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Österreichs Beitrag zur Erforschung der
Flora der Türkei
F. SPETA
Einleitung
Die österreichischen Botaniker waren und sind traditionell sehr engagiert am Balkan
und im Vorderen Orient tätig. Das Habsburger Reich reichte bis auf den Balkan und
über lange Zeit grenzte es direkt an das Osmanische Reich. Diese historische und
geographische Tatsache mag für die Zuwendung der Österreicher von Bedeutung ge-
wesen sein. Jedenfalls haben HALÄCSY (1900-1912) einen „Conspectus florae graecae", HAYEK
(1924-193 3) einen „Prodromus florae peninsulae Balcanicae" und RECHINGER eine „Flora aegaea"
(1943) verfaßt. Die Herausgabe der „Flora iranica" durch RECHINGER (1963 ff.) zielt in dieselbe
Richtung. Kleinasien, im großen und ganzen die heutige Türkei, ist eigentlich der einzige Bereich
vom Balkan bis Pakistan, dessen Flora keine Gesamtbearbeitung durch einen Österreicher erfah-
ren hat. Das heißt aber nicht, daß dieses Gebiet von den Botanikern Österreichs gänzlich ver-
nachlässigt worden wäre. Über die Aktivitäten der Österreicher in der Türkei wird daher im
folgenden erstmals ein Überblick versucht.
Verlockend wäre natürlich, auch jene Österreicher in die Betrachtung einzubeziehen, die längere
Zeit in der Türkei lebten, wie z.B. Karl Ambros BERNARD (geb. 19.12.1808, Starkenbach, Böh-
men, heute: Jilemnice, Tschechische Rep.; gest. 2.11.1844, Istanbul), der Professor an der medi-
zinischen Schule in Galata in Istanbul war und für die türkischen Studenten ein Botanik-Lehrbuch
verfaßt hat (SKOPEC 1987, GANZINGER 1987: 311). Oder Karl Eduard HAMMERSCHMIDT (geb.
12.6.1801, Wien, gest. 30.8.1874, Istanbul), der aus Österreich fliehen mußte, weil er 1848 unter
den Aufständischen war. Für ihn wurde die Türkei zur zweiten Heimat. Er trat zum Islam über
und nannte sich fortan Abdullah Bei. Daß er den „Türkischen Halbmond" gründete, wissen wir,
über seine sicher auch in der Türkei weitergeführten naturwissenschaftlichen Studien ist kaum
etwas bekannt (SKOPEC 1993). Um die Studien aber nicht ausufern zu lassen, mußte eine Be-
schränkung auf Botaniker (im wesentlichen Floristen, Systematiker, Soziologen,
Vegetationskundler) stattfinden, die auf heutigem österreichischen Staatsgebiet lebten oder le-
ben. Außerdem wurden nur Aktivitäten erfaßt, die mit dem Gebiet der heutigen Türkei etwas zu
tun haben.
Im Zuge der Herausgabe der „Flora of Turkey" durch PH. DAVIS in Edinburgh in Schottland sind
natürlich die wesentlichsten Sammlungen und Publikationen von Österreichern be-
rücksichtigt worden (CULLEN et al. 1967, DAVIS & EDMONDSON 1979). Auf die Suche nach
unveröffentlichten Herbarbeständen hat sich freilich niemand gemacht. Die Unterlagen darüber
sind an diversen Institutionen verschieden schwer zugänglich und unterschiedlich aufschlußreich.
Stapfia 34, zugleich Kataloge des OÖ. Landesmuseums N.F. 76 (1994), 7-76. 7
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Verständlicherweise kann eine vollständige Aufzählung aller von Österreichern verfaßten, die
Türkei betreffenden Publikationen nicht gemacht werden. So weit es möglich war, werden aber
die in der Bibliographie von DEMIRIZ (1994) aufgenommenen Zitate vermehrt.
Ausgesprochen wenig ist über das Leben der in der Türkei tätig gewesenen Botaniker bekannt, in
WURZBACH (1856-1890) und OBERMAYER-MARNACH (1957 ff.) sind nur wenige davon aufgenom-
men worden, von allen nach 1950 verstorbenen oder lebenden ist bisher meist überhaupt nichts
festgehalten worden. Soweit es nötig schien oder möglich war, werden deshalb Kurzbiographien
oder zumindest die wichtigsten Daten mitgeteilt.
