Table Of ContentEditor I Herausgeber:
Prof Salomon Klac~ko-RYlldzwn. Frankfurt a M
Co-Editors I Mitherausgeber;
Prof. Ranan Banerji, Temple University. PhiladelphIa
Prof Jerome A Feldman. UII/verslty of Rochester. Rochester
Prof Mohamed Abdelrahman MallSOUr ETH, ZUflch
Prof Ernst Billeter. UlI/verSllat Fflbourg Fflbourg
Prof Chmtof Burckhardt. EPF. Lausanne
Prof Ivar Ugi. Technlsche Unlversilar Munchen
Prof King-Sun Fu. Purdue UlliverSlty West Lafayelle
Prof. Gerhard Fehl, R W TH, Aachen
Dr-Ing. Ekkehard Brulln, UlliverSltal, Dortmund
Interdisciplinary Systems Research Interdisziplinare Systemforschung
AnalysIs - Modelmg - Simulation Analyse Formallslerung - S,mulallon
The system science has been developed from several Die Systemwissenschaft hat sich aus der Verbindung
scientific fields: control and communication theory, mehrerer Wissellschaftszweige elltwick elt: der Rege
model theory and computer science. Nowadays it ful lungs-lind Steuerullgstheorie, der Kommunikationswis
fills the requirements which Norbert Wiener formulated senschaft. der Modelltheorie ulld der Informatik. Sie
originally for cybernetics; and were not feasible at his erfiJlft heute das Programm, das Norbert Wiener mit
time, because of insufficient development of computer seiner Definition von Kybemetik ursprunglich vorgelegt
science in the past. hat und dessen Durchfiihrung zu seiner Zeit durch die
Research and practical application of system science noch ungenugend entwickelte Computerwissenschaft
involve work s of specialists of system science as well stark eingeschrank t war.
as of those from various fields of application. Up to Die Forschung und die prak tische Anwendung der Sy
now, the efficiency of this co-operation has been proved stemwissenschaft bezieht heure sowohl die Fachleute
in many theoretical and practical works. der Systemwissenschaft als auch die Spezialisten der
The series 'Interdisciplinary Systems Research' is in An wendullgsgebiete ein. III vielen Bereichen hat sich
tended to be a source of information for university diese Zusammenarbeit mittlerweile bewahrt.
students and scientists involved in theoretical and ap Die Reihe .Interdisziplinare Systemforschung" setzt
plied systems research. The reader shall be informed sich zum Ziel. dem Studenten. dem Theoretiker und
about the most advanced state of the art in research. dem Prak tiker iiber den neuesten Stand aus iehre und
application. lecturing and meta theoretical criticism in Forschung. aus der Anwendung und der metatheore
this area. It is also intended to enlarge this area by in tischen Kritik dieser Wissenschaft zu berichten.
cluding diverse mathematical modeling procedures Dieser Rahmen soli noch insofern erweitert werden, als
developed in many decades for the description and op die Reihe in ihren Publikationen die mathematischen
timization of systems. Modellierungsverfahren mit einbezieht. die in verschie
In contrast to the former tradition, which restricted the dens ten Wissenschaften in vielen Jahrzehnten zur
theoretical control and computer science to mathemati Beschreibung und Optimierung von System en erarbeitet
cians, physicists and engineers, the present series em wurden.
phasizes the interdisciplinarity which system science Entgegen der fruheren Tradition. in der die theoretische
has reached until now, and which tends to expand. City Regelungs-und Computerwissenschaft auf den Kreis
and regional planners, psychologists. physiologists, der Mathematiker, Physiker und Ingenieure beschrank t
economists, ecologists, food scientists. sociologists. war, liegt die Betonung dieser Reihe auf der Interdiszi
political scientists, lawyers, pedagogues, philologists. plinaritat. die die Systemwissenschaft mittlerweile er
managers, diplomats, military scientists and other spe reicht hat und weiter anstrebt. Stadt-und Regionalpla
cialists are increasingly confronted or even charged ner, Psychologen, Physiologen. Betriebswirte. Volk s
with problems of system science. wirtschafrer, Okologen, Ernahrungswissenschafter,
The ISR series will contain research reports - including Soziologen. Politologen. Juristen, Padagogen, Mana
PhD-theses - lecture notes, readers for lectures and ger, Diplomaten. Militarwissenschafter und andere Fach
proceedings of scientific symposia. The use of less ex leute sehen sich zunehmend mit Aufgaben der System
pensive printing methods is provided to assure that the forschung konfrontiert oder sogar beauftragt.
