Table Of ContentNeuzeitliche
Vorkalkulation
im Maschinenbau
Von
Fr. Hellmuth Fr. Wernli
und
Tecbn. Chefkalkulator, ZUrich Betriebsingenieur. Baden
Mit 128 Abbildungen im Text und
zahlreichen Tabellen
Berlin
Verlag von Julius Springer
1924
ISBN-13: 978-3-642-98588-1 e-ISBN-13: 978-3-642-99403-6
DOl: 10.1007/978-3-642-99403-6
AIle Rechte, insbesondere das der tlbersetzung
in fremde Sprachen, vorbehalten.
Copyright 1924 by Julius Springer in Berlin.
Softcover reprint of the hardcover 1st edition 1924
Vorwort.
Die wahxend unserer langjahxigen Tatigkeit oft an uns gerichteten
Fragen iiber das Entstehen der Stiicklohne, mehx noch die sehx oft ge
auBerten Wiinsche nicht nur von uns angelernter Vorkalkulatoren, son
dern auch von Werkmeistern, Technikern und vielen andern Betriebs
beamten, die der Kalkulation Interesse entgegenbringen, haben uns
veranlaBt, unsere Erfahxungen der Allgemeinheit zuganglich zu machen.
Das Buch soll vor allen Dingen ein Lehxbuch fiir den nur mit
praktischen Kenntnissen ausgeriisteten Betriebsbeamten, zugleich aber
auch ein Nachschlagebuch fiir den im Fache tatigen Vorkalkulator und
Techniker sein.
Eine groBe Zahl von Fragen an die Verfasser lieB es zweckmaBig
erscheinen, ill einleitenden Tell einige mit der Vorkalkulation innig ver
kniipfte Gebiete der Betriebswissenschaften zu beriihren. Diese Ge
biete sind jedoch in erschopfender Weise von hervorragenden Gelehxten
und Forschern, wie Taylor, Wallichs, Brearley, Gilbreth,
Seubert, Fischer u. a. m., in zumeist umfangreichen Werken, ver
offentlicht und werden daher hier nur kurz gestreift.
HerrnDr.-Ing. W. Hoeniger, Oberingenieur der Fritz Werner A.-G.
in Berlin, danken wir fiir seine Unterstiitzung und Ratschlage bei der
Durchsicht des Buches.
Die geehxten Fachgenossen bitten wir urn nachsichtige Beurtellung
des Buches, denn es ist
aus der Praxis - fiir die Praxis.
Ziirich-Baden, im Oktober 1923.
Die Verfasser.
Inhaltsverzeichnis.
Erster Teil.
Allgemeine Grundlagen der Vorkalkulation.
Seite
I. Vorkaikulation in Beziehung zur kaufll1iinnischen
Buchfiihrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ., 1
II. Aufstellung von Arbeitspliinen und Unterteilung des
Arbeitsvorganges zur Ermittlung del' Zeiten . 5
III. Die Berechnung del' Maschinenlaufzeiten. . . . .. 15
a) Grundlegende Begriffe . . . . . . . . . . . . . . .. 15
b) Bestimll1ende Faktoren fiir die Wahi von Schnittgeschwin.
digkeit und Vorschub .................. 23
c) Ermittiung del' auf den Werkzeugll1aschinen tatsachlich her·
zustellendell Schnittgeschwindigkeiten und Vorschiibe . . . 26
d) Entwicklung 'del' Hauptgieichungen fiir die Berechnung del'
Masehinenzeiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33
e) Beriicksiehtigung der Zugaben, Anlauf- und AusIaufwege bei
Benutzung der Hauptgleichungen . . . . . . . . . . . . 36
IV. Zeitstudien ....................... 37
1. Bewegungs -Zeitstudien S. 38 - 2. Leistungs -Zeitstudien
S. 38 - 3. GeRamtzeitstudien S. 38'
Zweiter Teil.
Die praktische Durchfiihrung der Vorkalkulation.
