Table Of ContentCHEMISCHE TECHNOLOGIE
IN EINZELDARSTELLUNGEN
HERAUSGEBER: PROF. DR.A.BINZ, BERLIN
ALLGEMEINE CHEMISCHE TECHNOLOGIE
MESSEN UND WÄGEN
EIN LEHR- UND HANDBUCH
INSBESONDERE FÜR CHEMIKER
VON
DR. WALTER BLOCK
EICHUNGSOlREKTOR DER PROVINZ OSTPREUSSEN
MIT EINER EINLEITUNG
DIE HISTORISCHE ENTWICKLUNG
DER MESSKUNDE UND DES MASS
UND GEWICHTSWESENS
VON
D R. FR I TZ P LA T 0
DIREKTOR A. D. DER REICHSANSTALT FÜR MASS UND GEWICHT
MIT 109 ABBILDUNGEN IM TEXT
Springer-Verlag Berlin Beideiberg GmbH
1928
ISBN 978-3-662-34252-7 ISBN 978-3-662-34523-8 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-662-34523-8
Copyright 1928 by Springer-Verlag Berlin Heidelberg
Ursprünglich erschienen bei Otto Spamer, Leipzig 1928
Softcoverreprint ofthe bardeover Istedition 1928
V orben1erkungen.
Die Fertigstellung der vorliegenden Schrift hat bedauerlicherweise recht
lange Zeit in Anspruch genommen. Ursprünglich hatte ihre Abfassung der
derzeitige Direktor der Reichsanstalt für Maß und Gewicht, Herr Geh. Regie
rungsrat Dr. Plato, übernommen. Seine starke dienstliche Inanspruchnahme
in der Nachkriegszeit, sowie die reichliche Arbeit, die ihm die Eingliederung
der Reichsanstalt für Maß und Gewicht in die jüngere Schwesteranstalt der
Physikalisch-Technischen Reichsanstalt verursachte, ließen ihm nur sehr
wenig Zeit, die Arbeit zu fördern. Als er dann in den Ruhestand trat, ent
schloß er sich, die Arbeit an diesem Werk völlig einzustellen, und im Ein
verständnis mit dem Herrn Herausgeber der Sammlung und der Verlagsbuch
handlung wurde die Fortführung dem Verfasser übertragen. Auch er konnte
infolge starker dienstlicher Inanspruchnahme das Manuskript ganz erheblich
später abschließen·, als ursprünglich geplant war.
Herr Geh. Regierungsrat Dr. Plato übergab mir seinerzeit den von ihm
druckfertig hergestellten Teil. Es lag keinerlei Veranlassung vor, diesen Teil
nicht zu verwenden, und er wurde daher ohne nennenswerte Änderungen in
das Werk aufgenommen und bildet in ihm das erste Kapitel. Seine Aufnahme
in das Werk ist um so mehr begründet, als er Gegenstände behandelt, die im
allgemeinen in der Literatur in dieser Weise nicht zu finden sind.
Der übrige Teil des Buches ist vollständig von mir bearbeitet.
An Lehr- und Handbüchern über Meßtechnik ist in der Literatur kaum
Mangel. Im Gegenteil, man findet von ihnen viele gute und weniger gute
der verschiedensten Art, insbesondere sei an das weltbekannte Handbuch
von Kohlrausch erinnert, das jeder, der maßtechnisch ernst arbeitet, wohl zur
Genüge kennen und schätzen gelernt hat. Es gewinnt allerdings den Eindruck,
daß dieses Lehrbuch für solche, die nicht dauernd maßtechnisch arbeiten,
immerhin etwas schwierig ist, so daß für sie die volle Ausnutzung der in ihm
niedergelegten Erfahrungen viel zu mühsam und kaum möglich ist. Ein
experimentell arbeitender Physiker wird in ihm keine Schwierigkeiten finden,
vielleicht aber der Chemiker, Mediziner und andere Naturwissenschaftler,
die nur gelegentlich schwierigere Messungen ausführen müssen. Der kleine
Leitfaden von Kohlrausch dürfte wohl für diese Kreise günstiger sein, er scheint
aber im allgemeinen nicht voll zu befriedigen.
