Table Of ContentDK 534.1 : 62.001.57
621.941-56
FORSCHUNGSBERICHTE
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
Herausgegeben durch das Kultusministerium
Nr. 930
Prof. Dr.-Ing. Herwart Opitz
Dipl.-Ing. Rolf Umbach
Laboratorium für Werkzeugmaschinen und Betriebslehre
Technische Hochschule Aachen
Modellversuch zur dynamischen Versteifung von Werkzeug
maschinen durch Ankopplung gedämpfter Hilfsmassensysteme
Als Manuskript gedruckt
WESTDEUTSCHER VERLAG / KOLN UND OPLADEN
1961
ISBN 978-3-663-03734-7 ISBN 978-3-663-04923-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-663-04923-4
G 1 i e der u n g
1. Einleitung. S. 5
2. Theoretische Grundlagen S. 6
3. Untersuchung von gedämpften Einmassensystemen mit
hochpolymeren Kautschukelementen als Hilfsmassensysteme S. 10
. . . .
3. 1 Eigenschaften von Hochpolymeren S. 10
3. 2 Ermittlung der Kenndaten von gedämpften
Hilfsmassensystemen • • s.
4. Untersuchung von gekoppelten Systemen S. 20
4. 1 Ermittlung des Einflusses von Hilfsmassen
systemen an einem Ständermodell • • • S. 21
4. 11 Ungedämpfte Hilfsmassensysteme
(Federtilger) •••••••• S. 21
. . . . . . .
4. 12 Gedämpfte Hilfsmassensysteme S. 23
4. 2 Ermittlung des Einflusses von gedämpften Hilfs-
massensystemen an einem Torsionsschwinger s. 29
5. Zusammenfassung s. 34
Zeichenerklärung s. 35
Literaturverzeichnis s. 36
Seite 3
1. Einleitung
Durch statische und dynamische Kräfte können an Werkzeugmaschinen so
große Verformungen auftreten, daß häufig die geforderten Maß- und Form
toleranzen nicht eingehalten und die gewünschte Oberflächengüte nicht
erzielt werden können.
Dabei können die statischen Verformungen besonders durch Schnittkräfte
und durch Eigen- und Werkstückgewichte hervorgerufen werden, während
die dynamischen Verformungen in fremd- und selbsterregten Schwingungen
ihre Ursache haben.
Bei fremderregten Schwingungen hängen die auftretenden Schwingamplitu
den vornehmlich vom Verhältnis der Erreger- zur Eigenfrequenz, von der
Größe der Erregerkraft und der Dämpfung der Werkzeugmaschine oder eines
Maschinenteiles ab. Unwuchten aus dem Getriebe oder aus Lagern, aber
auch von angebauten Motoren und Pumpenaggregaten können die Ursache
für Fremderregungen sein. Hieraus ist ersichtlich, daß bei fremderreg
ten Schwingungen Fliehkräfte vorherrschen. Diese wachsen bekanntlich
mit dem Quadrat der Drehzahl an. Eine gute Übersicht über die Verhält
nisse in der Maschine dürfte die Eintragung der möglichen Erregerfre
quenzen (Drehzahlen) und des Resonanzspektrums in ein Diagramm nach
KIENZLE [1J geben.
Bei selbsterregten Schwingungen handelt es sich um einen sich selbst
steuernden Vorgang. Im Gegensatz zu den fremderregten Schwingungen
liegt hier keine Erregerfrequenz- bzw. Drehzahlabhängigkeit vor; viel
mehr tritt unter bestimmten Schnittbedingungen im Zerspanungsprozeß
ein Aufschaukeln in den Resonanzfall ein. Hierbei können erhebliche
Amplituden auftreten. Man spricht in solchen Fällen auch von einer
"Entsteifung" der Werkzeugmaschine und bezeichnet diese Erscheinung
als "Rattervorgang". Stabilitätsprobleme spielen hierbei eine besondere
[2J, [3J, [4J, [5J.
Rolle Werkzeugmaschinen, die sich als dynamisch
"weich" erweisen, müssen versteift werden. Eine Möglichkeit der dyna
mischen Versteifung ist in der Dämpfungserhöhung der Maschine zu sehen.
