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Klaus Deimling
Nichtlineare Gleichungen
und
Abbildungsgrade
Springer-Verlag
Berlin Heidelberg New York 1974
Klaus Deimling
Mathematisches Seminar der Universitat Kiel
AMS Subject Classification (1970): 46-01
ISBN-13: 978-3-540-06888-4 e-ISBN-13: 978-3-642-65941-6
001: 10.1007/978-3-642-65941-6
Library of Congress Cataloging in Publication Data
Deimling, Klaus, 1943-
Nichtlineare Gleichungen und Abbildungsgrade. (Hochschultext).
Bibliography: p.
1. Differential equations, Nonlinear. 2. Operator1heory. 3. Differentiable mappings.
I. Title.
0A372.D38 515'.35 74-16047
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© by Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1974.
VOIWOrt
Del' vorliegende Text ist aus Vorlesungen entstanden, die ich im Winter
semester 1970/71 in Karlsruhe bzw. im SS 1973 und WS 1973/74 in Kiel
mit dem Ziel gehalten habe, den mit einem Vordiplom ausgestatteten
"Mathematikern" und mathematisch interessierten "Physikern" einen ele
mentaren Einstieg in ein Teilgebiet del' Analysis zu ermoglichen, das
in einer lebhaften Entwicklung begriffen und noch weitgehend frei von
rein akademischem Gedankenspiel ist. Die Nichtlineare Funktionalanalysis,
d.h. das Studium nichtlinearer Abbildungen zwischen i.a. unendlichdi
mensionalen Raumen, erlebte ihre erste Blutezeit in den Jahren urn 1930,
wurde dann etwas von del' Theorie del' "ersten Naherungen" , d.h. del'
linearen Operatoren, verdrangt, und wird erst seit etwa 15 Jahren in
dem Umfang betrieben, del' ihr auch von den Anwendungen her zukommt.
Ein nutzliches Hilfsmittel fur diese Untersuchungen sind sogenannte Ab
bildungsgrade, die man als Verallgemeinerungen del' z.B. in del' Funk
tionentheorie haufig verwendeten Windungszahl ebener Kurven ansehen
kann. \Vir bes chaftigen uns haupts achlich mit ihnen, kommen j edoch ge
legentlich auf andere Methoden zu sprechen, fur die schon lesbare Ein
fuhrungen auf dem Buchermarkt zu haben sind.
Aus den eingangs genannten Ambitionen ergibt sich, daB am Anfang ledig
lich ein intimes Verhaltnis zur Stetigkeit und Differenzierbarkeit von
Abbildungen des Rn erforderlich ist. Mit Beginn des ersten unendlich
dimensionalen Kapitels 3 wird dann eine gewisse Vertrautheit mit eini
gen, im ersten Kapitel versammelten Grundbegriffen del' Funktionalana
lysis erwartet, die man nebenbei anhand del' zitierten Literatur erwer
ben Kanno Urn den dargestellten Stoff leichter verdaulich zu machen,
haben "IiI' ihn mit zahlreichen Obungsaufgaben versehen, deren Bearbei
tung dringend empfohlen wird. Die "SchluB"-Bemerkungen im letzten Ka
pitel sind als Anreiz fur eine weitergehende Beschaftigung zu verste
hen.
Nicht nul' traditionsgemaB mochte ich hier den an del' Entstehung des
Textes Beteiligten danken, den Herrn Profs. H. Heuser und W. Walter
(Karlsruhe), welche die Abhaltung del' Vorlesung i~ Karlsruhe ermoglicht
VI
haben, Dr. H. Weigel (Karlsruhe), der mich wahrend der Studienzeit auf
Abbildungsgrade aufmerksam machte, R. und U. Lemmert (Karlsruhe),
Dr. G. Schleinkofer (Mainz) und Prof. W. Jager (Munster), die an einer
ersten Fassung des Manuskripts konstruktive Kritik geubt haben, und
meiner besseren Halfte Brigitte fur die Dbernahme der Schreibarbeiten.
