Table Of ContentHeidi Hahn
Otto Hahn
Notruf
aus der Arche
Ein alarmierender Report
über die Vernichtung der belebten Natur
Springer Basel AG
CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Hahn, Heidi:
Notruf aus der Arche: ein alarmierender Report über die Vernichtung der belebten Natur /
Heidi Hahn ; OUo Hahn.
ISBN 978-3-0348-5231-9 ISBN 978-3-0348-5230-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5230-2
NE: Hahn, OUo
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© 1990 Springer Basel AG
Ursprünglich erschienen bei Birkhäuser Verlag Base11990
Softcover reprint of the hardcover 1s t edition 1990
Umschlaggestaltung: Dieter Zembsch, München
ISBN 978-3-0348-5231-9
Inhalt
Anfang oder Ende ... 9
Kreisläufe und Balance-Akte 17
Aufgelistet und am Ende . . 19
Gejagt, verfolgt und ausgerottet 21
Säugetiere .......... 25
In Beutekonkurrenz zum Menschen - Der Luchs 24
Auf leisen Pfoten - Die Wildkatze ... 28
Das Märchen vom bösen Wolf . . . . . . 28
Vom König zum Clown - Der Braunbär. 52
Lautlos leben, lautlos sterben - Der Elch 55
Einst eine Bereicherung, heute ausgestorben - Der Wisent 57
«Fischräuber» mit begehrtem Fell - Der Otter 59
Verwechslung mit Todesfolge - Der Biber .. 44
Im Abseits des Gruselfilms - Die Fledermaus 48
Vögel ................. 55
Auf unserer Wiese geht nichts mehr 55
Der Weißstorch .. 55
Der Schwarzstorch 68
Der Brachvogel .. 68
Der Kiebitz . . . . . 70
Das Braunkehlchen 71
Der Neuntöter . . 75
Die Uferschnepfe . 74
Der Kampfläufer 74
Andere bedrohte Vogelarten 76
Die Flußseeschwalbe . . . . 76
Der Uhu ........... 76
Rauhfußkauz, Sperlingskauz 77
Der Grünspecht . . . . 79
Die Uferschwalbe . . . 82
Der Drosselrohrsänger 82
Der Kranich ...... 87
Insekten . . . . . . . 96
Spezifische Eigenschaften und Eigenarten 96
Bald krabbelt kein Käfer mehr 98
Staaten, die untergehen 101
Rettet die Wildbienen - Der Naturhaushalt braucht sie 101
Die schwarzgelben Killer . . . . . . . . . . 109
Anmutig und schön - Die Schmetterlinge .... . 111
Drachenfliegen und Libellen ........... . 118
Der Vernichtung preisgegeben - Die Heuschrecken 122
Die Gottesanbeterin . . . . . . . . . 126
Erde . ............... . 129
Die belebteste Materie - Der Boden 129
Im Märzen der Bauer. .. . 133
Rationelle Natur pur 138
Unser geplünderter Planet 142
Und es modert und stinkt zum Himmel 143
Schwere Geschütze .......... . 145
Wen schützt das Bodenschutzprogramm? 145
Mensch und Moor . . . . . . . . . 147
Ein bißchen Sterben gibt es nicht 154
Blütenträume ......... .. 159
Extrem und deshalb so gefährdet 161
Einst verstreut, heute in Reih und Glied 162
Zu hoch hinaus . 166
Wasser . .... 169
Quelle des Lebens 169
Der Saure Regen 176
Kaum mehr als ein Rauschen 177
Kaum noch ein Kommen und Gehen - Das Wattenmeer 180
Unsere Flüsse stinken zum Himmel 183
Zusammenfassung 185
Luft . ........ . 189
Störfaktor Mensch . . . 189
Geht uns die Luft aus? 191
Aus den Fugen geraten - Unser Klima 193
Wege aus der Krise . 197
Mensch ..... . 198
Natur und Fortschritt 198
Einsichten sind gefragt 200
Was getan wird 202
Wer denkt an die Tiere? 202
Ausweg aus der Sackgasse? 205
Quellen- und Literaturverzeichnis 208
Die WeiJ3en verderben unser Land, sie machen
die ganze Natur seutzen. Sie schneiden die
Kräuter mit langen Messern, sie verderben die
Kräuter, und die Kräuter weinen. Sie töten die
Bäume mit mörderischen Eisen, sie tun den Bäu
men Unrecht, und die Bäume weinen. Sie rei
ßen die Eingeweide der Erde auf, sie tun der Er
de weh, und die Erde weint. Sie vergiften das
Wasser unserer klaren Flüsse und machen es
trübe, die Fische sterben, und die Fische und
Flüsse weinen. So seht ihr: die Fische und Flüs
se weinen, die Bäume weinen, die Erde weint,
die Wiesenkräuter weinen - ja, die ganze Natur
machen die WeiJ3en seufzen!