Untersuchungen haben gezeigt, daß das Dämpfungsmaß einer Werkzeugma
schine überwiegend durch Reibungserscheinungen in den Verbindungsstel
len - wie an Flanschen und Führungen - der einzelnen Elemente bestimmt
wird [6J. Die Werkstoffdämpfung spielt - zumindest bei der Werkzeug
maschine - eine untergeordnete Rolle. Reibung tritt überall dort auf,
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Seite
wo Relativbewegungen vorliegen. Durch die Reibungswirkung wird Schwin
gungsenergie verzehrt, was einer Dämpfung gleichkommt. KIENZLE [7J hat
schon früh die Möglichkeit der Dämpfungserhöhung durch zusätzlich ge
schaffene Scheuerleisten aufgezeigt. Auch die Arbeit von HEISS [8J be
richtet über die Bedeutung des Dämpfungsverhaltens von Werkzeugmaschi-
nen.
Eine andere Möglichkeit der dynamischen Versteifung von Werkzeugmaschi
nen ist in der Anwendung von gedämpften Hilfsmassensystemen zu sehen.
Über den Einsatz eines solchen Systems berichten EISELE und LYSEN [9J.
Am Institut für Werkzeugmaschinen der TH Aachen sind in der letzten Zeit
umfangreiche Grundlagenversuche an gedämpften Hilfsmassensystemen mit
hochpolymeren Kautschuksorten durchgeführt worden, über die im folgenden
berichtet werden soll.
2. Theoretische Grundlagen
Durch Verbindung einer Hilfsmasse mit der Hauptmasse entweder über
Federelemente, über Feder- und Dämpfungselemente oder über Dämpfungs
elemente, ergibt sich ein gekoppeltes System, dessen Verhalten durch
die gegenseitige Beeinflussung beider Teilsysteme bestimmt wird.
c,k
M(9,)
/
A b b i 1 dun g 1a
Sinnbild für gekoppelte Systeme
Abbildung 1 zeigt schematisch eine sinnbildliche Darstellung der Ein
flußgrößen des gekoppelten Systems, sowie den Einsatz eines gedämpften
Hilfsmassensystems auf einem Biegeschwinger (Abbildung 1b) und auf
Seite 6
A b b i 1 dun g 1b Ab b i 1 dun g 1c
Einsatz eines gedämpften Hilfs Einsatz eines gedämpften Hilfs
massensystems auf einem Biege massensystems auf einem Torsions
schwinger schwinger
einem Torsionsschwinger (Abbildung 1c). Für die in Abbildung 1 darge
stellten Systeme lassen sich die folgenden Differentialgleichungen
unter der näherungsweisen Vernachlässigung der Dämpfung des Hauptsy
stems anschreiben:
Biegeschwingungen:
MX 1 + k (x1 - x2 ) + C . x1 + c (x1 - x2) P 0 sin wt ( 1 )
mX2 - k (x1 x2) - c (x1 - x 2 ) = 0 (2 )
Torsionsschwingungen:
e j \P 1 + k (4)1 - 4> 2 ) + CT • ~1 + cT ( 4>1 - 4> 2 ) Mdo sin wt (3)
e 2 \p 2 - k ( ~1 - ~ 2 ) - CT ( ~1 - 4> 2 ) o. (4 )
Durch eine Anzahl von Umformungen nach DEN HARTOG [10J und Einführung
einiger kennzeichnenden Verhältniszahlen ergibt sich die nachfolgende
Gleichungsform:
Sei te 7
x (ZKg)2 + (g2_v2)2
'\0 = dyn
Xstat [g2(1+1l) _1]2 +lYg2 v2 _(g2_1)(g2_v2)] 2
Gleichung (5) besitzt allgemein Gültigkeit, sie schließt den Biege- und
Torsionsschwinger ein und bezüglich des Hilfsmassensystems auch den
Fall des ungedämpften Systems.
6
7 f.%
P"kg ~ ~rq
6f- A, C,. m 1 \
s- ~.",', 11~ f>..
[ M ••. ..L • .t l ' \ ~I\ \
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2
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1 --=
0.1 0.2 Q3 0,4 0,5 0,6 OJ9p Oß 0.,9 *1,0.9. 11 9, l2 1,3 1,4
Fr.qu.nzr,.,.IJj'fni.s
A b b i 1 dun g 2
Vergrößerungsfunktionen für ein gekoppeltes System mit
verschiedenen Dämpfungsverhältnissen
In Abbildung 2 sind für ein bestimmtes System die errechneten Vergrö
ßerungsfunktionen für verschiedene Dämpfungsverhältnisse eingetragen
worden. Massen- und Frequenzverhältnis sind für alle Kurven konstant.
