Table Of ContentDieter Segert . Csilla Machos
Parteien in Osteuropa
Dieter Segert . Csilla Machos
unter Mitarbeit von
Lubomir Brokl, Holger Burmeister, Wladislaw Hedeler,
Gyorgyi Hunics, Zdenka Mansfeldova
Parteien in Osteuropa
Kontext und Akteure
Westdeutscher Verlag
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Umschlaggestaltung: Horst Dieter Burkle, Darmstadt
Gedruckt auf siiurefreiem Papier
ISBN-13: 978-3-531-12774-3 e-ISBN-13: 978-3-322-85092-8
DOl: 10.1007/978-3-322-85092-8
Inhaltsverzeichnis
Vorwort 9
1. Problemlagen und Interpretationen der osteuropaischen
Transformation
1.1. Bestandsaufnahme - Ansatze zur Erkllirnng von Parteien und Wandel 15
1.2. Interpretationspotentiale von Theorien des Systemwechsels 22
1.2.1. "Transition to Democracy" unter den Bedingungen Osteuropas 23
1.2.2. Modemisierungstheorien und osteuropliischer Wandel 27
1.3. Konflikte der Transitionsperiode 43
1.4. Begriindung der FailauswahI 52
2. Parteiensysteme im Entstehen - vier FaUbeispiele und ein Exkurs
2.1. Ungam - stabile Mehrheiten und untergriindiger Wandel
(Csilla Machos) 63
2.1.1. Portrlits der parlamentarischen Parteien 63
2.1.2. Parteienprliferenzen der Wlihler 74
2.1.3. Wandlungen des Parteiensystems 79
2.1.4. ParlamentswahIen 1994 96
2.2. Polen - Parteienvielfalt und Partizipationsschwliche
(Holger Burmeister) 104
2.2.1. Parteien in Politik und Gesellschaft im heutigen Polen 104
2.2.2. Dynamik des postsozialistischen Parteiensystems 110
2.3. Zerfall der Tschechoslowakei - strukturelle Ursachen
und Parteihandeln (Lubomir Brokl und Zdenka Mansfeldova) 133
2.3.l. Entstehung von zwei Parteiensystemen nach 1945 134
2.3.2. Wirtschaftliche Bedingungen des Parteihandelns 139
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2.3.3. Charakteristiken des tschechischen und des
slowakischen Parteiensystems 140
2.3.4. Zur Rolle der politischen Elite im ProzeB der Teilung des Staates 144
2.3.5. Einige SchluBfolgerungen 147
2.4. RuBland - zerfallende Staatspartei und marginalisierte neue Parteien
(Wladislaw Hedeler und Dieter Segert) 148
2.4.l. Einleitung 148
2.4.2. Demokratisierung im Rahmen des Einparteiensystems 155
2.4.3. Von der Perestrojka zur Novostrojka 165
2.4.4. Herausbildlung der postsozialistischen Institutionen und Akteure 173
2.4.5. Parteien und Politiker vor und wiihrend der Wahlen 1993 188
2.4.6. Neuformierung der politischen Parteien nach den Wahlen 194
2.4.7. Mogliche Perspektiven der russischen Parteienlandschaft 197
2.5. Exkurs: Ostdeutschland -institutionelle Integration und kulturelle
Eigenstiindigkeit (Dieter Segert) 203
2.5.l. Parteienentwicklung in Ostdeutschland als
postkommunistisches Phanomen? 203
2.5.2. Politische Vorgeschichte des Mehrparteiensystems in der DDR 205
2.5.3. Formierung des Parteiensystems und deutsche Vereinigung 212
3. Osteuropaisches Parteihandeln - Komparative Aspekte und
Interpretationen
3.l. Abhlingigkeit der Parteien von ihren politischen Umwelten 233
3.2. Reform-und oppositionelle Eliten im spaten Staatssozialismus -
sozialer und kultureller Kontext der Protoparteien 241
3.2.l. Drei historische Urspriinge osteuropaischer Parteiensysteme 242
3.2.2. Marginale systemkritische, technokratische und Reformintelligenz-
potentielle politische Klasse der "Stunde Null" 250