Insgesamt soll eine Basisinformation über botanische Türkeiforschung von Österreich aus gelie-
fert werden, die es erleichtert, weiterführende Studien zu betreiben. Es wäre nämlich schade,
fände das bisher Geschaffene einerseits keine Fortsetzung, und andererseits international keine
Beachtung und Einbindung.
Sammelfahrten und wissenschaftliche Bearbeitungen
Die bekanntesten botanischen Türkei-Ausbeuten liegen zweifellos in den Wiener Herbarien.
Der mit Abstand effektivste Sammler, den Österreich vorzuweisen hat, ist Carl Georg Theodor
KOTSCHY (Abb. 1). Er wurde am 15.4.1813 in Schlesisch Ostrau (1945 in Ostrava eingemeindet,
Tschechische Republik) geboren. Sein Vater Karl war evangelischer Pfarrer. Obwohl er sich schon
als Knabe sehr für die Pflanzenwelt interessierte, wurde er für den geistlichen Stand bestimmt. Er
kam deshalb 1833 an die protestantisch-theologische Lehranstalt nach Wien. Die dortigen Studi-
en konnten seine naturhistorischen Neigungen und seine Reiselust nicht beeinflussen. Kaum 22
Jahre alt, schloß er sich einer Expedition österreichischer Montanistiker unter Leitung Rußeggers
zum Blauen Nil und in den cilicischen Taurus an. Über seine Abenteuer und Leistungen lassen wir
am besten seinen Zeitgenossen und Vorgesetzten Eduard FENZL (geb. 15.2.1808, Krummnußbaum,
NÖ., gest. 29.9.1879, Wien) berichten (FENZL 1867):
„Im December 1835 sehen wir KOTSCHY, Wien verlassend, über Patras nach Athen eilen und von
da, nach kurzem Aufenthalte, nach Alexandrien und Cairo sich begeben und deren Umgebungen
auf das eifrigste in naturhistorischer Hinsicht durchstreifen. Von hier aus ging KOTSCHY (im Jahre
1836) mit Rußegger nach dem nördlichen Syrien und zuletzt nach Cilicien. Rastlos thätig durch-
forschte KOTSCHY die Umgebungen von Antiochien, den Mons Cassius, die Ebene von Tarsus und
zuletzt den mächtigen Gebirgsstock des Bulgardagh nach verschiedenen Richtungen und erschloß
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durch die reiche daselbst gemachte Ausbeute
an Pflanzen dem Systematiker wie dem
Pflanzengeographen ein bisher beinahe noch
ganz unbekanntes Florengebiet. Als im Jahre
1837 die Expedition nach Alexandrien zurück-
kehrte, folgte er Rußegger auf seiner Reise
durch Oberägypten, Nubien und Sennar bis
nach Fassokel und drang mit ihm, alle Mühen
und Gefahren theilend, bis an den 10° n.B. in
das Innere Afrika's vor."
Nach Alexandrien zurückgekehrt, plante er
sofort eine Expedition. Im Jänner 1939 brach
er von Kairo nach Kordofan auf. Ohne Geld
und bedroht kehrte er nach Kairo zurück.
„Nicht im geringsten entmuthigt durch diesen
Mißerfolg und die furchtbaren Enttäuschun-
gen in seinem Gefolge sann KOTSCHY statt an
die Rückkehr in die Heimath zu denken, nur
Abb. 1: Carl Georg Theodor KOTSCHY
über einen neuen Reiseplan nach, der ihn aber
diesmal nicht wieder nach dem Süden, son-
dern nach Osten fuhren, und zugleich die Mittel verschaffen sollte, seinen älteren und neu einge-
gangenen Verbindlichkeiten durch den eingeleiteten rascheren Vertrieb seiner früheren und noch
zu machenden Sammlungen an Naturalien nachzukommen. Nachdem er die Einwilligung hiezu
von seinen Haupt-Gläubigern erhalten und sich von verschiedenen Seiten her die nöthigen Sub-
ventionen dazu verschafft hatte, ging KOTSCHY im selben Jahre noch (1840) zuerst nach Cypern
und im folgenden nach Syrien, durchwanderte von Aleppo aus das nördliche Mesopotamien,
besuchte die südlichen Ausläufer der Gebirge Kurdistans und wendete sich, dem Tigris folgend,
nach einem flüchtigen Besuche der Ruinen Babylons, nach Bagdad. Von hier aus setzte er seine
Reise nach Südpersien fort, untersuchte zuerst die nördlichsten Ufer des persischen Golfes und
die, einige Jahre später für die Engländer so wichtig werdende daselbst befindliche kleine Insel
Karek. Durch die großmüthige Unterstützung der bei späteren Ereignissen zu Ehren und Würden
gelangenden, in Bagdad und Südpersien sich aufhaltenden englischen Agenten, der Herrn TAYLOR
und ROBERTSON und des in Schiras residirenden Prinzen Mirza, wurde es KOTSCHY möglich, die
Ebene von Persepolis und die Hochplateaus von Schiras mit ihren Kuppen gründlich zu untersu-
chen. Zu Ende des Jahres 1842 reiste KOTSCHY nach Teheran ab, besuchte im Frühjahre 1843 die
Gebirgskette des Elbrus, und erklomm, der erste Europäer, unter den größten Gefahren, den
Gipfel des bisher noch unerstiegenen, nach seinen Schätzungen 14.000 Fuß, nach späteren directen
Messungen weit höheren, Vulcans Demavend. Von allen diesen Reisen und Streifzügen brachte
er eine zu seinen geringen Geldmitteln in gar keinem Verhältniß stehende Maße neuer oder bisher
nicht viel mehr als dem Namen nach bekannter Arten von Pflanzen, Insecten und Fischen mit.
