Table Of ContentTrans- und interkulturelle Politische
Theorie und Ideengeschichte
Die Reihe ‚Trans- und interkulturelle Politische Th eorie und Ideengeschichte‘ be-
schäft igt sich mit dem im Fach bislang kaum systematisch bearbeiteten Problem-
komplex der Kulturbezogenheit politischen Denkens. Im Mittelpunkt stehen dabei
einige Leitfragen, die das Th emenfeld aus verschiedenen Perspektiven aufrollen:
Dekonstruktionsmöglichkeiten ‚westlicher‘ Ideengeschichten werden ebenso be-
handelt wie das Problem von Normativität im Spannungsfeld von Kulturrelativis-
mus und Universalismus. Einen zentralen Stellenwert haben auch die Analyse von
kulturüberschreitenden Transfers von Begriff en und Ideen und die Untersuchung
der Machtverhältnisse, die sich in ihnen widerspiegeln. Nicht zuletzt greift die
Reihe die Möglichkeit interkultureller Dialoge, die identitätsstift ende Praxis kultu-
reller Selbstverortungen und die Frage der methodischen Untersuchbarkeit politi-
schen Denkens in kulturübergreifender Perspektive auf. Damit zielt sie insgesamt
nicht nur darauf ab, einen neuen Bereich der Politischen Th eorie zu erschließen,
sondern will ihre Ergebnisse auch für andere Bereiche der Politik- und Sozialwis-
senschaft sowie der Regionalforschung fruchtbar machen.
Holger Zapf (Hrsg.)
Nichtwestliches
politisches Denken
Zwischen kultureller Diff erenz
und Hybridisierung
Herausgeber
Dr. Holger Zapf
Universität Göttingen
Deutschland
ISBN 978-3-658-00554-2 ISBN 978-3-658-00555-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-658-00555-9
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Inhalt
Einleitung ............................................................................................................ 7
I
Perspektiven und konzeptioneUe Probleme
einer transkultureUen Politischen Theorie
Kulturüberschreitende Perspektiven in der Politischen Theorie ..................... 13
HolgerZapj
Mind the Gap!
Political Ethnography & Translations ofWestern Concepts
in non-Western Contexts .................................................................................. 31
Tobias Berger
Normativität und Relationen im transkulturellen Vergleich ............................ 47
JanneMende
Vier Laster einer vergleichenden politischen Theorie und
das Projekt einer globalen Demokratietheorie ................................................. 65
Alexander Weiß
11
Westliche und nichtwestliche politische Ideen:
Analysen
Vodim zwischen Religion und Politik.
Zur Bedeutung der vorkolonialen politischen Strukturen in Benin ................ 77
Siinami Parfait Bokohonsi
Die Aneignung der Menschenrechtssemantik ................................................. 95
Sybille De La Rosa
6 Inhalt
Politiken der Übersetzung
Die Haitianische Revolution als Paradigma einer Dekolonisierung
des Politischen ................................................................................................ 109
Jeanette Ehrmann
Westliche politische Ideen zwischen Import und Degradierung
Ein Fall negativer Interdependenz am Beispiel des Liberalismus
in Russland ...................................................................................................... 127
Jöm Knobloch
Die Rezeption der consociational democracy in Ghanas
Verfassungsdiskussion (1991-92) - eine interkulturelle Theoriedebatte? ..... 145
Ste/an Skupien
,Säkularismus' jenseits vom ,Kampf der Kulturen' und der ,Pflicht
zum öffentlichen Vernunftgebrauch': Eine transkulturelle Perspektive ........ 163
Ulrike Spohn
III
Anschlussmöglichkeiten
für die empirische Forschung
Welche Bedeutung/en hat ,Demokratie' weltweit? Aktuelle Befunde
aus der empirischen politischen Kulturforschung als Beispiel für
eine Variante ,transkulturell vergleichender Politischer Theorie' ................. 185
Sophia Schubert
Übersetzungspraktiken und die widersprüchliche Logik des Politischen
Eine praxistheoretische Grundlegung der Transformationsfurschung .......... 213
Taylan Yildiz
Einleitung
Die Auseinandersetzung mit der kulturellen Spezifik politischer Ideen hat Kon
junktur. Aus verschiedenen Gründen besteht gesellschaftlicher Aufklärungsbe
darf - dazu zählen unter anderem die Intensivierung von kulturübergreifenden
Kommunikationsbeziehungen, die globale Dimension sozialer und politischer
Probleme und der Verdacht, Konflikte ränden vornehmlich über Kulturgrenzen
hinweg statt. Daraus ergeben sich zunächst Fragen an das kulturell Andere: "Wie
denken die Anderen über politische Fragen?", "Warum denken sie so?", "Wie se
hen sie unsere Lösungsmodelle (und uns)?" und "Können wir uns überhaupt mit
einander verständigen?"