A. WerkzeugmRsehinen mit kreisender Sehnittbewegung . 44
I. Drehbanke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 45
a) Dreharbeiten und ihre Laufzeiten . . . . . . . . . .. 45
Langdrehen S. 45 - Piandrehen S. 48 - Gewindeschneiden
S. 50 - Bohren S. 54 - Innendrehen S. 54 - Kegelig-Drehen
S. 54 - Sonder-Arbeiten S. 55
b) Tabellen mit Geschwindigkeit- und Zeitangaben . 55-67
c) BeispieIe
Spitzendrehbank 150 X 1000 mill 67
Spitzendrehbank 250 X 1000 " 70
Spitzendrehbank 250 X 2700 " 76
Spitzendrehbank 400 X 3000 " 81
Spitzendrehbank 900 X 7000 84
II. Senkrecht -Dreh b anke 89
a) Beispiele
Senkrecht-Drehbank 800 mm Drehtisch-Durchmesser 90
Senkrecht-Drehbank 2000 " 92
Senkrecht-Drehbank 4000 " 98
III. Revolver-Drehbanke .... .100
a) Revolverbankwerkzeuge, Berechnung del' Laufzeiten . .100
b) Tabellen mit Zeitangaben. . . . . . . . . . . . . 103-106
Inhalts verzeichnis. v
c) Beispiele Seite
Revolverbank 22 mm Durchgang. 107
Revolverbank 55 llO
Revolverbank 82 " 112
Itevolverbank 90 113
Abstechmaschine, 80 mm Durchgang . 115
Gewindeschneidmaschine, 31/ 2 Zoll Durchgang . 117
IV. Bohrmaschinen. . . . . . . . . . . . . . . 120
a) Berechnung del' Laufzeiten und del' Bohrerspitze 120
Lochbohren S. 120 - An- odeI' Einfrasungen S. 122 -
Gewindeschneiden S. 122· - Ausreiben S. 123
b) Tabellen mit Zeitangaben. . . . . .125-157
c) Beispiele
~lehrspindlige Schnellbohrmaschine. 158
Itadialbohrmaschine, granter Bohrerdurchmesser 40 mm 160
Itadialbohrmaschine, 65 " 162
V. Schleifmaschinen ....•.....•.......] 163
a) Die verschiedenen Schleifverfahren und die Berechnung
ihrer Laufzeiten . . . . • . . . . . . . . . . . . . 163
Rund- und AuBenschleifen S. 163 - SchMen und Form
schleifen S. 164 - Einstechverfahren S. 164 - Flachen
schleifen S. 167 - Senkrechtschleifen S. 168 - Plan
schleifen S. 169 - Formschleifen S. 170 - Innen- und
Kegligschleifen S. 171
b) Tabellen mit Zeitangaben. . • . . • .171-174
c) Beispiele
Rundschleifmaschine 220 x 2000 mm . 175
VI. Fdismaschinen . . . . . . . . . . . 178
a) Berechnung del' Laufzeiten bei den verschiedenen Fras
verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178
Friisereinlauf S. 179 - Friisereinlauf beim Arbeiten mit
einem Stirnfraser S. 180 - Friiserauslauf S. 184 -
Friisen von Stirnriidern S. 185 - Frasen von Schnecken
radern S. 187 - Abwiilzverfahren S. 188 - Achsial- und
Tangentialverfahren S. 188 - Spiralarbeiten S. 189
Friisen von Schraubenradern und Schnecken S. 189 -
Teilverfahren S. 189 - vViilzverfahren S. 190
b) Tabellen fiir Al'beitszeiten. . .190-191
c) Beispiele
Einfache Stiindel'fl'asmaschine 450 X 100 mm 192
Senkrechtfl'asmaschine 1200 X 180 mm. . . 193
Univel'sal-Fl'asmaschine 1600 X 400 mm 195
Lang- und Senkrechtfl'iismaschine 4200 X 1000 mm 201
B. Wel'kzeugmaschinen mit gel'adliniger Schlnittbewegung. 200
a) Bestimmung del' Laufzeiten S. 206 - Beispiel einer Ma·
schinenaufnahme S. 20!l
b) Beispiele
Shapingmaschine 400 X 800 mm . 212
Tisch-Hobelmaschine 1800 X 500 mm. 214
Tisch-Hobelmaschine 3500 X 1200 mm 215
Erster Teil.