SchlieBlich danke ich Herrn Dr. K. Peters vom Springer-Verlag fur sein
Interesse und fur die Aufnahme des Manuskripts in diese Reihe.
Kiel, im April 1974 Klaus Deimling
Inhaltsverzeichnis
Einleitung 1
Kapitel 1. Hilfsmittel aus Topologie und Funktionalanalysis 8
§ 1. Metrische Raume 8
§ 2. Normierte Raume 11
§ 3. Differentiation in Banach-Raumen 15
§ 4. Beispiele 18
§ 5. Fortsetzungen stetiger Operatoren 21
§ 6. Differenzierbare Abbildungen des Rn 23
Kapitel 2. Der Abbildungsgrad von Brouwer 32
§ 7. Der Abbildungsgrad fur stetig differenzierbare Abbildungen 35
§ 8. Der Abbildungsgrad fur stetige Abbildungen 38
§ 9. Der Fixpunktsatz von Brouwer 43
§ 10. Der Satz von Borsuk 46
§ 11. Die Produkteigenschaft 48
§ 12. Der Abbildungsgrad stetiger Abbildungen auf unbeschrankten 53
Mengen
§ 13. Bemerkungen 54
Obungsaufgaben 57
Kapitel 3. Der Leray-Schauder-Grad 60
§ 14. Kompakte Operatoren 62
§ 15. Der Abbildungsgrad in endlichdimensionalen normierten 65
Rii.umen
§ 16. Definition und Eigenschaften des Leray-Schauder-Grades 66
§ 17. Eigenwerte kompakter Operatoren 70
§ 18. Der Satz von Borsuk 72
§ 19. Die Produkteigenschaft des LS-Grades 73
§ 20. Lineare kompakte Operatoren 75
VIII
Obungsaufgaben 80
Anhang 81
Kapitel 4. Fixpunkte kompakter Operatoren 84
§ 21. Existenz von Fixpunkten 84
§ 22. Eigenschaften der Fixpunktmenge 88
§ 23. Isolierte Fixpunkte 91
§ 24. Nichtlineare Eigenwertprobleme 93
Obungsaufgaben 95
Kapitel 5. Der Leray-Schauder-Grad in lokalkonvexen Raumen 98
§ 25. Hilfsmittel aus der Theorie topologischer Vektorraume 98
§ 26. Kompakte Operatoren 100
§ 27. Der Fixpunktsatz von A. Tychonoff 102
Obungsaufgaben 104
Kapitel 6. Abbildungsgrad undProjektionsmethoden 106
§ 28. Projektionsschemen 107
§ 29. Projektionskompakte Operatoren 109
§ 30. Ein Abbildungsgrad fur P-kompakte Operatoren 113
§ 31. Fixpunktsatze fur P-kompakte Operatoren 116
§ 32. SchluBbemerkungen 119
Obungsaufgaben 123
Literaturverzeichnis 125
Sachverzeichnis 130
Einleitung
Die mathematische Beschreibung naturwissenschaftlicher Vorgange fuhrt
in den meisten Fallen auf Gleichungen der Form Fx = y , wobei die Ab
bildung F: X + Y und das Element ye Y gegeben sind, und eine Lasung
x E X gesucht wird. Gelegentlich kommen auch Ungleichungen vor, worauf
wir jedoch in dieser Vorlesung nicht eingehen. Wir haben gleich die
Frage nach der Existenz von Lasungen gestellt, da wir hauptsachlich an
einer positiven Antwort interessiert sind, obwohl es auch bemerkenswert
viele Situationen gibt, in denen man das Gegenteil haben will. Wenn wir
sicher sind, daB mindestens eine Lasung vorhanden ist, fragen wir wei
ter, ob es nur diese oder noch andere Losungen gibt. Auch diese Eindeu
tigkeitsfrage ist zwiespaltig. Oft ist die eindeutige Losbarkeit er
wunscht, oft sind aber gerade die Gleichungen besonders wichtig, die
mehrere Lasungen haben; auBerdem ist zu unterscheiden zwischen lokaler
Eindeutigkeit, die nur besagt, daB in einer gewissen Umgebung einer
Lasung keine weiteren existieren, und globaler Eindeutigkeit, bei der
es uberhaupt nur ein x e X mit Fx = y gibt.