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3.2.3. Kontinuitiiten in Politikerbiographien zwischen den alten und
den neuen Zeiten 257
3.2.4. Der Geschichtsdiskurs als Feld der Herausbildung
neuer Handlungsoptionen 262
3.3. Kontexte der sich herausbildenden osteuropiiischen
Mehrparteiensysteme 274
3.3.l. "Postkommunistische Situation" als Modell fUr
gemeinsame Probleme der Transition 275
3.3.2. Differenzierende Bedingungen fUr osteuropiiische Parteiensysteme 282
4. Ausblick: Handlungschancen von Parteiakteuren in instabilen
Demokratien 301
S. Anhang
5.l. Verzeichnis der Tabellen und Abbildungen 309
5.2. Kurzbiographien wichtiger Politiker 310
5.2.l. Kurzbiographien ungarischer Politiker 310
5.2.2. Kurzbiographien poInischer Politiker 312
5.2.3. Kurzbiographien tschechischer Politiker 314
5.2.4. Kurzbiographien russischer Politiker 316
5.2.5. Kurzbiographien ostdeutscher Politiker 319
5.3. Verzeichnis der Abkiirzungen der Parteien 323
5.3.l. Parteien in Ungarn 323
5.3.2. Parteien in Polen 324
5.3.3. Parteien in der Tschechischen Republik 325
5.3.4. Parteien und Bewegungen in RuBland 326
5.3.5. Parteien in der DDR / Ostdeutschland 329
5.4. Literaturverzeichnis 330
5.5. Autorenverzeichnis 345
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Vorwort
Die Hoffnungen auf Demokratisierung waren zu unterschiedlichen Zeiten in diesem
Jahrhundert unterschiedlich stark ausgepragt. Auch bezogen auf die Region Osteu
ropa war das so, wenn man etwa die Jahre 1917, 1932, 1947 und 1989/90 mitein
ander vergleieht. Wenn man einen analytischen Zugang zum Phiinomen der erfolg
reiehen oder scheitemden Demokratiebewegungen sucht, dann geraten die Parteien
und ihr Umgang mit den (teilweise wiederum durch sie selbst erzeugten) Problemen
der verschiedenen Gesellschaften ins Blickfeld. Die folgende Studie zu den Parteien
im ProzeB der Institutionalisierung von Demokratie und der Konsolidierung demo
kratischer Institutionen in Osteuropa geht synchron vergleichend und historisch
analysierend ans Werk. Sie stellt ausdriicklich das von ihr priiferierte makrosoziolo
gische Interpretationsraster vor und somit zur Diskussion. Zu den grundsatzlichen
theoretischen Thesen der beiden Autoren gehOrt unbedingt die Uberzeugung, daB
die gegenwiirtige Demokratisierung (ihre Chancen und Gefiihrdungen) in dieser
Region auf eine spezifische Weise eng mit der Geschichte des staatssozialistischen
Ausbruchsversuchs aus jahrhundertealter Unterentwieklung und Abhiingigkeit ver
bunden ist. Es geht in der Analyse seiner Wirkungen aber nieht nur urn Belastungen
der Gegenwart (urn die staatssozialistischen "legacies"), sondem eher urn Erkla
rungen fUr spezifische Ungleiehgewichte und ratselhafte Funktionsmuster im politi
schen System und speziell im Handeln der politischen Akteure. Diese Geschiehte,
die sich in die Biographien der heute handelnden Generationen tief eingeschrieben
hat, ist der entscheidende historische Hintergrund. Die Zwischenkriegszeit und an
dere geschichtliche Abschnitte sowie historische My then (deren gegenwiirtige
Wirksamkeit jedem aufmerksamen Beobachter nieht entgehen kann) miissen erst
durch den Filter dieser unmittelbar zuriickliegenden Periode gehen, urn heute eine
Rolle spielen zu konnen.