Allgemeine Grnndlagen der Vorkalknlation.
I. Das Wesen der Vorkalkulation und ihre Beziehung zur
kaufmannischen Buchfiihrung.
(Nachkalkulation, Offertkalkulation, Zeitlohn und Stiicklohn.)
Was versteht man unter "Kalkulation" 1
Das Wort "Kalkulieren" bedeutet "rechnen". Der Kaufmann ver
wendet dieses Wort besonders fiir solche Arten von Rechnungen, die
sich auf die Bestimmung der Selbstkosten seiner Waren beziehen.
Die Errechnung der Selbstkosten ist im kaufmannischen Betriebe
wichtig, weil die Selbstkosten die Grundlage bilden fUr die Angabe
eines Preises beim Angebot und ferner, weil aus der Differenz zwischen
dem tatsachlich erzielten Erlos und den Selbstkosten hervorgeht, ob
und wieviel bei einem Warengeschaft verdient wurde.
Solange nicht etwa die Preise oder die Miinzeinheit schwanken, ist
die Bestimmung der Selbstkosten fiir den Kaufmann nicht schwierig:
je nachdem die Ware an ihrem Ursprungsort oder ,,£rei Haus" des eige
nen W ohnorts gekauft wurde, miissen zum Einkaufspreise Frachten
und gegebenenfalls Lager- und Versicherungsgebiihren zugeschlagen
werden; in einzelnen Fallen ist der Preis fUr die Gewichtseinheit nach
traglich zu erhohen, weil durch Beschadigung oder durch natiirlichen
Schwund das beim Einkauf bezahlte Gewicht sich verringert hat.
Rechnet man zu diesem Preise die Aufwendungen fiir Miete, Be
leuchtung, Gehalter usw., d. h. die sogenannten "Handlungsunkosten"
hinzu, so erhalt man die Selbstkosten. Eine Schwierigkeit besteht nur
in der gerechten Aufteilung der Handlungsunkosten auf die einzelnen
Waren, weil ja z. B. die Aufwendungen fiir Beleuchtung nicht fUr eine
einzelne Warenart, sondern fiir die Gesamtheit der Waren gemacht
werden; man hilft sich, indem man alleHandlungsunkosten etwa wahrend
Hellmuth-Wernli, Vorkaikuiation. 1
2 Allgemeine Grundlagen der Vo rkalkulat,ion.
eines Monats nach einem bestimmten "Schlussel", z. B. im Verhaltnis
der Gewichte, auf die einzelnen Warensorten verteilt.
Man erhiUt also die Selbstkosten als Summe aus dem Material
preis zuzuglich der Handlungsunkosten.
So einfach, wie sich - wenigstens in normalen Zeiten - die Kal
kulation der Selbstkosten fur den Kaufmann gestaltet, ist sie aber fur
den Hersteller von Waren, z. B. den Industriellen, in keinem Falle;
denn zu den Aufwendungen fiir das eingekaufte Material und zu den
Handlungsunkosten treten hier noch die HerstellungslOhne und die Be
triebsunkosten.
Soweit die Lohne unmittell>ar zur Herstellung einer bestimmten
Ware, z. B. fiir die Herstellung einer Maschine aufgewendet werden,
kann man sie in ihrer vollen Hohe zu den Selbstkosten dieser Ware
rechnen. Anders die Lohne, die z. B. zur Instandhaltung der Werk
statten aufgewendet werden. Sie bilden mit den Aufwendungen fUr
Betriebsmaterial, Krafterzeugung u. dgl. die sogenannten Betriebsun
kosten und diese mussen - ahnlich wie die Handlungsunkosten -
nach einem bestimmten Schlussel auf die verschiedenen Erzeugnisse
einer Werkstatt verteilt werden. Es ist ublich, die Lohne, deren Ver
wendung unmittelbar zur Herstellung der einzelnen Erzeugnisse dient,
"produktive", die anderen "unproduktive" oder "Unkostenlohne" zu
nennen und aus Griinden, auf 'die hier nicht weiter eingegangen werden
solI, die produktiven Lohne als Schlussel fur die Verteilung der Betriebs
unkosten zu wahlen.