Es ist ersichtlich, daß sich zwei dämpfungsunabhängige Punkte (g und
p
g ) ausbilden, deren Frequenz- und Amplitudenlage vom Massen- und Fre-
o
quenzverhältnis beeinflußt werden. Diese beiden Punkte können durchaus
auf verschiedenen Höhen liegen. Anzustreben ist ein Kurvenverlauf, bei
dem beide Punkte möglichst auf gleicher Höhe liegen und bei dem die
Amplitude an keiner Stelle größer wird, als sie der Höhe des höheren
der beiden Punkte entspricht. In diesem Falle würde die Kurve horizon
tal durch den höheren Punkt gehen.
Für jedes Massenverhältnis läßt sich eine Optimalbedingung anschreiben,
die sich aus den voraufgeführten Gleichungen ergibt zu:
1
V opt =- 1=--+--:-1l':""· (6)
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Für die häufig anzutreffende Abstimmung v = 1 - der Hilfsmasse
Fre~uenz
ist gleich der Fre~uenz des Hauptsystems - läßt sich aus Gleichung (6)
entnehmen, daß man sich um so mehr von der Optimalbedingung entfernt,
um so größer die Hilfsmasse gewählt wird.
Die Gleichungen zur Ermittlung der beiden dämpfungsunabhängigen Punkte
sowie zur Bestimmung der beiden Polstellen sollen noch folgen:
dämpfungsunabhängige Punkte:
\j'1-+-V-
1 + v2 (1 + ~ ) 2-(1 -+-~-)- ---2--.
gp,Q ~ ( _______ )2 _ 2 v ;
2+1.1 2+~ 2+~
Polstellen:
1 + v2 (1 + Il ) +v 2 (1+1.1)2
+ 2
-----) - v •
2 2 (e)
Für den einen Grenzfall für K in Abbildung 2 ergeben sich nach Gleichung
(e) zwei neue Polstellen (Unendlichkeitsstellen). In diesem Falle liegt
ein ungedämpftes Hilfsmassensystem mit k = 0 vor, womit sich auch das
Dämpfungsverhältnis K = 0 ergibt. Praktisch erhält man aber auch in den
Polst ellen endliche Ausschläge, da selbst beim dämpferlosen System zu
mindest die Werkstoffdämpfung die Amplitude begrenzt.
Das ungedämpfte Hilfsmassensystem wird häufig auch in der Literatur
als Tilger oder Federtilger gekennzeichnet. Solche Systeme werden mit
Erfolg dort eingesetzt, wo eine konstante Drehzahl vorliegt und keine
Resonanzverschiebungen auftreten können.
Der andere Grenzfall in Abbildung 2 ist durch x - mit k = gege
00 00
ben. Die Hilfsmasse ist als fest mit der Hauptmasse verbunden zu be
trachten. Die Hilfsmasse führt die gleiche Bewegung aus wie die Haupt
masse, die dadurch um die Größe der Hilfsmasse vergrößert erscheint.
Die Resonanzstelle verschiebt sich somit zu einem Wert des
Fre~uenz
verhältnisses g, der kleiner ist als 1. Alle übrigen Kurven mit end
lichen Werten für das Dämpfungsverhältnis K liegen zwischen diesen
Grenzlagen. Alle Kurven schneiden sich in den Punkten gp und gQ. Der
Kurvenverlauf für Werte von K - 0 zeigt zwei Spitzen, der für Werte
von K _ 00 eine Spitze.
Sei te 9
3. Untersuchung von gedämpften Einmassensystemen" mit hochpolymeren
Kautschukelementen als Hilfsmassensysteme
Bei Verwendung von Hochpolymeren für gedämpfte Hilfsmassensysteme ist
es erforderlich, die Eigenschaften dieser Kautschuksorten und die Ein
satzmöglichkeiten und -grenzen zu kennen. Eine Schwierigkeit liegt dar
in, daß Federungs- und Dämpfungseigenschaften in einer gewissen Abhän
gigkeit voneinander stehen, die sich nicht beliebig wählen läßt. Den
noch ist bei geschickter Wahl der Mischung und der Systeme eine Umge
hung möglich.
Zu diesem Zweck ist eine Anzahl von günstig erscheinenden Mischungen
systematisch in ihren Abhängigkeiten untersucht worden.
