Table Of ContentISBN 978-3-662-31351-0 ISBN 978-3-662-31556-9 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-31556-9
Sonderdruck aus "Der Balneologe", 6. Jahrgang 1939, Heft 8.
(Springer-Verlag Berlin Heide/berg GmbH)
Messung der Wirkung von Gasteiner Thermalwasser auf den Menschen.
Von Dr. med. Robert Exner.
(Mitteilung ~r. 20 aus dem Forschungsinstitut Gastein.)
Eine geeignete Methode, um die Wirkung der Kurmittel auf den Menschen zu studie
ren, erschien uns in der KROGHschen Spirometrie gegeben, wenn man von dem Grund
satze ausgeht, daß das Leben auf Oxydationsprozessen beruht und damit jeder technisch
einwandfreie Kurvenwert das Volumen dieser fundamentalen Lebensprozesse zu der Zeit
des Versuches wiedergibt. Damit wird jede Grundumsatzbestimmung zu einer Bestim
mung des momentanen Minimallebensvolumens und jede Bestimmung eines Leistungs
zuwachses zur Definierung jenes Volumens an zusätzlicher Lebensenergie, den die Versuchs
person zur Beantwortung eines bestimmten Reizes aufbringt. Will man, nebenbei bemerkt,
außer der Größe des Lebensvolumens noch Genaueres über die vegetativen Steuerungs
mechanismen des Körpers erfahren, so kann man mit Vorteil die während der Experimente
gewonnenen Pulsfrequenzzahlen verwerten, da bei gleicher Vasomotorenstellung und
gleichem Schlagvolumen des Herzens die Pulsfrequenz von der Höhe des momentanen
0 -Bedarfes abhängig ist.
2
Von diesen Grundvorstellungen ausgehend, habe ich im Auftrage des Institutsvorstan
des mit Versuchen an Gesunden begonnen, um die Variable, welche durch den Krankheits-
358 R. EXNER:
verlauf bedingt ist, vorläufig auszuschalten. Dabei mußte natürlich von vornherein
mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß der Gesunde irrfolge der Stabilität seiner vege
tativen Funktionen in vielen Fällen wenigstens schwächer oder überhaupt nicht reagiert,
während ein Kranker, dessen Organismus die Tendenz hat, wieder in ein entsprechendes
biologisches Gleichgewicht zu kommen, vielleicht leichter anspricht.
Um auch bei Gesunden Versuchsfehler durch mangelnde Übung oder psychische
Erregung zu vermeiden, aber auch um Einblick in die konstitutionell bedingten vegetativen
Eigenheiten der Versuchspersonen zu bekommen, ist von jeder einzelnen Versuchsperson
zunächst ein volles Spirometerbild ausgearbeitet worden und dann erst mit den eigent
lichen Versuchen begonnen worden. Diese Voruntersuchung ist aber nicht nur notwendig ge
wesen, um die Sicherheit der eigentlichen Experimente zu garantieren, sondern auch aus dem
Gedanken heraus gemacht worden, daß vielleicht die eine oder andere funktionelle Eigen
heit zu einer besonderen Reaktionsfähigkeit auf die Gasteiner Therme prädisponieren könnte.
Da die anfangs vorgenommenen einfachen Grundversuche (150 ccm Thermalwasser)
nur gelegentlich ein leichtes Absinken der Pulsfrequenz bei gleichbleibendem Sauerstoff
verbrauch ergeben haben, bin ich sehr bald dazu übergegangen, die Einwirkung des Ther
malwassers auf die kohlehydrat-dynamische Wirkung zu studieren.
Arbeitsvorgang bei der Feststellung einer Kh.-dyn. W.: Um Kh.-dyn. W. zu prüfen,
wird nach etwa IOstündigem Fasten und mindestens 15minutiger ruhiger Rückenlage
eine Basiskurve abgenommen und dann ein Zuckerfrühstück, bestehend aus 15 Stück
Würfelzucker und l oder 2. Glas Wasser genossen. Die Zeitdauer dieses Frühstücks wird
genau notiert und dann 1/2stündlich der 02-Verbrauch erneut festgestellt. Diese Kurven
sind dann mit Kh.-dyn. l, Kh.-dyn. 2 usw. zu bezeichnen. Die Spitze der Oxydations
erhöhung nach Zuckerfrühstück ist spätestens l Stunde nach dem Frühstück zu erwarten.
Um nun die Einwirkung des Thermalwassers auf die Kh.-dyn. W. zu studieren, habe ich
in absichtlich unregelmäßiger Folge bei jeder einzelnen Versuchsperson das gewöhnliche
kalte Trinkwasser des Zuckerfrühstücks durch eine entsprechende Menge des aus ver
schiedenen Quellen zusammengemischten Thermalwassers ersetzt, in einzelnen Versuchen
aber auch statt des Trinkwassers die hochaktive Sophienquelle allein verwendet, wobei
das Wasser für den am Morgen stattfindenden Versuch am vorhergehenden Abend der
Quelle frisch entnommen und unter Luftabschluß aufbewahrt worden ist.
