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Springer-Verlag Wien GmbH
Karl Heinz TragI
unter Mitarbeit van
Peter Fischer und Julius Neumark
Operationen an alteren Menschen
Nicht -chirurgische Aspekte
Springer-Verlag Wien GmbH
Univ.-Prof. Dr. Karl Tragi
Ludwig Boltzmann Institut fUr Altersforschung,
Donauspital, Wien, bsterreich
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Titelbild: Getty Imagesj"Doctor checking blood pressure
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Mit 5 zum Teil farbigen Abbildungen
ISBN 978-3-211-22323-9 ISBN 978-3-7091-0611-2 (eBook)
DOI 10.10071978-3-7091-0611-2
_ Vorwort
Die unentwegte Zunahme der Lebenserwartung fuhrt immer
altere Menschen zu einer chirurgischen Intervention. Die standige
Verbesserungder chirurgischen und der anasthesiologischenTech
niken errnoglicht immer grolsereund immer schwerere Operatio
nen. Dazu wird die Erwartungshaltung unserer Mitburger an die
Medizin immer hoher,
Um diesenAnforderungen undErwartungengerechtwerden zu
konnen,sindimmer grolsereAnstrengungenallerunmittelbarander
chirurgischen Intervention Beteiligten, aber auch aller im Umfeld
arztlich, pflegerisch oder rehabilitativ Tatigen notwendig. Die stan
digeAus-und Fortbildung, dasinterdisziplinare Verstandnisund die
enge Kooperation unter den verschiedenen Fachern gewahrleisten
diebesteVersorgungder Patienten.
Das vorliegende Buch verweist auf die Probleme, welche im
Umfeld einer chirurgischen Intervention mit dem hoheren Lebens
alterverbunden sind,und zeigtdieAufgaben,welche damit aufdas
nicht-chirurgische Teamvor, wahrend und nach der Operation zu
kommen. Es zeigt aber auch Wege, wie diese Probleme und Auf
gabeneinerbesserenl.osungzugefuhrtwerden konnen.
K. H.TragI
Inhaltsverzeichnis
_ Einleitung IX
_ DaspraoperativeAssessmentundpraoperativeMaBnahmen15
DieAnamnese 3
DiephysikalischeUntersuchung 5
DerErnahrungszustand 5
DerFlilssigkeitshaushalt 7
DerElektrolythaushalt 7
DasHerz-Kreislaufsystem 8
DerBlutdruck 9
Die Lungenfunktion 10
DieNierenfunktion 11
DerKohlenhydratstoffwechselundderDiabetesimAlter 12
DieoreooerstiveDiabeteseinstellung 13
DiatetischeingestellteDiabetiker 15
OraleingestellteDiabetiker 16
InsulinbehandelteDiabetiker 16
DerImmunstatusund Infektionen 17
_ DieBeurteilungdesOperationsrisikos 21
AllgemeineKriterien 21
OrganspezifischeKriterien 22
DasRisikoderNotfall-Operation 24
DieKorperregionalsOperationsrisiko 25
DieErfahrungdesChirurgen 26
DieAnasthesie 27
DasRisiko 27
AnasthesieundHirnfunktion 28
Anasthesie-Techniken 30
Allgemeinanasthesie 30
DieInhalationsanasthesie 31
DieitvrevenoseAnasthesie 33
DieRegionalanasthesien 36
DieAnalgesie 38
DieMuske/relaxation 39
PatientenausPflegeheimen 40
VIII Inhaltsverzeichnis
_ DieAbschatzungdeskardialenOperationsrisikos 43
ZusammenfassungderRisikofaktoren 48
_ DieKonsequenzenausdemAssessment
und denerhobenenOperationsrisken 49
DieBewertungpraoperativerErgebnisse 52
