Table Of ContentHorst Baier· Hans Mathias Kepplinger . Kurt Reumann (Hrsg.lEds.) 
Offendiche Meinung und sozialer Wandel 
Public Opinion and Social Change 
Fiir Elisabeth Noelle-Neumann
Offentliche Meinung 
und sozialer Wandel 
Public Opinion and Social Change 
Fur Elisabeth Noelle-Neumann 
Herausgegeben von / Edited by 
Horst Baier, Hans Mathias Kepplinger, Kurt Reumann 
Westdeutscher Verlag
© 1981 Westdeutscher Verlag GmbH, Opladen 
Umschlaggestaltung: Horst Dieter BUrkle, Darmstadt 
Aile Rechte vorbehalten. Auch die fotomechanische Vervielfaltigung des Werkes (Fotokopie, 
Mikrokopie) oder von Teilen daraus bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. 
ISBN-13:978-3-531-11533-7  e-ISBN-13:978-3-322-87749-9 
DOl: 10.1007/978-3-322-87749-9
Inhalt 
Zueignung  9 
I. tlffentliche Meinung 
Walter Adolf Johr 
Elisabeth NoeHes Schweigespirale aus der Sicht eines Nationalokonomen  12 
Elihu Katz 
Publicity and Pluralistic Ignorance: Notes on 'The Spiral of Silence'  28 
Kurt Lang and Gladys Engel Lang 
The Public as Bystander: Its Political Influence  39 
Alex S. Edelstein 
Continuing the Search for Validity in Public Opinion: About Social Problems 
and Social Decision-Making  .................................  50 
Martin Loffler 
Der Rechtsbegriff der Offentlichen Meinung  64 
Gerd Roellecke 
Zum Einflug der offentlichen Meinung auf die Rechtsanwendung  71 
Karl Steinbuch 
Ober Denkformen einer IndustriegeseHschaft  86 
II.  Demoskopie und Politische Kultur 
Ernst Benda 
Meinungsforschung und repriisentative Demokratie  96 
David P. Conradt 
Demoskopie und die deutsche politische Kultur  105 
Gerhard Schmidtchen 
What is Holy to the Germans?  121 
Juan}. Linz 
The Legacy of Franco and Democracy  126 
Winfried Schulz 
Mobilisierung und Demobilisierung im Europawahlkampf  147
Guido Brunner 
Die Europaische Gemeinschaft im Meinungsbild der Biirger  160 
Helmut Kohl 
Politik und Demoskopie  169 
III.  Forschungsmodelle und Methoden 
George Gallup 
Polling in the Year 2000  176 
Percy H. Tannenbaum 
Vicarious Experience in Monkeys and Man  179 
Laure M. Sharp 
Respondent Burden: A First Measurement Effort  194 
Norman M. Bradburn 
Happiness and its Measurement  .................  209 
IV.  Erfahrungen in Wissenschaft und Forschung 
Niklas Luhmann 
Kommunikation mit Zettelkasten  .............................  222 
Pierre Grappin 
Eine paradiesische Gegend  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  229 
Heinz Maier-Leibnitz 
Physik in Deutschland nach 1950 als Beispiel fiir den Ausbau eines Fachs  239 
Hermann Lubbe 
Gruppenuniversitat. Revision eines Demokratisierungsprogramms  245 
V.  Massenmedien und Journalismus 
Jay G. Blumler 
Political Communication: Democratic Theory and Broadcast Practice  .....  258 
Karl-Gunther von Hase 
Fernsehen - programmatisch verstanden  ........................  273 
Otto B. Roegele 
Warum so viele Journalisten gliickliche Menschen sind  . . . . . . . . . . . . . . ..  281 
Gunther Gillessen 
Die Tatsachen und die Meinungen. Zur Sprache der Nachrichten  291
VI.  Freiheit und soziale Ordnung 
Helmut Schelsky 
Kritik der austeilenden Gerechtigkeit  303 
Ernst-Joachim Mestmiicker 
Mehrheitsgliick und Minderheitsherrschaft - Zu Jeremy Benthams Kritik der 
Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  315 
Bernd Riithers 
Normierter Fortschritt? Ober die Rolle von "Humanismus" und "Utopie" in 
der Rechtspolitik  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  327 
Susanne Hoeber Rudolph 
The Political Preconditions for Middle Range Land Reform in India  335 
VII. Werte und Wertewandel 
Hans Maier 
Humanitat und Leistung  343 
Helmut Klages 
Wertwandel und Wertverlust in der Gegenwartsgesellschaft  358 
Burkhard Striimpel 
Veranderung der Arbeitsdisziplin - Fehlverhalten oder Strukturproblem?  380 
Ulrich Hommes 
Arbeitsfreude schwergemacht?  387 
Hans Zeisel 
Strafrecht mit schlechtem Gewissen  397 
Jean Stoetzel 
The Estimation of the Cost of Basic Needs: Some Data and some Basic Laws 
in the Field of Economic Psychology  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..  404 
Seymour Martin Lipset 
The Shifting Bases of American Politics  413 