Will man beispielsweise eine nxn-Matrix A invertieren, so darfAx = 0
nur die Lasung x = 0 haben; andererseits geben gerade die Eigenwerte
A von A , oder anders ausgedrlickt, die Gleichungen (A-AI)x = 0 mit meh
reren Lasungen, die beste Einsicht in das Verhalten der Abbildung A
Belastet man einen vertikal eingespannten Stab, so muB
=
selbst der auf Sicherheit Bedachte, d.h. am Zustand u 0
Interessierte, die kritische Kraft Ko kennen, die erst
mals eine Auslenkung u $ 0 erzeugt, oder mathematisch ge
sprochen: Er muB das kleinste K > 0 bestimmen, so daB die
gewohnliche Differentialgleichung
(1) u"(S) + Kp(s)u(s)[l - (u' (s»2]1/2 = 0
auch mindestens eine nichttriviale Lasung u besitzt, die
den Randbedingungen u(O) = u(l) = 0 genugt (die Lange des
Stabs ist 1 , und p beschreibt die Elastizitat des Stabs) . Setzt man
xes) = -U"(S) und k(s,t) = s(l-t) fur s < t bzw. k(s,t) = t(l-s) fur
2
s > t , so ist dieses Randvlertproblem aquivalent zur Integralgleichung
1 1
( 2 ) xes) - Kp(s)JkCs,tlx(t)dt[l - (Ik (s,t)x(t)dt)2]1/2 = 0 ,
s
o 0
fUr s EO J = [0,1] , also von der Form Fx = 0 , wenn man fUr Y z. B. die
Menge C(J) aller auf J stetigen Funktionen und flir X die Menge aller
I
XE. C(J) mit Jol k s (s ,t)x(t)dti -< 1 wahlt, und (Fx)(s) fUr xe: X und s E. J
durch die linke Seite von (2) definiert.
Da man hier in Wirklichkeit eine Schar von Gleichungen hat (mit K als
Parameter) , ist es zweckmaBig, F(K,x) = 0 anstelle von Fx = 0 zu
schreiben. AIIgemein ist man nicht nur an einer rechten Seite y und an
einem F , sondern an allen Fund y mit gewissen gemeinsarnen Eigenschaf
ten interessiert, also an ganzen Klassen von Gleichungen. Deshalb stel
len wir die Abbildungen (= Operatoren) F in den Vordergrund. Beim Exi
stenzproblem haben wir also zu untersuchen, wann yE Y im Bild F(X) ei
nes Operators F: X ~ Y ist, und die Eindeutigkeitsfrage lauft auf die
lokale bzw. globale Eineindeutigkeit von F hinaus.
Durch die beiden Beispiele wird auch angedeutet, daB noch elne dritte
grundsatzliche Frage wichtig ist: Was laBt sich liber das Losungsver
halt en sagen, wenn man F oder y etwas abandert ? Treten dabei keine
neuen Effekte auf, so spricht man von stetiger Abhangigkeit der Lo
sung(en) von Fund y , oder auch von der Stabili tat der Gleichung Fx = y;
die zugelassenen Anderungen sind natlirlich in jedem Fall zu prazisieren.
In unserem Beispiel (2) konnen wir, zunachst nur durch die Anschauung
motiviert, F(K,x) 0 fUr K < Ko als stabil und fUr K = Ko als instabil
bezeichnen, da im zweiten Fall eine geringfUgige Anderung von Ko in den
Bereich K < Ko das Verschwinden einer Losung verursacht.
Nun erkennt man schon in den Anfangervorlesungen, daB die Untersuchung
der drei genannten Probleme fUr lineare Gleichungen wesentlich einfa
cher ist, als selbst fUr harmlos aussehende nichtlineare Gleichungen.
