Table Of ContentFORSCHUNGSBERICHTE DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Nr. 2143
Herausgegeben im Auftrage des Ministerpräsidenten Heinz Kühn
von Staatssekretär Professor Dr. h. c. Dr. E. h. Leo Brandt
Prof Dr.-lng. Dres. h. c. Herwart Opitz
Prof Dr.-Ing. Wilfried König
Dr.-Ing. Ulrich Degenhardt
Dr.-lng. Wolf-Rüdiger Depiereux
Dipl.-lng. Klaus Esse!
Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre
der Rhein.-Westf. Techn. Hochschule Aachen
Numerische Optimierung
der Bearbeitungsbedingungen während
des Drehvorganges
Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 1970
ISBN 978-3-663-20039-0 ISBN 978-3-663-20395-7 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-20395-7
Verlags-Nr. 012143
© 1970 by Springer Fachmedien Wiesbaden
Ursprünglich erschienen bei Westdeutscher Verlag GmbH, Köln un Opladen 1970.
Inhalt
1. Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
2. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
3. Aussagefähigkeit der Zerspanbarkeitskenngrößen im Hinblick auf eine Opti-
mierung des Zerspanprozesses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8
4. Empirische Gesetzmäßigkeiteil des Werkzeugverschleißes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
4.1 Freiflächenverschleiß . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
4.2 Verschleiß infolge plastischer Verformung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
4.3 Oxydationsverschleiß an der Nebenschneide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13
4.4 Verschleißverhalten bei Änderungen von Schnittgeschwindigkeit und
Vorschub während der Standzeit eines Werkzeuges . . . . . . . . . . . . . . . . . 15
4.4.1 Freiflächenverschleiß bei Änderung der Schnittbedingungen . . . . . . . . . 15
4.4.2 Oxydationsverschleiß bei Änderung der Schnittbedingungen.......... 18
5. Entwicklung einer Verschleißmeßeinrichtung zur Ermittlung des Freiflächen-
verschleißes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.1 Meßprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
5.2 Aufbau der pneumatisch-elektrischen Meßeinrichtung . . . . . . . . . . . . . . . 21
5.2.1 Aufbau des mechanischen Teiles . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
5.2.2 Aufbau und Arbeitsweise der elektrischen Steuerung . . . . . . . . . . . . . . . . 22
5.3 Experimentelle Untersuchung der Meßgenauigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23
6. Einfluß der Schnittbedingungen auf die Fertigungskosten . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
7. Entwicklung einer neuen Standzeitgleichung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25
8. Entwicklung eines Optimierungsmodells zur Bestimmung der optimalen
Schnittbedingungen bei unbekanntem Standzeitverhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
9. Begrenzungen des Optimierungsbereiches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
10. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38
11. Literaturverzeichnis 39
12. Bildanhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
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1. Verwendete Formelzeichen und Abkürzungen
a mm Schnittiefe
A Konstante der Verschleißgleichung
b mm Spanungsbreite
br, b2, b3 Exponenten der Gleichung zur Bestimmung des Freiflächen-
verschleißes
LIB Meßwegintervall in Schrittimpulsen
c Konstante der entwickelten Standzeitgleichung
Cv Konstante der Taylorschen Standzeitgleichung
d mm äußerer Bearbeitungsdurchmesser
e mm kritischer Oxydationsabstand von der Hauptschneide
Fs kp Hauptschnittkraft
Fv kp Vorschubkraft
FR kp Rückkraft
hl mm Spanungsdicke
Anstieg der Standzeit-Vorschub-Kurve
is Konstante der entwickelten Standzeitgleichung
k Anstieg der Standzeit-Schnittgeschwindigkeits-Kurve
kv Konstante der entwickelten Standzeitgleichung