Alle diese Lehrbücher der Meßtechnik haben gewöhnlich das eine Gemein
same, daß sie Zll stark Nachschlagebücher bzw. Rezeptsammlungen sind,
was ja nicht ohne weiteres als ein Fehler bezeichnet werden kann, aber für
VI Vorbemerkungen.
einen, der meßtechnisch noch nicht durchgebildet ist, immerhin eine ge·
wisse Erschwerung des Arbeitens bedeutet. Ich bin deswegen in vollster Ab
sicht in der vorliegenden Schrift so vorgegangen, daß ich ihr mehr den Charak
ter eines Lehrbuches geben wollte.
Aus diesem Grunde macht das Buch keinen Anspruch auf Vollständig
keit. Ich habe vielmehr mit vollstem Bewußtsein viele Dinge ausgelassen,
die in ein durchschnittliches Handbuch der Meßtechnik zweifellos herein
gehören, und mit besonderer Ausführlichkeit diejenigen Dinge berücksichtigt,
die ein Chemiker häufiger braucht. Es sind deswegen gerade die Ab
schnitte über die Messung von Raumgrößen, über Wägungen, Dichte
bestimmungen, über Längenmessungen, über Temperaturmessungen mit dem
Quecksilberthermometer ganz besonders ausführlich behandelt worden,
während andere Kapitel demgegenüber erheblich kürzer ausgeführt sind, zum
Teil ganz fortfielen. Man wird vergeblich etwas über Farbenmessungen suchen
oder über die Messung von Potentialen mit Normalelektroden. Ich ging
dabei von der wohl nicht unberechtigten Voraussetzung aus, daß jemand, der
in den maßgebenden Messungen eines Chemikers eine gewisse Übung besitzt
und Erfahrung gesammelt hat, wie man überhaupt Messungen einwandfrei aus
führen kann, wohl dann auch in der Lage sein wird, sich über diese unter
Verwendung der ausführlichen Handbücher ausreichend zu unterrichten.
Diese Schrift will vielmehr nur eine einfache und ausführliche Einleitung
geben, wie man die Grundmessungen, die für einen Chemiker von Bedeutung
sind, ausführt, und wie man überhaupt Messungen vornimmt, die auf einen
etwas höheren Grad von Zuverlässigkeit Anspruch erheben.
Wieweit diese Erwägungen sich als praktisch brauchbar erweisen, und
ob das Buch von einem gewissen Nutzen sein wird, kann erst die Erfahrung
lehren.
Königsberg, den l. Januar 1928. Block.
Inhaltsverzeichnis.
I. Die historische Entwicklung der Meßkunde und des Maß· und Gewichtswesens
von F. Plato
1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . l
2. Die früheren Maßsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . 5
3. Das metrische System und der Internationale Metervertrag 12
4. Die Form der Maße
a) Form der Längenmaße, Endmaße und Strichmaße 28
b) Form der Massenmaße und Raummaße 37
5. Der Stoff der Maße
a) Maßstäbe . . . . . . . . . . . . . . 39
b) Gewichte . . . . . . . . . . . . . . 42
6. Aufbewahrung und Behandlung der Maße 44
7. Normaltemperatur und Gebrauchstemperatur 45
II. Allgemeines über Messungen und ihre Ausführung.
1. Genauigkeit, Meßfehler und Zuverlässigkeit von Messungen . 49
2. Wissenschaftliche und technische Messungen und Meßgeräte. 57
3. Rechnerische Ermittlung von Versuchsergebnissen, Rechenhilfsmittel 59
4. Korrektionsrechnungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
III. Maßsysteme und allgemeine physikalische Konstanten.
I. Grundlagen des physikalischen Maßsystems . . . . 67
2. Das absolute Maßsystem. . . . . . . . . . . . . 70
3. Die wichtigsten allgemeinen physikalischen Konstanten 74
IV. Messung von Zeiten ................. . 80
V. Messung von Winkeln.
1. Allgemeines. . . . . 86
2. Ablesungsverfahren mit Spiegel und Skala 88
3. Libellen . . . . . . . 90
VI. Messung von Längen.
1. Allgemeines und Normale ......... . 93
2. Nonien .................. . 101
3. Meßschrauben und ihre praktische Anwendung 104
4. Fühlhebel . . . . . 110
5. Besondere Meßgeräte 112
VII. Messung von Flächen 118
VIII. Messung von Räumen . 122
1. Feste Körper . . . . 122
2. Chemische Meßgeräte 126
3. Ermittlung des Raumes von Gefäßen durch Auswägen 130
4. Wassermesser . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
5. Gase, allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . 141
6. Umrechnung von Gasmengen auf Normalbedingungen 141
7. Gasmeßgeräte und Verfahren ........... . 143
VIII Inhaltsverzeichnis.
