Table Of ContentMikropolitik politischer
Organisationen
Reviewed Research. Auf den Punkt gebracht.
VS College richtet sich an hervorragende NachwuchswissenschaftlerInnen.
Referierte Ergebnisse aus Forschungsprojekten oder Abschlussarbeiten werden
in konzentrierter Form der Fachwelt präsentiert. Zur Qualitätssicherung werden
externe Begutachtungsverfahren eingesetzt. Eine kompakte Darstellung auf 60 bis
maximal 120 Seiten ist dabei das Hauptkennzeichen der neuen Reihe.
Herausgegeben von
Professor Dr. Nikolaus Franke Professor Dr. Joachim Henkel
Universität Wien, Wien, Österreich Universität München, München,
Deutschland
Professor Dietmar Harhoff , Ph.D.
Universität München, München,
Deutschland
Simone Kurz
Mikropolitik politischer
Organisationen
Das Beispiel Ortsbeirat
COLLEGE
Simone Kurz
Off enbach, Deutschland Bernhard Schmidt
Voestalpine Langenhagen, Deutschland
Linz, Österreich
ISBN 978-3-531-19186-7 ISBN 978-3-531-19187-4 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-531-19187-4
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Inhalt
1(cid:3) Einleitung ....................................................................................................... 10(cid:3)
1.1(cid:3) Zum Begriff ‚Mikropolitik‘ .................................................................... 13(cid:3)
1.2(cid:3) Aufbau und Zielsetzung der Arbeit ........................................................ 14
2(cid:3) Das organisationssoziologische Konzept .................................................... 17(cid:3)
2.1(cid:3) Die Organisation ..................................................................................... 18(cid:3)
2.1.1(cid:3) Das konkrete Handlungssystem ................................................... 20(cid:3)
2.2(cid:3) Akteur und Strategie ............................................................................... 21(cid:3)
2.3(cid:3) Der Machtbegriff .................................................................................... 25(cid:3)
2.3.1(cid:3) Ungewissheitsquellen ................................................................... 29(cid:3)
2.4(cid:3) Das Spiel ................................................................................................. 31(cid:3)
2.5(cid:3) Relais ....................................................................................................... 34
3(cid:3) Forschungsfeld und Forschungsinteresse .................................................. 37(cid:3)
3.1(cid:3) Der Ortsbeirat als Forschungsfeld .......................................................... 37(cid:3)
3.2(cid:3) Staatliche Einbettung und Aufbau des Ortsbeirats ................................ 38(cid:3)
3.3(cid:3) Mitglieder des Ortsbeirats ...................................................................... 39(cid:3)
3.3.1(cid:3) Der Ortsvorsteher .......................................................................... 40(cid:3)
3.3.2(cid:3) Der Fraktionsvorsitzende .............................................................. 41(cid:3)
3.4(cid:3) Rechte und Pflichten des Ortsbeirats ..................................................... 41(cid:3)
3.5(cid:3) Aufgaben und Zuständigkeitsbereich des Ortsbeirats ........................... 43(cid:3)
3.6(cid:3) Der Ortsbeirat als Organisation .............................................................. 44(cid:3)
3.7(cid:3) Vorstellung der Interviewpartner ........................................................... 45
4(cid:3) Methodisches Design ..................................................................................... 47(cid:3)
4.1(cid:3) Erhebung: Entwicklung des Analyseinstruments .................................. 48(cid:3)
4.1.1(cid:3) Methodenmix ................................................................................ 48
4.1.1.1(cid:3) Die nichtteilnehmende Beobachtung .................................... 49
4.1.1.2 Das Experteninterview ......................................................... 50
4.1.2(cid:3) Kategorienbildung ........................................................................ 52(cid:3)
4.1.3(cid:3) Erstellung des Leitfadens .............................................................. 52(cid:3)
4.1.4(cid:3) Zustandekommen und Durchführung der Interviews .................. 53(cid:3)
4.1.5(cid:3) Transkription ................................................................................. 54(cid:3)
