Table Of ContentGerard Megie
OZON
Atmosphare aus dem Gleichgewicht
Ubersetzt aus dem Franzosischen
von Peter Hiltner
Mit 24 Abbildungen
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York
London Paris Tokyo
Hong Kong Barcelona
Budapest
Prof. Dr. Gerard Megie
Service d' Aeronomie
Universite Pierre et Marie Curie, Tour 15
4, Place Jussieu, F-75230 Paris Cedex 05
(jbersetzer
Dr. Peter Hiltner
FeldstraBe 6, W-8525 Uttenreuth
Titel der franzosischen Originalausgabe:
Ozone - L' equilihre rompu
© Presses du CNRS, 1989
ISBN-13:978-3-642-84157-6 e-ISBN-13:978-3-642-84156-9
DOl: 10.1007/978-3-642-84156-9
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© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1991
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1991
56/3140-543210 - Gedruckt auf siiurefreiem Papier
FUr meine Eltem,
fUr Monique,
Cecile, Emmanuelle und Antoine
Wir aber, wir Zivilisierten, haben nun gelernt,
daft wir sterblich sind.
Paul Valery
Variete 1
Danksagung
Dieses Werk ist das Ergebnis eines aus langjahriger Forschungs-und Lehrtiitigkeit
resultierenden Nachdenkens. Es verdankt also denen sehr viel, die mich in die
Forschung eingefiihrt und ihren Enthusiasmus ffir die Erforschung der Erde auf
mich tibertragen haben, Jacques Blamont und Marcel Nicolet; femer all denjeni
gen, die meinen wissenschaftlichen Weg begleitet baben: Jacques Pelon, Jean
Pierre Jegou, Jacques Lefrere, Pierre Flamant, Claire Granier, Gerard Ancellet
und Sophie Godin; schlieBlich auch den Studenten, deren tliglicher Kontakt viel
intellektuelle Befriedigung schafft.
DaB das Buch tatsiichlich zustandegekommen ist, verdanke ich vor allem der
Ermutigung zorn Schreiben, die mir von Pierre Bauer, Jean-Paul Granier und
Simone Scemla tiberreiehlieh zuteil wurde, sowie der Hilfe und den wertvollen
Vorschlagen von Michel Carassou und Thomas Mourier. Nieht zu verges sen
Monique, ohne die nichts moglich gewesen ware.
Hinweis
Die Forschungen tiber das Ozon und das Klima beschaftigen heute mehrere Hun
dert Wissensehaftler auf der ganzen Erde. Aus dem Kontakt mit ihnen heraus, aus
Diskussionen und der Lektiire ihrer Arbeiten, hat sich der Inhalt dieses Buehes
entwiekelt. Um aber den Text nieht zu sehr mit Quellennachweisen zu belasten,
habe ich bewuBt Autoren und Originalreferenzen nur in Ausnahmefallen zitiert.