Patient mit unauffalligerAnamneseundmit
unauffaJligemklinischenStatus 50
DerkrankePatientodereinPatientmit
pathologischenBefunden 50
DiemedikarnentoseOperationsvorbereitung 52
DieInfektionsprophylaxe- Antibiotika 53
DieThromboseprophylaxemit Heparinen(unfraktioniert,
niedermolekular)oderHeparinoiden 54
DiekardialeStressprsvemior:mittelsBetablockade 54
_ DerPatient nachdemchirurgischenEingriff 57
Die postoperativeMorbiditatundpostoperativeKomplikationen 57
DerpostoperativeSchmerz 57
DieInfektionen 57
DieWundinfektion 58
DiePneumonie 60
DieHarnwegsinfektion 61
DieVermeidungpostoperativerInfektionen 61
DieThromboseprophylaxe 64
DiepostoperativeHarnretentionund dieHarninkontinenz 66
Postoperativekardia/eKomplikationen 67
DaspostoperativeDelirium 68
DieEpidemiologiederpostoperativenVerwirrtheit 69
RisikofaktorenundAtiologiedespostoperativen
Deliriums 70
DieKlinik derakutenVerwirrtheit 73
DiagnostikbeiAuftreteneinerpostoperativen
Verwirrtheit 76
DieTherapiedesakutenVerwirrtheitszustandes 76
DiepostoperativeMobilisierungund Rehabilitation 81
_ Literatur 85
_ Einleitung
Operationen analterenMenschenstellenweit hohereAnforde
rungen alschirurgische Eingriffeim allgemeinen.Sie haben sowohl
den Ruckgang der Organfunktionen wie auch die Multimorbiditat
deshoherenLebensalterszuberucksichtigen,DaswareninderVer
gangenheitunteranderenauchdieCrunde,dassmancheOperatio
nenverzogert oder sowieHernienoperationen oder wierekonstru
ierende Eingriffeiiberhaupt nicht durchgefUhrtwurden (Lyon 1984,
Seymour 1999).Fortschrittein der Medizin und in derTechnik,vor
allem aber Veranderungen in der Einstellung der Bevolkerung, der
Politikund nichtzuletztauchderArztezurStellungund Rollealterer
Menschen in unserer Gesellschaft haben die Ziele der Betreuung
und Behandlung desalteren Bevolkerungsanteilesverandert, Auch
wenn Ungleichheiten im Gesundheitswesennicht volligverschwun
densind (Editorial 1997),istheutenicht mehr dasblobe Uberleben
zum Ziel gemacht,sonderndieMobilisierung,dieSelbststandigkeit
und die Integration der alten und kranken Menschen in die Gesell
schaft.Damit istdie Zahlalterer Patienten,anwelchenchirurgische
Eingriffe vorgenommen werden, seit vielen lahren im Steigen und
wirdauchindennachstenJahrzehntenweiterzunehmen.Eskannje
denfallserwartetwerden,dassdieZahlderOperationenanuber65
jahrigenMenschen,welchezurZeitindenindustrialisiertenl.andern
etwa 25% aller chirurgischen Eingriffe ausmacht, auf etwa 40%
nachdemJahre2050ansteigenwird(Mangano 1990).DerAnteilal
terer Patienten ist allerdings in der verschiedenen chirurgischen
Facbem unterschiedlich und reicht bis etwa 25% in den Fachern
Orthopadie und Unfallchirurgie und fast50%in den Fachern Uro
logieund Augenheilkunde(Seymour 1992).Insgesamtistabernicht
nur die Anzahl chirurgischer Patienten im Steigen sondern eswer
dendaruber hinausimmer grofsere und schwerereOperationen an
alterenMenschenvorgenommen.
