Table Of ContentNGOs als Legitimationsressource
Achim Brunnengräber
Ansgar Klein
Heike Walk (Hrsg.)
NGOs als
Legitimationsressource
Zivilgesellschaftliche Partizipationsformen
im Globalisierungsprozess
Mit einem einleitenden Beitrag
von Ernst Ulrich von Weizsäcker
Leske + Budrich, Opladen 2001
Die HerausgeberInnen:
Dr. Achim Brunnengräber, Freie Universität Berlin, FB Politik- und Sozial
wissenschaften; Dr. Ansgar Klein, Referent der Arbeitsgruppe "Bürgerschaft
Iiches Engagement" der SPD-Bundestagsfraktion; Dr. Heike Walk, Techni
sche Universität Berlin, Zentrum Technik und Gesellschaft (ZTG)
Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier.
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz für die Publikation ist bei
Der Deutschen Bibliothek erhältlich
ISBN 978-3-8100-3130-3 ISBN 978-3-322-94937-0 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-322-94937-0
© 2001 Leske + Budrich, Opladen
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Satz: Verlag Leske + Budrich, Opladen
Inhalt
Vorwort ................................................................................................... 7
Heike Walk, Ansgar Klein, Achim Brunnengräber
NGOs - die ,Entschleuniger' der Globalisierung?
Einleitung ........................ ......................................................................... 9
Ernst Ulrich von Weizsäcker
Zur Frage der Legitimität der NGOs im globalen Machtkonflikt
Ein einführender Beitrag ..................................... ............. ........................ 23
Roland Roth
Auf dem Wege zur transnationalen Demokratie?
Vorläufiges zum Beitrag von Protestmobilisierungen und
Nichtregierungsorganisationen ................................................................ 27
Teil 1:
NGOs im wissenschaftlichen Diskurs
Wolf-Dieter Narr
INGOs, Himalaya-Gebirge, Ozeane und raumenthobene Demokratie
Zehn Thesen ...... ....................................................................................... 53
Ulrich Brand
Nichtregierungsorganisationen und postfordistische Politik
Aspekte eines kritischen NGO-Begriffs ................................................... 73
Achim Brunnengräber, Heike Walk
NGOs unter Ökonomisierungs-und Anpassungsdruck
Die Dritte Sektor-Forschung und ihr Beitrag zur Analyse
des NGO-Phänomens ............................................................................... 95
6 Inhalt
Teil 2:
NGOs in globalen Politikarenen
Marianne Beisheim
Demokratisierung einer klimapolitischen Global Governance durch
NGOs? Chancen und Probleme des Legitimationspotentials von NGOs .... 115
Tanja Brühl
Mehr Raum für die unbequemen Mitspieler? Die Einbeziehung
von NGOs in die internationalen (Umwelt-)Verhandlungen .................... 137
Walter Eberlei
Zivilgesellschaftliche Akteure in globalisierten Politikarenen
Das Beispiel Schuldenregime .................................................................. 157
Barbara Finke
Konsens und Vielfalt. Transnationale Frauennetzwerke
als Legitimitätsressource des UN-Systems? ............................................. 175
Teil 3:
Von den Chancen und Grenzen der Kooperation
Volker Heins
Wächst der Einfluss von NGOs auf die Wirtschaft?
Der Fall der Life Sciences-Industrie ........................................................ 197
Sabine Krüger
Netzwerke für eine nachhaltige Gesellschaft? Zur Realität
sozial-ökologischer Bündnisse zwischen Gewerkschaften und NGOs ..... 215
Ingo Take
Allianzbildungen zwischen Staat, Zivilgesellschaft und
internationalen Organisationen im Nord-Süd-Verhältnis ......................... 239
Dieter Rucht
Antikapitalistischer und ökologischer Protest als Medienereignis
Zur Resonanz der Proteste am 1. Mai 2000 in London ............................ 259
Abkürzungen ........................ .................................................................... 285
Abstracts ..................................................................................... ............. 289
Zu den Autorinnen und Autoren .............................................................. 297
Vorwort
"Politische Partizipation und Protestmobilisierung im Zeitalter der Globalisie
rung" - so lautete das Thema einer Tagung, die der Arbeitskreis "Soziale Be
wegungen" der Deutschen Vereinigung für Politische Wissenschaft (DVPW)
und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) am 30. Ju
ni/I. Juli 2000 am WZB durchgeführt haben. Die meisten in diesem Band
versammelten Beiträge zur NGO-Forschung sind in einer ersten Fassung aus
dem Workshop "Fit für die Institutionen? NGO-Engagement in der inter
nationalen Umweltpolitik" hervorgegangen, der im Rahmen dieses Kongres
ses von Heike Walk und Achim Brunnengräber organisiert wurde.
