Table Of ContentMINNESANGS WENDE
VON
HUGO KÜHN
2., VERMEHRTE AUFLAGE
MAX NIEMEYER VERLAG TÜBINGEN
1967
Mit 14 Abbildungen auf Tafeln
1. Auflage 1952
© Max Niemeyer Verlag Tübingen 1967
Alle Rechte vorbehalten · Printed in Germany
Satz: Tübinger Chronik, Druckerei- und Verlagsgenossenschaft eGmbH.
Einband von Hcinr. Koch, Tübingen
VORWORT ZUR I.AUFLAGE
Die späthöfische Literatur, des 13. Jahrhunderts bedarf seit langem statt
geistreicher Aperfus einer neuen Untersuchung ihrer Grundlagen mit den in-
zwischen vermehrten Forschungsmitteln. Einen Versuch dazu - angesetzt am
frühesten Zeitpunkt der deutschen Wende und bei einem künstlerisch und
historisch einigermaßen geschlossenen Kreis: der schwäbisch-staufischen Lyrik -
wollen die Studien dieses Bandes geben.
Sie wenden verschiedene, z. T. ungewohnte Gesichtspunkte an: inhaltliche
und formale, Ergebnisse lateinischer und französischer Philologie und musik-
geschichtlicher Liedforschung, scheuen auch nicht das Biographische, das Histo-
rische, geistesgeschichtliche und kunstgeschichtliche Parallelen. Die verschie-
denen Purismen, die z. Z. im Schwange sind - der philologische, der dich-
tungsästhetische, der historische usw. - zeigen doch nur, daß man der Sache
selbst nicht mehr sicher ist. Der Philologe und Historiker aber kann bei kei-
ner noch so handfesten methodischen Befragung die Dichtung aus dem Griff
verlieren, wenn er sein Recht und seine Pflicht wahrnimmt, sie an ihrem Platz
im Ganzen der Welt zu begreifen. Er wird dann immer beides zusammen-
sehen: das Fiktive an ihr in Vorstellung und Form (das Philologie und Ästhe-
tik zu verwalten haben) und die Aussage, die vom Stoff ausgeht und durch
die Sprachleistung des Werks zu ihm zurückkehrt (die allen sachdienlichen
historischen Methoden zugänglich ist).
Eine Addition der Fächer, wie sie gerade für das Mittelalter heute tempe-
ramentvoll gefordert wird, bringt das allerdings auch nicht zuwege. Es lassen
sich jedenfalls nicht Tatsachen und Ergebnisse verschiedener Disziplinen ein-
fach zum Gesamtbild vereinigen - denn man löst sie damit los von der je
anderen Wahrheitsbildung des einzelnen Faches, von seinen Gegenständen und
Methoden. Auch die übergreifenden Fragen müssen immer von der Einzel-
wissenschaft ausgehen. Nur in diesem Sinne möchten meine Studien für die
deutsche Literaturgeschichte neue Aspekte der mittelalterlichen Form- und
Stilforschung fruchtbar machen, wie umgekehrt der vergleichenden Arbeit
einige Bereiche der späthöfischen deutschen Lyrik neu und zuverlässig auf-
VI
schließen: die Anfänge der geblümten Metaphorik, den Strophenbau und den
Leich. Es sind, so hoffe ich, dabei Entdeckungen für beide Teile möglich.
Das Wagnis, heute geisteswissenschaftliche Forschungen zu veröffentlichen,
ist dem Verlag Niemeyer, Tübingen, außerordentlich zu danken! Aus Raum-
gründen wurden Darstellung und Nachweise in knappster Form gehalten.
Die größte Hilfe für den Leser, Beigabe der Texte, verbot sich von selbst als
utopisch, hätte ihre Lektüre ja auch nicht wahrscheinlicher gemacht. Den auf-
merksamen Leser wird es kaum verdrießen, die zitierten Sammlungen selbst
zur Hand zu nehmen, vor allem die „Deutschen Liederdichter des 13. Jahr-
hunderts" von Carl von Kraus. Für genaue Orientierung habe ich in jeder
Weise zu sorgen versucht. Sehr dankbar bin ich jedoch für die Möglichkeit,
die zwei wichtigsten Leich-Melodien im Faksimile beigeben zu können; sie
sind, nach Unterrichtung über die Schlüssel, auch für den Laien leicht lesbar,
dem musikalischen Fachmann aber wertvoller als Übertragungen.