Furdie Zunahme der Anzahl der Operationen und fur die Zu
nahmedesAusmalsesundderSchwerederOperationenimhoheren
AltergibtesmehrereGrunde.ZunachstistessicherlichdieZunahme
derLebenserwartungundderdamitverbundenehohereAnteilanal-
X Einleitung
teren Menschen in unserer Bevolkerung, welche die zunehmende
Zahl derOperationen bestimmen.Es sindaberauchdiezunehmen
den ErkenntnisseundverbessertenTechnikeninden Fachern Chirur
gieund Anasthesiologie,die immer mehr Eingriffeerrnoglichen. Ge
radedieseletzten Grunde sindesauch, die immer schwerereOpe
rationenanalterenMenschenerlauben.Furdenletztendlichen Erfolg
einerchirurgischen Intervention spielendieOperationsvorbereitung
unddiepostoperative Kontrolle eineebensogrolseRolle.Auchihnen
ist in den vergangenen jahrzehnten eine erhohte Aufmerksamkeit
geschenktworden. DasLebensalterselbstbesitzt dagegenin Multi
varianzanalysenals isolierter Faktorfiir den Erfolgoder Misserfolg
einerOperation eineuntergeordnete Bedeutung,selbstwenn essich
um 90-jahrige handelt (Dunlop 1993, Burns-Cox 1997, Hosking
1989).Ein hoheresRisikofurdenpostoperativen Ausgangweisenda
gegenjene alteren Patientenauf, die mit multiplem Organversagen
schwerst krank sind. Dementsprechend ist dasLebensalterauch in
derAPACHE IIISkala,welche kritischkrankePatientenbewertetund
bismaximal 299 Punktereicht,ansteigendvertreten und erreicht im
Alter uber 85[ahren 24Punkte(Knaus1991).
Aile diese Ma~nahmen, die den unmittelbaren chirurgischen
Eingriffaberauchdiepra-undpostoperativeVersorgungder Patien
ten betreffen, haben dazu gefuhrt, dassdie gesamtepostoperative
Morbiditat und Mortalitat in den letzten jahrzehnten drastisch ge
sunkenist(Milamed 1994).Furdie Gruppeder uber 65-jahrigen Pa
tienten ist zwischen den Jahren 1960 und 1990 ein Ruckgangder
Mortalitat von 10-15% auf 2-3 % registriert worden (Thomas
1995) (Abb. 3). Aile jene Faktoren, die dazu gefuhrt haben, dass
immer grolsere Operationen an immer alteren Patienten durchge
fuhrt werden, tragen auch dazu bei, dassdie postoperative Morta
litat weiterhin absinkt. Zu diesen Faktoren kommt aber noch, dass
viele Operationen,die inderVergangenheit wegen ihresRisikos bei
alteren Patientenzunachst aufgeschoben wurden, kurze Zeit spater
alsNotoperationmit noch vielhoherern RisikodurchgefUhrtwerden
mussten.Heute jedoch werden die gleichen Operationen nicht auf
geschoben sondern erfolgen sofort als elektive Operationen mit
einem weit geringeren Risiko. Diese Vorgangsweise hat zur Folge,
dassselbst altesten Patienten eine notwendige chirurgische Inter
vention angeboten werden kann, auch wenn,wie zu erwarten, die
Mortalitat in der altestenPatientengruppe am hochsten ist(Bufalari
1996,Warner 1998).
Einleitung XI
Der Chirurg steht naturgemaf im Mittelpunkt des operativen
Geschehensund der beteiligtenAn te.Erhat mit dem Patientendie
Diagnoseund die ausihrsichergebendechirurgisch-therapeutische
Vorgangsweisezu besprechen.DiesesVorhabenkann beim alteren
Patienten auf Schwierigkeiten stolsen,weil dieser mit dem notwen
digenAblaufim allgemeinenund mitderTerminologieimspeziellen
oft nur schwer zurechtkommt. DasVerstandnisdesPatienten rnuf
aberinjedem Fallerarbeitet undseinEinverstandnisgewonnenwer
den.GrolsteBedeutungin diesem Gesprach besitzt auchdieFrage,
ob derchirurgischeEingriff zueinerdefinitivenHeilungfuhrenwird,
ob essichum einenmutilierenden Eingriffodernurum einenpallia
tiven Eingriff handelt. Jedenfallsmussdarauf eingegangen werden,
welchenEinflussdieOperationaufdieLebenserwartungund aufdie
l.ebensqualitat nimmt. Dabeispielt aucheine grolseRolle,welchen
Einflussdie vorgeseheneOperation auf den postoperativen funktio
nellen Status und auf die Selbststandigkeit des Patienten nehmen
wird.Zur Auseinandersetzungmit allendiesenFragensinddieemo
tionale Verfassung und der kognitive Status des Patienten von
grolser Bedeutung.Aile diese Fragen spielen nicht zuletzt auch fur
dieAntizipationeinerpostoperativenVerwirrtheit oder einesDeliri
umseineRolle.