Damit waren aber auch seine letzten Geldmittel erschöpft und es trat für ihn die Zeit der bittersten
Noth und der größten Entbehrungen ein. KOTSCHY schien für uns wie verschollen und lebte die
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ganze Zeit hindurch nur von der Mildthätigkeit des in Teheran residirenden russischen Gesandten
Grafen v. MEDEM. Nur zufällig erhielt die Direction des hiesigen k.k. Naturaliencabinetes durch
den eben anwesenden Herzog Paul v. WÜRTEMBERG und den Freiherrn v. MILLER aus Stuttgard
Nachricht von der verzweifelten Lage, in der er sich seit Monaten befand. Über Einschreiten der
gedachten Direction bei der hiesigen Staatskanzlei wurden ihm durch ihre Vermittlung nunmehr
unverweilt die nöthigen Mittel zu der nunmehr peremtorisch gebotenen Rückkehr über Erzerum,
Trapezunt und Constantinopel verschafft. Nach einer im October 1843 mit Windeseile ausge-
führten Reise, langte KOTSCHY nach achtjähriger Abwesenheit am 16. December dieses Jahres
wohlbehalten in Wien, seine in Persien gemachten Sammlungen aber beinahe ein Jahr später
daselbst an."
„Zurückgekehrt in sein Vaterland widmete dieser eben so unerschrockene als hart geprüfte uner-
müdliche Sammler seine ganze Zeit dem Ordnen und Vertreiben seiner Sammlungen welche auch
allerwärts Abnahme und verdiente Würdigung fanden. So zum Gemeingut der ganzen naturwis-
senschaftlichen Welt geworden, wurden die zahlreichen neuen oder bereits bekannten Arten von
verschiedener Seite im Laufe der folgenden Jahre bestimmt, beschrieben und commentirt. Wel-
chen Sammelfleiß KOTSCHY auf das Zustandebringen dieser Gegenstände im Laufe der acht Jahre
verwendete und mit welchem Geschick er dabei zu Werke ging, beweist die kolossale Zahl von
Exemplaren getrockneter Pflanzen, welche für sich allein, ungerechnet die Menge von Früchten
und Samen, von Thierbälgen, in Spiritus verwahrten zoologischen Gegenständen, Insecten und
dergleichen, die Zahl von 300.000 bedeutend überstieg. In dieser Hinsicht übertraf KOTSCHY,
wenn man dabei noch die Schwierigkeiten in Rechnung zieht, mit welchen er fortwährend zu
kämpfen hatte, seinen, als Sammler in Unterägypten, auf Creta, in Palästina und in anderen
Welttheilen berühmt gewordenen Vorgänger und österreichischen Landsmann SIEBER um ein Be-
deutendes. Durch die den einzelnen Arten beinahe durchgehends beigefügten, genauen Angaben
der Standorte und Bodenverhältnisse, Blüthezeit u. dgl. gewannen seine Sammlungen einen weit
höheren wissenschaftlichen Werth, als die des letzteren. In jeder dieser Beziehungen steht KOTSCHY
unerreicht, zum mindesten unübertroffen da."
Im Jahre 1847 wurde KOTSCHY mit Hilfe der Fürsprache von ENDLICHER und FENZL zum Assisten-
ten am k.k. botanischen Hofcabinet ernannt.
