Table Of ContentAm Ende des realen Sozialismus (3)
Opposition in der DDR von den 70er Jahren
bis zum Zusammenbruch der SED-Herrschaft
Am Ende des realen
Sozialismus
Beiträge zu einer Bestandsaufnahme der
DDR-Wirklichkeit in den 80er Jahren
Herausgegeben von
Eberhard Kuhrt
in Verbindung mit
Hannsjörg F. Buck und
Gunter Holzweißig
im Auftrag des Bundesministeriums des Innem
Band 3
Opposition in der DDR
von den 70er Jahren
bis zum Zusammenbruch
der SED-Herrschaft
Herausgegeben von
Eberhard Kuhrt
in Verbindung mit
Hannsjörg F. Buck und
Gunter Holzweißig
im Auftrag des Bundesministeriums des Innem
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1999
ISBN 978-3-8100-1965-3 ISBN 978-3-663-01229-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-01229-0
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für diese Publikation ist bei Der Deutschen Bibliothek erhältlich.
Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.
© 1999 Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Leske + Budrich, Opladen 1999
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrecht lieh geschützt. Jede Verwertung außer
halb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig
und stratbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen
und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Diese Veröffentlichung stellt keine Meinungsäußerung des Bundesministeriums des Innern dar.
Für die inhaltlichen Aussagen tragen die jeweiligen Autoren die Verantwortung.
Inhalt
Grußwort ............................................................................................................. IX
Vorwort der Herausgeber.................................................................................... XI
I. Rückblicke
Rainer Eppelmann
Ohne uns hätte es die friedliche Revolution nicht gegeben ................................ 3
Markus Meckel
Der Wille zur Selbstverantwortung führte zur Infragestellung des Systems ...... 9
11. Grundfragen und Definitionen
Ehrhart Neubert
Was waren Opposition, Widerstand und Dissidenz in der DDR?
Zur Kategorisierung politischer Gegnerschaft .................................................... 17
Ilko-Sascha Kowalczuk
Gegenkräfte: Opposition und Widerstand in der DDR-
Begriffliche und methodische Probleme............................................................. 47
111. 1976-1982: Neue oppositionelle Ansätze
Bernd und Peter Eisen/eId
Widerständiges Verhalten 1976 -1982............................................................... 83
VI Inhalt
IV. 1983-1988: Von den Friedensgruppen zur Opposition
Hubertus Knabe
Der lange Weg zur Opposition - unabhängige politische Bestrebungen
1983 bis 1988...................................................................................................... 139
Wolfg ang Templin, Reinhard Weißhuhn
Die Initiative Frieden und Menschenrechte ........................................................ 171
Fred Kowasch
Die Entwicklung der Opposition in Leipzig.................. ........... .......................... 213
Michael Richter, Christoph Wonneberger, Matthias Rößler, Amold Vaatz
Opposition in Sachsen - Zeitzeugenberichte ...................................................... 237
Heiko Lietz
Die Entwicklung der Opposition im Norden ...................................................... 277
H ubertus Knabe
"Samisdat" - Gegenöffentlichkeit in den 80er Jahren ........................................ 299
Stephan Bickhardt
Vernetzungsversuche .......................................................................................... 331
Gerd Poppe
Begründung und Entwicklung internationaler Verbindungen ............................ 349
V. Die Ausreisebewegung
Bernd Eisenfeld
Flucht und Ausreise, Macht und Ohnmacht........................................................ 381
VI. 1989: Von der Opposition zur Revolution
Ehrhart Neubert
Die Opposition im Jahr 1989 - ein Überblick .................................................... 427
Karl-Wilhelm Fricke
Die Kommunalwahl 1989 ................................................................................... 467
Sebastian Pflugbeil
Das "Neue Forum" .............. ................................................................................ 507