Man erhalt also im Fabrikbetriebe die Selbstkosten eines Erzeug
nisses aus dem Einkaufspreis des verwendeten Werkstoffs, zuzuglich
der produktiven Lohne und der Zuschlage fiir Betriebs- und Hand
lungsunkosten.
In der Industrie kannte man bis vor verhaltnismaBig kurzer Zeit
nur die "Nachkalkulation", das ist im wesentlichen eine kaufmannische
Selbstkostenberechnung, wie sie in ihren Grundlagen eben beschrieben
wurde, und ferner die von der Nachkalkulation getrennte kaufmannische
Buchhaltung, die die Konten der Lieferanten und Kunden fiihrt und
am Schlusse des Geschaftsjahrs die Bilanz aufstellt, mit der Selbstkosten
berechnung der einzelnen Erzeugnisse aber eigentlich uberhaupt nichts
zu tun hat.
Aus dem Vorangehenden wird einleuchten, daB die Nachkalkula
tion nur die bereits entstandenen Selbstkosten anzugeben, nicht aber
sie im voraus zu berechnen vermag. Wenn es sich nicht gerade um die
wiederholte Herstellung eines Erzeugnisses unter annahernd gleichen
Bedingungen handelt, kann man diese Ergebnisse bei Abgabe eines
Angebotes nicht benutzen; denn in den meisten Fallen geht es nicht an,
dem Kaufer den Preis erst anzugeben, wenn der Gegenstand fertig ist.
Das Wesen der Vorkalkulation. 3
Die sogenannten "Offert-" oder Angebotskalkulatoren waren
daher in den meisten Fallen auf Schatzungen oder Durchschnittsrech
nungen angewiesen. Man half sich haufig mit "Kilopreisen" und griff
dabei besonders dann daneben, wenn ein Gegenstand, fUr dessen Her
stellung eine groBere Genauigkeit Vorbedingung war, an Lohnen und
Betriebsunkosten das Vielfache des Durchschnittlichen verschlang.
Den angemessenen Preis einer Warekann aber die Nachkalkulation
auch gar nicht liefern. Denn abgesehen davon, daB hier der tatsachliche
Aufwand erst nach der Fertigstellung festgestellt wird, kann man dem er
mittelten Betrage an sich auch nicht ansehen, ob er nicht etwa zu hoch
ist; ob nicht die Werkstatt an einem Stiick zu lange gearbeitet und da
durch Lohne und Unkosten vergeudet hat. Wir erfahren nur, wie hoch
die Kosten tatsachlich waren, aber nicht, ob sie nicht hatten niedriger
sein konnen.
Dies kann man nur durch eine V orausberechnung der Lohne er
fahren, die von einer nach wirtschaftlichen und technischen Gesichts
punkten durchdachten Herstellung fUr jedes Stiick ausgeht und fUr
jeden Arbeitsgang, der am Werkstiick zu teisten ist, die Zeit festlegt, die
der Arbeiter unter normalen Verhaltnissen dafiir braucht. Diese Zeiten
kann man auf verschiedenen Wegen finden: durch Berechnung, soweit
es sich um die Laufzeiten der bearbeitenden Werkzeugmaschinen han
delt, und auf Grund langjahriger Erfahrungen oder praktischer Ver
suche, sofern die Zeiten fiir Handarbeiten in Frage kommen.