„Glücklicher Weise ermöglichte die im Jahre 1852 eingetretene Reorganisation der kaiserlichen
Museen die Creirung einer zweiten Custos-Adjunctenstelle, und deren Verleihung an ihn. Die
Erinnerungen an den Orient, seine Gebirge und seine noch lange nicht genug ausgebeuteten
Pflanzenschätze, die Reisen AUCHER'S, BOISSIER'S und PINARD's in Kleinasien und die Menge der
neuen von ihnen aufgefundenen Arten beschäftigten ihn fortwährend und so lebhaft, daß er es
sich länger nicht versagen konnte, jene Gegenden noch einmal zu besuchen, welche er vor 17
Jahren zum ersten Male so erfolgreich betreten hatte.
Im Frühlinge des Jahres 1853 brach er mit Unterstützung des k.k. Oberstkämmerer-Amtes nach
dem cilicischen Taurus auf, untersuchte dessen westliche und nördliche Gehänge, wobei er da-
mals schon den verschiedenen Arten und Formen der Eichen seine besondere Aufmerksamkeit zu
schenken begann und kehrte reich beladen im Herbste desselben Jahres wieder zurück. Nur ein
Jahr sich Rast gönnend, verließ KOTSCHY im Jahre 1855 wieder Wien und wendete sich nach
Unter-Egypten, untersuchte die Landenge von Suez, durchstreifte Palästina und dehnte seine
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Wanderung bis an die Ostabhänge des Antilibanon aus, mußte aber der herrschenden Unsicher-
heit in jenen Districten wegen, auf ein weiteres Vordringen in das Gebirge, so wie auf seinen Plan,
die Oase von Palmyra zu besuchen, verzichten. Nicht in dem Maße befriedigt, wie er es sich von
dieser Seite her erwartet hatte, fing er ein Jahr nach seiner Rückkehr, angeregt durch das
eingehendere Studium seiner im Taurus gesammelten Eichen und angeeifert durch BOISSIER in
Genf, welchem er, als dem mit der Flora Syriens und Kleinasiens vertrautesten Fachgelehrten
seine gesammelten Schätze zur Bestimmung mittheilte, schon wieder an sich mit einem neuen
Reiseplan nach dem östlichen Cilicien, an die Quellen des Pyramus und dem nördlichen Kurdistan
herumzutragen.
Im Jahre 1859 brachte er denselben mit Unterstützung der k. Akademie der Wissenschaften,
seiner vorgesetzten Behörde und anderer hohen Gönner zur Ausführung; besuchte vorerst noch
Cypern und drang zuletzt in steter Gefahr von räuberischen Kurden aufgehoben zu werden, bis an
den Wann-See in Armenien vor. Durch die daselbst gepflogenen Erhebungen bereicherte KOTSCHY
nicht blos die Kenntniß der Flora Kleinasiens, sondern auch der geographischen Verhältnisse
dieser seit TOURNEFORT'S Zeiten nur sehr unvollkommen in strenger wissenschaftlicher Hinsicht
untersuchten Gegenden.
Im Herbste des Jahres 1860 besuchte er schon wieder, jedoch nur flüchtig, die südliche Schweiz,
den Monte Rosa und Montblanc und schloß im Jahre 1862 seine weiteren Reisen nach Vörderasi-
en ab mit der Durchforschung Cyperns, als Begleiter Professors Dr. Franz UNGER'S, und nach
seiner Trennung von ihm mit dem gleich im Beginne durch ausgebrochene Unruhen vereitelten
Besuch des Amanus im Norden Syriens.
Noch rechtzeitig gewarnt nicht weiter vorzudringen und dringenst aufgefordert umzukehren,
konnte KOTSCHY sich nur durch die eiligste Flucht über das Gebirge vor dem ihm nachsetzenden
Raubgesindel retten. In Alexandrette angelangt, wurde KOTSCHY von dem dort endemisch herr-
schenden perniciösen Wechselfieber befallen und entging dem Tode mit genauer Noth nur durch
das rasche und energische Eingreifen des dortigen Arztes, Dr. PESTALOZZI Die Nachwehen dieser
Krankheit machten sich im Laufe der folgenden Jahre zu wiederholten Malen geltend und dürften
vielleicht zu dem schlimmen Verlauf der Lungenentzündung prädisponirt haben, welche mit
Thrombenbildung in den großen Blutgefäßen auftretend, seinem bewegten Leben im 53. Jahre,
am 11. Juni 1866 innerhalb weniger Tage ein Ende machte.
