Table Of ContentUlrich Schutte
ORDNUNG UND VERZIERUNG
SCHRIFTEN
DES DEUTSCHEN
ARCHITEKTURMUSEUMS
ZUR ARCHITEKTURGESCHICHTE
UNO ARCHITEKTURTHEORIE
Deutsches Architekturmuseum
Frankfurt am Main
Ulrich Schutte
ORDNUNG VERZIERUNG
UND
Untersuchungen
zur deutschsprachigen Architekturtheorie
des 18. Jahrhunderts
M
F riedr. Vieweg & Sohn Braunschweig/Wiesbaden
Herausgegeben von Heinrich Klotz
im Auft rag des Dezernats Kultur und Freizeit der Stadt Frankfurt am Main
Aile Rechte vorbehalten
© Friedr. Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden 1986
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1986
Einbandgestaltung: Peter Neitzke, Kaln
Lithographie: Schiitte & Behling, Berlin
Satz: R.-E. Schulz, Dreieich
ISBN-13: 978-3-528-08703-6 e-ISBN: 978-3-322-86020-0
DOl: 10.1007/978-3-322-86020-0
Inhalt
Vorwort 7
Einleitung 8
1 Zur Methodik dieser Arbeit 11
2 Die deutsche Architekturtheorie im 18. Jahrhundert 18
3 Der Umfang des Verzierungs-Begriffs 22
firmitas, utilitas, venustas 23
Schonheit, Ansehnlichkeit 24
Kunst und Kunste 25
Der Betrachter 29
Die zentralen asthetischen Kategorien 30
Zierlichkeit 33
ornamentum, Verzierung 34
Schonheit, Zierlichkeit, Verzierung 36
4 Die Saulenordnungen 40
Definitionen und Begriffshestimmungen 41
Die Saule als Stiitze 43
Historisches Denken und das Postulat der imitatio naturae:
Die Kontroverse urn die Theorie der Nachahmung der Holzarchitektur 46
Saulenordnungen als Verzierungen 58
Verzierung und Saulenordnungen 59
Die Genera 61
Die Geschichte der Saulenordnungen 64
Teile, Clieder und Verzierungen der Saulenordnungen 66
Die Proportionen der Saulenordnungen 81
Die Bedeutungen der Genera 89
Die Anwendung der Genera 99
Der Geltungshereich der Saulenordnungen 108
Neue Saulenordnungen 116
Die Kritik an den Saulenordnungen 124
5 Arabeske, Groteske und Rocaille 134
6 Ordnung und Verzierung im 18. Jahrhundert 152
Anmerkungen 161
Verzeichnis der Sekundarliteratur 210
Verzeichnis der Quellen 216
Vorwort
Die vorliegende Schrift wurde 1979 erstmals als fotomechanische Reproduktion mei
ner maschinenschriftlichen Dissertation veroffentlicht. Ich bin Herrn Prof. Dr. Hein
rich Klotz als Leiter des Deutschen Architekturmuseums Frankfurt am Main und
dem Verlag Friedr. Vieweg & Sohn dankbar, daB das Werk nun auch als Buch und mit
einem erweiterten Abbildungsteil erscheinen kann.
Fur den Druck muBte der Text gekurzt werden. Dies geschah durch Auslassung jener
Passagen im Anmerkungsteil, die zusatzliche Zitate und ausfuhrliche Quellennach
weise lieferten. Durch Hinweise auf die nunmehr ausgelassene Stell en ist dem Leser
die Moglichkeit an die Hand gegeben, bei Interesse die Angaben in der Erstfassung
aufzufinden. Verzichtet wurde hier auch auf den Abdruck der Exkurse uber die ,Ur
hutte' und die ,Gebaudetypen im 18. Jahrhundert', da ich dieses Material z.T. in eini
gen Beitragen des Ausstellungskataloges ,Architekt und Ingenieur. Baumeister in
Krieg und Frieden' (Wolfenbuttel 1984) benutzt habe. Die Kurzungen betreffen an
sonsten nicht den durchlaufenden Text. Soweit mir neuere Arbeiten bekannt gewor
den sind, habe ich sie in den Anmerkungen genannt.
Fur die Hilfe bei der Vorbereitung und Fertigstellung dieser Arbeit habe ich Herrn
Prof. Dr. Ralf Reith, Herrn Prof. Dr. Peter Anselm Riedl, den Mitarbeitern der Un i
versitatsbibliothek Heidelberg und meinen Eltern vielmals zu danken.