Klage des Saukhäuptlings KENEKUK
Anfang oder Ende
Ganz allmählich werden Naturschutz und umweltbewußtes Leben ge
radezu Modeerscheinungen. Denn die Angst sitzt uns im Nacken, die
Angst, daß wir es, langsam aber stetig, doch übertrieben haben mit
unserer bedenkenlosen Art, Mensch zu sein und als solcher die Natur
auszubeuten, zu mißbrauchen und zu zerstören.
Jetzt sind wir also aufgewacht und handeln, langsam zwar noch und
verschlafen, aber wir wollen wieder ein reines Gewissen. Kein Gewis
sen, an dem die Betroffenheit nagt, kein Gewissen mehr, das uns Furcht
vor der Zukunft bereitet und uns ängstlich auf unsere zerstörenden
Finger sieht. Deshalb handeln wir, schützen wir die Umwelt.
Wir listen sorgfältig auf, was wir kaputtgemacht und ausgerottet
haben. So steht zum Beispiel auf der «Roten Liste» der Säugetiere einlei
tend zu lesen: (<In der Bundesrepublik Deutschland wurden 94 Säuge
tierarten nachgewiesen. 44 Arten (47%) sind ausgestorben oder gefähr
det. .. für einige dieser Arten wären mittlerweile auch keine geeigneten
Biotope mehr vorhanden ...»
Wir wissen also Bescheid, und man kann uns nicht nachsagen, daß
wir nicht gründlich vorgehen würden. Wir kennen die Zahlen; wir
bürden uns außerdem Verordnungen und Gesetze auf, die uns, als
oberste Instanz, als Über-Ich sozusagen, abhalten sollen von unserem
zerstörerischen Tun. Das heißt, wir müssen uns selbst per Gesetz unse
ren Wahnsinn verbieten, wir müssen uns gegenseitig überwachen und
bestrafen bei allem Fortschritt im Natur- und Umweltschutz. Denn uns
fehlt noch immer die Einsicht.
Einsicht und Nachdenken über die Erscheinungen und Folgen unse
rer menschlichen Intelligenz, die uns aufsteigen ließ zu den absoluten
Herrschern der Erde, und das in erdgeschichtlich sensationell kurzer
Zeit, denn lange schon vor dem Menschen gab es bereits Leben auf der
Erde. Und dieses Wesen Mensch, das im Vergleich zu anderen nur
Nachteile hatte, nicht schnell laufen, nicht fliegen und auch nur mühsam
schwimmen konnte und kann, das keine Reißzähne und keinen Giftsta
chei, dafür aber schlechte Augen, ein mittelmäßiges Gehör und fast
keinen Geruchssinn hat, dieses Wesen ist heute die unumstrittene Num-
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mer eins auf der Erde. Eigentlich das Raubtier Nummer eins, das viele
Tiere bei uns ausgerottet, gezähmt oder eingesperrt hat: die Nummer
eins zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Dieses Wesen überwindet
Entfernungen schneller als jedes andere und kann alles und jeden
besiegen, seinem Willen unterwerfen. Es tötet, läßt leben, züchtet und
vernichtet, wie es ihm gefällt. Es nimmt sich, was es will, unangefochten
und unangreifbar.
Seine Religion falsch interpretierend, ist der Mensch nicht zum Be
wahrer, sondern Zerstörer der Schöpfung geworden. Er hat ihre Vorräte
geplündert und bedenkenlos eingegriffen in die Kreisläufe der Natur. In
Kreisläufe, die über Jahrmillionen hinweg reibungslos funktionierten,
ehe der Homo Sapiens (der Wissende) glaubte, alles besser und vor
allem für sich selbst bequemer machen zu können. Dabei war der
einzige Vorteil des Menschen nur der, daß er unfähig war, sich zu
spezialisieren, denn er benahm sich in allen Elementen gleichermaßen
ungeschickt. Aber er konnte alles verwerten und konnte sich seine
Nahrung aus allen Lebensbereichen verschaffen. Sein einziger Schutz,
seine einzige Waffe und Hilfe war ihm dabei sein Gehirn.
Ursprünglich war der Mensch Nomade, siedelte immer dort, wo ihm
Fauna und Flora günstig schienen, und zog dann irgendwann weiter.