Bei Verwendung der Kh.-dyn. W. als eines Testes für die Thermalwasserwirkung auf
den Körper kommt zu den Schwierigkeiten, die sich aus gewissen vegetativen Eigenheiten
auch bei Gesunden ergeben, noch die dazu, daß der Kh.-Bedarf des lebenden Körpers
bei Übersättigung gleich Null werden kann; es kann daher auch beim Gesunden bei Kh.
Übersättigung die Kh.-dyn. W. überhaupt ausbleiben oder sogar einen negativen Verlauf
zeigen. Ein Beispiel hierfür liefert folgende Versuchsserie:
Tabelle I. Vp. I. S. <jl.
Allgemeine spirometrische Verhältnisse: GU. zeigt in etwa 14tägigen Perioden Schwankungen zwi
schen-25% und + 0% bei entsprechend schwankenden Pulsfrequenzen. Spez .. dyn. W. geht mit dem GU.
mit und ist quantitativ normal, in der Höhe an der unteren Grenze des Normalen. Drehreaktion normal.
Erzielte
des DVaetrusmuc hes I G. Ud. eVs eTrhaägletsn isse Bewimur dZeunc kgeertfrruünhksetünc k Verlauf der kh.-dyn. W. \ Steig~ruug
3. IX. 19381 -14% bei Puls 60 l Glas Trinkwasser unbrauchbar II
5. IX. 1938 - 19% bei Puls 60 l Glas Thermalwasser normal 29
Am Abend des 5. IX. relative Kh.-Übersättigung durch reichlichen Mehlspeisegenuß, dessen Folgen
sich am nächsten Tag zeigen.
6. IX. 1938 - 13% bei Puls 70 l Glas Sophienquelle mit negativer Vorphase 36
7. IX. 1938 -25% bei Puls 62 l Glas Thermalwasser verzögert 29
8. IX. 1938 -0,7% bei Puls 60 l Glas Sophienquelle negativ - 7
9. IX. 1938 - 7% bei Puls 67 l Glas Trinkwasser normal 12
10. IX. 1938 - 3% bei Puls 60 l Glas Thermalwasser negative Vorphase 8
Die Versuchsserie wurde wegen Kh.-Übersättigung abgebrochen.
Messung der Wirkung von Gasteiner Thermalwasser auf den Menschen. 359
Ist also in dieser Versuchsserie die Übersättigung mit Kohlehydrat es gewesen, die
störend gewirkt hat, so haben folgende 2 Versuchsserien, bei denen dieser Fehler ver
mieden worden ist, sehr deutliche Ergebnisse gezeitigt.
Tabelle 2. Vp. 2. S. J.
Die spirometrische Exploration vor Beginn der Versuche ergibt schwankende GU.-Werte zwischen
+
12% und -13% bei mitgehenden Pulsfrequenzen, wobei bei tiefer Tageslage subjektiv ein leichtes
Müdigkeitsgefühl herrscht; die spez.-dyn. W. zeigt beschleunigten Ablauf, auf Drehreiz normales
Verhalten.
Datum G U .·Verhältnisse 15 Stck. Würfelzucker Verlauf I HöcShtesitgee reurnzige lte
wurden genommen mit der kh-dyn. W.
%
5. IX. 1938 + 10% bei Puls 64 2 Glas Trinkwasser normal 10
6. IX. 1938 -12% bei Puls 60 2 Glas Sophienquelle normal I 37
7. IX. 1938 + 8% bei Puls 68 2 Glas Trinkwasser normal 12
8. IX. 1938 + 6% bei Puls 62 2 Glas Sophienquelle normal I 14
Im letzten Versuche vom 8. IX. dürfte die geringere Steigerung der Oxydation auf die Sophien
quelle hin einerseits durch die absinkende Tendenz der Nüchtemwerte, die sich durch die niedrigere
Pulsfrequenz andeutet, andererseits durch eine gewisse Sättigung mit Kh. bedingt gewesen sein.
Tabelle 3. Vp. 3. K. J.
Die spirometrische Exploration vor Beginn der Versuche ergibt labile GU.-Verhältnisse, die
zwischen normalen, asthenischen und parasympathicotonen Spirometerbildern auf und abpendeln.
Höchste erzielte
Datum G U .·Verhältnisse 15 Stck. Würfelzucker Verlauf I Steigerung
wurden genommen mit der kh-dyn. W.