ksl.l kpjmm2 Hauptschnittkraft bei b · h1 = 1 · 1 mm2
K DMfmm3 Fertigungskosten
Kp [Lm Kolktiefe
KM [Lm Kolkmittenabstand
Km DMfh Maschinenkosten
I mm Bearbeitungslänge
L DMfh Lohnkosten
m Konstante der entwickelten Standzeitgleichung
Md mkp Drehmoment
n Konstante der entwickelten Standzeitgleichung
N kW Antriebsleistung
0 Oxydationsverhältnis
OA mm Oxydationsabstand von der Hauptschneide
OM mm Oxydationsmittenabstand
OT mm Oxydationstiefe, gemessen parallel zur Spanfläche
OTN mm Oxydationstiefe in der Ebene der Nebenfreifläche senkrecht
zur Bezugsebene
Pc kpjcm2 V ergleichsdruck der Druckschwelle
Pm kpjcm2 Meßdruck
Pv kpjcm2 Vordruck
5
PV mm Plastische Verformung
r mm Eckenradius
Rw mm mittlere Rücksetzung
s mm/U Vorschub
mmjU kostengünstiger Vorschub
mm/U kostengünstiger Vorschub bei Begrenzung des Optimie
rungsbereiches durch die Antriebsleistung
SVa mm Schneidenversatz in Richtung Freifläche
SVy mm Schneienversatz in Richtung Spanfläche
t mm Schnittzeit
min Nebenzeit
min anteilige Rüstzeit
Werkzeugwechselzeit
Einmeißeltemperatur
mm Standzeit
min zeitliche Verschiebung der Verschleißgeraden
V mjmin Schnittgeschwindigkeit
mjmin kostengünstige Schnittgeschwindigkeit
mjmin kostengünstige Schnittgeschwindigkeit bei Begrenzung des
Optimierungsbereiches durch die Antriebsleistung
VB mm mittlere Verschleißmarkenbreite
Volg mm3 Zerspantes Volumen
WT DM Werkzeugkosten je Standzeit
1-z Anstieg der Hauptschnittkraft in Abhängigkeit von der Spa
nungsdicke
X mm Meßspalt
IX Grad Freiwinkel
ß Grad Keilwinkel
y Grad Spanwinkel
Je Grad Neigungswinkel
Grad Einstellwinkel
Grad Eckenwinkel
kpjmm2 Zugfestigkeit
Grad Steigungswinkel der Standzeit-Vorschub-Kurven
Grad Steigungswinkel der Standzeit-Schnittgeschwindigkeits
Kurve
e
Schnittemperatur
Wirkungsgrad
'YJ
'Y}VB Grad Steigungswinkel der Verschleißgeraden
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2. Einleitung
Die beträchtlichen Investitionskosten hochautomatisierter Bearbeitungsanlagen erfor
dern die Ermittlung der Schnittbedingungen, mit denen das gesteckte Fertigungsziel
optimal zu erreichen ist. Insbesondere die Entwicklung von numerisch gesteuerten
Werkzeugmaschinen hat eine Verkürzung der Nebenzeiten und eine teilweise Verlage
rung der Rüstzeiten in die Hauptzeiten der Maschine ermöglicht; somit gewinnt der
Hauptzeitanteil einen immer größeren Einfluß [1 ].
Mit zunehmendem Automatisierungsgrad der Werkzeugmaschinen ist von Zeit zu Zeit
eine Korrektur der Zerspanrichtwerte auf der Basis des aktuellen Standes der Schneid
stoff- und Werkstofftechnik erforderlich. Während man vor 30 Jahren noch Standzeiten
von 4 bis 8 Stunden anstrebte, wurden bis vor kurzem irrfolge der wachsenden Maschi
nen- und Anlagekosten Standzeiten von 60 Minuten als wirtschaftlich erachtet. Auf
Grund der weiter steigenden Investitionskosten müssen noch kürzere wirtschaftliche
Standzeiten im Bereich um 10 Minuten erwartet und angestrebt werden [2].
Die Notwendigkeit einer drastischen Verkürzung der Standzeiten bei kapitalintensiven
Werkzeugmaschinen wird bei der Betrachtung der Kostenzusammenhänge verständlich.
Niedrige Schnittbedingungen ergeben hohe Standzeiten und wenige WerkzeugwechseL
Sie führen deshalb zu niedrigen Werkzeugkosten, verursachen jedoch eine Verringerung
der Ausbringung und damit pro zerspantem Volumen hohe Maschimn1mstenanteile. Um
die auf das zersparrte Volumen bezogenen Maschinenkosten zu verringern, müssen die
Zerspanleistungen durch Heraufsetzen der Schnittbedingungen erhöht werden, was zu
kurzen Standzeiten, häufigem Werkzeugwechsel und damit zu erhöhten Werkzeugkosten
führt.
Diese beiden gegenläufigen Einflüsse bewirken die Ausbildung eines Kostenminimums,
das durch eine bestimmte Kombination vonVorschubund Schnittgeschwindigkeit-die
optimalen Schnittbedingungen - festgelegt ist.