Das am Ende angegebene Literaturverzeiehnis enthalt deshalb auch nur zusam
menfassende Arbeiten, die den Beginn eines Leitfadens durch die weitverzweigte
Spezialiteratur darstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ...... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1
1.1 Ozon und die Balance der Umwelt ....................... 1
1.2 Ozon, Wasserdampf und Kohlendioxid:
drei lebenswichtige Bestandteile ...•..................... 2
1.3 Die Kreislitufe der Energie und der Materie • . . . . . . . . . . . . . . 3
1.4 Der grobe Eingriff des Menschen ...............•.....••. 5
2. Das natiirliche Gleichgewicht ............................... 8
2.1 Eineinhalb lahrhunderte Geschichte ...................... 8
2.1.1 Die Entdeckung des Ozons .......•..•........... 9
2.1.2 Das Ozon als Filter der Sonnenstrahlung ..•........ 11
2.1.3 Die vertikale Struktur der Abnosphitre ............. 12
2.1.4 Das Ozon in der hohen Abnosphitre •.............. 15
2.1.5 Die ersten Ozonbeobachtungsnetze ................ 16
2.1.6 Eine erste Theorie des abnospharischen
Ozongleichgewichts •........................... 17
2.1.7 Die vertikale Verteilung des Ozons ................ 19
2.1.8 Die Stratosphitre - eine trockene Region ........... 22
2.2 Chemie, Dynamik und Strahlung ........................ 23
2.2.1 Verschiedene Zeitskalen im Chapman-Gleichgewicht . 24
2.2.2 Hohenbereiche .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
2.2.3 Heizung und Kiihlung durch Strahlung ............. 26
2.2.4 Ozon als Schliissel zur Kopplung zwischen Dynamik:,
Chemie und Strahlung .......................... 28
2.2.5 Das Nachthimmelsleuchten ............•......... 29
2.2.6 Wasserstoff- und Stickstoffverbindungen .. . . . . . . . . . 30
2.2.7 Eine Teilchensorte von nur 1000 Atomen ........... 31
2.2.8 Das Gleichgewicht der Wasserstoff- und
Stickstoffverbindungen .......................... 32
2.3 Das natiirliche Gleichgewicht der Ozonschicht ............. 34
2.3.1 Katalytische Kreisl~ufe .........•................ 34
2.3.2 Spurensubstanzen konnen Ozon erzeugen ........... 37
2.3.3 Eine ausgeglichene chemische Bilanz? •.....•...... 37
2.3.4 Die Chlorverbindungen ........ . . . . . . . . . ... . . . . . . 39
2.3:5 Der EinftuB des Menschen ...•..............•.... 41
X Inhaltsverzeichnis
2.3.6 Die Bewegung der Luftmassen in der Stratosphiire 42
2.3.7 Zeitskalen und Llingenskalen .................... . 45
2.3.8 Kenntnisse und Unsicherheiten .................. . 46
3. Die Zerstorung des Gleichgewichts .......................... 48
3.1 Verlinderungen in der chemischen Zusammensetzung
der Atmosphiire ...................................... 48
3.1.1 Die gro8en Reservoire des Planeten ............... 48
3.1.2 Kohlendioxid und Kohlenstoff-14 ................. 50
3.1.3 Die gro8en Klimazyklen ....... . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
3.1.4 Regulierung oder unkontrolliertes Wachstum? ....... 54
3.1.5 Die Rolle des Methans .......................... 57
3.1.6 Die Rolle der Stickstoffverbindungen .............. 59
3.1.7 Welche Loft werden wir im Jahr 2040
atmen? ....................................... 63
3.2 Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe und andere chlorierte
Substanzen .......................................... 66
3.2.1 Ozeane und Vulkane ............................ 66
3.2.2 Die marine Biosphiire,
die einzige natiirliche Chlorquelle ................. 67
3.2.3 Yom Menschen erzeugte Emissionen:
die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe ............... 68
3.2.4 Die Verwendung der FCKW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
3.2.5 FCKW-Emissionen und -Gehalt in der Atmosphiire ... 72
3.2.6 Bilanz ....................................... 73
3.3 Das Ozon in der Troposphiire ........................... 74
3.3.1 Lufteinsickerungen aus der Stratosphiire
in die Troposphare ............................. 74
3.3.2 Quellen und Senken des Ozons in der Troposphare ... 75
3.3.3 Das Ozon nimmt in der Troposphare zu ............ 77
3.3.4 Stickstoffoxide, Kohlenwasserstoffe
und Sonnenstrahlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
3.3.5 Freie Radikale als Reinigungsmittel der Troposphare 79
3.3.6 Die Troposphare als Ozonquelle .................. 79
3.4 Das Ozon in der Stratosphiire: Abnahme oder status quo? .... 81
3.4.1 Eine bedeutende natiirliche Variabilitiit ............. 81
3.4.2 Experimente und Modelle ....................... 82
