Table Of ContentOstdeutsche Jugendliche
U ta Schlegel
Peter Förster (Hrsg.)
Ostdeutsche Jugendliche
Vom DDR-Bürger
zum Bundesbürger
Leske + Budrich, Opladen 1997
Gedruckt auf säurefreiem und altersbeständigem Papier.
ISBN 978-3-8100-1680-5 ISBN 978-3-322-97361-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-97361-0
© 1997 Leske + Budrich, Opladen
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Satz: Leske + Budrich
Inhalt
Editorial ... .... ............. ...... .... ... ... ........... ...... ......... ... ..... ...... ..... ........ .... ...... 9
Teill
Ostdeutsche Jugend:
Entwicklungsbedingungen in die neue Gesellschaft .......... 21
Bernd Lindner
Sozialisation und politische Kultur junger Ostdeutscher vor und nach
der Wende - ein generationsspezifisches Analysemodell ....................... 23
Walter Friedrich
Zur Mentalität der ostdeutschen Jugend .................................................. 39
Monilw Reißig
Familiäre Sozialisationsbedingungen und Problemverhalten
Jugendlicher - Ergebnisse des 3. Leipziger Jugendlängsschnitts ............ 53
Otmar Kabat vel Job
Familiensozialisation im Jugendalter - Familie als Ressource ................ 63
Teil 2
Ostdeutsche Jugendliche:
Ausgewählte soziale Gruppen .................................................... 79
Wilfried Schubarth
,,zuerst hatten wir geglaubt, jetzt wird alles anders" -
Schule und Schülersein nach der Wende. ...... .......................................... 81
Detlef-Dieter Wächter
StudienanfängerInnen der Friedrich-Schiller-Universität Jena
im Jahr nach der Wende .......................................................................... 95
Ulrich Heublein
Studienabbruch - Ursachen und Tendenzen ........................................... 105
6 Inhalt
Jochen Schreiber
Studentische Wohnverhältnisse im Wandel............................................ 113
Gustav-Wilhelm Bathke
Diplomierte Wendeopfer? Gewendete Diplomierte? Zur beruflichen
Integration und zur Entwicklung von allgemeinen und beruflichen
Werten von DDR-Hochschul absolventen - Ergebnisse einer
Intervallstudie .......................................................................................... 125
Thomas Gericke
Landjugendliche im Osten Deutschlands ................................................ 141
Uta Starke
Die Region als Instanz der Sozialisation Jugendlicher ............................ 153
Uta Schlegel
Weibliche Jugendliche in Ostdeutschland -
makrosoziologische Perspektiven ........................................................... 169
Matthias Trier
Berufliche Weiterbildung im Erleben jüngerer Arbeitsloser ................... 193
Teil 3
Soziale und politische Sozialisation, Einstellungen
und Verhaltensmuster ostdeutscher Jugendlicher:
Wandel und Kontinuität .............................................................. 205
Peter Förster
Der lange Weg vom DDR-zum Bundesbürger ....................................... 207
Ralf KuhnkelHartmut Mittag
Zur Entwicklung von Lebenszielen bei ostdeutschen Jugendlichen ....... 225
KarinFobe
Lebensentwürfe Jugendlicher an der Schwelle zum Beruf ............ .......... 243
Kurt Starke
Partnerschaft und Sexualität Jugendlicher - 8 synoptische Aussagen .... 263
Konrad Weller
Vom Wandel der partnerschaftlichen und familiären Verhältnisse
in Ostdeutschland .......................... .......................................................... 285
Inhalt 7
Elenor Volprich
Umweltbewußtsein von Technikstudenten im Kontext der Wende ........ 293
Leo Kasek
Das Verhältnis Ostdeutscher zur Umwelt ................................................ 303
Heinz Schauer
Umweltbewußtsein ostdeutscher Jugendlicher und Studenten
vor und nach der "Wende" ...................................................................... 319
Wolfgang Otto