Die Probleme dieser Studien beschäftigen mich seit meiner (ungedruckten)
Tübinger Habilitationsschrift von 1939 (Schwäbische Minnesänger. Prolego-
mena zu einer kritischen Ausgabe); einige Teile daraus - erste Konzeptionen
des Hohenfels-Kapitels (seine Metaphernstudien haben damals schon, ohne
Kenntnis der Arbeiten von E. R. Curtius, auf ähnliche Wege geführt), der
Form-Systematik für Neifen und der Leich-Typen Winterstettens - sind in
die betr. jetzigen Kapitel eingeschmolzen. Der Überblick über größere Zu-
sammenhänge wurde dann besonders gefördert durch die Zusammenarbeit
mit Georg Reichert und Kurt Wais bei einer 1949 in Tübingen gehaltenen
Übung über die Formprobleme des mittelalterlichen Liedes in Musik und
lateinischer, französischer und deutscher Literatur. Ganz besonderen Dank
schulde ich Carl von Kraus, dessen nie versagende Güte mir schon vor dem
Druck die Texte und den Schatz der Anmerkungen, Untersuchungen, bio-
graphischen und literaturgeschichtlichen Darstellungen seiner „Deutschen Lie-
derdichter des 13. Jahrhunderts" zugänglich machte. Sie sind immer und mit
größtem Gewinn benutzt, auch wo ich neue Wege auf ihre Begehbarkeit zu
prüfen versuche. Für die Erlaubnis, das Faksimile der von H. Spanke ent-
deckten Tannhäuser-Melodie zu veröffentlichen, danke ich dem Herrn Direk-
tor der Handschriftenabteilung der Bayrischen Staatsbibliothek, für freund-
liche Auskünfte und Vermittlungen Helmut Rosenfeld in München und Heinz
Rupp in Freiburg.
Gewidmet sei das Buch Hermann Schneider, der die frühen Anfänge be-
treute, und Paul Kluckhohn. Mein Dank für ihre wissenschaftliche Lehre und
ihre Freundschaft ist aus langen Jahren erwachsen.
Tübingen, Februar 1952 H. K.
VORWORT ZUR 2. AUFLAGE
Meine Studien zur deutschen Literatur im dreizehnten Jahrhundert, be-
schränkt im Ansatz, aber mit breiteren Ausblicken, werden weiter gebraucht,
und der Verlag, dem ich mich von dem verehrten verstorbenen Herrn Dr. h. c.
Hermann Niemeyer zu Herrn Robert Harsch-Niemeyer seit meinen wissen-
schaftlichen Anfängen freundschaftlich verbunden weiß, drängte schon seit
Jahren auf eine Neuauflage. Ich habe sie verzögert, weil ich zwar das Buch
selbst, das in den spezifischen Materialien und Blickrichtungen der drei Haupt-
kapitel nicht überholt scheint, nicht umarbeiten wollte, wohl aber die ganze,
teils stützende, teils nuancierende, teils weiterführende Forschung seither in
einer ausführlichen Rechenschaft als Nachtrag aufarbeiten.
Der Nachtrag hat sich ausgeweitet zu einem Versuch über das dreizehnte
Jahrhundert, der sowohl die literarhistorischen Ansätze wie die methodischen
Reflexionen des Buches weiter zu klären versucht. Stoff und Literaturhinweise
dieses Kapitels sind ins Register eingearbeitet. Zu danken habe ich den Rezen-
senten der ersten Auflage (insbesondere Heien Adolf, Speculum 29, 1954,
S. 293 ff., William T. H. Jackson, The Germanic Review 28, 1953, S. 309 ff.,
A. Moret, Etudes Germaniques 9, 1954, S. 68, F. R. Schröder, GRM, NF 4,
S. 73) und zahlreichen Freunden und Kollegen, die mich durch Überreichen
von Büchern und Sonderdrucken und durch Gespräch und Zusammenarbeit ge-
fördert haben. Herrn Dr. Christoph Cormeau danke ich für treue Hilfe bei
der Redaktion der Anmerkungen und des Registers.
Paul Kluckhohn und Hermann Schneider, denen die erste Auflage gewidmet
war, sind dahingegangen, ebenso Carl von Kraus und Georg Reichert. Ich
widme die zweite Auflage ihrem Andenken in der Hoffnung, daß über gewiß
möglichen methodischen Fortschritten Charakter, Wissenschaftsstil und Wis-
senschaftsmoral ihrer Art nicht untergehen mögen.
München, August 1967 H. K.