%
I. IX. 1938 -9% bei Puls 64 2 Glas Trinkwasser normal 32
2. IX. 1938 -8% bei Puls 61 2 Glas Sophienquelle normal 62
3. IX. 1938 -2% bei Puls 58 2 Glas Thermalwasser normal 41
Eine zweite Versuchsserie vom 13., 14. und 15. IX. hat sich als unverwertbar erwiesen, da eine
interkurrente Gastroenteritis, die sich schon am 13. IX. durch Obstipation ankündigte, die Versuchs
resultate erheblich verändert hat.
Recht eindeutig ist auch die folgende sehr vollständige Versuchsserie.
Tabelle 4. Vp. 4. M. J.
Die spirometrische Exploration vor Beginn der Versuche ergibt ziemlich stabile GD.-Verhältnisse,
die nur eine gewisse Tendenz zeigen, auf äußere Einflüsse hin hohe Situationshyperbiosen oder vaso
neurotische Spirometerbilder zu liefem.
-~--D-atum I Verlauf der IH öchste erzielte
) G. u.-Verhältnisse 15 Stück Würfelzucker Steigerung
_ wurden genommen mit kh-dyn. W.
%
EfE l! ---
1~: 1m1 :~!~ i~E ifi€~~, normal 45
tonisch 14
tonisch 3
tonisch 47
13. IX. 1938 1 2% bei Puls 70 2 Glas Trinkwasser normal 27
14. IX. 1938 5% bei Puls 68 2 Glas Thermalwasser normal 33
±
15. IX. 1938 0% bei Puls 68 2 Glas Sophienquelle normal 42
1
17. IX. 1938 Wegen Aufregung unbrauchbar.
19. IX.1938 -0,7% beiPuls76 I 2Glas Trinkwasser normal 44
Die für M. auffälligen GU.-Verhältnisse dieses Tages und die große Höhe der kh.-dyn. W. nach
Trinkwasser dürfte ihren Grund in einer am 18. IX. unternommenen Autofahrt über die Glockner
straße gehabt haben (Gletscherbrand).
21. IX. 1938 I - 1% bei Puls 70 I 2 Glas Trinkwasser I leicht tonisch I 36
Stellt man sich aus der vorstehenden Tabelle die erzielten Höhen der kh.-dyn. Wirkungen bei
Trinkwasser, Thermalwasser und Sophienquelle zusammen, so ergibt sich, daß bei Verwendung von
Trinkwasser bei drei einwandfreien Versuchen die erzielten Steigerungen des 0 -Verbrauches mit 3%,
2
27% und 36% etwas hinter den 2 Versuchen mit Thermalwasser, die 14% und 33% ergeben haben,
360
zurückbleiben; absolut höher aber liegen die Steigerungen, wenn man zum Zuckerfrühstück statt
Thermalwasser oder Trinkwasser die gleiche Quantität Sophienquelle verabreicht: die Steigerungen
betragen 45%, 47% und 42%.
Zusammenfassend ist zu bemerken:
Tabelle 1 lehrt uns, daß man, um eine möglichst gute Ausbeute an brauchbaren
Versuchen zu bekommen, die individuelle Kh.-Toleranz berücksichtigen muß, also in sol
chen Fällen, wie Vp. S., nicht mehr als höchstens 3 Versuche in der Woche ansetzen darf.
Zieht man, um einen Überblick über die vorläufigen Ergebnisse zu gewinnen, sämt
liche Ziffern aus den übrigen Tabellen 2, 3 und 4 bis auf die von Vp. M. vom 17. und
19. IX. zu arithmetischen Mitteln zusammen, so ergeben sich als höchste erzielte Steige
rungen im Mittel für:
Trinkwasser 20%, gew. Thermalwasser 29%, bzw. Sophienquelle 41%.
Es sind mir im Sommer 1938 nur 7 Wochen Arbeitszeit für die mir von Prof. KmscH
übertragene Aufgabe zur Verfügung gestanden. Es mußte in diesen 7 Wochen erst die
KRoGHsche Apparatur aufgestellt und ausprobiert werden, bevor ichdarangehen konnte,
die brauchbarste spirometrische Methode herauszufinden. Sie hat sich in der kh.-dyn. W.
gefunden, wie die gegebenen Tabellen zeigen. Diese kh.-dyn. W. wird von mir derzeit
an der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik in Wien für das Gasteiner Forschungsinstitut
genauer studiert und durch Einführung einer weiteren Variabeln zu einer exakteren
Methode ausgebaut. Es kann sich darum bei den mitgeteilten Ergebnissen von 1938 nur
um Vorversuche handeln. Die eigentlichen Versuche sollen erst im Sommer 1939 mit einer
verbesserten Methodik durchgeführt werden. Forschungsinstitut Gastein.