authors' results may be offered for discussion in the Die ISR-Reihe wird Forschungsberichte - einschliess
shortest time to a broad, interested community. In or lich Dissertationen -. Vorlesungsskripten, Readers zu
der to assure the reproducibility of the published results Vorlesungen und Tagungsberichte enthalten. Die Ver
the codillg lists of the used programs should be in wendung wenig aufwendiger Herstellungsverfahren soli
cluded in reports about computer simulatioll. dazu dienen. die Ergebnisse der Autoren in kiirzester
The illternational character of this series is intended to Frist einer miJglichst breiten, interessierten Offentlich
be accomplished by illcludillg reports in Germall, Eng. k eit zur Disk ussion zu stellen. Um auch die Reprodu
lish and French. both from universities and research zierbark eit der Ergebnisse zu gewahrleisten, werden in
centers in the whole world. To assure this goal. the edi Berichten uber Arbeiten mit dem Computer wenn im
tors' board will be composed of representatives of the mer moglich auch die Befehlslisten im Anhang mitge
different countries and areaS of interest. druck t.
Der internationale Charakter der Reihe 5011 durch die
Aufnahme von Arbeiten in Deutsch, Englisch und FranziJ
sisch BUS Hochschulen und Forschungszentren BUS aller
Welt verwirk licht werden Dafur soli eine entspre
chende Zusammensetzung des Herausgebergremiums
sorgen.
ISR61
Interdisciplinary Systems Research
Interdisziplinare Systemforschung
P5
Urban and Regional Planning
Raumplanung
Vol. 5
Hinweis der Herausgeber
Zur Unterabteilung Urban and Regional Planning / Raumplanung der Reihe Interdisciplinary
Systems Research / Interdisziplinare Systemforschung (ISA. P)
Der hier veroffentlichte Band «Mensch-Maschine-Systeme fUr die Stadtplanung» schliesst an
die Technokratiedebatte in der Planung an - doch anders: denn er geht Ober die bekannte These
von der prinzipiellen WidersprOchlichkeit politischer und (sozial-) technischer Methoden fUr gesell
schaftliche Problemlosungsprozesse hinaus - mit seiner Formel von der Nutzung technischer Hilfs
mittel in der Politik. Dies wird konkret belegt.
Die Arbeit zeichnet dazu einen durchaus nicht selbstverstandlichen Bogen: Stadtplanung und
die mogliche Verbesserung ihrer Problemlosungsprozesse stellt sich als Problem und Aufgabe. Diese
Prozesse greifen zu konnen - dazu bedarf es einer Theorie: der planungstheoretische Ansatz des
<kommunikativen Problemli:isens> wird entwickelt. Die Einsatzmoglichkeit eines technischen Instru
mentes kommt auf: Mensch-Maschine-Systeme. Eine Variante wird in ihren prinzipiellen Bauteilen
entworfen, eingerichtet und in dem systemtechnisch durchkonstruierten Simulationsmodell POLIS
vorgestellt. Es ist auf Stadtplanung bezogen und getestet. Der Bogen ist geschlossen. Raumplanung
und Systemforschung konnen - so hoffen wir - in die Diskussion eintreten.
Und noch etwas Grundsatzliches zeigt sich: Je konkreter technische Hilfsmittel fOr planerisch
politische Problemlosungsprozesse entwickelt werden, desto weniger lasst sich die Technokratiede
batte in der Gegenoberstellung allgemein von Sozialtechnologie und Politik fOhren. Nicht Technik an
sich, sondern gerade diese Technik steht zur Kritik. Jeder Technokratievorwurf muss sich an ihr mes
sen - oder der instrumentelle Nutzen ist nicht bestreitbar: Systemtechnik dieses Typs folglich zu for
dern - theoretisch und vor allem praktisch.