Schon während des Workshops deutete sich an, dass für die Analyse der
NGOs die Beschränkung auf das Feld internationaler Umweltpolitik nicht sinn
voll ist. Das haben wir im Zuge der weiteren Buchkonzeption berücksichtigt und
während eines AutorInnenworkshops im Sommer 2000 in Frankfurt am Main
auch konkretisiert. So finden sich in dem vorliegenden Band auch Reflexionen
über den wissenschaftlichen und politischen NGO-Diskurs; die herangezogenen
Analysen von NGO-Aktivitäten umfassen auch das Schuldenregime, transnatio
nale Frauennetzwerke, Kooperationen von NGOs mit Wirtschaft und Gewerk
schaften sowie Fragen der Allianzbildung zwischen Staat, Zivilgesellschaft und
internationalen Organisationen. Erörtert wird schließlich die Frage nach einer
geeigneten Medienstrategie für Protestakteure.
Zwei weitere Workshops des Kongresses "Politische Partizipation und
Protestmobilisierung im Zeitalter der Globalisierung" behandelten die The
men "Migration und politische Mobilisierung in Deutschland und Europa" so
wie "Stadt und politische Beteiligung nach 2000". Ausgewählte Beiträge die
ser bei den Workshops finden sich in dem von Ansgar Klein, Ruud Koopmans
und Heiko Geiling herausgegebenen Band "Globalisierung, Partizipation,
Protest", das ebenfalls im Verlag Leske & Budrich erschienen ist. Zusätzlich
berücksichtigt werden dort Aufsätze, die sich mit der Entwicklung sozialer
Bewegungen unter den Bedingungen der Globalisierung beschäftigen. Diese
Beiträge sind aus einer Veranstaltung des Arbeitskreises "Soziale Bewe
gungen" auf dem Politologentag 2000 in Halle hervorgegangen.
8 Ansgar Klein
Ohne Unterstützung durch die Heinrich-Böll-Stiftung, die Otto-Brenner
Stiftung und das WZB wäre der Kongress nicht realisierbar gewesen. Michael
Stognienko von der Heinrich-Böll-Stiftung und Heike Kauls von der Otto
Brenner-Stiftung danke ich an dieser Stelle für die großzügige Unterstützung,
Ruud Koopmans und Claudia Daheim von der Arbeitsgruppe "Politische Öf
fentlichkeit und Mobilisierung" des WZB für die gute Kooperation. Nicht zu
letzt gilt unser Dank den AutorInnen, die den Band gemeinsam mit uns ge
staltet haben.
Ansgar Klein
(Sprecher des Arbeitskreises "Soziale Bewegungen" der DVPW)
Heike Walk, Ansgar Klein, Achim Brunnengräber
NGOs - die ,Entschleuniger' der Globalisierung?
Einleitung
Das Tempo der Globalisierung nimmt zu - und das nicht zum Vorteil aller: Ob
es um Armut, wachsende soziale Ungleichheit, die Umwelt, globale Finanz
märkte, ethnische Konflikte und Menschenrechtsverletzungen oder Migration
und Abschottung geht - die Globalisierung birgt erhebliche Risiken und sie
führt zu Krisen, die in immer kürzeren Zeitabständen auftreten. Dabei wird im
mer augenscheinlicher: Das inter- und supranationale System ist den drängen
den Problemen der Welt nicht gewachsen, wie auch die althergebrachten,
schwerfälligen und weitgehend auf den Nationalstaat beschränkten Institutionen
keine ausreichenden Antworten auf die drängenden ökologischen, sozio-ökono
mischen und politischen Probleme haben. Die Folge: Das Unbehagen gegenüber
der Globalisierung wächst, sie wird nicht als Segnung, sondern als Bedrohung
empfunden.