Die Autoren  ................. .  429
Zueignung 
,tlffentlichkeit' ist seit der griechischen Polis und der romischen Republik 
eine Voraussetzung der politischen Selbstorganisation von freien Burgern - unver 
gessen bei den europaischen Volkern, wenn auch uber Zeiten verdrangt durch das 
Diktat der Macht. tlffentlichkeit mit ihren Wirksamkeiten fUr Staat und Recht, Wirt 
schaft und GeseIlschaft wird das groge Thema der Aufklarung, der Anspruch ihrer 
Publizistik und die Forderung der philosophischen Kritik. Der solchen Spuren fol 
gende Liberalismus des 18. und 19. Jahrhunderts hat der einst so machtvoIlen Welt 
der  Fursten und des Adels eine Welt der burgerlichen 6ffentlichkeit entgegenge 
setzt: zuerst als Idee einer neuen res publica auf dem Boden einer freien Wirtschaft 
und eines fur aIle gleich verburgten Rechts, dann als - zwar immer geflihrdete, doch 
endlich behauptete - Realitat der modernen IndustriegeseIlschaft und des moder 
nen  Rechtsstaates.  Ais  Gegenstand  politischer Praxis,  kritischer Publizistik und 
wissenschaftlicher Reflexion ist ,6ffentlichkeit' also schon lange entdeckt und er 
fahren worden. Sie ist das bewegliche Element, das den Demokratien des 19. und 
20.  J ahrhunderts  Obedegenheit uber die Diktaturen und Despotien gegeben hat 
durch die Lebendigkeit der teilhabenden und mitsprechenden Burger. 
Erstaunlich ist deshalb, dag ,6ffentiichkeit' in dem Medium, in dem sie sich 
erzeugt,  bewegt und verandert,  im Medium der ,Offentlichen Meinung' namlich, 
erst im spateren 20. Jahrhundert eingehender erforscht wird. Gewig hangt diese 
Scharfung des  Blicks fur  Phanomene des 6ffentlichen mit der Verfeinerung der 
empirischen Forschungsmethoden der Soziologie, der Sozialpsychologie und schlieB 
lich der Demoskopie in  den letzten J ahrzehnten zusammen. Doch ware uns ohne 
die Offenbarung der Massenmedien in unseren Tagen, dag die offentliche Meinung 
auch ein Erzeugnis von nicht-offentlicher Meinungsmacht ist, das Thema weniger 
drangend geworden. Auch fragen wir uns zunehmend betroffen, ob sich in den Me 
dien der 6ffentlichkeit tatsachlich der freie Diskur~ und das tagliche Plebiszit der 
Burger abbildet oder ob jene nicht sogar umgekehrt die Einzelnen in nun namen 
lose Abhangigkeiten gebracht haben. Politiker, Publizisten, Wissenschaftler haben 
zuerst diese beunruhigende Tatsache vermerkt, dag die offentliche Willens-und Mei 
nungsbildung der Demokratie anonymen sozialen Gesetzlichkeiten folgen ki:innte, 
jedoch nicht dem gebundelten freien Urteil der Burger. 
Elisabeth  Noelle-Neumann  hat  mit  politischer  Sensibilitat,  publizistischer 
Erfahrung und dem Rustzeug der Sozialwissenschaften das Thema der ,Offentlichen 
Meinung' zu ihrem Lebensthema gemacht. Es sind vier Leistungen, wofur wir ihr 
heute unseren Dank bezeugen: Erstens die empirische Erforschung der offentlichen 
Meinung mit den methodischen Mitteln der Demoskopie; zweitens die praktische 
Anwendung der Befragungsergebnisse zur Beratung der ,Nutzer' von offentlichen
10  Zueignung 
Meinungsbewegungen in Politik und Wirtschaft, Verwaltung und Verbanden; drit 
tens Analyse, Kritik und womoglich Begrenzung der ,Macher' und ,Verbreiter' der 
offentlichen Meinung, vor allem in Massenmedien und Publizistik; viertens die Ent 
faltung einer synoptischen Theorie der Offentlichen Meinung - empirisch begriindet, 
methodisch gesichert, praktisch verwendbar, kritisch begrenzt. 
Die Beitrage zur Festschrift kreisen urn diese vier Lebensthemen der Jubilarin. 
Ihre Autoren kommen vor allem aus den Landern, in denen Elisabeth Noelle-Neu 
mann zumeist ihre Freunde und Mitstreiter, freilich auch ihre Gegner hat: aus der 
Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz, aus Frankreich, England, Israel und 
- besonders stattlich - aus den Vereinigten Staaten. Die Herkunft der Gratulanten 
aus Politik und Publizistik, aus Philosophie und den Sozial-, Wirtschafts-, Rechts-, 
Informations- und Publizistikwissenschaften zeigt, wo und wie  nachhaltig  Frau 
Noelle-Neumann  selbst Meinungen  bewegt hat.  Ausstrahlend  auch  dort, wo die 
Beigabe zur Festschrift mehr den Charakter einer personlichen Widmung tragt. 