«Mensch-Maschine-Systeme fUr die Stadtplanung» ist - nach dem Start mit dem Aufsatz
band «Systemtheorie und Systemtechnik in der Raumplanung» (Brunn / Fehl Hrsg., ISR 21, P1)
ein weiterer Band in der Foige von Monographien und Aufsatzbanden zu planungs-und systemtheo
retisch beziehungsweise planungs-und systemtechnisch abgehandelten Problemen aus der Raum
planung: aus der nationalen Raumordnung, der Stadt-, Regional-und Landesplanung, dem Stadte
bau und der Bauleitplanung und auch aus einigen Fachplanungen wie Wohnplanung, Verkehrspla
nung, Versorgungsplanung, Freizeitplanung, Bildungsplanung, Gesundheitsplanung, Umweltplanung,
Bauplanung, Architektur. Siehe dazu ISR 54(P2), ISR 55(P3) und ISR 60(P4).
Wir gehen als Herausgeber davon aus, dass interdisziplinare Systemforschung immer beide
Aspekte zu berOcksichtigen hat: Einmal eine disziplinObergreifende Entwicklung von aligemeinen und
formal orientierten Verfahren, Techniken und Methoden und auch die weitere Entfaltung einer allge
meinen Systemtheorie. Hier nimmt Raumplanung Anregungen aus den Formalwissenschaften eben
so entgegen wie aus den Sozial-, Natur-und Ingenieurwissenschaften. Zum anderen aber hat inter
disziplinare Systemforschung auch immer eine praktische Seite, d.h. wird disziplinar an konkreten
praktischen Problemen entwickelt und verwendet und unterliegt dort den vie I engeren und auch har
teren Kriterien von Brauchbarkeit und Angemessenheit.
Durch die Einrichtung einer Unterabteilung <R aumplanung > (im Angelsachsischen etwa <U r
ban and Regional Planning» ist nun ein erster disziplinarer Bereich innerhalb der Reihe Interdiszipli
nare Systemforschung ausgewiesen. Weitere sind gefolgt. Notwendigkeit und Berechtigung dieser
Unterabteilung - sie betreut Arbeiten zum Stadtebau, zur Stadt-, Regional-und Landesplanung so
wie zur Raumordnung - ergeben sich nicht einfach daraus, dass zahlreiche Arbeiten zur Veroffentli
chung anliegen (das auch), sondern weil an vie len Stellen des In-und Auslandes auf dem Gebiet der
Systemforschung / Raumplanung zwar interdisziplinar gearbeitet. doch immer noch vie I zu wenig dar
Ober kommuniziert wird. FOr Ergebnisse solcher Forschung und Praxis ist das Forum eroffnet wor
den. Rasch und in pragmatischer Abwagung von Standard, Aktualitat und Leserinteresse werden
die vorliegenden Arbeiten zur Veroffentlichung weitergegeben, rasch und unbOrokratisch veroffent
licht und vertreibt der Verlag. (Das gilt selbstverstandlich genauso fUr solche Arbeiten, die zukOnftig
bei uns eingereicht werden!) Uber den Aspekt des Forums fUr Forschung und Praxis hinaus ist be
sonders zu beachten, dass Raumplanung ja wie kaum ein anderes Verwendungsgebiet von System
wissenschaft mitten in der gesellschaftlichen Praxis liegt und sich somit Systemtheorien und System
techniken in besonderer Weise als Hilfsmittel anbieten - zugleich aber auch in besonderer Weise
praktisch und politisch kontrovers sind. In dieser Unterabteilung <Raumplanung> wird dann sowohl
der Stand von Forschung und Praxis des Systemansatzes in Erfolg, Problemen und Perspektiven do
kumentiert. als auch der Kritik am Systemansatz Platz gegeben werden, ausgehend von der Erwar
tung, dass durch Bericht und Diskussion die Weiterentwicklung fOr die Raumplanung und fOr die Sy
stemwissenschaft im Sinne einer interdisziplinaren Systemforschung vorangetrieben werden kann
und wird.