Die letzte Expedition mit ihrem schlimmen Abschluß schien seiner Reiselust zum ersten Mal
einen gewaltigen Dämpfer aufgesetzt zu haben; denn von dieser Zeit an wollte er von größeren
Reisen nichts mehr wissen und erklärte Allen, welche eingedenk früherer ähnlicher ablehnender,
aber wie die Folge lehrte, nie ernst genommener Äußerungen, diesen keinen weiteren Glauben
schenken wollten, entschieden 'er sei bereits zu alt und fühle sich einem solchen Unternehmen
nicht mehr gewachsen'."
Wieviele von den Belegen schließlich in Wien geblieben sind, ist mir nicht bekannt. Auf jeden Fall
wurden sie in den Jahren vor 1884 vom botanischen Museum am Rennweg in das neu erbaute
K.K. Naturhistorische Hofmuseum übersiedelt und befinden sich noch dort, sofern sie nicht zu
jenen Familien gehörten, die im II. Weltkrieg der Vernichtung anheim gefallen sind (SPETA 1994:
120).
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Von den österreichischen Wissenschaftlern wurde leider recht wenig aus dieser gigantischen
Kollektion gemacht (FENZL et al. 1843). FENZL war offensichtlich der Unmenge von Material
nicht gewachsen und hat auch keine Versuche gemacht, dem Ganzen im Teamwork beizukom-
men. Etliche Arten, die offensichtlich im kaiserlichen Garten in Schönbrunn gezogen worden
waren, hat Heinrich Wilhelm SCHOTT (geb. 7.1.1794, Brunn; gest. 5.3.1865, Wien) beschrieben.
An das Herbarium in WU sind laut Akquisitionsbuch 1890 nur 300 KoTSCHY-Belege aus Cilicien
gekommen.
Da KOTSCHY erst zu schreiben begonnen hat, als er die Anstellung am botanischen Hofkabinett
erhielt, hat er bis zu seinem frühen Tod nur relativ wenig veröffentlicht (KOTSCHY 1859, 1858-62).
Am spektakulärsten ist sein Eichenwerk mit 40 Farbtafeln im Großformat (Abb. 2 und 3). Weil
sich J. WIESBAUR sehr für Quercus interessierte, hatte er u.a. auch ca. 100 KoTSCHY-Belege aus
der Türkei erworben, die nun im Biologiezentrum in Linz (LI) liegen.
Natürlich sind auch ältere Kollektionen von ausländischen Sammlern an das Naturhistorische
Museum gekommen, denen hier nicht nachgegangen wird. Gegenwärtig ist es nämlich nicht ein-
fach, zu den Unterlagen und Aufzeichnungen zu kommen, da seit Jahren eine Übersiedlung inner-
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Abb. 2 und 3: Tafeln (stark verkleinert) aus Th. KOTSCHY „Die Eichen Europas und des Orient's (1858-1862).
Abb. 2: Tafel II, Quercus Haas KOTSCHY; Abb. 3: Tafel VIII, Quercus ungeri KOTSCHY
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halb des Hauses vorbereitet wird. Die etwas lückenhaften Informationen müssen deshalb zu ei-
nem späteren Zeitpunkt ergänzt werden.
Nach KOTSCHY war das botanische Interesse an Kleinasien in Österreich erlahmt. Vielleicht lag es
daran, daß sich alle diesbezüglichen Aktivitäten nach Genf verlagert hatten, seit Edmund BOISSIER
dort seine „Diagnoses" (1842-1859) und seine „Flora orientalis" schrieb (1867-1888). Diese
großartige Leistung wirkt bis heute nach, es werden immer noch große Ostmediterransammlungen
nach Genf (G) abgegeben, unbeschadet des von P.H. DAVIS durch die Herausgabe der „Flora of
Turkey" neu geschaffenen Zentrums der botanischen Türkei-Forschung in Edinburgh.
In Österreich ist das Interesse am Orient erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts wieder erwacht.
Bezeichnend ist, daß eine Nebenbei-Aufsammlung eines Völkerkundlers den Auftakt dazu gab:
In den Jahren 1881 und 1882 sammelte Felix von LUSCHAN in SW-Anatolien, 1883 am Nemrut
Dag Herbarbelege, die an das Botanische Institut in Wien (WU) gekommen sind. Im
Akquisitionsjournal wurde der Eingang 1882 und 1883 registriert, doch keine Stückzahl angege-
ben.