3.4.3 Yom Boden zu Satelliten ........................ 84
3.4.4 Die Beobachtungsstationen .... . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
3.4.5 Die Satelliteri ........................ . . . . . . . . . 91
3.4.6 Instrumentelle Abweichungen .................... 92
3.4.7 Probleme beim Nachweis der Ozonabnahme ........ 94
3.4.8 Bestandsaufnahme ................ , . . . . . . . . . . . . 96
3.4.9 Anderungen in der vertikalen Ozonverteilung ....... 98
Inhaltsverzeicbnis XI
3.4.10 Eine endgiiltige SchluSfolgerung oder
ein BUndel unbewiesener Vennutungen? ............ 99
3.5 Rapide Ozonabnahme am SUdpol ........................ 100
3.5.1 Ozonmessungen seit 1957 ....................... 101
3.5.2 Eine rapide Abnahme ........................... 103
3.5.3 Grenzen der Satellitenbeobachtung ................ 104
3.5.4 Der sudpo1are Wrrbe1 ........................... 105
3.5.5 Sehr niedrige Temperaturen ...................... 107
3.5.6 Wolken in zwanzig Kilometer Hohe ............... 108
3.5.7 Generalmobilmachung .......................... 109
3.6 Theorien auf dem Priifstand der Beobachtung .............. 109
3.6.1 Der Sonnenzyklus .............................. 110
3.6.2 Dynamische Theorien ........................... 110
3.6.3 Chemische Theorien ............................ 112
3.6.4 Bedeutende Mengen an chemisch aktivem Chlor ..... 113
3.6.5 Die heterogene Chemie verschiebt die Balance ...... 113
3.6.6 Welche experimentellen Beweise gibt es? ........... 115
3.6.7 Eine reiche Ernte von MeBwerten ................. 117
3.6.8 Die natiirliche Variabilitllt der polaren Stratosphiire '" 118
3.6.9 G10bale Konsequenzen .......................... 119
3.6.10 Der Nordpo1 .................................. 120
4. Die Wiederherstellung des G1eichgewichts .................... 123
4.1 Vorhersagen oder Wette Uber die Zukunft? ................ 123
4.1.1 Reaktionen und Gegenreaktionen ................. 124
4.1.2 Ein plausibles Entwicklungsszenario ............... 125
4.1.3 Vorhersehbare globale Wrrkungen ................. 126
4.1.4 Mittlere und polare Breiten ...................... 128
4.1.5 Die uitraviolette Strahlung ....................... 131
4.1.6 Die thermische Bilanz der Erde ................... 132
4.1.7 Vorhersage oder Wette? ......................... 133,
4.2 Der Mensch, das Klima und die Biosphiire ................ 134
4.2.1 Klimatische und biologische Foigen ............... 135
4.2.2 Der Treibhauseffekt und die ErhOhung
der Oberftiichentemperatur ....................... 136
4.2.3 Der Treibhauseffekt und die Erhohung
des Meeresspiegeis ............................. 137
4.2.4 Veriinderungen der Klimazonen und der Okosysteme
der Erde •.•••••...•...•..•••••..•......•..•... 139
4.2.5 Die Umverteilung' der 1andwirtschaftlichen Zonen ... . 140
4.2.6 Eine neue okonomische Situation ................ . 141
4.2.7 Die Biosphiire und die ultravio1ette Strahlung ...... . 143
4.2.8 Die Unkenntnis der Dosi~Wrrkung-Bezieh~g ..... . 143
4.2.9 Hautrotungen, Krebs und Starerkrankungen ........ . 144
xn
Inhaltsvcrzeichnis
4.2.10 Immunabwehr und genetische Mutationen .......... 146
4.2.11 Auch Pflanzen sind bedroht ...................... 147
4.2.12 Direkte Auswirkungen in der niederen Atmosphtire ... 147
4.2.13 Die Verarmung der TIer- und Pflanzenwelt .......... 149
4.3 LOsungswege: von der Concorde
zum Protokoll von Montreal .........•.................. 150
4.3.1 Die ersten Alarmrufe ........................... 150
4.3.2 1976 bis 1980: die ersten freiwilligen MaBnahmen ... 151
4.3.3 Ein konzentrierter Weltmarkt ..................... 152
4.3.4 Die erste internationale Konferenz:
die Obereinkunft von Wien ...................... 153
4.3.5 Das Ozone Depleting Potential oder
Wie millt man die Schlidlichkeit der FCKW? ........ 156
4.3.6 Das Protokoll von Montreal:
beispielhaft oder ungeniigend? ................... . 157
4.3.7 Die Reglementierung der FCKW ................. . 158
4.3.8 Die doppelt angeklagten FCKW ................. . 161
4.4 Ein gemeinsamer Kampf zur Rettung des Planeten '" 162
4.4.1 Die Wissenschaftler und das Studium der Erde ..... . 164
4.4.2 Die Industriellen und die Forschung nach
Ersatzstoffen ................................. . 166
4.4.3 Die Erde schiitzen ............................. . 169
Bibliographie 173
Stichworterklirung 175
1. Einleitung
1.1 Ozon und die Balance der Umwelt
1m Jahr 1970 schien der zivile Uberschallflug eine gliinzende Zukunft zu haben.
