Table Of ContentOper im 20. Jahrhundert
Oper itn
20. Jahrhundert
Entwicklungstendenzen und Komponisten
Herausgegeben von Udo Bermbach
J.
Verlag B. Metzler
Stuttgart · Weimar
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Oper im 20. Jahrhundert :
Entwicklungstendenzen und Komponisten /
hrsg. von Udo Bermbach.
- Stuttgart ; Weimar : Metzler 2000
ISBN 978-3-476-01733-8
ISBN 978-3-476-03796-1 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-476-03796-1
Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung
außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages
unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen,
Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
© 2000 Springer-Verlag GmbH Deutschland
Ursprünglich erschienen bei J.B. Metzlersche Verlagsbuchhandlung
und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH in Stuttgart 2000
Vorwort
Das 20. Jahrhundert ist ein Jahrhundert der Unübersichtlichkeit und der widersprüch
licher Entwicklungen. Das gilt nicht nur für Politik und Gesellschaft, sondern auch
für die oft totgesagte Oper. Wer zurückblickt, kann nur staunen: von Richard
Strauss bis Wolfgang Rihm und Adriana Hölszky spannt sich der Bogen eines Musik
theaters, dessen Essenz sich nicht auf eine kurze Formel bringen läßt. Zu vielfältig
und gegenläufig sind die Tendenzen des Opernkomponierens, zu unterschiedlich
und facettenreich die Inszenierungen auf den Bühnen, als daß sich eine bilanzierende
Summe eindeutig ausweisen ließe. Spätromantische Wagner-Nachfolge und italieni
sche Belcantisten stehen neben moderner Atonalität, zeitkritische Opern, die bewußt
auf Politik und Gesellschaft reagieren, neben solchen, die sich Stoffen zuwenden, in
denen der Zeitbezug kaum eine Rolle spielt. Zwei totalitäre Regime, das national
sozialistische wie das kommunistische, haben ihr Operntheater ebenso zu prägen
versucht, wie in pluralistischen Demokratien auch die Musikästhetik der Oper sich
pluralistisch ausdifferenziert hat.
Der vorliegende Band sucht die wichtigsten Entwicklungen des Operntheaters
im 20. Jahrhundert nachzuvollziehen. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Oper in
Deutschland. Im ersten Teil wird die Zeit im ausgehenden Kaiserreich, der Weima
rer Republik, des Dritten Reiches und der beiden deutschen Nachkriegsstaaten
nachgezeichnet. Aber auch die französische, russisch-sowjetische, skandinavische
und amerikanische Oper wird in eigenen Beiträgen beleuchtet. Der zweite Teil
bringt dann eingehende Darstellungen jener Opernkomponisten, von denen ange
nommen werden darf, daß sie in gewisser Weise die Entwicklung der Gattung in
diesem Jahrhundert repräsentieren und so ein weit gespanntes Bild von einhundert
Jahren Musiktheater vermitteln.
Den meisten Aufsätzen dieses Bandes liegen Vorträge zugrunde, die während der
Wintersemester 1997/98 und 1998/99 an der Hamburger Universität gehalten wor
den sind. Das gilt nicht für die Beiträge von Sigrid Neef, Annette Kreutziger-Herr,
Siegfried Matthus und Gerhard Schneider, die eigens für dieses Buch geschrieben
worden sind. Herzlich zu danken ist Rudolf Augstein, Ehrensenator der Universität
Hamburg, der durch seine finanzielle Unterstützung die Vonragsreihen wie das Buch
erst ermöglicht hat.
Hamburg, im Herbst 1999 Udo Bermbach
V
Inhaltsverzeichnis
Vorwort V
I
Entwicklungen
Udo Bermbach
Über einige Aspekte des Zusammenhangs von Politik,
Gesellschaft und Oper im 20. Jahrhundert 3
Jens Malte Fischer
Im Schatten Wagners
Aporien und Auswege der nachwagnerschen Opernentwicklung 28
Jürgen Schläder
Gegen Wagner
Theatrale und kompositorische Innovation
im Musiktheater der klassischen Avantgarde 50
Ulrike Kienzle
» Wo bleibt da der berühmte ,Zeitwille<?«
Romantische Enklaven im Musiktheater der Modeme 75
Nils Grosch
Zum Musiktheater der Neuen Sachlichkeit 130
Michael Walter
Oper im Dritten Reich 155
Stephan Mösch
Per aspera ad futura?