Felix von LUSCHAN wurde als Sohn eines Advokaten am 11.8.1854 in Hollabrunn in NÖ. gebo-
ren. Er studierte in Wien Medizin, wo er 1878 promovierte. Das darauffolgende Jahr war er beim
österr. Militär in Bosnien. 1880 reiste er nach Dalmatien, Montenegro und Albanien. In den
Jahren 1881 und 1882 machte er Expeditionen nach Lycien und Carien, die in zwei Reisebüchern
ihren Niederschlag fanden (LUSCHAN 1886, LUSCHAN & PETERSEN 1889). 1882 habilitierte er sich
für Völkerkunde an der Universität in Wien. So begann eine lebenslange Beschäftigung in diesem
Fach; er wurde Assistent am Museum für Völkerkunde in Berlin (1885) und promovierte zum Dr.
phil. an der Universität in München (1888) und übernahm als Direktor die Afrika- und Ozeanien-
abteilung am Museum für Völkerkunde (1904-1910). In der ersten Hälfte seiner Karriere schenk-
te er sein Interesse den Sitten, Gebräuchen und der Sprache SW-Anatoliens, zwischen 1883 und
1902 war er einer archäologischen Expedition nach Sendschirli in SE-Anatolien angeschlossen
(LUSCHAN 1893-1925). Im späteren Leben wandte er Afrika seine Aufmerksamkeit zu. Während
seiner Reisen nach Südafrika von 1904 aufwärts machte er Studien an Pygmäen und Buschmän-
nern. Er starb am 7.2.1924 in Berlin.
MILL (1983) ermittelte nicht nur seinen Lebenslauf, sondern klärte auch seine botanischen Fundorts-
angaben auf und stellte die nach seinen Belegen beschriebenen Taxa zusammen.
Die botanische Bearbeitung der LuscHAN-Belege besorgte kein geringerer als Otto STAPF (1885-
86). Ihn verloren wir durch österreichische Heiratspolitik 1891.
Otto STAPF (Abb. 4) wurde am 23.3.1857 in Perneck bei Ischl in Oberösterreich geboren. Sein
Vater Joseph STAPF war als Oberbergrat in Ischl angestellt. Etwa 2 Jahre später übersiedelten sie
nach Hallstatt, weil sein Vater die Nachfolge RAMSAUERS übernehmen mußte, wo er seine Kind-
heit verbrachte. An der Universität in Wien studierte er unter Julius WIESNER Botanik. 1882 wur-
de er bei KERNER Assistent, 1885 machte er eine Sammelreise nach Persien. Am 1.3.1885 wurde
R. WETTSTEIN Assistent, da WOLOSZCAK nach Lemberg ging. Offenbar sind durch das Erscheinen
des 6 Jahre jüngeren WETTSTEINS am KERNER-Institut die Karriereaussichten STAPFS ins Wanken
gekommen. 1887 habilitierte er sich noch für Systematische Botanik an der Universität in Wien.
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Nach JANCHEN (1933: 17) war STAPF bis Ende
Mai 1888 Assistent bei KERNER. (Im Sommer
1887 war WETTSTEIN eine Woche am Sommer-
sitz KERNERS in Trins. Am 1.7.1888 wurde
WETTSTEIN Adjunkt am Botanischen Institut,
eine Stelle, die eigens für ihn geschaffen wur-
de. Am 1.5.1890 heiratete er die gleichaltrige
KERNER-Tochter Adele). Da es ein offenes
Geheimnis war, daß derjenige, der die KERNER-
Tochter heiratet, KERNER-Nachfolger wird
(RECHINGER, mündl. Mitt), hatte STAPF offen-
sichtlich dieses Rennen verloren. Das Ange-
bot im Jahre 1890 von W. THISELTON-DYER,
nach Kew als Assistent für Indien zu kommen,
kam STAPF deshalb sicher nicht ungelegen. Im
Jänner 1891 hat er dort seinen Dienst angetre-
ten. Im Jahre 1899 wurde er „Principal Assi-
stent" am Herbarium und 1909 „Keeper of the
Herbarium and Library", eine Position, in die
er wohl als erster und einziger Ausländer bis-
her dort gekommen ist. 1922 trat er in den
Ruhestand und am 3.8.1933 starb er in Inns-
bruck während einer Reise.
Abb 4: Otto STAPF Die Botanische Arbeitsgemeinschaft hat ihm
zu Ehren ihre Schriftenreihe „Stapfia" benannt.