Die Concorde, das Schmuckstiick der europliischen Luftfahrtindustrie, absolvierte
ihre ersten kommerzieUen FlUge. Die Energiepreise waren noch niedrig und die
USA planten den Bau von mehr als 200 Flugzeugen vom 1YP SST (Super
sonic Stratospheric Transport), die in 20 km Hohe fliegen und Europa in drei
Stunden von Amerika aus erreichbar machen soUten. Der Hin- und RUckflug
Paris-New York innerhalb eines Tages wlire Wtrklichkeit. Aber dieser Optimis
mus wurde sofort von einigen amerikanischen Wissenschaftlern gedmnpft, die
von der VorsteUung aufgeschreckt waren, daB mit einem Mal einige hundert
Strahltriebwerke ihre Auspuffgase in die hohe Erdatmosphiire blasen wUrden.
Sie lenkten zum erstenmal die Aufmerksamkeit auf eine mogliche Zerst6rung
der Ozonschicht. Die Geschichte gab ihnen in zweierlei Hinsicht unrecht: zum
an
einen hat der kommerzieUe Uberschallflug die Olkrise nicht Uberlebt, zum
deren ist es heute wissenschaftlich erwiesen, daB die von Flugzeugen in 8-20
km H6he emittierten Gase das Ozon keineswegs zersWren, sondern im Gegenteil
produzieren. Dennoch bleibt diesen Forschern das Verdienst, auf die Zerbrech
lichkeit des Gleichgewichts in der hohen Atmosphlire aufmerksam gemacht und
auf diese Weise ein neues Forschungsgebiet eroffnet zu haben. Die Regierungen
interessierten sich fUr die Ozonschicht, nachdem wirtschaftliche oder politische
Belange auf dem Spiel standen. In Europa und in den Vereinigten Staaten wurden
unverzUglich mehrere Untersuchungskomitees gebildet. 1974, vier Jahre spilter;
arbeiteten in der ganzen Welt einige Dutzend Forscher am Verstandnis des Gleich
gewichts des atmosphiirischen Ozons. Da sorgte dieses erneut ftir Schlagzeilen.
Zwei amerikanische Wissenschaftler, Rowland und Molina von der Universitiit
Irvine in Kalifornien, sagten namlich voraus, daB die chlorierten Substanzen,
die von der chemischen Industrie zu KUhlzwecken und fUr Spraydosen erzeugt
werden, namlich die Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (in der Offentlichkeit unter
dem Markennamen Freon der GeseUschaft DuPont in Nemours bekannt) langfri
stig die Ozonschicht zerst6ren k6nnen. Die Forschungsanstrengungen verstarkten
sich, urn Veriinderungen, die auf menschlichen EinfluB zurUckgehen, nachzuwei
sen.
Erst 1985 jedoch bestiitigte ein groBrilumiges atmosphiirisches Phiinomen
diese Voraussagen. Damals meldeten gleichzeitig englische undjapanische Wis
senschaftler, vom British Antarctic Survey bzw. vom japanischen Institut fUr