Kapitel
Propaganda, Meinungs- und Willensbildung im Kreisverband . . . .... .. ... 91
Meinungs- und Willensbildung in den Ortsgruppen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 93
Meinungs- und Willensbildung in den Aussmüssen, Arbeitsgemeinsmaften und
Arbeitsgruppen . ................................................... 109
Meinungs- und Willensbildung im Kreisvorstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120
Fünftes Kapitel
Die Bezirksverordneten 125
Der Aufbau der Bezirksverwaltung .................................... 125
Anträge und Anfragen der Fraktion. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 127
Die Bezirksverordnetenversammlung .................................... 134
Schlußbemerkungen ................................................. 141
Maßstäbe bei der Beurteilung der Ergebnisse .............................. 141
Die Auswahl von Amtsträgern .......................................... 142
Beteiligung der Mitglieder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 148
Willensbildung im Kreisverband ........................................ 151
Konsensus der Mitglieder .............................................. 155
Kreisverband und Bezirksverwaltung .................................... 156
ER LKUTER U N GEN
1. Zitierweise der Anmerkungen
Im Interesse einer sdmellen Orientierung wird einer mehrfadt zltlerten Sdtrift in
Klammern die Nummer der Anmerkung mit dem ersten, vollständigen Zitat beigefügt. Die
Abkürzung a. a. O. wird nur verwendet, wenn sich die Angaben auf die gleidte Quelle wie
in der unmittelbar vorhergehenden Anmerkung beziehen; ebda. bedeutet nidtt nur die
gleidte Quelle, sondern audt dieselbe Seitenzahl.
2. Wichtige Abkürzungen
CDU Christlidt-Demokratisdte Union
DDP Deutsdte Demokratisdte Partei
DNVP Deutsdtnationale Volkspartei
DP Deutsdte Partei
FDP Freie Demokratische Partei
KPD Kommunistisdte Partei Deutsdtlands
LDP Liberaldemokratisdte Partei
SBZ Sowjetisdte Besatzungszone
SED Sozialistisdte Einheitspartei Deutsdtlands
SPD Sozialdemokratisdte Partei Deutsdtlands
VORWORT
Als Band 6 seiner Schriften hat das Institut für politische Wissenschaft nStudien zur
Entwicklung der deutschen Parteien bis zur Bundestagswahl 1953« veröffentlicht.
Sigmund Neumann hat in der Einleitung zu dieser Schrift die wichtigsten Probleme
der nach dem Kriege auch in Deutschland wieder aufgelebten Parteienforschung
behandelt. Er hat darauf hingewiesen, daß die Parteiensoziologie sich nicht nur mit
den Fragen der Stellung und der Funktion politischer Parteien im Parteiensystem
und in der politischen Ordnung eines Landes befaßt, sondern daß seit Robert Michels'
aufsehenerregenden Arbeiten insbesondere die Problematik der Binnenstruktur einzel
ner Parteien das Interesse der politischen Wissenschaft wachgerufen hat.
Die lebhafte Kritik, mit der die öffentlichkeit das Wiedererstehen und die Ent
wicklung der deutschen Parteien seit 1945 verfolgt, bezieht sich einerseits auf die
Rolle, die sie im demokratischen Regierungssystem übernommen haben, auf ihre
Außenverbindungen, ihre Programmatik und die von ihnen verfolgte politische Linie.
Sie wendet sich auf der anderen Seite mit besonderem Eifer immer wieder der Organi
sationswirklichkeit einzelner Parteien zu. Je weniger Außenstehende über die Prozesse
der Meinungs- und der Willensbildung innerhalb dieser Parteien wissen, desto inter
essierter versuchen sie gewisse Symptome etwa der Teilnahmslosigkeit von Mit
gliedern oder der Verharschung innerparteilicher Führungsgruppen zu interpretieren.