Ehrhart Neubert
Der "Demokratische Aufbruch" ......................................................................... 537
Ludwig Mehlhom
"Demokratie jetzt" .............................................................................................. 573
Inhalt VII
Martin Gutzeit, Stephan Hilsberg
Die SDP/SPD im Herbst 1989 ............................................................................ 607
Rainer Eckert
Die Aktivitäten kleinerer oppositioneller Gruppen............................................. 705
Uwe Schwabe
Der Herbst' 89 in Zahlen - Demonstrationen und Kundgebungen
vom August 1989 bis zum April 1990 ............ ............ ....................................... 719
Christian Dietrich, Martin Jander
Die Ausweitung zum Massenprotest in Sachsen und Thüringen........................ 737
VII. Resümee
Erfolge und Schwächen der Opposition
von den 70er Jahren bis zum Ende der SED-Herrschaft-
ein Rückblick im Rundtischgespräch.................................................................. 789
Anhang
Günter Buch
Biographische Notizen........................................................................................ 799
Die Autoren und Herausgeber dieses Bandes ..................................................... 841
Bildquellenverzeichnis........................................................................................ 846
Grußwort
Der Sturz der SED-Herrschaft durch einen unblutigen Volksaufstand vor zehn Jah
ren gehört zu den herausragenden Ereignissen unserer Geschichte. Die entschei
denden Träger dieses Ereignisses waren die Menschen in der DDR. Zunächst waren
es die Ausreisewilligen, die ihrem Wunsch auch öffentlich Nachdruck gaben: "Wir
wollen raus!" Dann aber kam die wachsende Zahl derer, die in immer stärkeren
Demonstrationen grundlegende Veränderungen in der DDR selbst forderten: "Wir
bleiben hier!" war kein Versprechen, sondern die Forderung, die Verhältnisse so
umzugestalten, daß ein "Hier"-Bleiben in Freiheit möglich wurde.
Und dann kam der entscheidende Durchbruch: Mit dem Ruf "Wir sind das
Volk!" machten die Demonstranten ihren Anspruch geltend, nicht länger Unterta
nen einer alles wissenden und alles regelnden Partei, sondern freie Bürger zu sein.
Viele Menschen - auch Zeitzeugen, die in diesem Band zu Worte kommen - haben
darüber berichtet, dass die Entdeckung der Fähigkeit zu selbstbestimmtem Handeln
die für sie befreiende Erfahrung dieser Tage war. Und aus diesem Ruf wurde die
Forderung "Wir sind ein Volk", als erkennbar wurde, dass die Wiedervereinigung
in den Bereich realer Möglichkeiten rückte und, mit den Worten Willy Brandts, zu
sammenwachsen konnte, was zusammengehört.
"Mit ihrer Zivilcourage" - so hat es Bundeskanzler Schröder im Deutschen
Bundestag am 9. November 1999 formuliert - "haben die Menschen in der damali
gen DDR die deutsche Geschichte um etwas Einmaliges bereichert: die Erfahrung,
dass friedliche Beharrlichkeit und demokratischer Gemeinsinn Diktaturen zu Fall
bringen können."
Dass dies im Herbst 1989 möglich wurde, dafür schufen diejenigen die V oraus
setzung, von denen in diesem Band die Rede ist: die zunächst kleine und heteroge
ne Gruppe der "Opposition in der DDR". Diese Oppositionellen haben seit den
70er Jahren daran gearbeitet, neue, nicht SED-konforme Vorstellungen von Frie
denssicherung, Umweltschutz, Menschenrechten, Grundfreiheiten und Demokratie
zu entwickeln, zu verbreiten und öffentlich zu diskutieren, und sie standen für diese
Ziele ein gegen den Druck von SED, MfS und politischer Justiz, gegen den ganzen
aufgeblähten Sicherheitsapparat, mit dem die herrschende Partei gegen diese quan
titativ kleine Schar zu Felde zog. Sie waren daher 1989 auch der Kern, an dem sich
x Grußwort
die latente Unzufriedenheit der Menschen kristallisieren konnte, als die politischen
Rahmenbedingungen, die Impulse, die von der Öffnungspolitik Gorbatschows aus
gingen, dies ermöglichten. Vor allem gaben die Bürgerrechtler das Beispiel dafür,
dass es möglich war, auch dem scheinbar allmächtigen Apparat der totalitären
Diktatur gegenüber die Angst zu überwinden und aufrecht seinen Weg zu gehen.