Das Unbehagen hat auch mit einem Demokratieproblem zu tun, das ent
steht, weil mehr und mehr Verhandlungen über wichtige Themen aus dem na
tionalstaatlichen Raum heraus in die globale Arena verlagert werden, um der
Globalität der Probleme und der Komplexitätszunahme gerecht zu werden. Die
circa 300 ausdifferenzierten Regime und Konventionen wie etwa zum Klima,
der Biodiversität oder den Menschenrechten sind deutliche Anzeichen einer De
nationalisierung, die freilich ohne nationalstaatliche Politik nicht auskommt. Ge
rade deshalb hat Globalisierung immer auch mit national staatlichen Interessen
und politischen Praktiken zu tun, die zur Verantwortungsverlagerung auf die
globale Ebene führen. Zugleich agieren hier neue Akteure, so dass die Gemen
gelage, in denen soziale Auseinandersetzungen heute stattfinden, schwer über
schaubar wird. Globalisierung ist demzufolge ein umkämpfter Prozess, in dem
soziale Kämpfe um die Deutungsmacht von Problemen und deren Bearbeitungs
formen, um wirtschaftliche Interessen und um die besten Strategien ausgetragen
werden.
Jedes der international verhandelten Probleme hat sein eigenes institutio
nelles setting, seine eigenen Akteurskonstellationen und seine eigene politi
sche Dynamik. Gleichzeitig nehmen die Interdependenzen und Wechselwir
kungen zwischen den internationalen Politikfeldern - sofern der Begriff über-
10 Heike Walk, Ansgar Klein, Achim Brunnengräber
haupt noch angemessen ist - zu. Eines der zentralen Probleme der Globa
lisierung hat etwas mit der Beschleunigung des Waren-, Dienstleistungs- und
Informationsaustauschs zu tun. Das darauf getrimmte Verhalten der Schnellen
wird mit erheblichen Prämien versüßt; die Langsamen bleiben wie gewöhn
lich auf der Strecke. Das gilt sowohl für das soziale Gefüge, das für viele
Menschen nicht (mehr) die nötige Sicherheit bietet, als auch für die demokra
tischen Systeme, die durch die Denationalisierung ausgehöhlt werden. Auch
die Regenerationsgeschwindigkeit der global verkoppelten Ökosysteme ist er
heblich langsamer als das immense Zerstörungspotential durch den schier un
überwindbaren Drang zur Inwertsetzung der Natur. Beim Verlust von Tier
und Pflanzenarten durch den ungebremsten Raubbau an natürlichen Ressour
cen ist die Regeneration gar nicht mehr gegeben.
Die Herstellung staatlicher Steuerungsfähigkeit
Die Tempomaschine Globalisierung, die von den trans nationalen Konzernen
und mächtigen Regierungen angetrieben wird, sorgt also dafür, dass die In
strumente zur Bearbeitung der drängenden Probleme nicht die nationalstaat
lich verankerten Institutionen im klassischen Sinne sein können. Sie wären
stets dazu verdammt, den temporeichen Entwicklungen hinterher zu hinken.
Die Frage nach der staatlichen Steuerungsfähigkeit ist ebenfalls dieser Ent
wicklung geschuldet, wobei zu differenzieren ist. Die machtvollen Regierun
gen innerhalb der OECD haben durchaus die Möglichkeit, die wirtschaftli
chen Rahmenbedingungen mitzubestimmen und erbringen somit Steuerungs
leistungen. Zum Problem aber werde die sozialen und ökologischen Folgen
dieser Steuerung, die nicht mehr ignoriert werden können. Neue und alte
transnational ausgerichtete NGOs und vor allem neue flexible Netzwerkstruk
turen scheinen da schon eher die Erwartungen der Öffentlichkeit zu erfüllen.