Auf diese Weise hat sich bei vielen unserer Mitbürger ein recht negatives Meinungs
klischee über die innere Verfassung der politischen Parteien entwickelt. Diese werden
weithin angesehen als bürokratisierte, von einer relativ festen Oligarchie geleitete,
in der Meinungsbildung ihrer Mitglieder manipulierte Großorganisationen, die den
landläufigen Vorstellungen von einer demokratischen Partei nicht mehr entsprechen.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Parteienforschung besteht darin, diesen in vielen
Fällen mit Ressentiments gegen den politischen Betrieb demokratischer Organisationen
verbundenen Auffassungen über die politischen Parteien ein eindeutiges, wissenschaft
lich fundiertes Bild von der Organisationswirklichkeit der Parteien gegenüberzustel
len. In den meisten der bisher zu diesem Gegenstand vorgelegten Untersuchungen hat
sich die Aufmerksamkeit im wesentlichen dem Gesamtbilde der Partei zugewendet,
im besonderen den Fragen der Auswahl und der Zusammensetzung der Führungs
gremien und dem Verhältnis zwischen Parteileitung, Parteiapparat und Parteimitglie
derschaft. Die Mehrzahl der Mitglieder einer Partei kommt nur in den unteren Ein
heiten der Organisationen mit dem innerparteilichen Geschehen in unmittelbare Ver
bindung. Was sich tatsächlich in diesen lokalen Parteigruppen abspielt, entzieht sich
dennoch bisher einer wissenschaftlich kontrollierten Beobachtung. Und doch bestehen
gerade hier die Nahtstellen zwischen Mitgliederschaft und Funktionärkörper, erweist
sich im Gruppenleben dieser Einheiten, wie die Prozesse der Meinungs- und der Wil
lensbildung auf der breiten Basis des Organisationslebens sich abspielen.
Das Institut hat es daher sehr begrüßt, daß Frau Privatdozent Dr. Renate Mayntz,
die vor einigen Jahren bereits die Rolle der Parteiortsgruppen in einer westdeutschen
x Vorwort
Landgemeinde studiert hat, eine gründliche Untersuchung der Struktur und des inner
verbandlichen Geschehens eines Bezirksverbandes und einiger Ortsgruppen der Ber
liner CDU durchgeführt hat. Seine Mitarbeiter haben Frau Mayntz insbesondere bei
der Auswertung des von ihr dank der Aufgeschlossenheit der untersuchten Partei
einheit aufgebrachten empirischen Materials beraten. Das Institut veröffentlicht die
trotz ihrem monographischen Charakter für das innerparteiliche Geschehen sehr auf
schlußreiche Studie, da ihre Anlage und ihre im einzelnen möglicherweise zum Wider
spruch herausfordernden Ergebnisse durchaus in der Linie der in seiner Abteilung
"Parteien, Wahlen und Verbände" eingeleiteten parteiensoziologischen Untersuchun
gen liegen.
Die Verfasserin hat in der Einleitung und in den Schlußbemerkungen der vor
liegenden Arbeit dargelegt, welches die leitenden Fragestellungen sind, die sie auf
Grund ihrer Beobachtungen und Befragungen beantwortet haben wollte. Eine em
pirisch-soziologische Untersuchung der vorliegenden Art steht angesichts der Begrenzt
heit ihres Gegenstandes immer in der Gefahr, Ergebnisse, die nur von lokaler Be
deutung sind, zu verallgemeinern. Renate Mayntz hat sich rechtschaffen bemüht, den
Verlockungen zu voreiligen Generalisierungen zu entgehen. Was sie bei der Aus
wertung der gewonnenen Unterlagen im Schlußteil der Arbeit etwa über die Auswahl
von Amtsträgern und die Beteiligung der Mitglieder am Parteigeschehen zu sagen hat,
erfolgt in vorsichtiger Abwägung dessen, was nur für den untersuchten Kreisverband
gilt und was darüber hinaus vermutlich auch für lokale Untergruppen anderer Par
teien von Bedeutung ist. Ihre Feststellung etwa, daß die Parteimitgliederschaft zur
Mitbestimmung und zur Kmterübernahme innerhalb der unteren Parteieinheiten zu
wenig angeregt wird, dürfte für die Mehrzahl der lokalen Gruppen auch anderer
Parteien ebenfalls zutreffen.