Die Arbeit ist in drei Abschnitte gegliedert. Nach einer Analyse eines mogliehen
makrosoziologischen Analyserahrnens fiir osteuropaisches Parteihandeln (1. Ka
pitel) gerat dieses in fiint Fallstudien zu Parteiensystemen in diesem Raum selbst ins
Blickfeld (2. Kapitel). In einem dritten Kapitel werden Thesen zu einem spezifi
schen Erklarungsmodell der Existenz und des Funktionierens politischer Parteien im
gegenwiirtigen Osteuropa, die von uns als "post-staatssozialistisch" begriffen
werden, vorgestellt. Urn einige Besonderheiten unserer Position vorwegnehmend zu
kennzeichnen, sollen hier einige Schlagworte stehen. Die Autoren sind beispiels
weise der Auffassung, daB die staatssozialistischen Gesellschaften modem waren,
wenn auch auf eine niehtwestliche Weise (es handelt sich urn eine "andere"
Modeme oder zumindest urn einen anderen Modemisierungsweg). In der Studie
wird weiterhin demonstriert, daB der ostdeutsche Fall der Transition zum Vergleich
mit der osteuropaischen "Normalbewegung" sehr wohl geeignet ist. Diese Position
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ist umstritten, wird allerdings nicht nur in dieser Arbeit bezogenl. Uns scheint, daB
gegenwartig in bestimmter Hinsicht eher eine Verminderung von Untersehieden im
Vergleich zumindest zwischen den anderen Undem Ostmitteleuropas und den
politischen Entwicklungen in den neuen Bundesliindem stattfindet. Schlie6lich ist
nicht nur fiir die russische Entwicklung sichtbar, daB der Einflu6 bestimmter
Elitegruppen des Staatssozialismus, der "Refonnkommunisten" und eines Teiles der
ehemaligen Technokraten erhalten bleibt. Parteientwicklung in Ru6land (und in
anderen Nachfolgestaaten der UdSSR) ist bis heute stark von der inneren Dynamik
von Wandel und Zerfall der allmachtigen Staatspartei bestimmt. Um ein Beispiel zu
bringen: Selbst im Fiihrungsgremium der litauischen "Sajudis" und der daraus
hervorgegangenen konservativen Partei sind bis auf eine Ausnahme nur Person en,
die vor 1989 Mitglieder der Kommunistischen Partei waren. Die eine Ausnahme
wird durch den politischen Fiihrer der ersten Phase der Transition selbst gebildet,
Vytautas Lansbergis (Sabajevaire, 1994). Wenn das so ist, dann mu6 der Analyse
der "Nachfolgeparteien" jedenfalls gro6ere Aufmerksamkeit gewidmet werden, als
in einer ersten Phase der "postkommunistischen" Entwicklung geschehen, wo eine
Analyse des Biirgerreehtsspektrums im Mittelpunkt stand. Es sind nach Auffassung
der Autoren mindestens drei historische Quellen der potentiellen politisehen Klasse
der "Stunde Null" in Osteuropa festzustellen: die marginale systemkritische, die
technokratische und die Reformintelligenz. Die Autoren haben sich bemiiht, durch
eine knappe Darstellung biographischer Angaben zu wichtigen Parteipolitikem der
Under, zu denen Einzelfallstudien vorgelegt wurden, die theoretisehe Analyse mit
zusiitzlichen Fakten zu unterlegen.
Eine weitere wichtige forschungsleitende Uberzeugung der Autoren solI noeh in
diesem Vorwort vorgestelIt werden. Die dominierende "westliche" Sieht auf die
Parteibildungsprozesse in Osteuropa transportiert mitunter unbewu6t spezifische
Wertpraferenzen. Es scheint uns insofem notwendig zu sein, sie aus "ostlieher"
Sieht gegenzulesen. Vielleicht handelt es sich bei dieser Position aueh nur um die
Reflexion der Erfahrung unserer eigenen Ankunft alS von der Herkunft her marxi
stisehe Gesellschaftswissenschaftler im vor allem angloamerikaniseh dominierten
politologischen Diskurs. Die gegenwartige osteuropliische Gemeinsehaft der Poli
tikwissenschaftler existiert in starker Abhiingigkeit von institutionellen und finan
ziellen Strukturen unterschiedlicher Fonds und Forschungsvorhaben von Kollegen
aus Westeuropa und den USA. Konferenzen, die dureh Osteuroplier organisiert
werden, sind selten. Die Kommunikation der osteuropiiischen Kollegen unterein
ander, die schon im Staatssozialismus schwierig war, verliiuft heute meist vollig
iiber Konferenzen, die etwa in Madrid, Birmingham oder Berlin organisiert werden.