4.2(cid:3) Auswertung: Methodisches Vorgehen ................................................... 55(cid:3)
4.2.1(cid:3) Codierung ...................................................................................... 56(cid:3)
6 Inhalt
4.2.2(cid:3) Extraktion ...................................................................................... 57(cid:3)
4.2.3(cid:3) Aufbereitung ................................................................................. 58
4.2.4(cid:3) Auswertung ................................................................................... 58(cid:3)
4.2.5(cid:3) Interpretation ................................................................................. 59
5(cid:3) Ergebnisse ...................................................................................................... 60(cid:3)
5.1(cid:3) Der Ortsbeirat im konkreten Handlungssystem ..................................... 60(cid:3)
5.2(cid:3) Akteure im Ortsbeirat und ihre Strategien ............................................. 64(cid:3)
5.2.1(cid:3) Aufgaben und Funktion der Akteure im Ortsbeirat ..................... 64
5.2.1.1(cid:3) Der Ortsvorsteher ................................................................. 65
5.2.1.2(cid:3) Der Fraktionsvorsitzende ..................................................... 67
5.2.1.3(cid:3) Das Ortsbeiratsmitglied ........................................................ 68
5.2.2(cid:3) Identifizierte Strategien................................................................. 71(cid:3)
5.2.3(cid:3) Zusammenfassung ........................................................................ 75(cid:3)
5.3(cid:3) Machtverteilung im Ortsbeirat ............................................................... 77(cid:3)
5.3.1(cid:3) Macht als bindendes Moment ....................................................... 81(cid:3)
5.3.2(cid:3) Akteure und Ressourcen ............................................................... 82(cid:3)
5.3.3(cid:3) Identifizierte Ungewissheitsquellen ............................................. 86(cid:3)
5.3.4(cid:3) Zusammenfassung ........................................................................ 90(cid:3)
5.4(cid:3) Spiele und Handlungen im Ortsbeirat .................................................... 91(cid:3)
5.4.1(cid:3) Handeln und Entscheidungen im Ortsbeirat ................................ 92(cid:3)
5.4.2(cid:3) Spiele der Akteure ........................................................................ 95(cid:3)
5.4.3(cid:3) Identifizierte Spielregeln ............................................................ 101(cid:3)
5.4.4(cid:3) Zusammenfassung ...................................................................... 102(cid:3)
5.5(cid:3) Relais im Ortsbeirat .............................................................................. 103(cid:3)
5.5.1(cid:3) Akteure und ihre Beziehungen zur Umwelt ............................... 104(cid:3)
5.5.2(cid:3) Art und Dauer der Relais ............................................................ 107(cid:3)
5.5.3(cid:3) Relevanz der Relais für den Ortsbeirat....................................... 108(cid:3)
5.5.4(cid:3) Zusammenfassung ...................................................................... 109(cid:3)
5.6(cid:3) Beantwortung der Forschungsfrage ..................................................... 109
6(cid:3) Zusammenfassung und Fazit ..................................................................... 112
Literatur ................................................................................................................ 118
Geleitwort 7
Geleitwort
Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, die strategische Organisationsanalyse zur
Untersuchung eines hessischen Ortsbeirats zu benützen. Ein solcher Versuch ist
insofern interessant, als politische Organisationen und/oder Foren sich von anderen
Handlungskontexten, wie Verwaltungs- oder Industrieorganisationen, dadurch unter-
scheiden, dass Macht dort mehr als irgendwo anders zum Selbstzweck werden kann
und auch wird. Eine mikropolitische Betrachtungsweise könnte demgemäß als be-
sonders angebracht für die Analyse eines Ortbeirats angesehen werden. Dass man
trotzdem viele Ansätze von bürokratisch anmutenden Routinen in ihm beobachten
kann, ist wiederum ein Zeichen der Fruchtbarkeit eines Ansatzes der Organisation,
d.h. Konstruktion und Aufrechterhaltung eines Minimums von Ordnung und voraus-
sehbarem Handeln, als Forschungsfrage.