Einstellungen Chemnitzer Schuljugendlicher zum wissenschaftlich-
technischen Fortschritt ............................................................................. 331
Ute KariglHans-Jörg Stiehler
Von "Spaß am Dienstag" bis "Miami Vice" - Aspekte des
Fernsehumgangs von Kindern und Jugendlichen vor und
nach der Wende ....... ........... ..... .... ..... ......... ....... .......... ...... .... .... ..... ...... .... 341
Harald Schmidt
Jugend reist - Freizeittourismus ostdeutscher Jugendlicher
in den 90er Jahren ................................................................................... 355
Winfried Haas
Interkulturelle Beziehungen zwischen Deutschen und Polen aus der
Sicht der Jugendlichen ............................................................................. 367
Manfred Rochlitz
Ostdeutsche Jugendliche und Ausländer - Anmerkungen aus der
Tourismussoziologie .............................................................. ................. 373
Gisela Thiele
Auf der Straße und ausgegrenzt - Ein sozio-kultureller Vergleich
zwischen Gangs in den USA und Jugendkulturen in Deutschland .......... 377
RolfLudwig
Möglichkeiten der Ergebnisdarstellung bei Intervallstudien ................... 391
Ralf KuhnkelFriderike Spichale
Übersicht über die ZIJ-Längsschnittstudien ............................................ 401
8 Inhalt
Dieter Wiedemann
Von gewollten und gestatteten ,,Nischen" - die kino- und
filmsoziologischen Forschungen am ZU .. ............. ... ............................... 405
Hans-Georg Mehlhom
Kreativitätsschulen: Konsequenz langjähriger Begabungsforschung. ..... 417
Kerstin Schreier
Datensicherung und Dokumentation von ZU-Studien am Beispiel des
Projekts "Rollenverständnis junger Frauen in Beruf und Familie" ......... 429
Hartmut Griese
Zeiten des Wandels und der neuen Möglichkeiten-
ein Dokument 1989190 .............................. ........... ......... ...... .................... 441
Vta Schlegel
Zum Verbleib der Forschungsfelder und Wissenschaftlerlnnen der
DDR-Jugendforschung ............................................................................ 451
Die Autoren des Bandes .......................................................................... 471
Namensregister ........................................................................................ 479
Editorial
Dies ist ein - im direktesten Sinne - merkwürdiger Band insofern, als er
Transformationsprozesse in den neuen Bundesländern im zwiefachen Sinne
widerspiegelt: Nicht nur der Forschungsgegenstand - die ostdeutsche Jugend
- ist betroffen von Transformationsprozessen, sondern auch die ForscherIn
nen/Autorlnnen sind alle persönlich in vielfältiger Weise in sie eingebunden.
Sie haben schon vor und während der "Wende" die gesellschaftlichen Pro
zesse in der DDR sozial wissenschaftlich-empirisch begleitet und waren an
ihnen (als meist Leipziger in Leipzig) teilweise direkt beteiligt; für alle folg
ten Brüche in ihrem Lebenszusammenhanglin ihrer Berufsbiographiel sowie
intensive Lernprozesse im Alltag und in der Wissenschaftsorganisation; fast
alle haben hohe Anstrengungen unternommen (wie könnte es anders sein als
Sozialwissenschaftlerlnnen in dieser historisch beispiellosen Situation), ge
sellschaftliche und individuelle Prozesse in Ostdeutschland weiter zu analy
sieren - letzteres unter unterschiedlichen persönlichen Voraussetzungen und
Möglichkeiten, aber in vielen Fällen mit Erfolg. Denn sicher muß man es als
Erfolg werten, auch in den neuen Wissenschaftsstrukturen und in einer ande
ren scientific community mehr oder weniger - wenn auch teilweise mit gro
ßen Verletzungen, unter deutlichen Statusverlusten, aber auch mit Chancen
beruflichen Aufstiegs - behaupten zu können, weiterhin in seinem "alten"
Forschungs-oder doch dessen Umfeld zu arbeiten.