Frankfurt, im Sommer 1986 Ulrich Schutte
7
Einleitung
Die Formulierung des Themas dieser Arbeit ist Ergebnis und war nicht Ausgang
spunkt. Ursprunglich bestand die Absicht, die Kritik an der Rocaille als zentrales Pro
blem abzuhandeln, da die zu diesem Thema wichtigen T exte in der kunsthistorischen
Literatur zwar immer wieder erwahnt, aber selten analysiert werden. Bei dieser Frage
stellung hatte sich die Arbeit auf einen Zeitraum von ca. 1740 bis ca. 1770 beschrankt.1
Allerdings erwies sich schnell, da6 die Kritik an der Rocaille nur als T eil der Kritik am
gotischen und grotesken, bzw. arabesken Schmuck zu verstehen ist. Diese wiederum
bezieht ihre Kriterien aus einem Ornament-und Architekturbegriff, der - dies ist ei
ne wichtige These dieser Arbeit - stark von der Theorie der architektonischen Ord
nung gepragt ist, wie sie sich in den Theorien uber die Saulenordnungen konkretisiert.
Ordnung ist fur jede Architektur konstitutiv; Unordnung jeder Architektur fremd.
Die Verzierung als Summe der den Gebauden applizierbaren Objekte hat sich diesem
Prinzip zu fugen und unterliegt dem Verdikt der Architekturfeindlichkeit, wenn sie
unordentlich, regellos, willkuhrlich und beliebig ist. Die Gestaltung der Gebaude und
der Verzierungen bleibt also auf Regeln verpflichtet und ist kein Produkt der indivi
duellen Phantasie. So jedenfalls nach einem Architekturverstandnis, wie es sich mit
dem ,Rationalismus' des fruhen 18. Jahrhundert durch den Philosophen und Mathe
matiker Christian Wolff herausbildet und fast im ganzen 18. Jahrhundert fortwirkt.
An diesem wird die Rocaille und jedes andere groteske Ornament gemessen. Gegen
1800 vollzieht sich eine entscheidende Wandlung: Gotische und groteske Verzierung
werden aufgewertet und damit auch asthetische Freiheit und Phantasie.
Zum Gang der Darstellung: Nach Vorbermerkungen zum Forschungsstand und zur
Materialbearbeitung solI zunachst einiges zur Methodik der Begriffsgeschichte und zu
den verschiedenen Quellengattungen gesagt werden (Kap. 1). Auch der sich anschlie-
6ende kurze Dberblick uber die Geschichte der deutschen Architekturtheorie im 18.
Jahrhundert (Kap. 2) ist noch als Vorbemerkung anzusehen. Dies gilt nicht mehr fur
die Darstellung des Umfangs des Begriffs Verzierung (Kap. 3); denn hier wird die
Grundlage fur das Folgende gelegt. Es geht urn die Angabe der Stellung der Verzierun
gen im System der Architektur. In den Kapiteln ,Saulenordnungen' und ,Arabeske
und Groteske' (Kap. 4 und 5) sollen die fur die Fragestellung wichtigsten Verzierun
gen abgehandelt werden. Unter der Dberschrift ,Ordnung und Verzierung'sind dann
die wichtigsten Ergebnisse und Thesen zusammengefa6t.
1m Vergleich mit der italienischen, franzosischen und englischen Architekturtheorie
wurden die deutschen Architekturbucher in der Sekundarliteratur nur selten abgehan-
8
delt. Die wichtigsten Arbeiten stammen von Habicht, Zollner und Forssman.2 Wah
rend Habicht zum erst en Mal einen Oberblick iiber das 17. und 18. Jahrhundert ver
sucht, liegt fiir Forssmann der Schwerpunkt der Darstellung im 16. und 17.
Jahrhundert. Zollners kommentierende Bibliographie der "Saulen-, Zierraten- und
Schild-Biicher" des Zeitraumes von 1610 bis 1680 solI als ein "Beitrag zur Entwick
lungsgeschichte des Knorpelwerkstils" verstanden werden, beriihrt also nur die Vor
geschichte der hier interessierenden Problematik. Ahnlich wie bei Zollner wurden an
la6lich verschiedener Ausstellungen einzelne Architekturschriften oder Theoretiker
besprochen3, ohne da6 man jedoch zugleich den Anspruch einer zusammenfassenden
Darstellung erhob, wie dies bei Habicht und Forssmann durchaus geschieht. Bei die
sen beiden Autoren mu6 angekniipft werden, will man einen Oberblick iiber die
Theorie im 18. Jahrhundert gewinnen. Doch es scheint bezeichnend fiir die For
schungslage, da6 Habicht seinen Oberblick iiber "die deutschen Architekturtheoreti
ker des 17. und 18. Jahrhunderts" mit J.J. Schiibler - einem Theoretiker aus der erst en
J ahrhunderthalfte - abschlie6t und Forssmann im letzten Kapitel seines Buches es als
erwiesen ansieht, "da6 die Saulenmaterie nun [d.h. mit der Theorie L.c. Sturms urn
1700; U.S.]erschopft war"4. Da6 erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts die Saulenord
nungen grundsatzlich kritisiert werden, bleibt au~erhalb der Beachtung.