Die Ermittlung dieser Schnittbedingungen stellt sich somit als vorrangige Aufgabe. Sie
kann jedoch nicht als gelöst gelten, wenn von vorgegebenen Richt- und Erfahrungs
werten ausgegangen wird, wie es bei den für Einzel- und Kleinserienfertigung ein
gesetzten numerisch gesteuerten Werkzeugmaschinen bisher üblich ist. Die Ursache
hierfür liegt in den bei der Vorgabe der Richtwerte nicht zu berücksichtigenden Streu
ungen, die sowohl für die Zerspanbarkeit der Werkstoffe als auch für die Schneidhaltig
keit der Werkzeugetrotz gleicher Normbezeichnungen in Zerspanversuchen und in der
Praxis immer wieder festgestellt werden [3-6]. Die Durchführung umfangreicher Lang
zeitversuche zur Ermittlung des Standzeitverhaltens und somit zur Feststellung der
optimalen Schnittbedingungen ist wegen des hohen Aufwandes wirtschaftlich nur bei
einer Großserien-und Massenfertigung gerechtfertigt. Aber auch bei Langzeitversuchen
bleiben die genannten Streuungen unberücksichtigt.
Um dennoch einen wirtschaftlichen Einsatz der kapitalintensiven Bearbeitungsanlagen
zu ermöglichen, wurde in den letzten Jahren damit begonnen, adaptive Regelsysteme
zu entwickeln, die eine Optimierung der Zerspanbedingungen während des Bearbei
tungsprozesses ermöglichen sollen. Bei diesen - in der angelsächsischen Literatur mit
dem Namen »Adaptive Control« bezeichneten- Systemen werden während des Schnit
tes selbsttätig Kennwerte des Zerspanprozesses aufgenommen und »on-line« einem
Prozeßrechner zugeführt, der nach einem vorgegebenen Rechenmodell die eventuell er
forderliche Veränderung der Schnittbedingungen ermittelt und diese der Maschinen
steuerung mitteilt.
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3. Aussagefähigkeit der Zerspanbarkeitskenngrößen
im Hinblick auf eine Optimierung des Zerspanprozesses
Bei der Konzipierung einer Optimierregelung des Zerspanprozesses stellt sich zunächst
die Frage, welche Zerspanbarkeitskenngrößen im Hinblick auf das Bearbeitungsziel in
Betracht gezogen werden können. Aus der Abhängigkeit der Zerspankenngrößen von
der Schnittzeit und den Stellgrößen des Zerspanprozesses ergibt sich die Wahl geeigne
ter Korrekturgrößen. Neben diesen zerspantechnischen Voraussetzungen muß weiter
hin für jeden Kennwert das Problem seiner meßtechnischen Erfassung gelöst werden.
Bei der Schruppbearbeitung kommen folgende Kenngrößen in Betracht:
die Schnittemperatur,
die Schnittkräfte,
die Zerspanleistung,
das Spindeldrehmoment,
die Schnittkraftschwankungen und
der Werkzeugverschleiß.
Bei der Feinbearbeitung treten als Kriterien hinzu
die erzielte Oberflächengüte und
die Meßgenauigkeit des Werkstückes.
Die meßtechnische Erfassung der Schnittemperatur setzt ein einfaches Meßverfahren
voraus, bei dem keine aufwendigen Veränderungen am Werkstück oder Werkzeug er
forderlich sind. Aus diesem Grunde scheidet z. B. ein in das Schneidwerkzeug eingebau
tes Thermoelerr:ent als Meßwertaufnehmer aus. Außerdem ist durch die ortsfeste Lage
des Thermoelementes der Meßwert abhängig von den geometrischen Veränderungen
der Kontaktzonen infolge Verschleiß und unterschiedlicher Schnittbedingungen.
Einfacher im Aufbau ist die Einmeißel-Meßmethode nach GoTTWEIN, die darauf beruht,
daß sich auf Grund der unterschiedlichen thermoelektrischen Eigenschaften von Werk
stoff und Schneidstoff zwischen Werkstück und Werkzeug eine elektromotorische Kraft
(EMK) aufbaut, sobald die Kontaktzonentemperatur verschieden ist von der Tempera
tur an den V ergleichsstellen an Werstück und Werkzeug. Zur Messung der auftretenden
EMK muß entweder das Werkstück oder das Werkzeug isoliert sein, außerdem ist eine
Eichung jeder einzelnen Werkstoff-Schneidstoff-Paarung notwendig. Mit diesem Ver
fahren kann die Schnittemperatur nach dem heutigen Stand der Kenntnisse [7] zwar ge
messen werden, jedoch ist ein großer apparativer und meßtechnischer Aufwand er
forderlich.