Doch mit der Intelligenz wuchs der Hang zur Bequemlichkeit. Und die
Bequemlichkeit trieb den Menschen dazu, sein Gehirn immer weiter
anzustrengen und zu entwickeln, auf der Suche nach einem zufriede
nen, komfortablen Leben. Und er erkannte, daß es bequemer war, seß
haft zu sein, die Tiere zu züchten und die Pflanzen anzubauen, ans tatt
zu jagen und zu sammeln. Die Unterwerfung der Natur, die Ausbeutung
des Bodens hatte begonnen.
Die Landwirtschaft war geboren. Mit der Landwirtschaft entstanden
rasch Geräte, Werkzeuge und Maschinen. Der Fortschritt war nicht
mehr aufzuhalten. Der Mensch sah sich nicht mehr als einen Teil des
Kreislaufs, der akribisch und sparsam alles wiederverwertet, mit sei
nen Energien haushaltet - er hatte erkannt, wo seine Chancen und
Vorteile lagen, und begann sie rücksichtslos und verschwenderisch zu
nutzen.
Obwohl wir heute wissen, was unsere Existenz die Natur und die Erde
bereits gekostet haben, nutzen wir immer noch zu wenig unsere letzte
Chance, die Vernunft. Und auch die Politiker zeigen zu wenig Einsicht,
nur Angst. Angst um Position und Partei, Angst um das sorgsam aufge
baute Wirtschaftssystem, um Wirtschaftswachstum und Industrie. Des
halb sind die meisten der «Umweltschutzverordnungen» und «Umwelt
schutzgesetze» nichtssagend oder zweideutig. Naturschutz als Alibi-
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Funktion, um die Partei dem Trend anzupassen. Dabei wird übersehen,
daß die wenigsten Politiker von Biologie und Ökologie weder etwas
verstehen noch die Zeit haben, sich damit zu beschäftigen und im
Zweifelsfall immer noch dem Wissensbereich den Vorzug geben, in dem
sie sich auskennen oder der ihnen die nächste Wiederwahl garantiert.
Durchaus menschliche Reaktionen, doch so hat fast immer die Wirt
schaft Vorrang vor der Natur.
Bei den geltenden Naturschutzgesetzen stellt sich die Frage, ob sie in
völliger Unkenntnis aufgestellt oder absichtlich so dehnbar gehalten
wurden, daß sie im Bedarfsfall beliebig ausgelegt werden können. Neh
men wir zum Beispiel den ersten Abschnitt des Naturschutzgesetzes für
Baden-Württemberg vom Mai 1987. Da heißt es unter «Ziele und Aufga
ben» des Naturschutzes:
«(i) Durch Naturschutz und Landschaftspflege sind die freie und die
besiedelte Landschaft als Lebensgrundlage und Erholungsraum des
Menschen so zu schützen, zu pflegen, zu gestalten und zu entwickeln,
daß
1. die Leistungsfähigkeit des Naturhaushalts
2. die Nutzungsfähigkeit der Naturgüter (Boden, Wasser, Luft, Klima,
Tier- und Pflanzenwelt) sowie
3. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft nach
haltig gesichert werden.
(2) Der freilebenden Tier- und Pflanzenwelt sind angemessene Le
bensräume zu erhalten. Dem Aussterben einzelner Tier- und Pflanzen
arten ist wirksam zu begegnen.»
Schöne und große Worte. Man hat sich zweifellos Gedanken gemacht.
Gedanken, wie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit der Natur bewahrt
werden kann, um einen Erholungsraum für Menschen zu bieten. Inter
essant ist, daß man den «freilebenden» Tieren und Pflanzen «angemes
sene» Lebensräume zuteilt. Und hier zeigt sich auch, wie einfach Natur
und Artenschutz ist: Man muß dem Aussterben einzelner Arten nur
«wirksam begegnen».
Erfreulich wenigstens, daß man Lebensräume für Tiere und Pflanzen
erhalten will, da der Lebens- und Erholungsraum für den gestreßten
Menschen auch immer knapper wird! Aber unter Punkt (3) wird im
Baden-Württembergischen Naturschutzgesetz relativiert:
«(3) Die sich aus den Absätzen 1 und 2 ergebenden Anforderungen
sind untereinander und gegen die sonstigen Anforderungen der Allge
meinheit an Natur und Landschaft abzuwägen.»
Eine Kommentierung erübrigt sich wohl. Aber schließlich stellt dieses
Naturschutzgesetz noch eine kühne Behauptung auf:
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