3. 1 Eigenschaften von Hochpolymeren
Die verwendeten Dämpfungskörper bestehen aus hochpolymeren Kautschuk
sorten, deren Verhalten im wesentlichen durch den Anteil an Elasto
meren, Füllstoffen (z.B. Ruß) und dem Vulkanisationsgrad sowie durch
das Vulkanisationssystem bestimmt wird. Unterschiedliche Mischungen
können somit ein grundsätzlich anderes Verhalten bezüglich der Federung,
der Dämpfung und gegenüber Temperatureinflüssen zeigen. Da zudem für
die einzelnen Mischungen eine starke Temperaturabhängigkeit für die
Federungs- und Dämpfungseigenschaften besteht, ist die Kenntnis dieser
Abhängigkeit für den Einsatz solcher Hochpolymeren von großer Bedeu
tung. Diese Temperaturabhängigkeit wird in beheizbaren Prüfmaschinen
vorgenommen, wie sie u.a. von ROELIG [11J, ECKER [12J und SCHMIEDER
und WOLF [13J beschrieben worden sind. Diese Verfahren sollen hier nur
ganz kurz erläutert werden.
Nach den von ROELIG und HEIDEMANN entwickelten und von ROELIG und
ECKER verschiedentlich beschriebenen Apparaturen wird die Ermittlung
des Elastizitätsmoduls aus dem Druck- oder Zugwechselversuch vorgenom
men. Im Zugversuch werden Prüfringe, beim Druckversuch Pufferprüflinge
eingespannt. In beiden Fällen wird zunächst eine statische Vorlast auf
gebracht, der dann die dynamische Wechselkraft überlagert wird. Ein
nachgeschaltetes Ringdynamometer ist mit einem Spiegelsystem verbunden,
durch das ein einfallender Lichtstrahl auf einen Bildschirm geworfen
wird. Durch Nachzeichnen oder Fotoaufnahme erhält man so die Hystere
sisschleife, aus deren Steigung man die Federsteife und aus deren In-
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halt man die Dämpfung ermitteln kann. Der Prüfling wird von einer Heiz
vorrichtung umschlossen, womit die Temperatur über einen Thermostat ge
ändert werden kann. Auf diese Weise können im jeweils interessanten Tem
peraturbereich die Federsteife und die Dämpfung ermittelt werden.
Nach SCHMIEDER und WOLF wird eine Torsionsschwingungs-Apparatur zur
Ermittlung der Dämpfung und des Schubmoduls verwendet. Hier wird eine
Bändchenprobe von einigen Zentimetern Länge hängend eingespannt. Am
unteren Ende wird eine definierte Schwungmasse angeklemmt, die zu Be
ginn des Versuches um ein bestimmtes Maß ausgelenkt wird. Während des
nachfolgenden freien Ausschwingens wird ein Lichtstrahl von einem Spie
gelsystem auf lichtempfindliches Papier geworfen. Man erhält somit eine
Abklingkurve. Über das logarithmische Dekrement kann eine Auswertung
der Dämpfung vorgenommen werden. Aus den Date"n dieses Schwingungssy
stems und über die Ausschwingzeit läßt sich die Frequenz und über eine
weitere Umrechnung der Schubmodul ausrechnen. Auch diese Apparatur ist
mit einer Heizvorrichtung versehen.
In Abbildung 3 ist qualitativ die Temperaturabhängigkeit des Elastizi
tätsmoduls (Schubmoduls) und des logarithmischen Dekrements der Dämp
fung aufgetragen. Das Temperaturverhalten wird dabei wesentlich durch
die Anteile der elastischen und der plastischen Phase bestimmt. Im
quasi stahlelastischen Bereich befindet sich die plastische Phase im
"eingefrorenen" Zustand. Elastizitäts- und Gleitmodul liegen in einer
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Größenordnung von 10 kp/cm , somit also um etwa zwei Zehnerpotenzen
unter dem Elastizitätsmodul von Stahl. Das Verhalten der Hochpolymeren
in diesem Zustand gleicht dem von Stahl. Der sogenannte gummielastische
Bereich wird vornehmlich durch das Verhalten der elastischen Phase be
stimmt. Die Modulgrößen liegen für diesen Bereich um etwa zwei Zehner
potenzen niedriger als im stahlelastischen Bereich. Im gummielastischen
Bereich befindet sich die plastische Phase im "aufgetauten" Zustand.
Der Übergangsbereich vom stahle last ischen zum gummielastischen Zustand
wird als Dispersionsgebiet bezeichnet. In diesem Gebiet zeigt das lo
garithmische Dekrement der Dämpfung ein Maximum. Dieses Maximum ist in
der Regel sehr schmal und ausgeprägt; es erstreckt sich über einen
kleinen Temperaturbereich. Es zeigt sich hier schon, daß Hochpolymere
stark temperaturabhängig sein können. Mit Temperaturveränderungen muß
jedoch beim Einsatz solcher Materialien gerechnet werden. Diese können
klimatisch bedingt sein, sie können aber auch durch mechanische Bean
spruchung der Dämpfungskörper infolge Energieumsetzung in Wärme auftreten.
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