Bei Schnellarbeitsstahlwerkzeugen, deren Warmhärte in einem engen Temperaturbereich
abfällt, sind die maximal zulässigen Schnittbedingungen in erster Linie mit Rücksicht auf
die Werkzeugtemperatur festzulegen. Danach scheint sich die Schnittemperatur zumin
dest für eine Grenzregelung bei Schnellarbeitsstahlwerkzeugen zu eignen. Bei der
praktischen Verwirklichung einer entsprechenden Regeleinrichtung ergeben sich jedoch
Schwierigkeiten, da die auftretende EMK bei der Zerspanung mit HSS-Werkzeugen in
der Größenordnung von nur 0,5 bis 3 m V liegt, wobei der Zuwachs der EMK bei
Steigerung der Schnittbedingungen und damit der Temperatur nur Bruchteile dieser
Werte erreicht. In demselben Bereich liegen aber auch die Störsignale, die bei einem
wirtschaftlich noch vertretbaren Meßaufwand nicht zu vermeiden sind.
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Für Hartmetallwerkzeuge ist die Festlegung einer Maximaltemperatur schwierig, da der
Temperaturbereich, in dem ein für die Schneidhaltigkeit entscheidender Härteverlust
eintritt, relativ groß ist. Betrachtet man zusätzlich die Fehlermöglichkeiten, die durch
den Schneidstoff und die Eichung bei nicht sachgemäßer Anwendung des Verfahrens
auftreten können [7], so scheint eine Führung des Zerspanprozesses mit Hilfe der Ein
meißeltemperaturmeßmethode wenig erfolgversprechend zu sein. Andere Temperatur
meßmethoden, wie z. B. alle V erfahren, die auf der Messung der Wärmestrahlung be
ruhen, scheiden für den Einsatz in der Praxis aus, da ihre Anwendung bislang nur unter
Laborbedingungen möglich ist.
Eine meßtechnisch einfacher zu erfassende Kenngröße des Zerspanprozesses ist die
Zerspankraft. Abhängigkeiten der Zerspankraftkomponenten von den Zerspanbedin
gungen wie Vorschub, Schnittgeschwindigkeit und Schnittiefe sind bekannt. Die
Schnittkräfte können somit zur Bestimmung der Zerspanleistung und des Spindel
drehmomentes herangezogen werden.
Insbesondere die Erfassung von Schnittkraftschwankungen ermöglicht ein frühzeitiges
Erkennen eines regenerativen Ratterns und damit die Einleitung von Stabilisierungs
maßnahmen, wie z. B. die selbsttätige Verringerung der Schnittkräfte [8]. Der dynami
sche Schnittkraftanteil kann mit Schnittkraftmessern hoher Eigenfrequenz oder über eine
Drehmomentenmessung mit Halbleiterdehnungsmeßstreifen, die auf der Spindel auf
geklebt sind, erfaßt werden [8, 9].
Abb. 1 zeigt Vergleichsmessungen von Ratterschwingungen, wobei einmal das Signal
über Dehnungsmeßstreifen an der Spindel, zum anderen über induktive Aufnehmer am
Support aufgenommen wurde. Selbst kleinste Drehmomentschwankungen können mit
Hilfe der Dehnungsmeßstreifen erfaßt werden und führen im Vergleich zu der kon
ventionellen Meßmethode zum frühzeitigeren Erkennen des Ratterns.
Darüber hinaus kann durch gleichzeitige Erfassung des statischen Drehmomentanteils
die Vorschubgeschwindigkeit so geregelt werden, daß einerseits das auf Grund der
Maschinenleistung zulässige Drehmoment voll ausgenutzt wird, andererseits eine maxi
mal zulässige Schneidenbelastung durch Vorgabe einer V orschubgeschwindigkeits
begrenzung nicht überschritten wird. Mit Hilfe solcher Grenzregelungen kann in
vielen Fällen eine erhebliche Steigerung der Produktivität erzielt werden [10].
Der an spanenden Werkzeugen auftretende Verschleiß beeinflußt maßgeblich die Wirt
schaftlichkeit eines Bearbeitungsprozesses. Er begrenzt die Standzeit des Werkzeuges
und beeinflußt die Maßgenauigkeit und Oberflächengüte des Werkstückes. Die Be
stimmung des Werkzeugverschleißes und des Verschleißzuwachses ist deshalb eine der
wichtigsten Voraussetzungen für die Einführung eines Adaptive-Control-Systems.
Da eine Messung des Werkzeugverschleißes während des Schnittes nicht möglich er
scheint, weil die Verschleißstellen am Werkzeug nicht zugänglich sind, gehen die meisten
Bestrebungen dahin, die Verschleißgrößen indirekt aus einfach meßbaren Kenngrößen
des Zerspanprozesses zu bestimmen.