Die Möglichkeit der Verallgemeinerung der in dieser Schrift vorgelegten Unter
suchungsergebnisse kann ohne Zweifel nur mit Sicherheit geprüft werden, wenn der
artige Monographien, wie es die Verfasserin vorschlägt, auf vergleichender Basis
durchgeführt werden. Das Institut hofft, in absehbarer Zeit die von ihm vorgesehenen
Parteien-Untersuchungen in dieser Richtung erweitern zu können.
Berlin-Dahlem, im Juli 1959 Otta Stammer
EINLEITUNG
Die Parteien gehören unbestritten zu den wesentlimen Bestandteilen der politischen
Ordnung der Bundesrepublik. Deshalb erkennt die politisme Wissenschaft in der
Analyse des politismen Handelns der Parteien und der Art, wie sie die ihnen zu
geschriebenen bzw. von ihnen übernommenen Funktionen tatsächlim ausüben, eine
ihrer wimtigsten Aufgaben. Dabei genügt es nicht, die Vorgänge auf der Ebene der
Parteileitungen, der Bundestagsfraktionen und der hödtsten staatlidten Gremien zu
untersuchen. Die Forschungsarbeit muß sidt vielmehr auf die Frage ausdehnen, welme
Rolle die unterste organisatorische Einheit der Partei, die lokale Parteigruppe, inner
halb der politisdten Prozesse spielt. Die vorliegende Untersuchung stellte ~ich daher die
Aufgabe, das Gesmehen auf jener untersten Ebene einer Partei in Form einer mono
graphismen Studie zu analysieren. Da die Ergebnisse einer Monographie immer nur
sehr bedingt verallgemeinert werden können, ist diese Arbeit im Vergleim zu der um
fangreidten AufgabensteIlung heutiger Parteienforsdtung nur ein geringer Beitrag.
Trotzdem mag die Studie dabei helfen, den inneren Aufbau der Parteien und das
politisme Geschehen in ihnen zu durdtleudtten.
Leit/ragen der Untersuchung
Die Untersudtung wurde von einer Reihe von Fragen geleitet, die zu Beginn kurz
aufgeführt seien. Sie zeigen, auf welme strukturellen Merkmale, auf weldte Tätigkeiten
und Prozesse in der lokalen Parteigruppe sich die Aufmerksamkeit besonders rimtete.
Die Ziele einer politischen Partei und die Wege, die sie unter den Bedingungen der
gegebenen gesellsdtaftlichen und politischen Ordnung zu deren Verwirklichung be
sdtreiten kann oder mußte, bestimmen weitgehend den inneren Aufbau einer Partei,
die in ihr ablaufenden Prozesse und ihr Verhalten nach außen. Im Rahmen der struk
turellen wie funktionellen Differenzierung innerhalb einer Partei sind den einzelnen
Untereinheiten bestimmte Aufgaben zugewiesen. Eine lokale Parteigruppe kann hin
simtlich ihrer Aufgaben in drei theoretism voneinander zu unterscheidende Bezugs
systeme einbezogen sein. Innerhalb des ersten Bezugssystems hat sie die Aufgabe, den
Mamtzuwachs der Gesamtpartei, den Aufbau ihrer Organisation und die Propagierung
ihres Programms zu fördern sowie Parteimitglieder, die zur übernahme von Funk
tionen bereit sind, zur Verfügung zu stellen. Je nach dem Parteityp können die Auf
gaben, die die Untereinheit für die Gesamtpartei zu leisten hat, untersdtiedlidt akzen
tuiert sein.
Innerhalb des zweiten Bezugssystems nimmt die lokale Parteigruppe an der auf
den Staat bezogenen politisdten Aktivität teil. Sie ist, wenn audt nur mittelbar, an der
Kandidatenauswahl für die höchste Volksvertretung beteiligt, außerdem an der Wahl
der leitenden Parteigremien, die auf die Formulierung des Programms einen wimtigen
Einfluß haben. Smließlich nimmt sie aum an der Bildung des politischen Willens teil,
den die Partei - in erster Linie über ihre Fraktion in den gesetzgebenden Körper-