Ein sehr bedeutender Sammler Ende des 19. Jahrhunderts war Paul SINTENIS (geb. 4.6.1847,
Seidenberg, Oberlausitz, Preußen, heuteZawidöw, Polen; gest. 6.3.1907, Kupferberg, Schlesien,
heute Miedzianka, Polen), der aber nicht im heutigen Österreich lebte (CULLEN 1863). Belege von
ihm liegen in WU (ca. 2500 Bögen), W und vielleicht auch noch anderswo in Österreich.
Interessante Herbarien stammen von zwei Lehrern, die eine Zeit lang in österreichischen Schulen
in Istanbul unterrichteten: Johann NEMETZ und Franz E. WIMMER.
Johann NEMETZ wurde am 25.3.1867 in Morchenstern in Böhmen (heute Smrzovka in der Tsche-
chischen Republik) geboren. Er ergriff den Lehrberuf. Seine Frau Olga (geb. 9.6.1881) gebar ihm
am 1.4.1910 sein einziges Kind, den Sohn Walter. Nach FRITSCH (1900: 219) war er zunächst
Lehrer an der österreichisch-ungarischen Schule in Pera (Stadtteil von Istanbul), hat in den Jah-
ren 1894-1897 in der Umgebung von Constantinopel botanisiert und war 1900 jedenfalls schon
Lehrer in Pottendorf (NÖ). DÖRFLER (1909: 224) nennt diesen Ort ebenfalls als seine Adresse.
Am 15.6.1918 übersiedelte er nach Wiener Neustadt, wo er dann Bürgerschul-Direktor war. Am
30.11.1938 ist er dort verstorben.
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Von NEMETZ gingen 1895-98 ca. 770 Belege am Botanischen Institut in Wien (WU) ein, 1931
folgten weitere 202. Ihre Bearbeitung hat in Wien Karl FRITSCH (geb. 24.2.1864, Wien; gest.
17.1.1934, Graz) begonnen. 1900 veröffentlichte er die Kryptogamen, die Phanerogamen lieferte
1938 RECHINGER nach.
Ziemlich unbeachtet ist geblieben, daß auch Franz Elfried WIMMER (Abb. 5) in der Umgebung
von Istanbul Herbarbelege anlegte.
WIMMER wurde am 30.11.1881 in Niederschrems als Sohn
eines Waldviertier Bauern geboren. Er zeigte früh Interes-
se an Insekten und auch an Pflanzen. Nach seinem Studi-
um in Wien und Graz begann er seine Lehrerlaufbahn am
St. Georgs-Kolleg in Istanbul. Dort legte er in seiner Frei-
zeit biologische Sammlungen an, auch auf Reisen in Klein-
asien. Am 21.7.1907 zum Priester geweiht, war er zuerst
Kaplan in Wien, später Priester in Wampersdorf und dann
bis 1958 Anstaltspfarrer im „Elisabeth-Spital der Barm-
herzigen Schwestern" in Wien. Neben seinem Beruf wid-
mete er sich der Botanik. Als Monograph der Lobeliaceae
und Cyphiaceae erlangte er Weltruf. Im Dezember 1960
mußte er sich einer zweiten Darmkrebs-Operation unter-
ziehen, am 2.5.1961 starb er in Wien, 8 Tage später wurde
er am Jedlseer Friedhof zu Grabe getragen (DEGENER &
DEGENER 1962: 1-2). Seine 400 Belege aus der Umgebung
von Istanbul sind an das Naturhistorische Museum in Wien
(W) gekommen, wie schließlich dann auch sein ganzes
Herbar. RECHINGER (1938) hat sie in seine Flora von
Constantinopel aufgenommen. Abb. 5: Franz Elfried WIMMER
Im Jahre 1902 machten PENTHER, ZEDERBAUER und
TSCHAMLER eine Expedition auf den Erdschias Dag:
Arnold PENTHER wurde am 15.10.1865 während eines Studienaufenthaltes seines Vaters Daniel,
der Maler war, in Rom geboren. Er studierte von 1887-1891 an der Universität in Wien Natur-
wissenschaften und wurde 1892 im Fach Zoologie promoviert. Im Jahre 1898 wurde er Volontär
am Naturhistorischen Museum in Wien, 1900 Assistent, 1918 Kustos I. Klasse, 1921 Regie-
rungsrat und 1924 trat er in den Ruhestand.
Er war in erster Linie Zoologe und beschäftigte sich vorwiegend mit Spinnentieren (KÜHNELT in
OBERMAYER-MARNACH 1978: 410).