Eine solche methodische Vorausbestimmung der Lohne hat aber
noch ein weiteres und fast wichtigeres Ergebnis. J e mehr man erkannte,
daB eine gerechte Festsetzung der "Stiicklohne" und "Stiickzeiten"
f\owohl im Interesse des Arbeitgebers wie auch des Arbeitnehmers liegt,
um so mehr muBte man von der friiher iiblichen, rohen Schatzung dieser
Lohne zu einer systematischen Ermittlung bzw. Berechnung iibergehen.
Eine Menge von Streit und Unruhe in der Werkstatt wird vermieden,
wenn die Stiicklohne nach einem einheitlichen und richtigen System
festgesetzt werden; wenn nicht mehr an einem Ende der Werkstatt
ein anderer Lohn fiir dasselbe Stiick gezahlt werden kann als am an
deren.
Diese richtige und einheitliche Lohnfestsetzung kann dann auch
die Grundlage fUr die Aufstellung von Angebotspreisen bilden.
Aus diesen Bediirfnissen heraus entstanden in den Betrieben die
Vorkalkulationen, die sich also mit der Vorausberechnung der Stiick
lOhne befassen.
Die einfachste Art der Entlohnung ist ja die Bezahlung des Ar
beiters nach Zeit, bei der also ein bestimmter Stundenlohn festgesetzt
und um die Anzahl der geleisteten ,Arbeitsstunden vervielfacht wird.
Bei dieser Lohnart, dem Zeitlohn, kann der wirkliche Aufwand meist
1*
4 Allgemeine Grundlagen der Vorkalkulation.
auch erst nach Fertigstellung eines Stiickes ermittelt werden, - wenn
man weill, wieviel Zeit wirklich gebraucht wurde. Der Preis kann da
bei einmal hoch und einmal niedrig sein, je nachdem der Arbeiter -
mit oder ohne Verschulden - viel oder wenig Zeit zur Herstellung
brauchte. Einen Anreiz zur Mehrleistung, zu schnellerem Arbeiten hat
der Arbeiter nicht, weil ja ein Mehrverdienst ausgeschlossen ist. Des
halb hat man den Zeitlohn, wo man es konnte, aufgegeben und ist
zum "Stiicklohn" iibergegangen, bei dem fiir die ordnungsgemaBe Ferti
gung eines Werkstiicks ein bestimmter Lohnsatz vorher festgesetzt
wird.
Friiher und vielfach jetzt noch lag die Festsetzung des Stiicklohnes
im Belieben der einzelnen Meister. Der eine konnte gut, der andere
schlecht schatzen; oft spielten verwandtschaftliche oder kamerad
schaftliche Verhaltnisse mit, oder es wurde zuerst die Arbeit fertigge
stellt und dann der Preis festgesetzt. Namentlich das letztere ist sehr
beliebt; man geht dabei ziemlich schwieriger Denkarbeit aus dem Wege,
und Streitigkeiten kommen fast gar nicht vor, aber den Schaden hat
das Werk zu tragen. Es zahlt zu hohe "produktive" Lohne; das fertige
Stiick wird zu teuer: man kann es, da der Verkaufspreis durch die
Marktlage und die Konkllrrenz meist festliegt, nicht mehr mit Gewinn
verkaufen.
Zuweilen tritt auch ein anderer Fall ein: einer Werkstatt steht ein
sehr tiichtiger und tatkraftiger Meister vor; er versteht sein Handwerk
von Grund aus und hat auch den Nutzen des Werkes vor Augen; des
halb schatzt er die Zeiten fiir die Arbeiten so ab, als ob er selbst mit
seiner Sachkunde und seiner Gewandtheit sie ausfiihren wiirde. Der
Erfolg sind standige Beschwerden und haufiger Arbeiterwechsel, weil
der Durchschnittsarbeiter mit den vom Meister geschatzten Arbeits
zeiten nicht auskommt.