Da die thermische Belastung eines Werkzeuges mitbestimmend für seinen Verschleiß ist,
lag es nahe, auch nach Beziehungen zwischen der Schnittemperatur und dem Verschleiß
des Werkzeuges zu suchen. LowACK [7] wies für mittlere Schnitte nach, daß sich mit der
Einmeißelmethode kein wesentlicher Einfluß des Verschleißes auf die Schnitteropera
turen feststellen läßt (Abb. 2).
Um zu überprüfen, ob diese Aussage auch für sehr hohe Verschleißwerte gültig ist,
wurden Versuche durchgeführt, deren Ergebnis in Abb. 3 dargestellt ist. Dabei erweist
es sich, daß selbst bei sehr großen Verschleißmarkenbreiten bis etwa 0, 7 rr.m nur ein sehr
geringer Anstieg der Einmeißeltemperatur festzustellen ist, der sich nicht zur indirekten
Verschleißmessung heranziehen läßt.
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Weiterhin wird vielfach versucht, funktionale Zusammenhänge zwischen den die Zer
spanbarkeit der Werkstoffe kennzeichnenden Kenngrößen Verschleiß, Schnittkräfte,
Oberflächengüte und Spanbildung zu finden [11-13]. Bisher war es nicht möglich, aus
der Kenntnis der Schnittkräfte auf die Oberflächengüte der Werkstücke oder das Ver
schleißverhalten und damit das Standzeitverhalten der Werkzeuge zu schließen. Der
Hauptgrund dafür liegt darin, daß bisher kein Schnittkraftmesser zur Verfügung stand,
der bei hoher Steifigkeit und Eigenfrequenz ein Auflösungsvermögen besitzt, das die
Messung sehr kleiner Schnittkraftunterschiede möglich macht. Neueste Untersuchungen
mit einem Schnittkraftmesser mit den oben genannten Eigenschaften [9] zeigen erste
gute Ansätze [14]. Wie die Ergebnisse in Abb. 4 zeigen, ergibt sich mit zunehmendem
Freiflächenverschleiß auch eine Zunahme der Vorschub- und Rückkraftkomponenten,
die mit Hilfe des zur Verfügung stehenden Schnittkraftmessers gemessen und von
einem entsprechenden Prozeßrechnerprogramm verwertet werden könnten. Dazu sind
allerdings noch umfangreiche V ersuche erforderlich, da beachtet werden muß, daß auch
bei einer brauchbaren Korrelation zwischen einer einfach meßbaren Größe und dem
Verschleiß die Korrelationskoeffizienten von den Versuchsbedingungen abhängen und
für jeden Fall bestimmt werden müssen. Dieser Aufwand ist jedoch wirtschaftlich für
eine Einzel-und Kleinserienfertigung nicht zu vertreten. Ferner ist zu erwarten, daß die
Koeffizienten stark streuen. Aus diesen Gründen erscheint es für die Verwirklichung
eines AC-Systems unumgänglich, eine direkte, intermittierende Verschleißmessung in
Bearbeitungspausen auf der Maschine vorzunehmen.
Es muß deshalb eine Meßmethode entwickelt werden, die es erlaubt, den Verschleiß an
Werkzeugen mit ausreichender Genauigkeit während einer Schnittunterbrechung zu
messen. Dabei dürfen die Werkzeuge bei einem automatischen Arbeitsablauf nicht aus
gespannt werden, sondern müssen in ihrer Lage unverändert auf der Maschine ver
bleiben. Im Rahmen dieses Forschungsauftrages wurde eine pneumatisch-elektrische
Meßeinrichtung zur Ermittlung des Freiflächenverschleißes entwickelt. Der Aufbau und
die Arbeitsweise dieses Meßgerätes wird im Kapitel 5 ausführlich erläutert.
Die folgenden Darlegungen befassen sich mit den Verschleißerscheinungen am Werk
zeug und deren gesetzmäßigen Abhängigkeiten von den Schnittbedingungen, ins
besondere im Bereich kurzer optimaler Standzeiten.
4. Empirische Gesetzmäßigkeiteil des Werkzeugverschleißes
Die Beanspruchungen der Werkzeugschneide im Schnitt führen zu Verschleißerschei
nungen auf Freifläche, Spanfläche und Nebenfläche, die nach dem heutigen Stand der
Zerspanforschung durch folgende Einzelursachen [16] hervorgerufen werden:
1. Mechanischer Abrieb
2. Plastische Verformung
3. Mikroausbröckelungen durch Preßschweißungen zwischen Werkstückstoff und
Schneidstoff
4. Diffusion zwischen Werkstückstoff und Schneidstoff
5. Oxydatio:1 des Schneidstoffes
6. Ausbrüche der Schneideinfolge mechanischer oder mechanisch-thermischer Belastung
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