Man denke z.B. daran, wie wenig kompliziert In dieser Hinsicht die all
gemeine Gleichung Ax = y im Rn ist, und an die Schwierigkeiten, die man
im Vergleich hierzu schon bei Polynomen hat. Entsprechend liegen die
Verhaltnisse bei Operatoren zwischen unendlichdimensionalen Raumen. Bei
spielsweise ist die lineare Integralgleichung, die sich aus (2) ergibt,
indem man dort den nichtlinearen Wurzelanteil durch die Eins ersetzt,
harmlos im Vergleich zu (2) . Kein Wunder also, daB man sich bisher
sehr viel intensiver urn lineare, als urn nichtlineare Operatoren gekUm
mert hat, und bei den linearen heute auf einem theoretischen Stand an
gekornrnen ist, der wenigstens flir die bisher aufgetretenen konkreten An
wendungen zufriedenstellend ist.
Die genauen Kenntnisse im Linearen und die Schwierigkeiten im Nichtli-
3
nearen verleiten natlirlich den Praktiker zur Linearisierung, d.h. zur
Vernachlassigung unangenehmer 'nichtlinearer Anteile, wie wir es bei
(2) angedeutet haben. Diese Vereinfachung laBt sich in vielen Fallen
rechtfertigen, flihrt aber bei anderen Problemen am wahren Losungsver
halt en der nichtlinearen Gleichung vorbei.
Betrachten wir beispielsweise eine periodisch erregte Masse, die an
einer Feder angebracht ist. Bezeichnet x(t) die Auslenkung, ycoswt die
Erregung und ax+Sx3 (mit a > 0) die Ruckstellkraft der Feder, so wird
die Bewegung durch die Differentialgleichung
(3) x"(t) + ax(t) + Sx3(t) = ycoswt
beschrieben. Experimentell hat man subharmonische Losungen nachgewie
sen, d.h. Losungen, deren kleinste Periode kleiner ist, als die der Er
regung. Diese Beobachtung kann durch (3) bestatigt werden, jedoch nicht
durch die linearisierte Gleichung, d.h. durch (3) mit S = 0 , da diese
keine Subharmonischen hat.
Es ist oft zweckmaBiger, den nichtlinearen Operator F nicht einfach
durch einen linearen L zu ersetzen, sondern F in der Form F L+N an
zunehmen, wobei die Nichtlinearitat N in einem festzulegenden Sinne
klein ist. Am Rande dieser Vorlesung werden wir sehen, daB sich dann
sogar Eigenschaften von L auf F ubertragen, und, wie das Beispiel (3)
zeigt, auch einige typisch nichtlineare Phanomene erklaren lassen.
Hauptgegenstand der Vorlesung ist jedoch die Existenz von Losungen all
gemeiner nichtlinearer Gleichungen. Wir werden uns fast ausschlieBlich
mit solchen Fallen beschaftigen, bei denen die Eindeutigkeit nicht vor
handen, oder unter den angegebenen Voraussetzungen nicht zu beweisen
ist. 1m Rn betrachten wir allgemeine stetige Abbildungen, in unendlich
dimensionalen Raumen jedoch hauptsachlich nur sogenannte kompakte Sto
rungen der Identitat; auBerdem wird im wesentlichen nur die Abbildungs
gradmethode behandelt. Deshalb skizzieren wir zunachst einige andere
Operatorenklassen bzw. Methoden, beschranken uns dabei aber auf Abbil
dung en im Rn , urn begriffliche Schwierigkeiten zu vermeiden, und ver
weisen auf ausfuhrliche Darstellungen. Weitere Bemerkungen befinden
sich am Ende des sechsten Kapitels.
1. Kontraktionen. Fur x = (xl" .. ,xn) ERn bedeutet / x/ stets die Euklid
I
Norm ( x,2)1/2 •
i=l l
Eine Abbildung f: Rn + Rn , die der Bedingung /fex) - f(x)/ ~ k/x-x/
fur ein k € (0,1) und aIle x,x € Rn genugt, nennt man eine strikte Kon
traktion Aufgrund des Fixpunktsatzes von Banach (vgl. § 1.V) weiB
man, daB f genau einen Fixpunkt hat, daB also die Gleichung x-f(x) = 0