Die DDR-Opposition gehört der Geschichte an. Ihre zentralen Ziele, in denen
sie sich, bei aller sonstigen Verschiedenheit, einig war - Beseitigung der Diktatur,
Wiederherstellung von Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit - sind verwirk
licht. Unabhängig davon, welche weiteren politischen Vorstellungen die Opposi
tionellen im einzelnen verfolgten, bleibt die Haltung wichtig, in der sie damals ge
handelt haben: Der Wille zur Selbstbestimmung, auch zur geistigen Eigenverant
wortlichkeit, die Zivilcourage, auch gegen Druck zu den eigenen Überzeugungen
zu stehen, und die Bereitschaft, sich für die Gesellschaft zu engagieren. Diese Hal
tung gehört zu den geistigen Grundlagen jedes freiheitlichen Gemeinwesens - auch
des wiedervereinigten demokratischen Deutschland.
Bundesminister des Innem
Vorwort der Herausgeber
Es war das Zusammenwirken von drei Faktoren, das im Sommer und Herbst 1989
die latente Dauerkrise der DDR zu einer akuten Existenzkrise verschärfte. Der erste
war eine Rahmensituation, in der die SED-Führung im eigenen Staat - vor allem
durch eine sich zuspitzende wirtschaftliche Krisenlage - und innerhalb des östli
chen Bündnisses - durch eine zunehmende Spannung zur Vormacht - geschwächt
war und sich dadurch in ihren Möglichkeiten eingeschränkt sah, auf Veränderungs
und Reformforderungen durchgängig mit repressiven Mitteln zu reagieren. Als
elementarer zweiter Faktor erwies sich eine tiefgreifende Unzufriedenheit in der
breiten Bevölkerung. Unter "normalen" Umständen latent und ohne unmittelbare
politische Wirkung, konnte sie unter den Bedingungen der späten 80er Jahre - an
gesichts enttäuschter Erwartungen auf eine die Anstöße Gorbatschows aufnehmen
de Reformpolitik - manifest werden. Voraussetzung dafür war der dritte Faktor: das
Vorhandensein eines Kristallisationskerns, der dieser wachsenden Unzufriedenheit
mindestens rudimentäre Artikulations-, Organisations- und Aktionsformen bereit
stellte. Diese notwendige Voraussetzung schuf die "DDR-Opposition".
Für das Profil der DDR in ihrem letzten Jahrzehnt, dessen Zeichnung das An
liegen unserer Bände ist, stellt diese Opposition einen zunächst quantitativ gerin
gen, aber unter dem Gesichtspunkt ihrer historischen Wirkung gleichwohl zentralen
Aspekt dar. Zu den wichtigsten Hervorbringungen jeder Diktatur gehören die Ge
genkräfte, die sie erzeugt.
"DDR-Opposition" ist eine zusammenfassende, die gemeinsame gesellschaftli
che Funktion betonende Bezeichnung für sehr heterogene Gruppierungen. Diese Op
position hatte in ihrer jüngeren Entwicklungsgeschichte - das gemeinsame Grund
anliegen stellt sie historisch in den Zusammenhang auch mit älteren Erscheinungs
formen widerständigen Verhaltens in den 40er bis 60er Jahren - Ende der 80er Jahre
eine rund zwei Jahrzehnte dauernde Entwicklung hinter sich. Begonnen hatte sie mit
kleinen Anfängen im kirchlichen Raum: Bausoldaten, Protest gegen "sozialistische
Wehrerziehung", "Offene Jugendarbeit"; im Hintergrund bei vielen Beteiligten der
"Prager Frühling" als prägende Erfahrung. 1976 hatte sie Impulse durch die Auswei
sung Biermanns und den sich daran knüpfenden Künstlerprotest, teils auch durch das
Signal des Zeitzer Pfarrers Brüsewitz erfahren. Anfang der 80er Jahre konnten kirch-
Description:Texte und Dokumente zur politischen und gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Situation in der DDR in den 80er Jahren. Band 1 "Die SED-Herrschaft und ihr Zusammenbruch" und Band 2 "Die wirtschaftliche und ökologische Situation der DDR in den achtziger Jahren" sind bereits erschiene