Die Arbeit ist sehr methodisch angelegt. Einleitung und erstes Kapitel dienen
dazu, die Fragestellung zu formulieren, sie in das weitere Konzept der Mikropolitik
einzuordnen und die für die Arbeit genützte strategische Organisationsanalyse von
Crozier und Friedberg umfassend und unter Einbeziehung auch unterschiedlicher
Rezeptionen darzustellen. Im nächsten Kapitel werden dann das Forschungsobjekt,
der Ortsbeirat einer hessischen Stadt, seine politische Funktion, seine Formalstruktur
sowie die in ihm agierenden Mitglieder vorgestellt. Im Folgenden, dem Forschungs-
design gewidmeten vierten Kapitel, werden die benützten Forschungsmethoden
diskutiert: nichtteilnehmende Beobachtung sowie leitfadengestützte Interviews mit
einer sehr sorgfältig zusammengestellten Stichprobe von zehn Mitgliedern des Orts-
beirats und es wird die Vorgehensweise sowohl bei der Erhebung als auch bei der
Auswertung der erhobenen Daten dargestellt. Das fünfte Kapitel dient dann der Dar-
stellung der Ergebnisse der Untersuchung. Die Autorin beschreibt das konkrete
Handlungssystem des Ortsbeirats eingebettet in das politische System der Stadt, aber
auch in das Parteiensystem und untersucht diverse formale und informale Aus-
tauschprozesse und Strategien, die sich aus dieser Einbettung ergeben. Ich lasse den
Leser die Einzelheiten dieser Analyse entdecken. Interessant scheint mir hier insbe-
sondere die ambivalente Haltung der Ortbeiratsmitglieder in Bezug auf die weitge-
hend versteckte Rolle des Parteiensystems, dessen Einfluss wesentlich das Handeln
im Ortsbeirat zu strukturieren scheint. Es ist interessant festzustellen, dass diese Tat-
sache von den Interviewpartnern zwar zugegeben wird, diese aber gleichzeitig eine
sehr ambivalente Haltung dazu haben: Parteipolitik wird auch im Ortsbeirat getrie-
ben, scheint aber im Gegensatz zur Stadtebene hier weniger legitim zu sein. Das
sechste und letzte Kapitel behandelt dann die Spiele, welche die Autorin innerhalb
8 Geleitwort
des Ortsbeirats beobachtet hat und innerhalb derer die erfassten Strategien Sinn ma-
chen. Der Autorin folgend tauchen wir ein in das Funktionieren eines Ortsbeirats.
Insbesondere die vielen in der Arbeit wiedergegebenen und ebenso reichhaltigen wie
ausdrucksvollen Interviewauszüge ermöglichen es dem Leser, sich ein realistisches
Bild zu machen. Darauf aufbauend bietet sich folgende Charakterisierung der Funk-
tionsweise dieser Institution an. Das erste Merkmal ist der Symbolcharakter des
Geschehens in einem Ortsbeirat. Die Tatsache, sich wie auf einer Bühne zu fühlen
und gewissermaßen ein Spektakel zu liefern mit den dazugehörigen Rollen, klingt in
vielen Interviewauszügen an. Dies unterstreicht die expressive Dimension des Han-
delns im Ortbeirat, die man leicht mit der nicht bindenden Kraft der Beschlüsse in
dieser Institution in Verbindung bringen wird. Das zweite, für mich hervorstechende
Merkmal ist die Inversion der Machtbeziehungen, die man beobachten kann. Die
eigentlichen Machthaber in dem untersuchten Ortsbeirat sind die Fraktionsvorsitzen-
den, nicht der Ortsvorsteher. Dieser hat in den Sitzungen eine leitende Rolle und
kann dadurch versuchen, Einfluss auszuüben und ist auch als Mittler zwischen den
Blöcken durchaus wesentlich. Aber die Lektüre der Kurz’schen Arbeit suggeriert,
dass die Fraktionsvorsitzenden durch ihre Vorbereitung der Beiratssitzungen die
Tagesordnung, die Koalitionenbildungen und das Abstimmungsverhalten der einzel-
nen Mitglieder strukturieren und damit einen wesentlichen Einfluss auf die gefassten
Beschlüsse nehmen. Und dies wieder deutet auf eine größere Rolle der Parteipolitik
auf Ortsbeiratsebene, als man spontan hätte annehmen können. Wenn auch mit Am-
bivalenz als illegitim betrachtet, so scheint sie doch das Geschehen auch auf dieser
Institutionenebene zu leiten. Dass trotzdem im Ortsbeirat “kooperatives, kollektives
und organisiertes Handeln stattfindet”, wie die Autorin am Ende ihrer Arbeit unter-
streicht, ist für sie der Beleg, dass es sich bei dieser Institution um eine Organisation
handelt, die imstande ist, das Verhalten ihrer Mitglieder soweit zu kanalisieren, dass
diese den Fortbestand der Organisation nicht nur nicht in Gefahr bringen, sondern
dazu beitragen: Bürger werden angehört, Beschwerden werden kundgemacht, Be-
schlüsse werden gefasst, kurz der Ortsbeirat hat seine Routine und funktioniert in
relativ bürokratischer Weise.