Das mu6 sie nicht behindem, jedenfalls dann nieht, wenn die Chanee auf eine
gleichberechtigte Zusammenarbeit erhalten bleibt.
Es lag angesiehts einer soIehen Erfahrung nahe, sich vor allem um Koautoren
fiir das Buch zu bemiihen, die einen iihnlichen persOnlichen Hintergrund aufweisen,
wenn sie sich aueh ansonsten, vor allem bezogen auf den zuriickgelegten
1 Vgl. dazu U.a. Offe, 1994, S. 164, der die Entwicklung der DDRlOstdeutscblands im Vergleich mit der
in Osteuropa als Spezialfall bezeiehnet, nieht etwa nur als krasse Ausnahme ansieht.
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wissenschaftlichen Weg, deutlich unterscheiden (BrokJ, Burmeister, Hedeler,
Hunics, Mansfeldova). Dariiber hinaus sind viele Thesen des Buches auf
verschiedenen Etappen ihrer Herausbildung mit Kollegen aus osteuropliischen
Universitaten wahrend gemeinsamer Konferenzen in den Jahren 1992 bis 1994
diskutiert worden. Da sie in diesem Widerstreit geformt worden sind, sollen
zumindest die Namen der Betreffenden nicht unerwahnt bleiben, deren Einwande
und Bekrliftigung flir uns wichtig waren, Attila Agh, Mihaly Bihari, Sandor Kurtan,
Wojciech Lukowski, Zdenka Mansfeldova, Mate Szabo, Konstanty Adam
Wojtaszczyk. Den ProzeB des Schreibens hat auch die Zusarnmenarbeit und die
Diskussion mit einigen "westJichen" Politikwissenschaftlern begJeitet, von denen
Gert-Joachim Glaessner, Henry Krisch, Ian Wallace und Michael Waller besonders
gedankt werden soll. Die interessierten Studenten der SoziaJ- und
Politikwissenschaften an der Humboldt-Universitat waren tiber die Lehrdiskussion
ebenfalls in den EntstehungsprozeB des Buches einbezogen.
Ein Buch erreicht den Leser nicht ohne umfangreiche technische Bearbeitung.
Dabei haben uns u. a. Renate Zeiske, Frank-Gerd Walzebuck und Christine Karohl
durch engagierte und soJide Arbeit unterstiitzt.
AbschlieBend soll Auskunft tiber die Anteile der einzelnen Autoren an den
Texten des Buches gegeben werden. Die Grundkonzeption des Buches entstand in
Diskussionen am Institut flir PoJitikwissenschaft der Humboldt-Universitat wah
rend des Jahres 1992, an denen vor alJem die beiden Hauptautoren beteiligt waren.
Kapitel1, 3 und der SchluB wurden von Dieter Segert geschrieben. In Kapitel 3.2.
in Punkt 3.3.2. und in den SchluB sind Ausarbeitungen von CsilJa Machos
eingefJossen. Der EntstehungsprozeB der beiden genannten Kapitel war stark durch
eine intensive Diskussion der beiden Hauptautoren untereinander in den
verschiedenen Stadien der Entstehung des Textes beeinfJuBt, so daB die
Grundthesen des Buches von ihnen gemeinsam vertreten werden konnen. Kapitel
2.1. stammt von CsilJa Machos, der Autor des zweiten Abschnitts des Kapitels ist
Holger Burmeister, Abschnitt 2.3. ist von Lubomir BrokJ und Zdenka Mansfeldova
geschrieben worden, Abschnitt 2.4. wurde von Wladislaw HedeJer und Dieter
Segert verfaBt, der Exkurs zu Ostdeutschland stammt wiederum von D. Segert. Zu
erwahnen ist noch, daB die Ausflihrungen im Abschnitt 3.2.3. auf einer empirischen
Studie von Gyorgyi Hunics und CsilJa Machos beruhen.
Es bleibt nichts mehr zu tun, als den Text dem hoffentlich geneigten und infor
mierten Fachpublikum zu tiberantworten und auf eine rege Diskussion zu hoffen.
Berlin, im November 1994 Dieter Segert und CsilJa Machos
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1. Problemlagen und Interpre
tationen der osteuropaischen
Transformation