Zwischen Neuanfang und Tradition: Die Oper nach dem Zweiten Weltkrieg 183
Gerhard R. Koch
Die Gegenwartslage der Oper 221
Sigrid Neef
Oper in der DDR
Offenes Kunstwerk bei geschlossener Grenze 23 7
VII
Inhaltsverzeichnis
Birgit Pauls
Die Erben des Belcanto
Italienische Oper im 20. Jahrhundert 255
Sieghart Döhring
Zwischen Welttheater und Experiment
Französisches Musiktheater im 20. Jahrhundert 282
Dorothea Redepenning
» ••• volkstümlich nach Form und Inhalt ... «
Überlegungen zur russisch-sowjetischen Oper 303
Wolfgang Sandner
Skandinavische Komponisten 331
Annette Kreutziger-Herr
What it takes »to write a real american opera«
Ein Jahrhundert Operngeschichte in den USA 348
II
Komponisten
Ulrich Schreiber
Richard Strauss 387
Hanspeter Krellmann
Arnold Schönberg 403
Uwe Schweikert
Alban Berg 429
Frank Harders-Wuthenow
Franz Schreker 445
Wolf-Dieter Peter
Leos Janacek 4 76
Reinhard Ermen
Benjamin Britten 494
Eckart Kröplin
Dmitri Schostakowitsch 508
VIII
Inhaltsverzeichnis
Klaus Zehelein
Luigi Nono 531
Hans-Klaus Jungheinrich
Hans Werner Henze 557
Christoph Blitt
Bernd Alois Zimmermann 57 3
Klaus Angermann
Wolfgang Rihm 601
Beatrix Borchard
Adriana Hölszky 621
Siegfried Matthus
Warum komponiere ich heute Opern? 640
Gerhard Schneider
Uraufführungsdaten von Opern im 20. Jahrhundert 64 7
Autorenverzeichnis 657
Register 666
IX
I
ENTWICKLUNGEN
Über einige Aspekte des Zusammenhangs von Politik,
Gesellschaft und Oper im 20. Jahrhundert
von Udo Berrnbach
I
Das 20. Jahrhundert ist ein Jahrhundert der Unübersichtlichkeit, gegenläufiger und
zugleich auch paralleler Tendenzen, der Rückwendung zur Tradition ebenso wie der
ausschließlichen Zuwendung zu einer zu imaginierenden Zukunft in den großen to
talitären Bewegungen der Zeit, dem Faschismus, dem Nationalsozialismus und
schließlich dem Staatssozialismus. Diese Unübersichtlichkeit prägt die Politik mit
ihren großen ideologischen Strömungen des Sozialismus, Liberalismus und Konser
vatismus sowie den links- und rechtsradikalen Positionen und den daraus resultie
renden diktatorialen Systemen ebenso wie die Opernproduktion, die ihrerseits den
Rückgriff auf die klassisch-romantischen Traditionen kennt wie die Entwicklung zur
Atonalität und die verschiedensten, sich aller Möglichkeiten bedienenden Kompo
sitionsstile. Es ist aussichtslos, den Versuch unternehmen zu wollen, dieses Jahrhun
dert auf einfache Interpretationslinien zu bringen, es sei denn auf die Formel der
Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen. Doch damit ist freilich alles und folglich
nichts gesagt.
Auch das Verhältnis von Politik, Gesellschaft und Musiktheater ist widersprüch
lich, kompliziert und nicht auf handhabbare und leicht einzuprägende Formeln zu
verkürzen - selbst dann nicht, wenn man sich nur auf die Entwicklungen in einem
Land, etwa in Deutschland, beziehen würde. Die Themenwahl für eine Oper bei
spielsweise kann - wie übrigens auch die Art der Komposition, die musikalische
Sprache eines Komponisten - von sehr unterschiedlichen Bedingungen abhängen:
von der politisch-gesellschaftlichen Brisanz des Stoffes, von seiner vermuteten thea
tralischen Wirkung, vom ,Zeitgeist< und der Rezeptionseinstellung des Publikums,
von allgemein herrschenden politischen Vorgaben oder - etwa im Falle totalitärer
Systeme - den Bedingungen der Zensur, von den künstlerischen wie technischen
Aufführungsmöglichkeiten eines Opernhauses, den voraussichtlichen Erfolgsaus
sichten und ähnlichem mehr. Es ist ein komplexes Feld möglicher Einflußfaktoren,
bei denen die politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen durchaus
wichtige, aber nicht die einzigen Entscheidungsdeterminanten sind.
Und doch hat auch die Oper des 20. Jahrhunderts politische und gesellschaftli
che Probleme immer wieder direkt thematisiert. Giacomo Puccinis Tosca, Gustave
Charpantiers Louise oder Nikolai Rimski-Korsakows Das Märchen vom Zaren Saltan
sind Opern, die mit ihren politischen und gesellschaftskritischen Stoffen das Jahr
hundert eröffnen und denen über die Jahre große Werke folgten, von nicht minder
brisantem politisch-gesellschaftlichen Inhalt. Alban Bergs Wozzeck (1925), Leos
Janaceks Aus einem Totenhaus (1930), Dmitri Schostakowitschs Lady Macbeth des
Mzensker Landkreises (1934), Sergej Prokofjews Krieg und Frieden (1946/48), Luigi
3