Hartmut Griese prognostizierte Ende 1990 angesichts der bevorstehen
den Schließung des Zentrums der ostdeutschen Jugendsoziologie, des ZIJ,
aus der Sicht seiner damaligen Kenntnis deren Themen, Methodologie/Me
thodik und Wissenschaftlerlnnen2: "Das ZU muß, als typische DDR-Institu
tion, ebenso wie die DDR selbst, aufhören zu existieren. Es ist jedoch zu ver
muten, daß vieles davon, wie auch von der DDR, faktisch bestehen bleiben
wird - und primär für die Jugendforschung erhoffe ich das auch." (Griese
1991: 222)
Er sollte unter mindestens dreifacher Perspektive recht behalten:
Zum ersten: Nach vielen Gesprächen und Anregungen in den letzten Jah
ren - vor allem zu Begegnungen auf Fachkonferenzen, aber auch auf den
Insofern sind die Vitae am Schluß des Bandes ein eigenes Dokument für den Verlauf von
Berufsbiographien von ostdeutschen Sozialwissenschaftlerlnnen.
2 siehe dazu auch sein Beitrag in diesem Band
10 Editorial
jährlichen Treffen der Zmerlnnen in Leipzig und anläßlich der Untersu
chung 1993/94 über ihren professionellen Verbleib3 entstand und verdichtete
sich die Idee einer Publikation. Erscheinungsanlaß und -zeitpunkt sollte der
30. Jahrestag der Institutionalisierung der DDR-Jugendjorschung - die
Gründung des ZIJ - sein. Fünf Jahre nach seiner Auflösung fanden sich für
dieses Projekt die meisten Wissenschaftlerlnnen der DDR-Jugendforschung
noch einmal zu einer gemeinsamen Publikation zusammen.
Zum zweiten betrifft dies - wie aus den meisten Beiträgen dieses Bandes
ablesbar ist - auch und vor allem die methodologisch-methodischen Prinzipi
en der Jugendjorschung, die sich in fast 25 Jahren bewährt haben und sich
heute - in anbetracht der sozial wissenschaftlichen Analyse des tiefgreifenden
Wandels in der (insbesondere, aber nicht ausschließlich ostdeutschen) Gesell
schaft und seinen Folgen für die in ihr lebenden Individuen und sozialen
Gruppen - durchaus als positives Erbe erweisen. Gemeint sind in erster Linie
der methodisch aufwendige und anpruchsvolle Längsschnittansatz, dessen
breite und konsequente Anwendung sich in immerhin 19 Längsschnitt
studien des ZU widerspiegelt.4 Die Fortsetzung einiger von ihnen über die
"Wende" hinweg bietet die einzigartige Möglichkeit, Wandlungsprozesse
unter Jugendlichen in den 80er Jahren in die Analyse einzubeziehen;
die konzeptionell festgeschriebene und realisierte Interdisziplinarität in der
Bearbeitung der Themen und in der Herkunft der Wissenschaftlerlnnen
sowie
die Methodenvielfalt, d.h. über die dominanten anonymen schriftlichen Be
fragungen per standardisiertem Fragebogen im Gruppenverband hinaus
auch qualitative Forschungstechniken (wie z.B. Tiefeninterviews, Grup
pendiskussionen, Expertenbefragungen, Aufsatzmethode, teilnehmende
Beobachtung, Dokumentenanalyse).
Drittens und vor allem bezieht sich dies auf die Lebenszusammenhänge der
Ostdeutschen, die sich noch in einer "Übergangsgesellschaft" von der DDR
zur Bundesrepublik befinden.
Vom ursprünglichen Konzept des Readers (das neben Forschungsergeb
nissen über ostdeutsche Jugend noch andere Themen für die Beiträge inten
dierte, z.B. die Transformation der Wissenschaft/der Wissenschaftsdiziplin,
die eigene Biographie über die "Wende" hinweg, Praxisberichte) sind die
Herausgeber - zahlreichen Gesprächen mit den und Vorschlägen der Autoren
folgend - abgegangen und haben letztendlich Analysen zur ostdeutschen Ju
gend präferiert: möglichst im zeitlichen Bogen DDR - Wende - Gegenwart
und im besten Falle längsschnittlieh. Diese weite Zeit- und damit "Wand
lungs"perspektive ist für die meisten Beiträge charakteristisch, ob nun auf
eher konkret-empirischer oder eher auf theoretisch-verallgemeinender Ebene.