INHALT
Vorwort V
Abkürzungen X
Die nachklassische Wende und der spätstaufisdie Dichterkreis l
Burkhard von Hohenfels und der geblümte Stil 7
Die erste Liedergruppe: Eigenschaftsmetaphern 7
Die zweite Liedergruppe: funktionale Metaphern 14
Zwischenformen 29
Szenenlieder 35
Der Dichter 39
Gottfried von Neifen und der deutsche Strophenbau 44
Gleichversige Strophen 47
Ungleichversige Strophen 56
Kanzonen aus Kurzversreihen 62
Die Sonderformen der Erzähllieder 63
Neifens Typen des Strophenbaus 68
Neifens Formalismus im Inhalt 72
Neifens Strophenbau und die Zeitgenossen 77
Ulrich von Winterstetten und der deutsche Leich 91
Die Leichtypen Ulrichs von Winterstetten 93
Die Typen des deutschen Leichs 109
Der Estampie-Typ bei Tannhäuser 110
Tannhäusers Estampie-Typ bei R. v. Rotenburg und K..v. Würzburg 119
Zweiergruppen bei Hadlaub und Gliers 125
Triadische Estampien 126
Zur Geschichte des Estampie-Typs: Rugge 129
DerLai-Typ 131
Sequenz-Typ 136
Ergebnisse 140
Die Wende: Beginn des Spätmittelalters 143
Aspekt des 13. Jahrhunderts 159
Personen-, Sach- und Liedregister 197
Faksimile-Tafeln I-VII nach Seite 199
ABKÜRZUNGEN
C Die große Heidelberger („Manessische") Liederhandschrift: Faksimile-
ausgabe Leipzig, Inselverlag, 1925-1929; Abdruck von Friedrich Pfaff,
1909.
Carm. Bur. (Schumann) Carmina Burana, hrsg. von Alfons Hilka und Otto Schu-
mann, I. Band Text 1. (1930). 2. (1941). II. Band Kommentar 1.
(1930) (mehr bisher nicht erschienen).
DTÖ Denkmäler der Tonkunst in Österreich.
DTM Deutsche Texte des Mittelalters, hrsg. von der Akademie der Wissen-
schaften zu Berlin.
Dt.Vjs. Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistes-
geschichte.
Di.u.Vo. Dichtung und Volkstum (Fortsetzung [auch der Bandzählung] des
Euphorien von 1934 bis 1944).
Heusler Andreas Heusler, Deutsche Versgeschichte, 2. Band (Grundriß der
Germanischen Philologie 8,2) 1927 (zitiert: arabische Zahlen = Para-
graphen).
KLD Deutsche Liederdichter des 13. Jahrhunderts, hrsg. von Carl von Kraus,
1951 ff., Bd. l Text (zitiert: arabische Zahl = Nr. der alphabetischen
Reihenfolge der Dichter, römische Zahl = Nr. des Liedes, arabische
Zahlen nach Komma = Strophe und Vers); Bd. 2 Kommentar (zitiert:
z. St. = zur Stelle: Einleitungen zu den einzelnen Dichtern und Kom-
mentar zu den einzelnen Liedern, Strophen und Versen).
MF Des Minnesangs Frühling, neu bearbeitet von Carl von Kraus, 1944.
MFU Carl von Kraus, Des Minnesangs Frühling. Untersuchungen, 1939.
MGG Musik in Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Friedrich Blume, 1951 ff.
MGH Monumenta Germaniae historica.
MSH Minnesänger. Deutsche Liederdichter des 12., 13. und 14. Jahrhunderts,
gesammelt von Friedrich Heinrich von der Hagen, 4 Teile, 1838.
MTU Münchener Texte und Untersuchungen zur deutschen Literatur des Mit-
telalters.
NDB Neue deutsche Biographie, 1953 ff.
PMLA Publications of the Modern Language Association, New York.
Q.u.F. Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der ger-
manischen Völker.
RL Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, begründet v. P. Merker
und W. Stammler, 2. Aufl. hrsg. v. W. Kohlschmidt und W. Mohr,
1958 ff.
SM Die Schweizer Minnesänger, hrsg. von Karl Bartsch (Bibliothek älterer
Schriftwerke der deutschen Schweiz 6) 1886, Nachdruck 1964.
Wilm.-M. Walther von der Vogelweide, hrsg. u. erklärt von W. Wilmanns,
4. vollständig umgearbeitete Auflage besorgt von Victor Michels, Bd. 2
(Germanistische Handbibliothek I, 2) 1924.
WU Carl von Kraus, Walther von der Vogelweide. Untersuchungen, 1935,
21966.
ZfdA Zeitschrift für deutsches Altertum.
ZfdPh Zeitschrift für deutsche Philologie.
ZfMusikwiss. Zeitschrift für Musikwissenschaft.
ZfrPh Zeitschrift für romanische Philologie.