Ekkehard Brunn
Gerhard Fehl
Salomon Klaczko
Michael Wegener
Mensch-Maschine-Systeme
für die Stadtplanung
1978 Springer Basel AG
CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek
Wegener. Michael:
Mensch-Maschine-Systeme fUr die Stadtplanung /
Michael Wegener. - Basel, Stuttgart: Birk-
hauser. 1978.
(Interdisciplinary systems research; 61:
p, Urban and regional planning; Vol. 5)
Nachdruck verboten.
Aile Rechte, insbesondere das der Ubersetzung in fremde Sprachen und
der Reproduktion auf photostatischem Wege oder durch Mikrofilm,
vorbehalten.
© Springer Basel AG 1978
Urspriinglich erschienen bei Birkhauser Verlag Basel 1978,
ISBN 978-3-7643-1046-2 ISBN 978-3-0348-5764-2 (eBook)
DOI 10.1007/978-3-0348-5764-2
3
INHALT
Einleitung •••.•••.......••......••••.........•••...•..••......•.......••.. 5
I. Problemlosungsprozesse in der Stadtplanung ..•.............•..•.....•. 9
I. Theorien des Planungsprozesses 9
1.1 Planungstheorie in den USA .•....•••.....................•...•. 10
1.1.1 Die vier Traditionen 10
1.1.2 "Planer" und "Antiplaner" .............................. . 13
1.2 Planungstheorie in der BRD ...•.•.............••....•.......... 16
1.2.1 Die groBen Debatten .................................... . 17
1.2.2 Ttieorie der Planung .••...........•..........•........... 20
1.2.3 Theorie fur die Planung ............................... .. 23
1.3 Kommunikative Planung ..•.......••....•......................•• 26
2. Planungspraxis und Reformansatze .................................. 30
2.1 Status quo •..••..•.•..•....••..•.......•.............•........ 30
2.2 Reformansatze •.......•....•...........•....................... 33
2.2.1 Koordination der Planungen .............................. 33
2.2.2 Burgerbeteil igung an der Planung ................••..•... 34
2.2.3 Planungsinformationssysteme ....•...•....•......••....... 36
2.3 Kritik der Reformansatze ...................................... 38
3. Planung als kommunikatives Problemlosen ...........•.•.•........... 42
3.1 Informationsverarbeitung beim Problemlosen .................... 43
3.1.1 Problemlosen und Problemlosung .........•............... , 43
3.1.2 Problemstrukturierung ......••....•.................•.... 45
3.1.3 Losungssuche •...•...•.•.....................•.......•... 49
3.1.4 Losungsrealisierung ...••............•...........•...••.. 52
3.2 Informationsbedarf beim Problemlosen .......................... 54
3.2.1 Einfache und komplexe Planungsprobleme .................. 56
3.2.2 Die Entscheidungssituation in der Raumplanung ........... 56
3.2.3 Komplexitatsreduktionsstrategien .•..........••.•........ 58
3.2.4 Komplexitatsbewaltigung ................................. 60
3.3 Problemlosen mit Maschinen .................................... 61
1 I. Mensch-Maschine-Systeme fur die Planung .............•................ 63
1. Begr i ffsbest i mmung •........•...•...•.•....•.•..........•.........• 63
2. Entwicklungsstand .•.••...••••••••..••.•••.••...•.................. 65
2.1 Interaktive Computerprogramme ......••......•.•..............•. 66'
2.2 Kommunikationsmedien .•.....•........•............•.........••• 69
3. Methodische Grenzprobleme ......................................... 73
3.1 Menschl iche und maschinelle Informationsverarbeitung .••.••.... 73
3.1.1 Informationsverarbeitung beim Menschen .................. 75
3.1.2 Informationsverarbeitung durch Maschinen ................ 78
3.2 Fo I gerungen fur Mensch-Masch i ne-Systeme ..•..••....•.......•.•. 83