NGOs haben die Fähigkeit entwickelt, Geheimverhandlungen oder Miss
stände aufzudecken und Einfluss auf die öffentliche Meinung zu nehmen. Ihnen
wird eine bedeutende Rolle als Vermittlungsinstanz zwischen den so genannten
internationalen Beziehungen - die vor allem (noch) Regierungssache sind - und
der Öffentlichkeit zugeschrieben. Und damit noch nicht genug. NGOs bilden ein
wichtiges pluralistisches Sammelbecken für verschiedenste gesellschaftliche In
teressen, die sie auf transnationaler Ebene zum Ausdruck bringen. Trotz der hier
schon anklingenden Heterogenität des Akteursspektrums ist das Kürzel NGO
längst zu einem Symbol für Hoffnungen und Erwartungen einer demokratischen
Gestaltung der Globalisierung in Zeiten ungebremster Beschleunigung gewor
den. Ihnen wird als neuen, unabhängigen Akteuren die Rolle zugewiesen, Legi
timationsdefizite aufzudecken, Probleme öffentlich und transnational zu artiku
lieren und ein Gegengewicht zu dem auf national- und suprastaatlicher Einfluss
nahme beruhenden internationalen System zu bilden.
NGOs - die ,Entschleuniger' der Globalisierung? 11
Wie in Teil I dieses Bandes herausgearbeitet wird, werden NGOs auch
von den Sozialwissenschaften gerne in dieser recht emphatischen Weise
wahrgenommen. Das war nie ganz uneigennützig: Auch die Sozialwissen
schaften sind oftmals interessengeleitet und verbinden neuere gesellschaftspo
litische Tendenzen gerne mit (drittmittelfinanzierten) Forschungsprojekten.
Das mag auch der Grund sein, weshalb sich in der wissenschaftlichen Aus
einandersetzung mit den NGOs oftmals vorschnelle Verkürzungen, im nor
mativen Überschwang erfolgende Vereindeutigungen, aber auch starre De
finitionen finden.
Roland Roth setzt sich mit den weit verbreiteten Hoffnungen kritisch aus
einander, dass die NGOs zur transnationalen Demokratie beitragen. Am Bei
spiel des Nato-Krieges im Kosovo wird deutlich, dass die Entscheidung zur
"humanitären Militärintervention" durch eine militärisch und ökonomisch drük
kend überlegene "Staatengemeinschaft" des Nordens unter Führung der einzig
verbliebenen Weltmacht USA erfolgt ist - die zahlreichen im Kosovo enga
gierten NGOs haben für ihre jahrelange transnationale Solidaritätsarbeit nicht
nur bloß einen Bruchteil der finanziellen Mittel erhalten, die für die militäri
sche Intervention zur Verfügung standen; sie waren auch in den politischen
Entscheidungsprozess zum militärischen Eingriff nicht eingebunden.
Die in der "realistischen Schule" der Internationalen Beziehungen unter
strichene Bedeutung von Hegemonie - von ökonomischer und militärischer
Macht der Nationalstaaten - ist bei der Beurteilung der Demokratisierungs
chancen transnationaler Politik nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen.
Tragfähige Aussagen über die demokratisierenden Wirkungen der NGOs er
fordern den Verzicht auf vorschnelle Verallgemeinerungen und verstärkte
vergleichende Forschungen in den über 300 Regimen. Berücksichtigt werden
muss zudem der steigende Einfluß transnationaler Konzerne und globaler Fi
nanzmärkte. Schließlich sind die unzulänglichen Analogieschlüsse vom na
tionalstaatlichen Vorbild (z.B. Mehrebenenpolitik, global governance) auf die
transnationale Politik zu hinterfragen - diese ist nicht als bloße Maßstabs
vergrößerung nationalstaatlicher Institutionen und Prozesse zu begreifen. Die
demokratisierenden Impulse der NGOs für die transnationale Politik sollten
daher nicht vorschnell überschätzt, die darauf bezogene Forschung auf eine
breitere empirische Basis gestellt und analytisch systematisiert werden: Für
ein verläßliches Gesamtbild fehlen noch zu viele Teile.
Einen deutlichen Kontrapunkt zur emphatischen Wahrnehmung der NGOs
in den Sozialwissenschaften setzt auch Wolf-Dieter Narr in seinem Beitrag.
Er erläutert in zehn Thesen die Risiken und Fallstricke einer idealisierenden
Sichtweise der NGOs, schreibt von schlechten Abstraktionen, unklaren Be
griffsbildungen und normativem Überschwang. Ausgeblendet zu werden dro
hen, so Narr, die gravierenden demokratischen Defizite trans- und interna
tionaler Institutionen und Verfahren - an denen die NGOs bislang nichts zu
ändern vermocht haben - sowie die Risiken der Instrumentalisierung und Ko
optation der NGOs. Er plädiert für eine kritische Betrachtung der NGOs und