Aus der willkiirlichen Festsetzung der Stiicklohne ist der Wider
wille der Arbeiter gegen die Stiicklohnarbeit entstanden. An sich ist
jedoch der Stiicklohn die beste Entlohnungsform, die es gibt, auch fUr
den Arbeiter; er entspricht gerade dem Interesse des tiichtigen Ar
beiters am meisten, weil dieser seine Eigenart zur Geltung bringen und
dadurch mehr verdienen kann. Der Widerstand der Arbeiter ist dann
auch iiberall geschwunden, wo an Stelle einer falschen oder willkiirlichen
Festsetzung der StiicklOhne eine einheitliche und richtige Methode zu
ihrer Ermittlung eingefiihrt wurde.
Der Einfiihrung solcher Methode standen und stehen aber auch
heute noch andere Vorurteile entgegen; es ist nicht iiberallieicht, den
Meistern die sogenannte Akkordmacherei abzunehmen und ihnen die
"Oberzeugung beizubringen, daB sie den EinfluB auf ihre Arbeiter nicht
verlieren, wenn sie auch nicht mehr die Hohe der StiicklOhne zu be-
Aufstellung von Arbeitsplii.nen. 5
stimmen haben; ferner, daB es fUr sie von Vorteil ist, wenn sie nun die
Hande frei bekommen fiir ihre eigentliche Tatigkeit im Betriebe.
Die Berechnung der Stiicklohne wurde alao Beamten iibertragen,
die lediglich diese Tatigkeit ala ihren Berm ausiiben. Dabei muBte man
anfanglich noch dariiber wachen, daB die "Vorkalkulatoren" nicht
etwa in das alte System der Schatzung verfielen, sondern auf wiesen
schaftlicher Grundlage ein neues aufbauten und ihre Erfahrungs- und
Beobachtungswerte systematisch sammelten.
Der Vorkalkulator muB nun vor allen Dingen eine ausgezeichnete
Werkstatterfahrung besitzen, denn er muB fahig sein, sich in jede vor
kommende Arbeit so hineinzudenken, ala ob er sie selbst zu machen
hii.tte. Er muB sich jede Arbeit in ihre zahlreichen kleinsten Einzel
heiten (Arbeitsgange, Arbeitsstufen, Handgriffe) zerlegen kOnnen, urn
hierdurch zur richtigen Gesamtarbeitszeit zu gelangen. Er muB ferner
Freude am Rechnen und auch einige theoretische Kenntnisse besitzen.
Weiter ist eine eingehend,e Kenntnis aller in Betracht kommenden
Werkzeugmaschinen, namentlich deren Umdrehungszahlen, Vorschiibe,
Leerlaufe, Abmessungen und Leistungen, sowie auch die Kenntnis
aller im Betriebe vorhandenen Werkzeuge und Vorrichtungen unbedingt
erforderlich. Ala Vorkalkulator ist deshalb der beste Arbeiter, Vor
arbeiter oder Meister gerade gut genug.
II Aufstellung von Arbeitsplanen und Unterteilung des
Arbeitsganges zur Ermittlung der Stiickzeiten.
(Einrichtezeit, Hauptzeit und Nebenzeit, Maschinenzeit und Handzeit.)
Wie muB der V orkalkulator bei Berechnung der Stiicklohne vor
gehen1
Er muG sich zunachst vergegenwartigen, welche Arbeitsvorgange
notig sind, urn dem zu fertigenden Werkstiick die in der Zeichnung
vorgeschriebene Gestalt zu geben; er muG also die gesamte Arbeit in
einzelne Arbeitsgange zerlegen, und zwar in del' Reihenfolge, wie sie
sich tatsachlich in der Werkstatt abspielen. ZweckmaBig wird dann
diese Reihenfolge der Arbeitsgange in einem Arbeitsplan niederge
schrieben.
Ais Beispiel diene die Abbildung und Tabelle 1. Die Herstellung der
dargestellten, mehrlach abgesetzten Welle solI in groBeren Mengen er·
folgen. Mit Riicksicht auf die Austauschbarkeit der Stiicke und auf
moglichst niedrige Gestehungskosten werden fUr eine derartige Massen
fertigung besondere Vorrichtungen, Schneid- und MeBwerkzeuge, ja
wohl auch besondere Maschinen ausgesucht oder neu beschafft, die es