Forssmans Schrift ist Voraussetzung dieser Dissertation; denn ohne die Materialbear
beitung dieses Autors hatte sie so nicht geschrieben werden konnen. Die Entwicklung
der verschiedenen Stromungen innerhalb der Theorie bis 1700 sind hier aufgezeich
net. Gleichwohl mu6ten fiir diese Arbeit nochmals einige Quellen des 17. Jahrhun
derts untersucht werden, wenn es darum ging, die Tradition bestimmter Begriffe zu
ermitteln; denn Forssmans Satz von der Erschopfung der "Saulenmaterie" ist nur inso
we it berechtigt, als er betont, da6 urn 1700 "das Zeitalter des Dekorativen, theoretisch
wenigstens, endgiiltig iiberwunden"5 ist. Dennoch bleiben Saulenordnung und Verzie·
rung wichtige und zum T eil entscheidende Bestandteile der Architekturtheorie. Der
Begriff der Ordnung wird urn 1700 zwar teilweise neu definiert, indem die Baukunst
immer mehr als eine Disziplin der angewandten Mathematik begriffen wird, dies
fiihrt jedoch nicht dazu, da6 - wie man nach Forssman vermuten konnte - die ganze
Saulenordnungsproblematik iiberfliissig geworden ware. Der Schritt zu ihrer grund
satzlichen Problematisierung erfolgt erst ein Jahrhundert spater. Bevor auf diese Ent
wicklung genauer eingegangen werden solI, einiges zur Bearbeitung der Quellen.
Es existiert weder eine exakte Obersicht iiber die deutsche Architekturtheorie des 18.
Jahrhunderts, noch eine Bibliographie der Quellen. Zwar sind monographische Ar
beiten iiber einige Autoren vorhanden - so zu Decker, Fischer von Erlach, Goethe,
Moritz, Schiibler, Steingruber, Weinlig und Wilhelm -, sie sind jedoch fiir die hier zu
behandelnde Prpblematik nur selten ergiebig.6 Andererseits lie6 sich den Schriften
von Horn-Oncken iiber das decorum und von Gaus iiber die ,Urhiitte' viel entneh
men.7 Ein Problem konnte nicht umgangen werden: das der Quellenanalyse und -auf
arbeitung.
9
Da besonders uber die Zeit zwischen 1750 und 1800 Sekundarliteratur fehlt, muihen
zunachst die greifbaren, aber unvollstandigen Bibliographien zur Hilfe genom men
werden.8 Infolge der zum T eil umfangreichen Bucherverluste in der Zeit des zweiten
Weltkrieges war die Beschaffung einiger Bucher nicht einfach. Die Traktate und Zeit
schriften, die durchgesehen wurden, durften jedoch einen reprasentativen Uberblick
geben. Es wurde vor allem darauf geachtet, jene Theoretiker zu bearbeiten, deren
Schriften in den Veroffentlichungen anderer Autoren genannt werden. Die verschie
denen Ubersetzungen habe ich in die Analyse einbezogen, da davon ausgegangen wer
den kann, daG diese Schriften jeweils einem spezifischen Bedurfnis der deutschen Le
ser nachkamen.9 Ihre Wortwahl paGt sich den Veranderungen der deutschen Sprache
an. Die Frage der Abhangigkeit der deutschsprachigen Theorie von der italienischen,
franzosischen oder englischen kann nur an einigen einzelnen Punkten behandelt wer
den. Fur viele der hier zu untersuchenden Probleme ist mir keine vergleichbare kunst
historische oder sprachwissenschaftliche Arbeit bekannt geworden, so daG das Pro
blem der Originalitat bestimmter Gedanken solange nicht gelost werden kann, wie
Bearbeitungen der nicht-deutschen Quellen noch nicht vorliegen.
10