4
4. Planungsmaschinen .•................••..............•............•. 86
4.1 Software .....•...........•......•..•...••....••...........••. 86
4.1.1 Sprachteil ............•.......•.•.•.....•..•.••..••.... 87
4.1.2 Speichertei 1 •....•...••........••......•......•........ 91
4.1.3 Verfahrensteil .•..................•...........•..•...•. 92
4.1.4 Steuertei 1 ..........••......•••..•...•.•..••....••...•• 93
4.2 Hardware 96
5. Maschine und Benutzer •.••••••....••.•..••.•....••.•..••..•.•.•... 100
I I I. Beispiel: Stadtentwicklungsplanung ........•.•......•..........•..... 102
1. Simulation und Bewertung .••.••••.•....•••••..••.....•....•......• 103
1 • 1 S i mu 1a t ion •••...•..••.•.....•.•..••..........•...•.....•..•.. 1 03
1.1.1 Das Prinzip der Simulation .............•.....••.....•.. 103
1.1.2 Entwurfskriterien fUr Simulationsmodelle ..•..•.....•... 105
1.1.3 Simulationsmodelle fUr die Stadtplanung .•...•••.•••.... 109
1.2 Bewertung ..•.•..•.•.........••....••..•....•..•.•.•....•.•.•• 111
1.2.1 Das Bewertungsproblem ............•......•...........•.. 111
1.2.2 Nutzentheoretische Modelle ....•..•••..•••.............• 112
1.2.3 Bewertungsverfahren fUr die Stadtplanung ............... 118
2. Das POLiS-Modell ...•....•...•...•............•••...........•..•.. 120
2.1 Das Simulationsmodell POLiS ......•.•••...•....•....•......... 121
2.1.1 Systemdarstellung .•....•.•...•••..•••.••...•....•••...• 121
2.1.2 Modelldaten .••...........•....•.•......•.....••..•...•. 124
2.1.3 Modellablauf ••..•..•.....•••••..••.•.....•..•.......•.. 124
2.1.4 Modellergebnisse ...•...••....•...•...•....••......•.••. 127
2.2 Das POLIS-Bewertungsverfahren ....•.•...•......•.•............ 127
2.2.1 Das verwendete Nutzenmode 11 •••..•..•....•.....•.••..••. 127
2.2.2 Das Bewertungsverfahren ....•••................•.••..... 128
2.3 Kombination von Simulation und Bewertung .•.•..•.........•.... 130
2.3.1 Vergleichende Bewertung ....•.•..•..••...•.•........•..• 130
2.3.2 Konfl iktanalyse ..•...........••......•.....•...•.•..•.• 130
2.3.3 Losungssuche als LernprozeB .••.............•.•......•.. 130
2.4 Bisherige Anwendungen ..........•••.....•.....••••....•.....•. 131
3. Kritik an POLiS •..•......••.......•....••..•.••.......•.....•.•.• 132
4. Megl iche Weiterentwicklung ..............••.......•••...•.......•• 137
4.1 Das integrierte interaktive Modell ...•.....••...•.•••...••... 137
4.1.1 Interaktive Simulation und Bewertung .......•....•••.•.. 137
4.1.2 POLIS al s Planungsmaschine •......•.•••••.•......•..•••. 140
4.2 Dynamische Simulation von Zielsystemen ....••.••••.•.••...•••• 142
4.2.1 Simulation des BewuBtseins ...•......•.•.•••..•••.•••... 143
4.2.2 Die dynamische MAUT ..•••..•.••...•..••....••...•••.•... 145
L i teraturverze i chn is. . . . • • . . . . . . . . • • • . . . . . • • . . • . • . • • . • . • . • . . . . . . . . • . • . . .. 152
Personenregister ......................................................... 169
Sachregister .............................................................
172
5
EINLEITUNG
Der Zustand der groBen Stadte in aller Welt zeigt, daB die Planung hochver
dichteter Agglomerationen jenseits einer gewissen GroBe das Steuerungspoten
tial auch hochentwickelter Gesellschaftssysteme Oberfordert. Selbst in einem
reichen Industrieland wie der Bundesrepublik gel ingt es den groBen Stadten
trotz groBem Einsatz von Kapital und Technik nicht, die Lebensbedingungen ih
rer Bewohner zu verbessern oder auch nur gleich zu halten.