Emmerich ZEDERBAUER (Abb. 7) wurde am 29.9.1877 in Nußdorf an der Traisen (NÖ.) geboren.
Er studierte an der Universität in Wien und wurde am 10.2.1903 zum Dr. phil promoviert. Vom
1.4.1901 bis 31.12.1902 war er Demonstrator am Botanischen Garten und Museum der Univer-
sität in Wien, vom 1.1.1903 bis 31.8.1905 Assistent daselbst (bei R. WETTSTEIN), vom 1.9.1905
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an war er dann Assistent an der Forstlichen Versuchsan-
stalt in Mariabrunn bei Wien, ab Oktober 1906 Adjunkt,
ab 1913 Inspektor, ab 1919 Oberinspektor, ab 21.3.1921
Regierungsrat. An der Hochschule fur Bodenkultur habili-
tierte er sich am 1 3.1912 für systematische Botanik mit
besonderer Berücksichtigung der Biologie und Pflanzen-
geographie und wurde daselbst am 30.12.1921 zum a.o.
Professor für Obst- und Gartenbau ernannt, ab 1923 mit
dem Titel eines ordentlichen Professors, ab 30.7.1924 dann
ordentlicher Professor (JANCHEN 1933: 179). 1937-38 war
er Rektor. Nach dem Anschluß an das Deutsche Reich
wurde er sofort verhaftet (12.3.1938) und am 2.4.1938
mit dem Prominententransport nach Dachau ins KZ ge-
bracht. Auf Betreiben seiner Studenten wurde er im Herbst
1938 wieder freigelassen (FRITZ et al. 1988: 376). Er über-
lebte das Kriegsende als menschliches Wrack und war dann
1945 aus gesundheitlichen Gründen außerstande, dem Ruf Abb. 6: Emmerich ZEDERBAUER
nach seiner Reaktivierung zu folgen (DUHAN 1972: 221).
Am 4.9.1950 ist er in Wien gestorben.
Im Eingangsbuch des Bot Institutes (WU) ist in den Jahren 1904/5 der Eingang von ca. 725
Pflanzen von der Reise auf den Erdschias Dagh festgehalten.
Josef STADLMANN wurde am 18.11.1881 in Linz-Urfahr, Rudolfplatz 9, als Sohn des Gendarmerie-
wachtmeisters in Urfahr, Joseph STADLMANN und seiner Frau Caroline, geb. BERLINGER, geboren.
Er studierte an der Wiener Universität Naturgeschichte und heiratete am 18.4.1910 in Neukloster.
Nach JANCHEN (1933: 190) war er von 1902-1907 ein Schüler R. WETTSTEIN'S und wurde 1907 in
Wien zum Dr. phil. promoviert. 1933 war er jedenfalls schon Direktor des Bundesgymnasiums
Wien XIII. Gestorben ist er in Wien XIII, Auhofstr. 189, am 8.8.1964.
STADLMANN (1906) hat drei neue Taxa vom Erdschiasdag aus ZEDERBAUER'S Aufsammlung be-
schrieben Einen gewissen Höhepunkt bildeten die Orientreisen, die HANDEL-MAZETTI 1907 und
1910 nach Kleinasien unternahm.
Heinrich HANDEL-MAZZETTI (Abb. 7) wurde am 19.2.1882 in Wien geboren, die Familie übersie-
delte aber 1884 bereits nach Innsbruck, wo er seine Kindheit verbrachte und auch noch die 1.
Klasse des Gymnasiums besuchte. Im Jahre 1893 wurde sein Vater als Stadtkommandant nach
Wien berufen, sodaß er von 1893-1898 das Gymnasium in Wien-Döbling absolvierte. Nach sei-
nes Vaters Tod kam er von 1898-1900 in das Gymnasium des Benediktinerstiftes Seitenstetten,
wo er am 18.7.1900 maturierte Von Herbst 1900 bis Herbst 1901 war er als Einjährig-Freiwilli-
ger bei den Tiroler Kaiserjägern in Innsbruck. Im Herbst 1901 begann er das Botanik-Studium an
der Universität in Wien. WETTSTEIN nahm ihn mit 1.1.1903 bereits als Demonstrator, mit 1.9.1905
als Assistent auf. Als Dissertation bearbeitete er die Gattung Taraxacum monographisch. Am
8.2.1907 wurde er zum Dr. phil. promoviert. Ab 1.4.1923 wurde er dem Naturhistorischen Mu-
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