Allerdings kann die Frage gestellt werden: genügt das, und was ist nun wirklich
der Nutzen und die Funktion eines Ortsbeirats. Um eine solche Frage zu beantwor-
ten, hätte die Arbeit auf die Rolle des Ortsbeirats in der Stadtverwaltung ausgeweitet
werden müssen, was den von der Autorin angezielten Forschungsrahmen und Frage-
stellung gesprengt hätte. Die Tatsache, dass eine Institution funktioniert, sagt jedoch
noch nichts darüber aus, ob sie gut funktioniert und ob sie ihrer Aufgabe innerhalb
der Stadtverwaltung gerecht wird. Aber die in dieser Arbeit gelieferte konkrete
Schilderung der Arbeitsweise dieses Ortsbeirats liefert erste willkommene Materia-
lien für eine solche Überlegung.
Erhard Friedberg
Geleitwort 9
Geleitwort
Die Frage, wie soziale Ordnung angesichts egoistischen individuellen Handelns
möglich ist, ist eine zentrale Frage der Soziologie. Auch wenn bürokratische Orga-
nisationen – z.B. bei Max Weber – starre Gebilde sind, in denen klare Aufgaben-
und Kompetenzverteilung herrschen, stellt sich dort die gleiche Frage. Michel
Crozier und Erhard Friedberg, Vertreter einer gemäßigten Theorie rationalen Han-
delns, gehen davon aus, dass in Organisationen ununterbrochen Machtprozesse
stattfinden und dass Mitglieder von Organisationen danach trachten, eigene Inte-
ressen durchzusetzen u.a. indem sie sogenannte Ungewissheitszonen kontrollieren,
mit anderen Worten: sich unentbehrlich für ihre Kolleg/-innen machen. Kooperati-
on wird dann zu einer – zumindest vordergründig – nicht rationalen Strategie.
Diesen Ansatz nutzt Simone Kurz in ihrer Forschungsarbeit, in der es um die Un-
tersuchung eines hessischen Ortsbeirats geht und um die Frage, inwieweit bzw. ob
in einer solchen politischen Organisation kollektives, kooperatives und organisier-
tes Handeln möglich ist. Der Ortsbeirat ist ein kommunales Verwaltungsorgan. Er
vertritt die Interessen der Ortsteile, Stadtteile oder Teilorte gegenüber der gesamt-
städtischen oder gesamtgemeindlichen Verwaltung. Die Mitglieder des Ortsbeirats
sind ehrenamtlich tätig und werden über Parteienproporz berufen. Den Ortsbeirä-
ten werden die zur Erledigung ihrer Aufgaben nötigen Finanzmittel von der Kom-
mune oder Regionalverwaltung zur Verfügung gestellt. Die Innovation der vorlie-
genden Studie liegt in der theoretischen Perspektive, die Kurz heranzieht, um die
Funktionsweise des Ortsbeirats besser zu verstehen.
Das zentrale Ergebnis ist: kooperatives, kollektives und organisiertes Handeln
findet statt. Der Grund hierfür leitet sich vor allem aus der Zielsetzung des Ortsbei-
rats ab – Bürgerinteressen zu filtern und politisch zu vertreten. Dafür gibt es forma-
le Regeln, die Ordnung wahrscheinlich machen sowie eine Hierarchie, an die sich
die Mitglieder in der Regel halten. Ihre Ziele, die sich auch von der Programmatik
der Partei, der sie angehören ableiten, erreichen die Mitglieder durch Einhaltung
der Regeln und adäquaten Einsatz von Spielen. Dabei kommt es vor allem auf die
Fähigkeit zur Koalitionsbildung an, weswegen Simone Kurz in der Zusammenfas-
sung auf die Bedeutung von Akteursgruppen verweist. Sie geht sogar so weit zu
behaupten, dass nicht die Rekonstruktion der Beziehungsgeflechte von Einzelak-
teuren wie bei Crozier und Friedberg, sondern die Interessen und Ziele der
Akteursgruppen im Zentrum der Analyse stehe.
Prof. Dr. Birgit Blättel-Mink