Jede dieser Fragen impliziert dabei eine Grenze, die beide Gruppen vonei
nander scheidet - eine Grenze, die durch in sich homogene und stabile Kulturen
bestimmt ist. Wenn die Fragen in dieser Form beantwortet werden, (re-)produ
zieren die Antworten daher die vorgegebenen Grenzen. So kann die erste Fra
ge nach den politischen Ordnungsvorstellungen beispielsweise mit dem Verweis
aufkulturspezifische Werte beantwortet werden - die berühmten ,asian values'
etwa, die bei asiatischen Völkern eine Vorliebe für Kollektivismus, Solidarität
und Stabilität aufkommen lassen. Damit ist dann implizit auch schon die Ant
wort auf Frage zwei gegeben - sie denken so, weil es ihnen ihre Kultur eben nahe
legt - ganz im Unterschied zu unserer Kultur, die uns auf Individualismus und
Freiheitsliebe verpflichtet. Die dritte Frage - "Wie sehen sie uns?" - lässt ohne
Weiteres den Schluss zu, ,sie' würden ,uns' :für dekadent, materialistisch, arro
gant und gotteslästerlich halten - und das wiederum, weil sie eben ihrer Kultur
angehören, und wir der unseren. Und auch die Frage nach der Verständigungsrä
higkeit impliziert substantielle Differenzen zwischen den Kulturen - andernfalls
müsste sie ja nicht gestellt werden.
All das ist freilich problematisch. Die Frage nach der Bedeutung von Kultur
tendiert anscheinend per se dazu, diese zu reifizieren und zu homogenisieren -
mit der Konsequenz, dass den Angehörigen bestimmter Kulturen Eigenschaften
unterstellt werden, die sie keinesfalls haben müssen. Dadurch können sie zugleich
zur (Negativ-)Folie der Eigenwahrnehmung werden, wodurch letztlich Konflik
te wechselseitig verstärkt werden. Aus diesem Grund muss die Auseinanderset-
8 Einleitung
zung mit ,nichtwestlichem' politischen Denken (die Anfiihrungszeichen markie
ren die implizite Unterstellung grundsätzlicher Unterscheidbarkeit, die ihrerseits
ebenfalls problematisiert werden kann) in ein Spiel mit dieser prima faeie vorge
fundenen Differenz eintreten. Kulturen dürfen nicht zu ernst genommen werden,
sie dürfen nicht als unhintergehbarer und determinierender Rahmen für politi
sche Ideen und Orientierungen gelten. Vielmehr eröffnen sie einen vielfältigen
Bezugsraum, der es oftmals ermöglicht, bestimmte Vorstellungen sowohl abzu
lehnen als auch gutzuheißen.
Insofern ist es die Herausforderung bei einer kulturüberschreitenden Aus
einandersetzung mit politischen Ideen, einerseits die oben genannten Fragen zu
bearbeiten, ohne dabei andererseits in die aufgezeigte Falle - die KuituraIismus
falle, wenn man so will-zu tappen. Es geht daun darum, kulturelle Differenzen
nicht zu leugnen, sie produktiv zu halten, sie aber auch nicht zum Angelpuukt
der Analyse zu machen. Genau in diesem Spannungsfeld fand die Gründungsta
gung der DVPW-Themengruppe "Transkulturell vergleichende Politische Theo
rie" unter dem Titel "Zwischen Assimilation und Kulturkampf. Westliche Ide
en im nichtwestlichen politischen Diskurs" statt, die mit dem vorliegenden Band
dokumentiert wird. Alle hier versammelten Beiträge behandeln die oben aufge
worfenen Fragen in der einen oder anderen Konfiguration oder stellen auf einer
reflexiven Ebene die Frage danach, welche Probleme mit dem Stellen dieser Fra
gen verbunden sind und wie diesen Problemen begegnet werden kann. Sie treten
damit ein in das Spiel mit der kulturellen Differenz, das im Bereich der akademi
schen Politischen Theorie noch daraufwartet, systematisch betrieben zu werden.
Den Anfang machen drei Beiträge, die einen besonderen Fokus auf die Chan
cen und Probleme legen, die sich aus transkulturellen Perspektiven auf politische
Ideen ergeben. Die sechs folgenden Beiträge wenden sich auf die eine oder an
dere Weise den eingangs genannten Fragen zu und zeigen exemplarisch auf, wie
viele spannende und produktive Sichtweisen sich mit dem Projekt einer trans
kulturell orientierten Politischen Theorie verbinden lassen - die Aneignung oder
Ablehnung westlicher Konzepte ist hier der dem Tagungsthema geschuldete Fo
kus. Abschließend greifen zwei Beiträge die Frage auf, welche Anschlussmög
lichkeiten sich für die empirische Forschung ergeben, wenn Politische Theorie
transkulturell betrieben wird.
Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Griindungstagung sei an dieser Stelle
noch einmal ausdrücklich für die sehr anregende Tagung und die konstruktiven
Wortmeldungen gedankt - die Sprecherinnen und Sprecher der Themengruppe
hoffen, hieran in Zukunft anknüpfen zu können.
Einleitung 9
Besonderer Dank gilt an dieser Stelle Walter Reese-Schäfer, der die Grün
dungstagung an der Universität Göttingen ideell und finanziell unterstützt hat,
und Verena Metzger, die die Publikation des Tagungsbandes beim VS-Verlag von
Anfang an wohlwollend und hilfreich begleitet bat.
Göttingen, den 1.8.2012
HolgerZapj
Description:Bei der kulturüberschreitenden Auseinandersetzung mit politischem Denken entstehen unweigerlich Fragen: Welche Probleme ergeben sich, wenn engagierte Auseinandersetzungen und inhaltliche Analysen über Kulturgrenzen‘ hinweg stattfinden, und was folgt daraus für mögliche Ansätze und Methoden ei