EsistdieOperation analteren Patientenallerdingsnicht nurfUr
den Chirurgen sondern daruber hinausfur aile anderen beteiligten
Facher eine Herausforderung.Vor allem die notwendigen Beitrage
der Anasthesisten, der Internisten und der Psychiater sind neben
jenen der Chirurgen fiir den Erfolg einer Operation entscheidend,
wobei der engen Kommunikation zwischen diesen Fachern grofste
Bedeutungzukommt.DerAnasthesistsolltedabeiuberdieWahlder
Narkosetechnik, uber die Auswahl des Narkosemittels und auch
uber die Tiefe der Narkose entscheiden. Eine ahnliche Bedeutung
kommtdenbetreuendenInternistenzu.SiesollendasRisikofiirden
Patienten abschatzen und auf der Basisihrer Erhebungen, gemein
sam mit den Anasthesisten die Operationsvorbereitung durchfuh
renoNicht zuletzt kommt denInternistenauch diepostoperativeBe
treuungzu.DenPsychiaternfalltindiesemTeamdieAufgabezu,die
zerebraleBelastungdurch dieNarkoseund durch die Operationzu
beurteilen. Ihr Ziel mussessein, eine postoperative zerebrale De
kompensation mit Verwirrtheit und Delirium zu verhindern.
_ Das praoperative Assessment
und praoperative MaBnahmen
DaswichtigsteZieldespraoperativen Assessmentsbestehtletzt
lich in der Verminderung der intra-und postoperativen Morbiditat
und damit der Mortalitat des Patienten. Es bedarfdazu der Begeg
nungund derUntersuchungdesPatientendurch denAnasthesisten,
durch den Internisten,durch den Psychiaterund derdarananschlie
&enden Besprechung untereinander sowie mit dem Patienten. Ge
rade fUrdie alteren Patienten besitzt daspraoperative Assessment
Bedeutung,weil beiihnen zuden Risken einer Operation beijunge
ren Patienten noch die Risken der verschiedenen altersbedingten
Funktionseinschrankungen, rnogliche Multimorbiditaten und nicht
zuletzt ein hoheres Mortalitatsrisiko zu addieren sind (Santos1975,
Thomas 1995).
Die praoperative BegegnungdesPatientenmit den unmittelbar
(Chirurgen, Anasthesisten)aberauch mit den mittelbar(Internisten,
Psychiater, u.a.m.)ander Operation beteiligten Arzten hat mehre
reAufgaben. Sieailemunden aberindem Ziel, dasVerstandnisdes
PatientenfUrdiegewahlteVorgangsweisezugewinnen unddem Pa
tienten die vorhandeneAngstzu nehmen (Roizen 1995):
Aufgaben der praoperativen Gesprache:
1. Aufklarung desPatientenuberdie Narkose,uberdenchirur
gischenEingriffund iiberdie gesamteperioperative Betreu
ung.
2. GewinnungeinerunmittelbarenInformationzur Krankheits
geschichte und eines unmittelbaren Eindruckeszum klini
schenStatus.
3. Entscheidungsfindung uber weitere, notwendige Untersu
chungen.
4. Erarbeitung von postoperativen Betreuungsplanen gema&
den Vorstellungen des Patienten und in Abhangigkeit von
den vorgegeben Moglichkeiten.
5. Gewinnungeines"informed consent".
Die Beurteilung und Kalkulation einesOperationsrisikos bei al
teren Patientenhatzunachstdiealtersbedingt rnoglichen Funktions-
K.H. Tragl et al., Operationen an älteren Menschen
© Springer-Verlag/Wein 2004