Die Probleme der Stadte gleichen sich: Zersiedlung, Verkehrschaos, unzulang
liche offentliche Dienstleistungen, larm, luft- und Wasserverschmutzung. An
gesichts des Verfalls der sozialen und physischen Qualitat des stadtischen Le
bens wachst die Unzufriedenheit der BOrger mit ihrer Stadt und verscharfen
sich die Konflikte zwischen den Interessen unterschiedlicher sozialer Gruppen.
Die Ursachen fOr die Unplanbarkeit groBer Stadte lassen sich in drei Gruppen
eintei len:
Die erste Gruppe von Ursachen ist Ausdruck der pol itischen, wirtschaftlichen
und technischen Bedingungen, unter denen Stadtentwicklung sich vollzieht. Hier
zu gehoren die Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht in der Hand
weniger, relativ kleiner Gruppen sowie die institutionelle und faktische Ab
hangigkeit der Kommunen von staatlichen Interessen und ihre unzureichende Fi
nanzausstattung im Verhaltnis zu ihren wachsenden Aufgaben. Hierzu gehort ein
Planungs- und Bodenrecht, das eine rationale Verteilung der Nutzungen auf dem
Stadtgebiet erschwert oder unmaglich macht. Hierzu gehoren die zunehmende Gro
Be, Komplexitat, Verflechtung und Verletzbarkeit der technischen Infrastruktur,
die wachsende Interdependenz und Komplexitat der okonomischen und gesellschaft
lichen Strukturen sowie die absehbare Erschopfung der natOrlichen Ressourcen
Boden, Wasser, Luft und Energie.
Die zweite Gruppe von Ursachen betrifft die stetig steigenden Erwartungen, mit
denen die offentlichkeit die Ergebnisse der Stadtplanung wahrnimmt. Die zu be
obachtende Sensibilisierung der Bevolkerung fOr Fragen der kommunalen Planung
auBert sich unmittelbar in steigenden AnsprOchen im Hinbl ick auf offentliche
leistungen, in abnehmender Bereitschaft, Verschlechterungen der lebensbedin
gungen hinzunehmen, in vermehrter Artikulation von Gruppeninteressen und in
der verstarkten Forderung nach Mitwirkung an Planungsentscheidungen. Mittelbar
erweist sich die Aufmerksamkeit der BUrger fUr Planungsfragen als ein hochst
wirkungsvolles Regulativ gegenOber Planungsinitiativen der Verwaltung. So nOtz
lich diese informelle Kontrollfunktion in vieler Hinsicht ist, so tragt sie
doch dazu bei, den Handlungsspielraum der offentlichen Planung weiter einzu
engen.
Dennoch ware es Zu einfach, die Schuld an den Problemen der groBen Stadte al
lein den Umweltbedingungen der Planung zuzuschieben. Ein wesentlicher Teil der
Schwierigkeiten ist darauf zurOckzufUhren, daB die Stadte es bisher kaum ver
standen haben, die Binnenstruktur ihres Planungssystems den komplexer geworde
nen Umweltverhaltnissen anzupassen. Organisation, Ausbildung, Forschung und
Praxis der Stadtplanung in der Bundesrepublik sind in vieler Hinsicht hinter
dem Stand anderer Lander zurUck. Neue Organisations- und Partizipationsmodel
Ie, wissenschaftliche Planungs- und Entscheidungsverfahren, die in privaten
Wirtschaftsunternehmen seit langem praktiziert werden, werden zur Planung des
gesellschaftl ichen "GroBbetriebs" Stadt nur vereinzelt und zogernd erprobt, un
zureichend unterstUtzt und selten fUr konkrete Aufgaben angewandt.