IX. Wägungen.
1. Allgemeines und Gewichte . 150
2. Waagenkonstruktionen. . . 152
3. Mikrowaagen . . . . . . . 163
4. Wägeverfahren und Untersuchung von Gewichtssätzen 169
5. Die Korrektionen bei Wägungen 176
X. Messung der Dichte.
1. Allgemeines. . . . . . . 183
2. Dichte fester Körper . . 188
3. Dichte von Flüssigkeiten 191
4. Gasdichte . . . . . 209
5. Dampfdichte . . . . . . 216
XI. Messung von Drucken.
1. Allgemeines und Barometer 220
2. Manometer . . . . . 226
3. Mikromanometer . . . . . 229
4. Hochdruckmanometer . . . 231
5. Messung niedrigster Drucke 232
XII. Feuchtigkeitsmessung 234
XIII. Temperaturmessung.
1. Allgemeines. . . . 237
2. Quecksilberthermometer . 240
3. Dampfdruckthermometer 251
4. Widerstandsthermometer . 252
5. Thermoelemente 255
6. Strahlungspyrometer 256
7. Einbau der Temperaturmeßgeräte 259
8. Siede-, Schmelz- und Gefrierpunkte. Siedepunkts- und Gefrierpunkts-
änderung ...... . 260
XIV. Messung von Wärmemengen 266
XV. Messung von Lichtstärken 273
XVI. Optische Messungen.
l. Allgemeines. . . . . 278
2. Refraktometrie . . . 278
3. Interferenzmessungen 283
4. Polarimetrie . . . . 288
XVII. Elektrische Messungen.
l. Allgemeines und Normale ...... . 292
2. Die typischen Meßgeräte ....... . 297
3. Meßverfahren für Widerstandsmessungen 306
4. Spannungsmessungen und Kompensationsapparate 309
5. Messung der Stromstärke . . . . . . . . . . . 315
6. Der Wechsel- und Drehstrom in der Meßtechnik . 315
7. Messung des Widerstandes von Elektrolyten . 320
8. Elektrometer . 324
Literatur 336
Register 330
I. Die historische Entwicklung der Meßkunde un(l
des Maß- und Gewichtswesen~.
Von F. Plato.
1. Einleitung.
Maß und Gewicht, Messen und Wägen bilden nicht nur die unumgäng
lichste Vorbedingung jeglichen Warenumsatzes, vom einfachsten Tausch
verkehr der Negerstämme bis zum weltumspannenden Handel des königlichen
Kaufmannes, sie ergeben auch die notwendige Grundlage alles naturwissen
schaftlichen Forschens und technischen Könnens. Physik und Chemie ver
danken ihre gewaltigen Fortschritte im Erkennen der Naturvorgänge nicht
zum wenigsten der stetigen Verfeinerung der Maße und der Meßverfahren,
nnd die hochentwickelte Technik der Neuzeit wäre ohne die feinsten Meß
mittel und Messungen überhaupt nicht denkbar. Von jeher ist deswegen auch
der Entwicklung der Maße und des Meßwesens die größte Aufmerksamkeit
zugewendet worden.
Messen im allgemeinsten Sinne des Wortes heißt Mengen bestimmen. Die
Messung einer vorliegenden Größe erfolgt durch Vergleichung mit einer
anderen Größe. Unter Wägen versteht man die Bestimmung von Massen
größen, es fällt also unter den umfassenderen Begriff des Messens.
Die Größe, mit welcher die Vergleichung ausgeführt wird, bezeichnet man
als Maß. Man spricht sie als Maßeinheit an, wenn die gemessene Größe zu
dem Maße in zahlenmäßige Beziehungen gebracht und als ein Vielfaches oder
ein Bruchteil von ihr ausgedrückt wird. Haupteinheiten sind solche Einheiten,
zu deren Begriffsbestimmung andere Einheiten nicht herangezogen zu werden
brauchen. Neben- oder abgeleitete Einheiten haben nur Bedeutung im Hin
blick auf die Haupteinheiten. Untereinheiten wendet man an, wenn bei
dem Ausdruck des Verhältniswertes einer Größe zu einer Haupt- oder Neben
einheit sich zu große oder zu kleine Zahlen ergeben. Das Meter ist z. B. eine
Haupteinheit, denn zu seiner Erläuterung bedarf es keiner anderen Ein
heiten, es steht für sich allein da. Quadratmeter und Kubikmeter sind Neben
oder abgeleitete Einheiten; sie haben nur Sinn und Wert durch ihren Zu
sammenhang mit dem Meter. Kilometer, Millimeter, Mikron sind Unter
einheiten; sie sind an sich überflüssig, da sich jede Länge in Metern ausdrücken
läßt, sie erweisen sich aber als recht zweckmäßig bei der ziffernmäßigen Dar
stellung sehr bedeutender oder sehr geringer Längen.