3 vgl. dazu den Beitrag von Schlegel in diesem Band
4 vgl. dazu die Übersicht von Kuhnke/Spichale in diesem Band
Editorial 11
Natürlich kann und will der Band trotz dieser Fokussierung - und das ist
den Herausgebern bewußt - weder ein vollständiges Abbild der ostdeutschen
Jugend zeichnen noch eine lineare Fortschreibung der DDR-Jugendforschung
(und ihrer Forschungsfelder) darstellen. Dies hat vor allem folgende Gründe:
Einerseits waren bestimmte Forschungsfelder der DDR-Jugendforschung
nicht kompatibel mit denen der west- und damit gesamtdeutschen (als prä
gnantes Beispiel dafür kann die Kreativitäts- und Hochbegabungsforschung
gelten), so daß solche nach der Vereinigung nicht fortgeführt wurden.
Zudem sind einige JugendforscherInnen - trotz anfangs spontaner Zusa-
ge zur Mitarbeit - schließlich nicht als AutorInnen in den Band eingegangen
einige (die das selbst sehr bedauern) aus Gründen familiärer Belastungen
oder mangelnder Arbeitskapazitäten;
einige, weil sie mit der "Wende" (freiwillig oder unfreiwillig) aus der
Wissenschaft ausgestiegen sind;
einige, weil sie es - obwohl direkt oder indirekt in der Forschung geblie
ben - aus pragmatischen und den Herausgebern verständlichen Gründen
(Sorge um Arbeitsplatz und Aufstiegschancen) für besser halten, nicht
mehr im Kontext ihrer wissenschaftlichen Herkunft in Erscheinung zu
treten.s
5 Wenn auch zunehmend sachlich-differenziert, wurde und wird die Jugendforschung der DDR
bzw. der neuen Bundesländer noch immer sehr kontrovers beurteilt und behandelt (z.B. auch
bei der Vergabe von Fördennitteln und bei Personalentscheidungen) - in einer Palette
- von primitiver Verleumdung: Bei der Besetzung der Leipziger Außenstelle des Hauses
der Deutschen Geschichte bekam 1994 "den 'Zuschlag' ein ehemaliger, langjähriger
Mitarbeiter des Leipziger SED-Jugendforschungs-lnstitutes, einer statistisch-morali
schen Lügenbastion der DDR-Diktatoren". (Mey 1995: 10)
- über Ignoranz: "Forschungsarbeiten und -berichte von Forschungsinstituten und For
schern der ehemaligen DDR (die auch jetzt noch in den 5 neuen Bundesländern arbei
ten)" sind "als Aussagen über die Wirldichkeit noch nicht einmal das Papier wert."
(Niermann 1991: 2)
- bis hin zu sachlich-analytischer Einordnung unter zeitgeschichtlicher Perspektive: ,,Die
Arbeiten und Studien des Leipziger Zentralinstituts für Jugendforschung im allgemei
nen und in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre im speziellen stellen eine wichtige
Quelle für die sozialwissenschaftliche Forschung über die DDR" dar und ,,liefern ein
authentisches Bild von quantitativen und qualitativen Entwicklungen, wie es durch an
dere Unterlagen nicht wiedergegeben werden kann". ,,Die Symptome und z. T. die Ur
sachen der tiefgreifenden gesellschaflichen Krise in der DDR, die 1989/90 zum Zu
sammenbruch des realsozialistischen Systems fiihrten, waren durch das ZU im Lebens
bereich der Jugendlichen ... mit zunehmender Schärfe bewertet worden." Jedoch: Die
politischen Akteure reagierten mit ,,Realitätsverweigerung", charakteristisch für "die
Agonie des Systems". (Stephan 1995: 733)
- und die Aufbereitung und Sicherung eines Teils der ZU-Daten durch das Zentralarchiv
zur sozialwissenschaftlichen Nachnutzung (vgl. z.B. ZA 1995) sowie deren Vorstellung
durch eine VeranstaItungsreihe unter Einbeziehung der Primärforscherlnnen (z.B.
,,Jugend im Osten - Studienkollektionen und Sekundäranalysepotentiale fiir die Trans
formationsforschung". Workshop des Zentralarchivs und des Deutschen Jugendinstituts
25.-27.10.1995 in Berlin. Konferenzband i. D.)