6
Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich vornehmlich mit dieser dritten Gruppe
von Ursachen. Sie ist ein Versuch, aus der Kritik der kommunalen Planungspraxis
einen Beitrag zur Fortentwicklung von Begriff und Methodik der kommunalen Pla
nung zu leisten, der langfristig auch auf die beiden ersten Gruppen von Ursa
chen zuruckwirkt. Die Hoffnung, daB eine solche Ruckwirkung m6g1ich ist, grun
det sich auf folgende planungstheoretische Position:
Das wichtigste Strukturproblem der demokratischen Planung ist die Vereinigung
zweier gegensatzlicher Ziele: einerseits der Herausbildung leistungsfahiger
Strukturen und Verfahren zur Erfassung und Reduzierung von Umweltkomplexitat,
andererseits der m6g1ichst umfassenden Verwirklichung demokratischer Normen
zur Sicherstellung von Wertberucksichtigung, Interessenartikulation und Selbst
verwirklichung der Systemmitglieder. Die drei wichtigsten erkennbaren Reform
ansatze der gegenwartigen Planungspraxis, funktionale Differenzierung (IIOrga
nisation"), Burgerbeteiligung ("Partizipation") und Automation der Informa
tionsverarbeitung ("Information"), dienen nur jeweils einem dieser Ziele und
haben daher bisher wenig zur Losung dieses Strukturproblems beigetragen. Die
Grenzen der ersten beiden Ansatze liegen in ihrer gegenlaufigen Interdependenz:
Organisation und Partizipation lassen sich, bei konstanter Informationsverar
beitung, nur auf Kosten von einander steigern. Gerade der dritte Ansatz droht
jedoch gegenwartig aufgrund seiner Orientierung auf die Inputseite des Pla
nungssystems ins Leere zu stoBen.
Der Schlussel zur Auflosung dieses Dilemmas liegt in einem Wechsel der Per
spektive. Standen bisher die Planungseinheiten innerhalb des Planungssystems,
d.h. einzelne Planer oder Planergruppen, Ressorts oder die planende Verwaltung
insgesamt und ihre spezifischen Funktionen im Blickfeld, so rucken nun die In
teraktionen zwischen den Planungseinheiten in den Mittelpunkt des Interesses.
Das heiBt, die wesentlichen Leistungen des Planungssystems wie Problemerken
nung, Zielfindung, Losungssuche, Bewertung und Auswahl werden aus den Planungs
einheiten in die Kommunikationsprozesse zwischen ihnen verlagert. In einem sol
chen auf Interaktionsbeziehungen begrundeten PlanungsprozeB wirken die drei Re
formansatze Organisation, Partizipation und Information nicht mehr gegenlaufig,
sondern verstarken einander; mehr noch, sie gehen in der institutionalisierten
offentlichen Diskussion uber gesellschaftliche Entscheidungen ineinander auf.
tlffentlicher Diskurs als Medium gesellschaftlicher Problemlosung gehort zu den
Lieblingsthemen der neueren Planungstheorie. Die Verwirklichung derartiger
Konzepte scheitert jedoch notwendig an den engen Leistungsgrenzen dieses ar
chaischsten aller Interaktionsmedien. Dennoch muB der Versuch der Ruckkehr zum
radikaldemokratischen Ideal der direkten Demokratie nicht vollig aussichtslos
sein, sofern es gelingt, Verstarkungsmechanismen fur diskursive Interaktions
systeme zu entwickeln, die deren Leistungsgrenzen erweitern.
Die Suche nach sol chen Verstarkungsmechanismen ist das Hauptthema dieser Ar
beit. Dabei steht der Gedanke im Vordergrund, maschinelle Informationsverar
beitungsleistungen so in den PlanungsprozeB zu integrieren, daB menschliche
Informationsverarbeitungsleistungen je nach Situation ersetzt, entlastet oder
gefordert werden. Automation fur die Planung gewinnt damit einen neuen Stel
lenwert: Es geht jetzt nicht mehr darum, routinehafte Teilablaufe des Planungs
prozesses nach dem Muster der Automation des Verwaltungsvollzugs zu "program
mieren", sondern es geht vor allem um eine maschinelle Verstarkung der krea
tiven, innovativen und kommunikativen Kernelemente der Planertatigkeit wie Pro
blemerkennung, Zielfindung, Entwurf, Bewertung und Vermittlung, d.h. um kol
lektives Problemlosen mit Hilfe spezialisierter Maschinen.