Gehen wir als Herausgeber am Ende die Beitrage nochmals durch, so bestimmt 
offensichtlich ein Thema besonders die Autoren - gegenwartig in aller Faszination 
und Irritation gegeniiber dem Phanomen der Offentlichen Meinung, wenn auch ver 
schieden nach Standort, Sprache und Zukunftsblick: Es ist die Krise der westlichen 
Demokratie, der rasche, ja sogar beangstigend beschleunigte Wert- und Verhaltens 
wandel ihrer Biirger, die sich in den ,beunruhigenclen Tatsachen' der Offentlichen 
Meinung wiederfinden. Sei es unter dem Begriff des Generationenkonflikts oder cler 
Leistungsverweigerung oder des Wertverlusts oder cler Staatsverdrossenheit - alle 
mal kehrt sich hervor, daa im offentlichen Leben schnelle Entwicklungen ablaufen, 
die den Einzelnen und seine Gruppen nicht nur in den Bewegungen der Offentlichen 
Meinung mitnehmen, sondern auch Veranderungen seiner Stellung und seines Ver 
haltens in Staat und Gesellschaft anzeigen. 
Wir haben deshalb dem Buch einen Titel gegeben, der iiber die professionelle 
Meinungsforschung und ihre Theorien der tlffentlichkeit weit hinausfiihrt. Wir sind 
gewia, es ist eine Zueignung, die Elisabeth Noelle-Neumann anspricht: Yom siche 
ren Standort des schon Geleisteten den nachsten Schritt ins Unbekannte wagen, 
den Schritt zur Erforschung der Zusammenhange von offentlicher Meinung und so 
zialem Wandel. 
Die Herausgeber 
Horst Baier  Hans Mathias Kepplinger  Kurt Reumann 
Die Herausgeber sagen Dank fiir die umsichtige Mithilfe der langjahrigen Allensbacher 
Mitarbeiterin von Frau Noelle-Neumann bei der Vorbereitung der Festschrift, Frau 
Rose Marie von Milczewski, und fur die sorgfaltige Betreuung im Westdeutschen 
Verlag.
I. Offentliche Meinung
Walter Adolf johr 
Elisabeth Noelles Schweigespirale aus der Sicht 
eines Nationalokonomen 
1. Einige Vorbemerkungen personlicher Art 
Seit wir an der Hochschule St.Gallen im Winter 1971 ein Doktorandensemi 
nar ftir Wissenschaftstheorie eingeftihrt haben, zu dessen Pensum auch die empiri 
sche Sozialforschung gehort, haben wir fast jeden Sommer eine Exkursion zu dem 
von Frau Elisabeth Noelle-Neumann  gegriindeten und geleiteten Allensbacher Insti 
tut fUr  Demoskopie durchgefuhrt und uns jeweils mit grogem Gewinn von Frau 
Noelle und ihren Mitarbeitern uber die Methoden der Befragung und deren Tucken 
orientieren lassen. Schon in dieser Hinsicht manifestierte sich eine bemerkenswerte 
Konvergenz zwischen einem Zweig von Frau Noelles Forschungs-und Gutachterta 
tigkeit und meinen Interessen an den Verfahren der empirischen Sozialforschung. 
Eine zweite Konvergenz zeigte sich vor wenigen Jahren. Urn sie aufzuzeigen, 
mochte ich etwas weiter ausholen. Nachdem ich mich wah rend meiner Studienzeit 
entschlossen hatte, mich auf den Beruf des Nationaliikonomen vorzubereiten, ge 
langte ich schon bald zur Erkenntnis, dag die psychologischen Faktoren - moge 
man sie etwas enger oder weiter definieren - fur das Wirtschaftsleben eine entschei 
dend wichtige Rolle spielen und insbesondere in der Gestalt der sozialpsychologischen 
Infektion als eine der Hauptursachen der Konjunkturschwankungen betrachtet wer 
den mussen. Dag ich diesen Weg eingeschlagen habe, verdanke ich einerseits meiner 
Frau, die mein Interesse an der Psychologie zu wecken wugte, andererseits Gespra 
chen mit meinem Vater, der in einem Vortrag vor dem  Verein fur Sozialpolitik 
(1928) seine Auffassung wie folgt zusammenfagte: 
"Den tieferen Ursprung der Konjunkturen erblicke ich in massenpsychischen 
Erscheinungen der wirtschaftenden Menschheit." Da der Mensch nur "irgend 
wie gefiihlsbetont denken kann, ... sich tauschen kann, der Macht der Sug 
gestion, der Mode, dem Gesetz der Nachahmung unterliegt, ... wirtschaft 
licher Optimismus und Pessimismus wie epidemische Krankheiten tiber ihn 
wegziehen, ... mtissen wir den Schlug ziehen, d~ solches Auf und Ab der 
Wirtschaftsseele der bestimmende Grund ftir den Konjunkturverlauf ist. ,,1 
In  meinem Buch tiber die "Konjunkturschwankungen" (1952) habe ich die viel 
fiiltige Rolle, welche der psychologische Faktor bei der Erzeugung des Konjunktur 
prozesses spielt, herauszuarbeiten versucht und dabei vor allem der psychischen An-