ßlock, Messen und Wiigen. 1
2 I. Die historische Entwicklung der Meßkunde und des Maß- und Gewichtswesens.
Jede Größe kann nur mit einer Größe gleicher Art verglichen und gemessen
werden, z. B. Längen, Massen, Kräfte, Widerstände nur wieder mit Längen,
Massen, Kräften und Widerständen. Für jede Größenart müßte demgemäß
auch eine besondere Einheit festgesetzt werden. Tatsächlich läßt sich aber die
ganze unendliche Fülle der Sondereinheiten auf drei Grundeinheiten zurück
führen. Alle physikalischen Erscheinungen bestehen in letzter Linie in Be
wegungen. Jede Bewegung aber setzt das Vorhandensein von drei Größen
voraus, die als die grundlegenden anzusehen sind, einer Masse, die sich be
wegt, eines Raumes, in dem die Bewegung vor sich geht und einer Zeit, inner
halb deren sie sich abspielt. Hiernach bedarf die Physik nur dreier Grundein
heiten, je einer für die Masse, für den Raum und für die Zeit. Für die Chemie
gilt das gleiche. In der Technik, allerdings nur soweit sie nicht reine und
augewandte Physik und Chemie ist, kommt man vielfach sogar mit den zwei
Einheiten der Masse und des Raumes aus. Auch im Handel spielt die Zeit
wohl nur bei den Lohnfestsetzungen eine gewisse Rolle, jedenfalls aber kaum
die Rolle einer Maßgröße. Man könnte selbst noch einen Sch:titt weitergehen
und sich hier mit einer Grundeinheit, der für den Raum, begnügen, denn
Raum- und Massenmaße sind in der Regel nicht unabhängig voneinander,
da das Massenmaß sich in vielen Maßsystemen auf die Masse eines mit einem
gewissen Stoffe, meist Wasser bestimmter Dichte, angefüllten Raumes zurück
führen läßt. Dann wäre nur das Raummaß ein Grundmaß, das Massenmaß
aber ein abgeleitetes. Indessen kommt auch der umgekehrte Fall vor, daß die
Masseneinheit die zuerst gegebene und die Raumeinheit die abgeleitete Größe
darstc llt. Auch das Zeitmaß kann zum Ausgangspunkt aller anderen Maße
genommen werden1•
Die Zahl der Grundeinheiten ist somit eine eng begrenzte, drei nicht über
schreitende. Gleichwohl ist die Zahl der Haupteinheiten unbeschränkt,
denn jede Größe kann als Maß für jede andere Größe gleicher Art dienen,
wenn nur zwei Personen oder eine Gemeinschaft von Menschen dahin überein
kommt, sie als Einheit anzuerkennen. Daher die unendliche Fülle von Ein
heiten und auf ihnen aufgebauten Maßsystemen im Altertum, wo fast jede
Familie eine für sich abgeschlossene Gesellschaft bildete. Erst als solche
kleinen Gemeinden mit anderen in Verbindung traten oder größeren Genossen
schaften sich angliederten, trat ein Bedürfnis nach gemeinsamen Maßen
und Maßsystemen hervor und machte sich um so dringender geltend, je mehr
der Handel von Staat zu Staat sich zum Weltverkehr entwickelte. Sieht man
von einigen orientalischen Maßsystemen mehr örtlicher Bedeutung ab, so
kommen jetzt nur noch zwei Systeme in Betracht, das metrische und das
englische. Aber jenes ist auf dem besten Wege, auch dieses völlig zu verdrängen
und sich die Alleinherrschaft auf dem ganzen bewohnten Erdenrund zu
erringen.
Bei der Wahl der Einheiten drängten sich die in der Natur gegebenen
Größen gleichsam von selbst auf. In der Tat sind auch fast alle Maße ursprüng-
1 Vgl. über alle diese Fragen z. B. die Arbeit von Wallot in Handbuch der Physik,
Bd. IJ. Berlin 1926.